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{"created":"2022-01-31T15:15:38.561786+00:00","id":"lit30539","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kries, J. von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 63-69","fulltext":[{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem Physiologischen Institut zu Freiburg i. Br.)\nHeber die anomalen trichromatischen Farbensysteme.\nVon\nJ. von Kries.\nIn meiner Arbeit \u00fcber Farbensysteme1 konnte wahrscheinlich gemacht werden, dafs die sogenannten anomalen Trichromaten sich von den normalen nicht durch eine st\u00e4rkere Pigmentirung der Macula, sondern in der Beschaffenheit der optischen Substanzen selbst unterscheiden. Diese Anschauung konnte haupts\u00e4chlich darauf gest\u00fctzt werden, dafs bei der Herstellung von Gleichungen zwischen homogenem Gelb und Mischungen aus Roth und Gr\u00fcn der anomale die Mischungen weit gr\u00fcner einstellt und gegen\u00fcber den innerhalb eines m\u00e4fsigen Spielraums schwankenden Werthen der normalen Trichromaten ,,aus der Reihe f\u00e4llt\u201c. Es liefs sich annehmen, dafs jene kleineren Schwankungen physikalisch, durch Absorption der Augenmedien, zu erkl\u00e4ren w\u00e4ren, die vereinzelten sehr grofsen Abweichungen aber auf etwas anderem beruhten. Eine genauere Pr\u00fcfung dieser Annahme war durch systematische Untersuchung von anomalen Trichromaten (welche ich damals auszuf\u00fchren noch nicht Gelegenheit gehabt hatte) ganz wohl m\u00f6glich. Sie konnte zun\u00e4chst von der folgenden Ueberlegung ausgehen. W\u00fcrde im Auge des\nnormalen Trichromaten das Gr\u00fcn durch Absorption auf \u2014 seines\nWerthes geschw\u00e4cht, so w\u00fcrde, sofern sonst keine Differenzen\n1 Diese Zeitschr. XIII, S. 287.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nJ. von Kries.\nvorliegen, der anomale in jeder Gleichung dem Gr\u00fcn den z-fachen Betrag von demjenigen geben m\u00fcssen, den der normale erfordert. Mit anderen Worten: das Mengenverh\u00e4ltnis von Gr\u00fcn\nzu Roth\t\u00bb welches der anomale braucht, um mit einem\nbestimmten homogenen Licht Gleichheit zu erzielen, m\u00fcfste das \u00e6-fache sein von demjenigen, das der normale einstellt. Diese Aenderung m\u00fcfste (und darin liegt der Angriff: f\u00fcr die experimentelle Pr\u00fcfung) f\u00fcr alle homogenen Lichter, mit denen man Gleichungen herstellt, dieselbe sein. Bestimmt man also f\u00fcr eine Reihe homogener Lichter die Quotienten der f\u00fcr den einen und f\u00fcr den anderen Beobachter sich herausstellenden Werthe Gr\u00fcn\nRoth \u2019 S0 w*r(^ wenn diese constant bleiben, eine physikalische\nUrsache der Differenz zu vermuthen sein, wenn sie sich aber in erkennbarer Weise \u00e4ndern, die physikalische Ursache ausgeschlossen und das Vorhandensein einer andersartigen nachgewiesen sein.\nBeobachtungen dieser Art sind im Laufe der letzten Jahre mehrfach in der Form von Parallelversuchen ausgef\u00fchrt worden. Verwendet wurde der Helmholtz\u2019sehe Farbenmischapparat und es wurde mit kleinem Feld (ca. 1,5\u00b0) und bei helladaptirtem Auge gearbeitet Die Ergebnisse sind in den folgenden Tabellen enthalten, zu denen nur noch zu bemerken ist, dafs jede Zahl das Mittel aus 5 Einstellungen giebt.