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{"created":"2022-01-31T12:48:06.797255+00:00","id":"lit30629","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen, Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 203-221","fulltext":[{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\nKritischer Bericht \u00fcber wichtigere Arbeiten auf dem Gebiete der Physiologie des Centraineryensystems der Wirbelthiere.\nVon Prof. Th. Ziehen in Jena.\nI. Geschichte der Physiologie des Centralnervensystems.\n1.\tM. Neuburger. Die historische Entwickelung der experimentellen Gehirn-und R\u00fcckenmarksphysiologie vor Flourens. Stuttgart, Enke, 1897. 361S.\n2.\tL. Manouvrier, Ch. Richet, J. Soury, Cerveau. Dictionnaire de Physiologie par Ch. Richet. Paris, F. Alcan. T. II, S. 547\u2014976, 1897. T. III, S. 1\u201457, 1898.\nDie meisten Hirnphysiologen werden hei dem Studium des ausgezeichneten NEUBURGER\u2019schen Buches (1.) erstaunen, wie viele Entdeckungen auf ihrem Forschungsgebiet nur Wiederentdeckungen sind. F\u00fcr den Psychologen wird namentlich interessant sein : die Darstellung der \u00e4lteren Localisationsversuche f\u00fcr die Seele, z. B. der LANCisi\u2019schen Theorie, nach welcher der Hirnbalken als Seelensitz galt (S. 44 ff.), u. a. m., die Darstellung der ZiNN\u2019schen Lehre : ,,animae sedem per omne cerebrum esse ex-tensam\u201c (S. 142 ff.), die W\u00fcrdigung Unzer\u2019s, welcher zuerst die bewufsten Bewegungen als eine besondere Gruppe der vom Nervensystem ausgehenden Bewegungen unterschied (S. 183 ff.), die Nachweisung der Vorl\u00e4ufer der Locali-sationslehre (Pourtour du Petit, Saucerotte \u2014 S. 199 ! \u2014, Sabourant, Chopart u. A.), die Klarstellung der Verdienste Rolando\u2019s, welcher 1809 experimentell nachwies, dafs Bewufstsein und Willk\u00fcr an das Grofshirn gebunden sind, und Gall\u2019s, welcher bereits speciell die Grofshirnwin-dungen als materielles Substrat der Geistesth\u00e4tigkeiten ansprach. Verf. hat nicht nur der Geschichte der Medicin, sondern auch der Hirnphysiologie und der physiologischen Psychologie mit seinem Werk einen grofsen Dienst erwiesen.\nAeusserst eingehend behandelt auch der Artikel Soury\u2019s (2.) die Geschichte der Hirnphysiologie, so eingehend, dafs der Herausgeber des physiologischen Lexikons (Pichet) sich besonders entschuldigen zu m\u00fcssen glaubt. Auch f\u00fcr diesen Beitrag sind wir Soury grofsen Dank schuldig. Allenthalben werden auch gerade die Lehren \u00fcber die Beziehungen der psychischen Processe zum Gehirn eingehend ber\u00fccksichtigt. Mit guten Gr\u00fcnden wird Alkmaeon (um 500) als derjenige bezeichnet, welcher im griechischen Alterthum zuerst das Gehirn als Organ der Empfindungen und Vorstellungen bezeichnet hat (vgl. Hirzel in Hermes Bd. 11, 1876). Aus einer Stelle in den Wolken des Aristophanes geht \u00fcbrigens hervor, dafs diese\n/","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nBesprechung.\nAnsicht bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. ganz popul\u00e4r gewesen sein mufe. Auch h\u00e4tte S. erw\u00e4hnen m\u00fcssen, dafs in den alt-indischen Werken der Zusammenhang von psychischen Functionen und Gehirn bereits sehr oft erw\u00e4hnt wird. Bei der Darstellung der platonischen Lehre war Timaeus (44.) noch mehr zu beachten. Die gewaltigen Fortschritte der Hirnphysiologie unter dem Einflufs des Herophilus und Erasistratus werden mit Recht betont. Sehr dankenswerth ist die sehr eingehende Darstellung der Lehren Galen\u2019s. Allerdings glaubt auch nach brieflichen Er\u00f6rterungen mit S. Ref., dafs Galen die Beziehung der psychischen Functionen zu dem Gehirn nicht so ausschliefslich, wie Soury es darstellt, den Hirnventrikeln zugeschrieben hat. Vorz\u00fcglich gelungen ist die Darstellung der Lehre des Cartesius. Hobbes h\u00e4tte wegen Leviathan I, 1 Erw\u00e4hnung verdient: Die Auffassung der gesammten Wirkung vom Object bis zum Gehirn und Herz als eines continuus motus materiae ist ein bedeutsamer Fortschritt. Im Folgenden werden Willis, Malpighi, Vieussens, Prochaska, Gall und Flourens besonders eingehend behandelt. Allenthalben erg\u00e4nzt Soury unsere historischen Kenntnisse. Die Aufstellung der Ansicht des corti-calen Sitzes der psychischen Functionen wird Foville und Delaye zugeschrieben. Als Vorl\u00e4ufer k\u00e4men h\u00f6chstens Gall und Magendie in Betracht. Auch die weitere Darstellung der Entwickelung der Hirnphysiologie in diesem Jahrhundert ist in vielen Beziehungen musterg\u00fcltig, wenn auch die englische und deutsche Literatur nicht ganz zu ihrem Recht kommt. Mit den HiTziG-MuNK\u2019schen Entdeckungen schliefst der historische Theil ab.