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{"created":"2022-01-31T12:43:20.922744+00:00","id":"lit30554","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 78-79","fulltext":[{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"/\n78\tLiteraturbericht.\nunzusammenh\u00e4ngenden Worten und ganzen S\u00e4tzen. Beim Farben- und Figurenlesen wurde das Aussprechen der betreffenden Benennungen verlangt. Die benutzten geometrischen Figuren waren Quadrat, Rechteck, Dreieck, Rhombus, Sechseck, Kreis und Halbmond. In Bezug auf Leichtigkeit des Lesens stellte sich folgende Reihe heraus : S\u00e4tze, unzusammenh\u00e4ngende Worte, Farben, Figuren, und zwar in Zahlen ausgedr\u00fcckt 9,4 : 6,2 : 4,6 : 4,2.\nPersonen von visuellem Typus lesen ein wenig schneller als solche von auditorischem Typus.\nSchnelle Leser brauchen nicht nur weniger Zeit, sondern behalten aufserdem auch noch mehr von dem, was sie selbst gelesen haben oder was ihnen vorgelesen worden ist.\nLippenbewegungen sind ein bedeutendes Hindernifs beim Lesen. Der Verf. empfiehlt daher den P\u00e4dagogen, nach M\u00f6glichkeit daf\u00fcr zu sorgen, dafs Lippenbewegungen beim Stillschweigendlesen unterdr\u00fcckt werden. Man d\u00fcrfe dagegen nicht geltend machen, dafs Lippenbewegung etwas Nat\u00fcrliches sei. Unz\u00e4hlige nat\u00fcrliche Reflexe w\u00fcrden ja vom Menschen mit fortschreitender Bildung unterdr\u00fcckt. Um der Lippenbewegung willen ist auch das Lautlesen keineswegs zu empfehlen.\nIm Einzelnen untersucht wird der Einflufs besonderer Umst\u00e4nde auf das Lesen. Der Wichtigkeit nach ergiebt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit folgende Reihe : visueller Typus, Grad der Uebung von Kindheit an, Concentrationsf\u00e4higkeit, geistige Regsamkeit (gemessen auf Grund der Geschwindigkeit beim Abfassen eines Aufsatzes), Lernf\u00e4higkeit (gemessen auf Grund der Leistungen im Schulunterricht).\nAngef\u00fcgt ist der Abhandlung das Formular des Fragebogens, der zur Ermittelung des geistigen Zustandes der Versuchspersonen diente.\nMax Meyer (Berlin).\nF. Patjlham. L\u2019invention. Rev. philos. Bd. 45, S. 225\u2014258. 1898. Nr. 3.\nDie Grundgedanken der geistvollen Arbeit sind folgende :\nDie Erfindung ist im Grunde genommen \u00fcberall dieselbe unter verschiedenen Erscheinungen. Es ist eine neue Systematisirung von psychischen Elementen, durch welche sich der Geist bisher noch unergr\u00fcndeten Umst\u00e4nden anpafst. Sie bildet f\u00fcr den Geist den Keim einer neuen synthetischen Einheit. Jede intellectuelle Sch\u00f6pfung r\u00fchrt von einer synthetischen Idee, welche zu Stande kommt durch Combinirung von bereits im Geiste wenigstens theilweise existirenden Elementen mit einem neuen Element, welches die Veranlassung und bisweilen sogar das werthvollste Element der Combination bildet. Oft braucht eine Idee mehrere Generationen zu ihrer Formung. Die Beobachtungen, Festsetzungen, Hypothesen bleiben lange Zeit unfruchtbar, bis ein entscheidendes Factum das fehlende Element bringt, h\u00e4ufig durch Zufall. Oft bestehen die pr\u00e4existirenden Systeme aus weniger bewufsten allgemeinen Tendenzen. Hier bleibt das dirigirende Princip bis zum letzten Augenblick unbestimmt. Auch h\u00e4tte es sich in anderer Form constituiren k\u00f6nnen, als die ist, in der es in Wirklichkeit erscheint. Oder aber die Erfindung besteht aus einer Reihe kleiner Erfindungen von ziemlich gleicher Wichtigkeit, aus deren Mitte","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turberich t.