\nTabelle I enth\u00e4lt eine Versuchsreihe, die von mir selbst und Herrn cand. med. Lotze ausgef\u00fchrt wurde, nachdem dieser durch eine Reihe von Vorversuchen auf derartige Einstellungen hinl\u00e4nglich einge\u00fcbt war.\nTabelle II enth\u00e4lt 2 Versuchsreihen desselben Herrn Lotze in Gemeinschaft mit einem anderen normalen Trichromaten (cand. med. Halben).\nTabelle III endlich enth\u00e4lt in den 4 oberen Abtheilungen 4 Versuchsreihen, die von Dr. Polimanti (normaler Trichromat) und Prof. Zehnder angestellt wurden. In der untersten Abtheilung der Tabellen II und III ist unter der Rubrik Quotienten noch der Mittelwerth der in jenen 2 resp. 4 Reihen gefundenen Quotienten aufgef\u00fchrt worden.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die anomalen trichromatischen Farbensystevne.\n65\nTabelle I.\nBeobachter v. Keies und Lotze.\nH om ogenes Licht\tVerli\u00e4ltnifs v. Kries\tGr\u00fcn ...\tQuotient\n\t\tRoth tU1 Lotze\t\n628 fifi\t0,062\t0,280\t4,51\n615 \u201e\t0,136\t0,520\t3,74\n603 \u201e\t0,257\t0,810\t3,15\n591 ,,\t0,455\t1,43\t3,14\n581 \u201e\t0,791\t2,12\t2,68\n571 \u201e\t1,266\t3,15\t2,48\n561 \u201e\t2,02\t4,43\t2,15\n552 \u201e\t3,85\t8,15\t2,12\nTabelle II.\nBeobachter Halben und Lotze.\n628 fifi\n603 \u201e 581 \u201e 561 \u201e\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIX.\nHomogenes Licht\tVerh\u00e4ltnifs Halben\tGr\u00fcn\tQuotient\n\t\tRoth fur Lotze\t\n628 y y\t0,039\t0,16\t4\u20192\ti\n603 \u201e\t0,16\t0,59\t3,7\tI\n581 \u201e\t0,55\t1,74\t3,2\t|\n561 \u201e\t1,44\t4,04\t2,9\t*\n628 fifi\t0,04\t0,19\t4,5\n603 \u201e\t0,20\t0,67\t3,4\n581 \u201e\t0,63\t1,77\t2,8\n561 \u201e\t1,74\t3,94\t2,3\n4,35\n3.6 3,0\n2.6\n1. Reihe.\n2. Reihe.\nMittelwerthe.","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nJ. von Kries.\nTabelle III.\nBeobachter Dr. Polimanti und Prof. Zehender.\nHomogene s Licht\tVerh\u00e4ltnifs Polimanti\tGr\u00fcn ,..\tQuotient\t\n\t\tRoth fUr Zehender\t\t\n628 mi\t0,062\t0,33\t5,41\t,\t\n603 \u201e\t0,25\t1,04\t4,20\t\n581 \u201e\t0,81\t3,41\t4,21\t' 1. Reihe.\n561 \u201e\t2,32\t7,97\t3,44\t\n552 \u201e\t4,06\t9,25\t2,27\t\n628 fifi\t0,067\t0,30\t4,49\t\n603 \u201e\t0,22\t0,96\t4,24\t\n581 \u201e\t0,76\t3,04\t4,00\t> 2. Reihe.\n561 \u201e\t2,18\t5,94\t2,72\t\n552 \u201e\t4,16\t6,57\t1,57\t\n628 [ifi\t0,064\t0,28\t4,41\t\n603 \u201e\t0,22\t0,99\t4,36\t\n581 \u201e\t0,66\t2,68\t3,83\t> 3. Reihe.\n561 \u201e\t2,00\t6,00\t2,98\t\n552 \u201e\t2,97\t8,24\t2,80\t\n628 (ifi\t0,042\t0,21\t4,97\t\n603 \u201e\t0,20\t0,81\t3,90\t\n581 \u201e\t0,73\t2,68\t3,67\t> 4. R e i h e.\n561 \u201e\t2,86\t8,00\t2,80\t\n552 \u201e (?)\t7,80\t13,5\t1,73\tJ\t\n628 i-ifM\t.\t\t4,82\t.\t\n603 \u201e\t\t\t4,17\t\n581 \u201e\t\t\t3,92\t- Mittelwerthe.\n561 \u201e\t\t\t2,98\t\n552 \u201e\t\t\t2,09\t\nBetrachtet man die obigen Zahlen, so sieht man sehr deutlich, dafs die Quotienten, die die Vermehrung des Gr\u00fcn-Roth-yerh\u00e4ltnisses f\u00fcr die anomalen Trichromaten darstellen, mit der","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"TJeber die anomalen tr[chromatischen Farbensysteme.