\nII. Physiologie des R\u00fcckenmarks.\n3.\tBernstein. Ueber reflectorische negative Schwankung des Nervenstroms und die Reizleitung im Reflexbogen. Arch. f. Psychiatrie Bd. XXX, H. 2.\n4.\tBickel. Ueber den Einflufs der sensiblen Nerven und der Labyrinthe auf die Bewegungen der Thiere. Pel\u00fcger\u2019s Arch. Bd. LXVIL\n5.\tDerselbe.\tBeitr\u00e4ge zur R\u00fcckenmarksphysiologie des Aales. Ebenda\nBd. LXVIII.\n6.\tDerselbe.\tBeitr\u00e4ge zur R\u00fcckenmarksphysiologie der Amphibien und\nReptilien. Ebenda Bd. LXXI.\n7.\tErben. Ueber die Leitungsbahnen der Reflexe und den Ort der Reflex\u00fcbertragung. Wien. Elin. Wochenschr. 1897, Kr. 49, S. 1080.\n8.\tJ. Gad und E. Flatau. Ueber die gr\u00f6bere Localisation der f\u00fcr verschiedene R\u00f6rpertheile bestimmten Bahnen im R\u00fcckenmark. Neurol. Centralbl. Bd. XVI, S. 481 und 542.\n9.\tGebuchten. Le m\u00e9canisme des mouvements r\u00e9flexes. Journ. de Neurol, et d'Hypnol. 1897.\n10.\tH. E. Hering. Das Hebeph\u00e4nomen beim Frosch und seine Erkl\u00e4rung durch den Ausfall der reflectorischen antagonistischen Muskelspannung. Pfl\u00fcger\u2019s\n11.\tDerselbe. Ueber centripetale Ataxie beim Menschen und beim Affen.\nNeurol. Centralb. Bd. XVI, Kr. 23.\n12.\tDerselbe. Ueber Bewegungsst\u00f6rungen nach centripetalen L\u00e4hmungen.\nArch. f. exper. Path. u. Pharmak. Bd. XXXVIII.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n205\n13.\tHorton Smith. On efferent fibres in the posterior roots of the frog. Journ. of Phys. Bd. XXI, S. 101.\n14.\tLangendorff. Zur Kenntnifs der sensiblen Leitungsbahnen im R\u00fcckenmark.\nPfl\u00fcger\u2019s Arch. Bd. LXXI.\n15.\tMann. Zur Reiextheorie. Centralbl. f. Nervenheilk. Bd. IX.\n16.\tJ. Rosenthal und M. Mendelsohn. Ueber die Leitungsbahnen der Reflexe im R\u00fcckenmark und den Ort der Refiex\u00fcbertragung. Neurol. Centralbl. Bd. 16, Nr. 21, S. 978.\n17.\tSherrington. Decerebrate rigidity and reflex coordination of movements.\nJourn. of Physiol. Bd. XXII.\n18.\tDerselbe. Double conduction in the central nervous system. Proc.Boy. Soc. 8. Apr. 1897 u. Monatsschr. f. Psych, u. Neurol. Bd. I, S. 503.\n19.\tSinger. Ueber experimentelle Embolien im Centralnervensysteni. Zeitschr. f. Heilkunde Bd. XVIII, S. 105.\n20.\tA. Spina. Experimentelle Untersuchungen \u00fcber den Einflufs von R\u00fccken-marksdurchtrennungen auf den Kreislauf des Gehirns. Wien.Klin. Wochenschr.\n1897, Nr. 48, S. 1047.\nBickel (5.) hat Durchschneidungsversuche beim Aal gemacht. Der decapitirte Aal schwimmt noch nach allen Richtungen im Wasser umher. Er unterscheidet sich vom unversehrten nur dadurch, dafs er die normale Lage im Wasser beim Schwimmen nicht zu behaupten vermag und die F\u00e4higkeit r\u00fcckw\u00e4rts zu schwimmen verloren hat. Oft macht der gek\u00f6pfte Aal auch Schl\u00e4ngelbewegungen auf derselben Stelle. Diese k\u00f6nnen durch einen leichten Druck auf das craniale Ende des Thieres gehemmt werden. Aus den Beobachtungen bei R\u00fcckenmarksquersectionen und Exstirpationen ganzer R\u00fcckenmarksst\u00fccke sei hier nur hervorgehoben, dafs die \u00e4ufsere Form der Ortsbewegung sich auff\u00e4llig wenig gest\u00f6rt zeigte.\nWeiterhin hat Bickel (6.) Rosenthal\u2019s Angabe nachgepr\u00fcft, wonach bei dem Frosch die Reflex\u00fcbertragung von einem Hinterbein auf das gekreuzte bei geringerer Reizst\u00e4rke und rascher erfolgt, wenn das Thier aus dem R\u00fcckenmark noch im Besitz der Med. oblongata ist. Er findet denselben Unterschied, aber ausgepr\u00e4gt nur dann, wenn er ein Thier mit Oblongata und R\u00fcckenmark verglich mit einem Thier, dem das R\u00fcckenmark zwischen 4. und 5. Wirbel durchschnitten war. Die Versuche wurden an Fr\u00f6schen und Eidechsen angestellt. Wie Rosenthal schliefst B. auf eine Uebertragung des Reflexes oberhalb des Reizeintritts.\nBernstein (3.) hat bei R\u00fcckenmarksfr\u00f6schen den centralen Stumpf eines Astes des Sacralplexus vom L\u00e4ngs- und Querschnitt zum Galvanometer abgeleitet und nun einen anderen Ast desselben Plexus am centralen Stumpf faradisch gereizt: dabei trat am ersten Ast stets eine negative Schwankung ein, solange das R\u00fcckenmark nicht zerst\u00f6rt war. Wurden die sensiblen Wurzeln allein central gereizt und die motorischen zum Galvanometer abgeleitet, so trat gleichfalls in letzteren eine negative Schwankung auf. Bei Reizung der motorischen und Ableitung der sensiblen blieb jeder Galvanometerausschlag aus. B. schliefst hieraus, dafs der Reflexbogen irgendwo eine \u201eventilartige Einrichtung\u201c besitzt, die den Durchgang der Reizwelle nur in einer Richtung \u2014 von der sensiblen Wurzel zur motorischen \u2014 gestattet.