\n79\npl\u00f6tzlich ein unvorhergesehenes Attractionscentrum hervortritt. Der Fortschritt der Erfindung geschieht in der Weise, dafs immer eine neue Synthese stattfindet, welche bestimmte Theile der Elemente eliminirt, um die anderen zu vereinigen. Erregend auf den Vorgang der Erfindung wirken nicht allein bestimmte Gedanken, sondern oft rein physische Mittel wie Wein, Caffee, Thee, gewisse Medicamente, gewisse Injectionen, das Prome-niren. Bei Musikern findet nicht selten eine Erfindung durch Transposition der Sinne statt, so z. B. vermag bei ihnen das Lesen von Versen Melodieen zu erzeugen. Umgekehrt kann die Musik sich in abstracte und visuelle Erfindungen transformiren. So z. B. vermag das Anh\u00f6ren eines Musikst\u00fccks entsprechende visuelle Bilder in der Seele zu erzeugen. \u2014 Die Erfindung wird begleitet von affectiven Ph\u00e4nomenen. Manchmal sind es intellectuelle Bed\u00fcrfnisse nach Kl\u00e4rung der Ideen, oder es sind egoistische Gef\u00fchle, unbefriedigte Leidenschaften. Die Kunst formt sich einen \u201eZug von Bildern\u201c um bestimmte W\u00fcnsche und Tendenzen, welcher dazu bestimmt ist, letzteren in idealer Weise und bisweilen in realer. Weise zu gen\u00fcgen. \u2014 Der Entwickelungsgang einer Erfindung ist also folgender : Eine gen\u00fcgend starke, aber nicht gen\u00fcgend befriedigte Tendenz benutzt Bedingungen, welchen sie begegnet. Sie setzt mit den psychischen Elementen, welche sie constituirt, gewisse andere Elemente zusammen. Letztere abstrahirt sie aus Empfindungen und Perceptionen, welche sich aus bereits existirenden Gef\u00fchlen und Ideen entwickeln. Hierbei mufs man jedoch nicht annehmen, dafs der Geist spontan dirigirende Ideen erfindet. Er l\u00e4fst nur spontan neue Ideen und Bilder entstehen, zwischen denen die dirigirende Idee w\u00e4hlt. \u2014 Bei der Erfindung geht ein Streit der Elemente der Harmonie voraus. Die Erfindung ruft eine Unordnung hervor in der gewohnten Regelm\u00e4fsigkeit der Entwickelung, erstens wrnil sie zuf\u00e4llig und gewaltsam erfolgt, zweitens weil sie nicht sogleich alle Elemente in das neue System einzuordnen vermag. Oft werden daher originelle Genies das Opfer ihrer Erfindung, welcher sie sich nicht haben anpassen k\u00f6nnen. Diejenigen Menschen dagegen, welche nicht auf Erfindungen ausgehen, behalten ihre bereits geformten Systeme, sie dulden keinerlei Ver\u00e4nderung durch R\u00fccksichtnahme auf neue Umst\u00e4nde, sie bewahren daher auch ihr psychisches Gleichgewicht viel leichter. Eine Eigenth\u00fcmlichkeit vieler Menschen und menschlicher Gesellschaften ist ihre unvollendete Natur. Dieselbe hat darin ihren Grund, dafs die betreffenden Menschen, nachdem sie ein bestimmtes Gleichgewicht erreicht haben, dem Erreichen eines h\u00f6heren Gleichgewichts, wie dasselbe durch die Umst\u00e4nde nahe gelegt wird, Widerstand entgegensetzen. \u2014 Die Erfindung erscheint als ein Vorgang, durch welchen der Geist eine neue Form der Harmonie zwischen sich selbst und der Welt vorbereitet. Am tiefsten greift die Erfindung in das sociale Leben ein und ist hier von gr\u00f6fstem Nutzen. Hier ruft sie jedoch zugleich die heftigsten Revolutionen hervor. Durch den Widerstand der Massen kann die fruchtbarste Idee zu einem Krankheits- oder Todeskeim werden. In jedem Falle wird eine neue Idee unangenehme Desorganisationen hinterlassen.\nM. Giessler (Erfurt).\n/","page":79}],"identifier":"lit30554","issued":"1899","language":"de","pages":"78-79","startpages":"78","title":"F. Paulham: L'invention. Rev. philos. Bd. 45, S. 225-258. 1898. 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