\n67\nabnehmenden Wellenl\u00e4nge des homogenen Vergleiehslichts ganz regelm\u00e4fsig kleiner werden. Hiernach scheint mir denn die Annahme, dafs die Eigenth\u00fcmlichkeit der betr. Beobachter in einer Pigmentirung begr\u00fcndet sei, definitiv ausgeschlossen zu sein. Bemerkt sei noch, dafs der Unterschied der Herren Z. und L. untereinander so gering ist, dafs sie jedenfalls beide einer wiederum einheitlichen Gruppe zugerechnet werden d\u00fcrfen, deren Repr\u00e4sentanten voraussichtlich unter einander m\u00e4fsige Unterschiede in \u00e4hnlicher Weise darbieten werden, wie das die \u00fcberwiegende Gruppe, die normalen Trichromaten thun.\nHerr Lotze hat noch einige weitere Beobachtungen angestellt, aus denen Folgendes mitgetheilt sei.1 Parallelbeobachtungen an der brechbareren H\u00e4lfte des Spectrums, bei denen eine Mischung aus Gr\u00fcn (517 und Blau (460 (\u00e4p) einem homogenen Licht von dazwischen gelegener Wellenl\u00e4nge gleich zu machen war, ergaben, dafs hier die Unterschiede des normalen und anomalen Trichromaten durchweg nur gering sind; doch schien auch hier eine Abh\u00e4ngigkeit von der Wellenl\u00e4nge des Vergleichslichts bemerkbar zu sein.2\nEs wurden ferner in der von Beeuee3 beschriebenen Weise die Unterschiede centraler und paracentraler Gleichungen untersucht. Verglichen wurde die Einstellung f\u00fcr ein kleines direct zu betrachtendes Feld von 1\u00b0 Durchmesser prit der f\u00fcr ein gr\u00f6fseres (30 Durchmesser) dessen Erstreckung von 3 bis 60 Centralabstand ging. Es ergab sich hierbei, dafs ganz wie beim normalen Trichromaten central etwas mehr Gr\u00fcn eingestellt wurde als paracentral. Die Differenzen waren aber sehr gering und liefsen eher auf eine relativ schwache als auf eine abnorm starke Ma-\ncula-Tingirung schliefsen ; das Verh\u00e4ltnifs\nGr\u00fcn\nRoth\nbetrug central nur\netwa das 1,1 fache des paracentralen.\nBliebe nun hier allenfalls noch die M\u00f6glichkeit bestehen, dafs es sich um Tingirungen von grofser Ausdehnung handelte\n1\tGenaueres wird in der Dissertation des Herrn Lotze (Freib. 1898) mit-getheilt.\n2\tIch lege auf diese Versuche weniger Werth, theils weil die Differenzen \u2022 \u00fcberhaupt geringe sind, theils, weil die Gleichungen dieser Art stets kleine\nS\u00e4ttigungsdifferenzen bestehen lassen und somit weniger zuverl\u00e4ssig sind wie die an der weniger brechbaren Spectralh\u00e4lfte.\n3\tBreuer, TJeber den Einflufs des Maculapigments auf Farbengleichungen. Diese Zeitschr. XIII, S. 464.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"/\n68\tJ- von Kries.\noder vielleicht um Absorptionen, die nicht in der Macula, sondern in der Linse oder in dem Glask\u00f6rper stattf\u00e4nden, so liefs sich auch diese M\u00f6glichkeit ausschliefsen und zwar durch Parallelbeobachtungen der D\u00e4mmerungswerthe spectraler Lichter, die von dem anomalen und einem normalen Trichromaten angestellt wurden. Als Vergleichslicht diente dauernd ein Blau von 460 W\u00e4re im anomalen Auge ein das Blau stark absorbirendes Medium vorgelagert, so m\u00fcfste dieses, um D\u00e4mmerungsgleichheit mit langwelligeren Lichtern zu erhalten, constant gr\u00f6fsere Mengen des Blau verlangen. Es ergab sich aber in diesen Versuchen, dafs die Einstellungen durchg\u00e4ngig sehr nahezu \u00fcbereinstimmten.