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nBesprechung.\ny. Gehtjchten (9.) hat in einem Fall einer allerdings nur klinisch diagnosti-Arten Compression des mittleren Brustmarkes eine Aufhebung der Sehnen-, Haut- und Eingeweidereflexe der Unterextremit\u00e4ten beobachtet. Nur auf tiefe Stiche erfolgten Reflexbewegungen. G. hat aus der Literatur ca. 50 F\u00e4lle gesammelt, in welchen bei einer vollst\u00e4ndigen Querschnittsl\u00e4sion zwischen dem 3. Halswirbel und 9. Dorsalwirbel ebenfalls die Reflexe (zuweilen mit Ausnahme des Sohlenreflexes) aufgehoben waren und die L\u00e4hmung schlaff war. Ein anderes Verhalten scheint \u00fcberhaupt nicht vorzukommen. Liegt nicht eine vollst\u00e4ndige Querschnittsl\u00e4sion vor, sondern einfache Compression, so ist die L\u00e4hmung, wie eine Durchsicht der Literatur er-giebt, bald schlaff bald spastisch, und sind die Reflexe nur zuweilen (wie in G.\u2019s Fall) aufgehoben. Nach einer Besprechung der verschiedenen Hypothesen, welche Schwarz, Bastian u. A. zur Erkl\u00e4rung dieses Verschwindens der Reflexe aufgestellt haben, entwickelt G. seine eigene Anschauung. Danach h\u00e4ngt der Tonus der Vorderhornzellen ab von den Erregungen, welche ihm zufliefsen\n1.\tvon den Hinterwurzelfasern,\n2.\tvon Fasern, welche vom Kleinhirn centrifugal zu den Vorderhornzellen ziehen und\n3.\tvon Fasern des hinteren L\u00e4ngsb\u00fcndels, welche aus dem Mittel- und Rautenhirn zu denselben Zellen verlaufen.\nDer Pyramidenbahn schreibt er (gegen Schwarz) nur hemmende Wirkung zu.\nDer Tonus der Muskeln besteht nur, solange der Tonus der Vorderhornzellen nicht unter einbestimmtesMinimum sinkt. Der constante Zuflufs von Erregungen der Hinterwurzelfasern reicht allein nicht aus, den Muskeltonus zu unterhalten. Die schlaffe Paraplegie einer Myelitis transversa bietet ein Beispiel. Nur wenn die Hinterwurzelerregungen z. B. durch einen tiefen Stich momentan erheblich verst\u00e4rkt werden, stellt sich trotz schlaffer L\u00e4hmung eine reflectorische Contraction ein.\nBei der gew\u00f6hnlichen cerebralen Hemiplegie ist der Muskeltonus abgeschw\u00e4cht, w\u00e4hrend die Reflexe gesteigert sind. Daraus schliefst G., dafs die Erregungen, welche den Vorderhornzellen vom Kleinhirn und Mittelhirn zur Erhaltung des normalen Muskeltonus zufliefsen, indirect von der Grofshirnrinde stammen; andererseits soll Klein- und Mittelhirn ein bestimmtes Maass von Erregungen auch unabh\u00e4ngig vom Grofshirn den Vorderhornzellen zuf\u00fchren und so die Reflexsteigerung bei Hemiplegie entstehen. Die Mifslichkeit dieses letzteren Erkl\u00e4rungsversuchs braucht Ref. nicht erst besonders hervorzuheben.\nDa bei sehr ausgesprochenen Contracturen die Reflexe aufgehoben scheinen, schliefst G. weiter, dafs eine Steigerung des Tonus der vorderen Zellen durch Reflexreize sich nicht mehr kundgiebt, wenn der Muskeltonus sich bereits oberhalb einer bestimmten oberen Grenze befindet.\nAuch zum Zustandekommen einer normalen willk\u00fcrlichen Bewegung ist ein normaler Tonus der Vorderhornzellen, d. h. ein normaler Zuflufs von Erregungen seitens der absteigenden Kleinhirnfasern, der hinteren Wurzelfasern und der Fasern des hinteren L\u00e4ngsb\u00fcndels unerl\u00e4fslich. So soll sich einerseits die Incoordination bei Kleinhirnerkrankungen und","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n207\nTabes und andererseits der Verlust der willk\u00fcrlichen Bewegungsf\u00e4higkeit nach Hinterwurzeldurchschneidungen (Mott und Sherrington) erkl\u00e4ren.\nEbenso sind auch die Sehnenph\u00e4nomene nur normal, solange der an gef\u00fchrte dreifache Zuflufs einen normalen Tonus der Vorderhornzellen unterh\u00e4lt. Sie sind daher gesteigert, wenn nur die Pyramidenbahn unterbrochen ist, dagegen erloschen, wenn eine vollst\u00e4ndige Querschnittsunterbrechung vorliegt, also auch die absteigenden Kleinhirnfasern und Hinterl\u00e4ngsb\u00fcndelfasern unterbrochen sind. Nur die Application eines sehr energischen und l\u00e4nger anhaltenden Reizes vermag hier unter Umst\u00e4nden auch trotz des schwachen Tonus der Vorderhornzellen eine Reflexbewegung hervorzurufen. Es steht dies in Analogie dazu, dafs, wie Mott und Sherrington fanden, nach Hinterwurzeldurchschneidung nur die willk\u00fcrliche Bewegungsf\u00e4higkeit wegf\u00e4llt, hingegen die faradische Rindenreizung, welche G. als eine energischere Erregung betrachtet, in den gel\u00e4hmten Gliedern noch Bewegungen ausl\u00f6st.\nMit der Thatsache, dafs bei dem Hund nach Durchschneidung des Hals- oder Brustmarkes die Sehnenph\u00e4nomene normal und die Hautreflexe gesteigert sind, findet sich G. ab, indem er den niederen S\u00e4ugethieren eine gr\u00f6fsere functionelle Selbst\u00e4ndigkeit der R\u00fcckenmarkscentren zuschreibt; auch denkt er daran, dafs bei niederen S\u00e4ugern vielleicht die Erregungen von Seiten der Hinterwurzelfasern zur Erhaltung des normalen Tonus ausreichen k\u00f6nnten.\nBei der Compression des R\u00fcckenmarkes leiden zun\u00e4chst die motorischen Fasern mehr als die \u00fcbrigen, daher findet man oft spastische Paraplegie und Reflexsteigerung. Erst bei Zunahme der Compression tritt auch eine functionelle Unterbrechung der absteigenden Kleinhirnfasern und der Hinterl\u00e4ngsb\u00fcndelfasern ein, und damit wird die L\u00e4hmung schlaff, und die Reflexe verschwinden.\nUnerkl\u00e4rt bleibt, wie Ref. hervorheben mufs, bei dieser Erkl\u00e4rung Gehuchten\u2019s die wichtige Thatsache, dafs bei cerebralen Hemiplegien die Hautreflexe auf der Seite der L\u00e4hmung oft herabgesetzt, die Sehnenph\u00e4nomene hingegen gesteigert sind.\nRosenthal und Mendelssohn (16.) haben gefunden, dafs bei dem Thier f\u00fcr das Zustandekommen der Reflexe der Hinterbeine auf schwache Reize die Intactheit des obersten Halsmarkes unerl\u00e4fslich ist. Wird diese Region zerst\u00f6rt, so lassen sich die bez. Reflexe nur durch viel st\u00e4rkere Reize ausl\u00f6sen. Sie schliefsen daraus \u2014 wohl etwas vorschnell \u2014, dafs die Reflexe der Hinterbeine in der Norm nicht in der Lendenanschwellung, sondern eben in jener Regio bulbocervicalis zu Stande kommen. Sie f\u00fchren zu Gunsten dieser Deutung auch die Beobachtung an, dafs nach Durchschneidung des Halsmarkes \u2014 entgegen dem Pfl\u00fcger\u2019sehen Gesetz der Reflexausbreitung \u2014 nach dem gleichseitigen Hinterbein zuerst das [gekreuzte Hinterbein und dann erst das gleichseitige Vorderbein sich am Reflex betheiligt. Auch die klinischen Thatsachen werden von den Verff. sowie von Erben (7.) zu Gunsten dieser Anschauungen verwerthet. Vergleiche auch die kritische Uebersicht von Mann (15.).\nMit den Folgen der Durchschneidung der Hinterwurzeln bei dem Frosch und Hund besch\u00e4ftigt sich eine Arbeit Bickel\u2019s (4.). Er beobachtete","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nBesprechung.\nim Allgemeinen bei operirten Fr\u00f6schen die schon \u00f6fter beschriebene Ataxie. Die v\u00f6llige Gehunf\u00e4higkeit dauert nur einige Augenblicke. Auff\u00e4llig war, dafs nach der Operation beim Sitzen in seichtem Wasser die Plantarfl\u00e4che der Schwimmh\u00e4ute und Zehen nach oben gekehrt wTar. Springen und Schwimmen bleibt normal. Auch die Energie der Bewegungen scheint ungemindert. Gelegentlich wurden eigenth\u00fcmliche Tetanuserscheinungen beobachtet. Bemerkenswerth ist folgende Beobachtung, wTelche beweist, dafs eine an\u00e4sthetische Extremit\u00e4t noch zu zwreckm\u00e4fsigen reflectorischen Bewegungen angeregt werden kann. Ein decapitirter Frosch, dem die sensiblen Nerven eines Hinterbeines durchschnitten waren, wurde auf geh\u00e4ngt und dann die dem operirten Bein entsprechende Schultergegend mit verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure betupft. Nach einigen Zuckungen erreichte die an\u00e4sthetische Pfote die gereizte Stelle und wischte die S\u00e4ure ab. Wurden andere Hautstellen gereizt, so wurde allerdings der gereizte Bezirk nicht stets mit der an\u00e4sthetischen Pfote gefunden. Auch gelingt der Versuch nicht bei jedem Thier.\nHunde, denen die Hinterwurzeln eines Hinterbeins durchschnitten worden waren, benutzten dauernd das an\u00e4sthetische Bein fast niemals ganz regelm\u00e4fsig beim Laufen, sondern liefsen es immer wieder nach einigen normalen Schritten f\u00fcr einen oder zwei Schritte nachschleifen. Werden die sensiblen Wurzeln beider Hinterbeine durchschnitten, so ist das Thier stets zun\u00e4chst gehunf\u00e4hig ; das ganze Hintertheil wird nachgeschleift. Die Bev/egungen kehren erst allm\u00e4hlich wieder und sind Anfangs atactisch. Nach 3\u20144 Wochen hat die Shockwirkung der Operation sich ausgeglichen. Der Hund vermag sich dann wieder auf den Hinterbeinen aufzurichten und auch l\u00e4ngere Zeit zu balanciren. Er l\u00e4uft selbst Treppen wieder wie ein normales Thier hinauf und hinunter. Wenn er ruhig steht, ist die Hinterpfote oft umgeschlagen ; in der Bewegung wird sie fast stets richtig aufgesetzt. Einen Zaun von 30 cm H\u00f6he \u00fcberspringt das Thier, ohne mit den Hinterbeinen anzustofsen. Bei verbundenen Augen bezw. im Dunkelzimmer tritt wieder eine st\u00e4rkere Ataxie hervor. Wenn sich das Thier mit den Flinterbeinen kratzen will, so trifft es selten die juckende Stelle. Nur wenn letztere in der Schultergegend oder an der seitlichen BrustwTand lag, wurde meist die Stelle richtig getroffen. Verf. meint, dafs es sich hierbei um eine im Centralnervensystem derart vorgebildete Bewegung handelt, dafs eine sensible Regulation nicht n\u00f6thig ist.