\nWar das andere Licht ein gr\u00fcnes, so war die Uebereinstimmung in den Fehlergrenzen eine vollst\u00e4ndige, wurde es l\u00e4ngerwellig gew\u00e4hlt (es konnte bis zu 589 /m gegangen werden), so verlangte der anomale durchschnittlich etwas weniger Blau als der normale Mitbeobachter (cand. med. Halben).\nZum Beleg diene die nachfolgende kleine Tabelle :\n\t591\t581\tWell 571\tenl\u00e4ng 561\te in ,u; 552\ti : 544\t536\t529\nVerh\u00e4ltnifs d. dem obigen Lichte f\u00fcr Halben und f\u00fcr Lotze d\u00e4mmerungsgleich. Mengen blauen Lichts JU.\t1,03\t1,49\t1,31\t1,10\t1,24 (0,99)\t1,18\t0,90\t109\nMan wird auch aus diesen Zahlen folgern d\u00fcrfen, dafs der anomale Trichromat sich nicht durch eine ungew\u00f6hnlich starke und zugleich ausgedehnte Pigmentirung von dem normalen unterscheidet.\nBekanntlich ist mehrfach angegeben worden, dafs die anomalen Trichromaten auch insofern eine Abnormit\u00e4t darbieten, als sie einen \u201eschwachen Farbensinn\u201c haben. In den beiden F\u00e4llen, von denen hier berichtet worden ist, traf dies nicht zu. Es wurden, um dies zu pr\u00fcfen, bei den oben erw\u00e4hnten Nicol-Einstellungen sowohl f\u00fcr den normalen, wie f\u00fcr den anomalen Trichromaten die mittleren Abweichungen berechnet ; dabei zeigte sich, dafs die beiden Anomalen mit sehr nahe derselben Pr\u00e4cision einstellten wie die Normalen. Nat\u00fcrlich kann auf Grund dieses","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die anomalen trichromatischen Farbensysteme.\n69\nErgebnisses nicht ausgeschlossen werden, dafs sich doch die Anomalie des trichromatischen Systems vorzugsweise h\u00e4ufig mit schwachem Farbensinn verkn\u00fcpfe. Doch sei erw\u00e4hnt, dafs die Beurtheilung in dieser Hinsicht einige Vorsicht erfordert. Auch in unsern Beobachtungen war einmal der Verdacht gegeben, dafs die Herren L. und Z. f\u00fcr ,,farbenschwach\u201c zu erkl\u00e4ren seien, da sie eine dem Normalen leicht lesbare STinLiNu\u2019sche Tafel nicht zu entziffern vermochten. In der That erschien ihnen die Farbe der Zahlzeichen und des Grundes gleich, die uns deutlich verschieden war. Es ist aber zu bedenken, dafs dies kein sicheres Zeichen von Farbenschw\u00e4che ist. Am Spectralapparat k\u00f6nnen wir auch Felder hersteilen, die dem Anomalen verschieden und uns gleich sind. W\u00e4re zuf\u00e4llig in einer Tafel eine Combination solcher Art getroffen, so k\u00f6nnten die Anomalen uns f\u00fcr farbenschwach zu erkl\u00e4ren geneigt sein. Eine derartige einzelne That-sache ist also nicht maafsgebend; man wird die Unterschiedsempfindlichkeiten direct oder auf Grund der mittleren Fehler vergleichen m\u00fcssen. Eine solche Vergleichung stellte, wie gesagt, in unsern F\u00e4llen einen schwachen Farbensinn nicht heraus.\n(.Eingegangen am 4. Oktober 1898.)","page":69}],"identifier":"lit30539","issued":"1899","language":"de","pages":"63-69","startpages":"63","title":"Ueber die anomalen trichromatischen Farbensysteme","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:15:38.561791+00:00"}