\nWurde bei operirten Thieren nach maximalem Ausgleich der Bewegungsst\u00f6rungen durch Exstirpation beider Labyrinthe der EwAiWsche Labyrinthtonus der Muskeln ausgeschaltet, so traten neue Bewegungsst\u00f6rungen der Extremit\u00e4ten auf, welche durch keine sp\u00e4teren Compensa-tionen wieder ausgeglichen wurden.\nMit dem Einflufs der Durchschneidung der Hinterwurzeln besch\u00e4ftigt sich auch die Arbeit Heking\u2019s (12.). Verf. schl\u00e4gt vor, da die Bezeichnung \u201eSensibilit\u00e4t\u00ab doppelsinnig ist und eine Hypothese \u00fcber psychische Vorg\u00e4nge in dem beobachteten Individuum involvirt, die Eigenschaft des Nervensystems, von den peripherischen Endorganen der centripetalen Nerven aus Erregungsvorg\u00e4nge dem Centralorgane mitzutheilen, als \u201eCentri-petalit\u00e4t\u201c zu bezeichnen. Den Verlust dieser Eigenschaft bezeichnet er","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n209\ndaher als ,zentripetale L\u00e4hmung\u201c. In den Versuchen des Verf.\u2019s wurde dieselbe durch Durchschneidung der hinteren Wurzeln bei Fr\u00f6schen erzielt. Dankenswerthsind die Angaben \u00fcber die Versuchstechnik. Kana temporaria eignet sich besser als R. esculenta. Die Beobachtungen wurden stets erst am Tage nach der in Aethernarkose ausgef\u00fchrten Operation vorgenommen.\nWaren die hinteren Wurzeln eines Hinterbeines durchschnitten, so fiel auf, dafs auf mechanische Reize die centripetal gel\u00e4hmte Extremit\u00e4t sich st\u00e4rker bewegt als die nicht centripetal gel\u00e4hmte. Bei gr\u00f6fseren Spr\u00fcngen beobachtet man, dafs der Frosch nach dem Sprung schief zur urspr\u00fcnglichen Sprungrichtung sitzt, indem der Kopf nach der Seite der centripetal gel\u00e4hmten Extremit\u00e4t hin abgewichen ist. Auch Ueberschlagen nach der unverletzten Seite kommt vor. Die Streckung des operirten Hinterbeines wird weniger kr\u00e4ftig ausgef\u00fchrt; auch gelangt das operirte Bein sp\u00e4ter als das normale nach dem Sprung in die Sitzstellung, namentlich deshalb, weil das centripetal gel\u00e4hmte Hinterbein nach dem Sprung erst angezogen, dann unter noch st\u00e4rkerer Beugung in die H\u00f6he geschleudert wird und nun erst in die Sitzstellung f\u00e4llt. Beim Schwimmen wird das centripetal gel\u00e4hmte Bein weniger intensiv benutzt. Auch rudern die Thiere vorwiegend alternirend mit den beiden Hinterbeinen. Die Lagerung des centripetal gel\u00e4hmten Beines ist im Uebrigen meist normal, doch kommen ausnahmsweise auch auffallend abnorme Lagerungen (Tieferstehen der centripetal gel\u00e4hmten Extremit\u00e4t) vor.\nNach Durchschneidung der hinteren Wurzeln beider Hinterbeine sind die Spr\u00fcnge stets kleiner als beim normalen Frosch, dabei jedoch relativ hoch. Verf. nimmt an, dafs in Folge des Fehlens des Reflextonus die normale sprungbereite Sitzstellung fehlt und daher der Absprung wmniger g\u00fcnstig ist. Beim Schwimmen ist der synchrone Schwimmstoss beider Hinterbeine noch seltener als bei einseitig operirten Thieren.\nNach Durchschneidung der hinteren Wurzeln beider Vorderbeine springen die Fr\u00f6sche relativ mehr weit als hoch. Da sie beim Niedersprung den Vorderk\u00f6rper nicht mit den Vorderbeinen auffangen, schlagen sie mit Brust und Kopf auf den Boden auf. Beim Schwimmen f\u00e4llt die normale Vorw\u00e4rtsbewegung der Vorderbeine weg. Die Lagerung der Vorderbeine ist stets mehr oder wreniger abnorm.\nNach Durchschneidung der hinteren Wurzeln f\u00fcr alle vier Extremit\u00e4ten liegen die Thiere ziemlich platt auf dem Boden und pflegen spontan sehr selten zu springen. Liegen sie auf dem R\u00fccken, so kehren sie sich niemals spontan um.\nDie Thatsache, dafs der centripetal gel\u00e4hmte Frosch beim Niedersprung die Hinterbeine \u00fcber das normale Maafs hinaus beugt und aufser-dem in die H\u00f6he schleudert (wmbei die untere Fl\u00e4che des Hinterbeines lateralw\u00e4rts sieht), bezeichnet Verf. als \u201eHebeph\u00e4nomen\u201c. Auch der sitzende Frosch hebt oft entweder spontan oder irgendwie gereizt pl\u00f6tzlich die Pfote hoch und l\u00e4fst sie wieder herunterfallen. Ausgepr\u00e4gt tritt das Hebeph\u00e4nomen nur nach Durchschneidung der siebenten und achten hinteren Wurzel auf. Es ist dies beachtenswerth, weil die siebente und achte vordere Wurzel haupts\u00e4chlich die Beugung der Gelenke vermitteln. Deca-\n14\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIX.","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nBesprechung.\npitation oberhalb der Lobi optici hebt das Ph\u00e4nomen nicht auf. Entfernt man bei einem Frosch nur die Haut der Hinterbeine (ohne Wurzeldurchschneidung), so tritt das Ph\u00e4nomen nicht ein. Es kommt, wie Yerf. glaubt, durch den Wegfall einer centripetalen Hemmung zu Stande. Normalerweise soll die Dehnung der Streckmuskeln beim Anziehen der Hinterbeine in die Sitzstellung die centripetalen Nerven der Sehnen, Fascien u. s. w. der Streckmuskeln erregen und eine reflectorische Erregung der Streckmuskeln hervorrufen, welche einer \u00fcberm\u00e4fsigen Beugung entgegenwirkt. Durch die Durchschneidung soll diese Hemmung wegfallen. Seltsam bleibt allerdings bei dieser Erkl\u00e4rung, dafs Durchschneidung der neunten und zehnten Wurzel, welche f\u00fcr die reflectorische Streckung die Hauptrolle spielen, das Ph\u00e4nomen nur andeutungsweise oder gar nicht hervorruft.\nSehr interessant ist es, dafs die Fr\u00f6sche mit den centripetal gel\u00e4hmten Beinen noch die bekannten Wischbewegungen ausf\u00fchren und dabei auch den Ort der Reizung (nat\u00fcrlich innerhalb eines nicht an\u00e4sthetischen Gebietes) richtig treffen. An der Regulirung dieser Wischbewegungen sind also die centripetalen Nerven der Extremit\u00e4ten nicht betheiligt. Am geeignetsten f\u00fcr den Versuch sind R\u00fcckenmarkfr\u00f6sche.\nAuf Grund weiterer Versuche gelangt Hering (11.) zu der Ansicht, dafs centripetale, d. h. durch centripetale L\u00e4hmung bedingte Ataxie auf-tritt, wenn speciell die centripetalen Nervenfasern der Muskeln functionsunf\u00e4hig sind. Er vermuthet weiter, dafs die St\u00f6rung der reflec-torischen Muskelspannung von Bedeutung ist. Den Ausfall dieser Spannung in den Antagonisten bei einer durch die Agonisten herbeigef\u00fchrten Bewegung behauptet Verf. in Uebereinstimmung mit Tschirjew. Die Antagonisten contrahiren sich nicht bei einer Bewegung der Agonisten, sondern sie erschlaffen. Auff\u00e4llige passive Beweglichkeit der Glieder tritt nach Durchschneidung der Hinterwurzeln nicht nur bei Fr\u00f6schen, sondern auch bei Hunden und Affen stets auf. Die weiteren Er\u00f6rterungen \u00fcber die Definition der Ataxie sind im Original nachzulesen.\nSehr werthvoll sind die Hinterwurzeldurchschneidungen Sherrington\u2019s und Hering\u2019s bei dem Affen. Zun\u00e4chst wurden alle Hinterwurzeln einer Oberextremit\u00e4t durchschnitten. Nach der Operation wurde letztere nicht mehr zum Greifen benutzt; alle ..Zielbewegungen\u201c waren weggefallen. Hingegen waren die sog. \u201eMitbewegungen\u201c (beim Klettern, Kratzen einer Hautstelle) erhalten und gingen sogar \u00fcber das normale Maafs (\u00e4hnlich wie bei dem Tabiker) hinaus. Wurde eine und zwar die achte hintere Halswurzel intact gelassen, so wurde der Arm zun\u00e4chst noch zum Greifen benutzt, aber er griff unter stark schwankenden Bewegungen daneben. Pies f\u00fchrte binnen 3 Tagen dazu, dafs das Thier nachtr\u00e4glich den betroffenen Arm nicht mehr zum Greifen verwandte. Auch beim Klettern griff der Arm hie und da fehl, wmrde aber auch weiterhin zum Klettern benutzt. Die isolirte Durchsc.hneidung der achten hinteren Halswurzel rief keine nachweisbaren Symptome hervor. Der Grad der Ataxie h\u00e4ngt von der Zahl der durchschnittenen Wurzeln ab (und wohl auch die Form, Ref.). Verbinden der Augen steigert die Ataxie (wenigstens beim Hund). Die Ausgleichbarkeit der centripetalen Ataxie f\u00fchrt H. theils auf Erhaltung einzelner centripetaler Fasern, theils auf den Opticus zur\u00fcck.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n211\nDie Mittheilung Sherrington\u2019s (18.) ist von allgemeiner Bedeutung, weil in ihr einwandfrei nachgewiesen zu sein scheint, dafs die lange sensible Hinterstrangsbahn unter bestimmten Umst\u00e4nden auch absteigend zu leiten vermag. Reizt man n\u00e4mlich den F. gracilis bezw. cuneatus nach querer Durchschneidung der Med. oblongata (ober- oder unterhalb der Hinterstrangskerne), so tritt eine Bewegung im gleichseitigen Hinterbein bezw. Vorderbein ein und zwar auch dann, wenn der Vorderseitenstrang und die graue Substanz des R\u00fcckenmarkes beiderseits z. B. in der H\u00f6he der f\u00fcnften Cerviealwurzel vorher v\u00f6llig durchtrennt wird. Sh. bezeichnet diese gegensinnige Verlaufsrichtung der Erregung als antidrom und erkl\u00e4rt den motorischen Effect aus der Ausbreitung der antidrom verlaufenden Erregung auf die Collateralen der erregten Fasern; diese Colla-teralen endigen n\u00e4mlich mit ihren Endb\u00e4umen auf motorischen Neuronen. Auch antidrom verlaufende Hemmungen vermochte Sh. in anologer Weise nachzuweisen.\nHorton Smith (13.) wendet sich gegen die Angabe Steinach\u2019s, dafs in den Hi nt er wurzeln des Froschr\u00fcckenmarkes motorische Fasern f\u00fcr die glatte Muskulatur der Eingeweide verlaufen (Blase, Darm u. s. w.). Er glaubt, dafs Steinach durch sog. Autoperistaltik get\u00e4uscht worden ist. Nach Horton Smith empf\u00e4ngt der Oesophagus, der Magen, der D\u00fcnndarm und der obere Abschnitt des Dickdarms seine motorischen Fasern nur vom Vagus, der untere Abschnitt des Dickdarms nur von der 9. vorderen Spinalwurzel, das Rectum von der 9. und 10 vorderen Spinalwurzel, die Blase von der 7., 9. und 10. vorderen Spinalwurzel. Gelegentlich fand hingegen Verf. allerdings auch motorische Fasern in den Hinterwurzeln, welche zu Skeletmuskeln zogen (z. B. zum Semimembranosus). Steinach hat \u00fcbrigens bereits wieder mit guten Gr\u00fcnden die experimentelle Beweisf\u00fchrung des Verf.\u2019s angefochten. Vergl. auch Morat et Bonne, Les \u00e9l\u00e9ments centrifuges des racines post\u00e9rieures m\u00e9dullaires, Compt. rend. Acad. d. sc. Bd. 125 S. 126.\nGad und Flatau (8.) versuchten bei grofsen Hunden circumscripte f\u00e4radische Reizung auf dem R\u00fcckenmarkquerschnitt. Interessant ist namentlich, dafs die Bewegungen des Hinterbeines vorzugsweise in Beugung des Oberschenkels, Dorsalflexion des Fufses und Plantarflexion der Zehen bestanden. Wahrscheinlich sind die Fasern im Areal der Pyramidenbahn im Uebrigen jeweils so vertheilt, dafs die f\u00fcr naheliegende K\u00f6rpertheile bestimmten Fasern der grauen Substanz des Vorderhorns n\u00e4her liegen.\nSpina (20.) findet, dafs bei Hund, Katze und Kaninchen die cerebralen Arterien unter dem Einflufs eines vasoconstrictorischen Centrums stehen, welches sich ungef\u00e4hr vom dritten Halswirbel kopfw\u00e4rts \u201ein der Weise ausbreitet, dafs das verl\u00e4ngerte Mark in der H\u00f6he der Membr. atlanto-occipitalis reichlich mit vasoconstrictorischen Bahnen f\u00fcr das Gehirn versehen ist\u201c. Auf diesem Weg kreuzen sich diese Bahnen in einer unvollst\u00e4ndigen Weise. Die Durchschneidung des verl\u00e4ngerten Markes hat, da sie die cerebralen Vasoconstrictoren l\u00e4hmt und gleichzeitig eine Blutdruckserh\u00f6hung bewirkt, eine starke Gehirnhyper\u00e4mie zur Folge.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nBesprechung.\nIII. Physiologie des Nachhirns.\nVgl. auch II, 20 Spina.\n21.\tGrabower. Zu Onodi\u2019s Stimmbildungscentrum. Arch. f. Laryngol. Bd.YI, S. 42.\nGrabower (21.) weist (wie Klemperer) nach. dafs ein Phonationscentrum im hinteren Vierh\u00fcgelgebiet, welches Onodi nachgewiesen zu haben glaubte, nicht existirt. Bei dem Hund besteht hingegen im Nachhirn ein Phonationscentrum, dessen vordere Grenze 14 mm hinter den hinteren Vierh\u00fcgeln liegt. Die hintere Grenze entspricht der Grenze des vorderen und mittleren Drittels der Ala cinerea. Zerst\u00f6rung dieses Centrums bedingt excessive inspiratorische Abduction der Stimmb\u00e4nder. Es deckt sich mit den motorischen Vaguskernen.\nIV. Physiologie des Hinterhirns einschliefslich des\nKleinhirns.\n22.\tBechterew. Ueber das sog. Krampfcentrum und \u00fcber das Centrum f\u00fcr die Locomotion im Niveau der Varolsbr\u00fccke. Neurol. Centralbl. Bd. XVI, Nr. 4, S. 146.\n23.\tK. Langwieser. Der Bewufstsemsmeciianismus im Gehirn des Menschen.\nLeipzig u. Wien, F. Deuticke, 1897. 68 S.\n24.\tMayhew. On the time of reflex winking. Journ. of exper. Med. Bd. II, S. 36 (Ref. Centralbl. f. Physiol. 1897, Nr. 10).\n25.\tA. Thomas. Le cervelet. \u00c9tude anatomique, clinique et physiologique. Paris 1897.\nLangwieser (23.) glaubt in dem Kleinhirn das \u201eIchheitsorgan, welches die Rolle des regulirenden einheitlichen Kraftorgans spielt\u201c, gefunden zu haben. Die Beweisf\u00fchrung l\u00e4fst so ziemlich Alles zu w\u00fcnschen \u00fcbrig. Im Schlaf soll durch einen Mechanismus irgendwie das Kleinhirn vom Grofs-hirn, dem Vorstellungsorgan, abgesperrt sein. Die Br\u00fcckenkerne sperren die Gem\u00fcthsbewegungen ab, dem rothen Haubenkern f\u00e4llt die Aufgabe der Einleitung des Schlafes zu.\nBechterew (22.) glaubt im Pons ein Centrum f\u00fcr die Locomotion nachgewiesen zu haben, das auf Reizung stets mit tonischem, nie mit klonischem Krampf antwortete. Vergl. die Experimentaluntersuchungen des Ref. Arch. f. Psychiatrie Bd. XVI und XXI.\nMayhew (24.) hat die Reflexzeit des tactilen Blinzelreflexes, dessen Centrum bekanntlich im Hinterhirn gelegen ist, bei dem Menschen zu durchschnittlich 0,042 Sec. bestimmt (incl. peripherischer Leitung und Latenzzeit des Muskels). Individuelle Schwankungen kamen vor. Bei gleichzeitiger intensiver intellectueller Besch\u00e4ftigung fiel die Reflexzeit k\u00fcrzer aus.\nThomas (25.) gelangt auf Grund der klinischen und experimentellen Beobachtungen (S. 158\u2014318) zu dem Ergebnifs, dafs das Kleinhirn ein Reflexcentrum f\u00fcr die Gleichgewichtserhaltung ist. L\u00e4hmungen treten nach Kleinhirnzerst\u00f6rungen niemals ein. Die Gleichgewichtsst\u00f6rungen beschreibt Th. in Uebereinstimmung mit den seitherigen Versuchsergebnissen. Die Rotation um die L\u00e4ngsaxe, das Hin\u00fcberfallen u. s. w. nach der Seite der Operation deutet er als Ausfalls-, nicht als Reizerscheinung. Wenn das","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n213\nThier z. B. l\u00e4uft, so mufs, wenn es eine Vorderpfote emporhebt, zur Erhaltung des Gleichgewichts eine compensirende Torsionsbewegung des Bumpfes und des Halses um die L\u00e4ngsaxe erfolgen. Diese compensirenden Bewegungen \u2014 Th. nennt sie auch \u201eforces de r\u00e9action\u201c \u2014 gehen vom Kleinhirn aus. Nach Exstirpation des Kleinhirns fallen diese compensirenden Bewegungen weg. Allm\u00e4hlich verschwinden die Gleichgewichtsst\u00f6rungen nach der Operation wieder, weil die Grofshirnrinde stellvertretend die Compensation \u00fcbernehmen lernt. Den Einflufs des Kleinhirns auf den Tonus der Skeletmuskulatur scheint Verf. nur als eine Theil- und Folgeerscheinung der auch in der Ruhe wirksamen Compensationsth\u00e4tig-keit des Kleinhirns aufzufassen (S. 329). Der Wurm steht in specieller Beziehung zur Gleichgewichtserhaltung der Hinterbeine und des Hinter-theils des Kumpfes, die Hemisph\u00e4ren zur Gleichgewichtserhaltung der Vorderbeine und des Vordertheils des Rumpfes. F\u00fcr die psychischen Functionen hat das Kleinhirn insofern Bedeutung, als es der mit den psychischen Functionen betrauten Grofshirnrinde eine Arbeit, n\u00e4mlich die willk\u00fcrliche Erhaltung des Gleichgewichts erspart, und damit ihr m\u00f6glich macht, ausschliefslich sich den psychischen Functionen zu widmen.\nAnatomisch denkt sich Th. den Hergang folgendermaafsen : wenn das Thier willk\u00fcrlich eine Vorderpfote hebt, gelangt von der Grofshirnrinde nicht nur eine Erregung durch die Pyramidenbahn zu den Vorderhornzellen und von diesen zu den Muskeln der Vorderpfote, sondern zugleich eine Erregung von der Grofshirnrinde durch den Br\u00fcckenarm zur Kleinhirnrinde, zum Nucleus dentatus und zum Nucleus tecti. Von der Kleinhirnrinde und den letztgenannten Kernen gelangt die Erregung durch das \u201eabsteigende Kleinhirnb\u00fcndel des Vorderseitenstrangs (vergl. die anatomische Beschreibung S. 112 ff.) zu den Vorderhornzellen und modificirt hier den Muskeltonus in der zur Erhaltung des Gleichgewichts erforderlichen Weise. Das Grofshirn wird durch den Bindearm hiervon in Kenntnifs gesetzt. Die Einzelheiten sind in dem Originalwerk nachzulesen, welches f\u00fcr unsere Kenntnifs des Kleinhirns einen grofsen Fortschritt bedeutet.\nV. Physiologie des Mittelhirns.\n26.\tBernheimer. Experimentelle Untersuchungen zur Localisation in dem Gebiet des Oculomotorius. Wien. Klin. Wochenschr. 1897, S. 322.\n27.\tMassaut. Experimentaluntersuchungen \u00fcber den Verlauf der den Pupillar-reflex vermittelnden Fasern. Arch. f. Psychiatrie Bd. XXVIII, H. 2.\n28.\tSherrington. On reciprocal innervation of antagonistic muscles. Proc. Boy. Soc. 21, I, 1897.\n29.\tDerselbe. Gataleptoid reflexes in the monkey. Lancet 6, II, 1897.\n30.\tVerworn. Tonische Reflexe. Pel\u00fcger\u2019s Arch. Bd. LXV, S. 63.\nSherrington (28.) hat bei Katzen den Hirnstamm im Bereich der Hirnschenkel durchschnitten. Es tritt dann ein auch vom Kef. bei dem Kaninchen beobachteter und beschriebener Streckkrampf im Ellenbogen-und Kniegelenk ein. Derselbe ist durch passive Bewegungen nur sehr schwer zu \u00fcberwinden. Auch schnellt das Glied sofort in die Strecksteilung zur\u00fcck. Dagegen tritt sofort Erschlaffung der Streckmuskeln und Contraction der Beugemuskeln des Ellenbogengelenks ein, wenn man die","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nBesprechung.\nHaut der Pfote oder einen Zehennerv oder auch die Hinterwurzel eines oberen Cervicalnerven reizt. Aehnlich verhalten sich auch die Strecker und Beuger des Kniegelenks. Auch elektrische Reizung des Hirnschenkels kann unter bestimmten Umst\u00e4nden zu einem solchen Wechsel der Erregung bei Antagonisten f\u00fchren. Sh. glaubt, dafs die Erschlaffung der Strecker als eine echte Contractionshemmung aufzufassen ist.\nIn einer zweiten Mittheilung (29.) beschreibt Sherrington tonische Reflexe, welche bei Affen nach Exstirpation beider Hemisph\u00e4ren eintreten, sobald ein (thermischer) Hautreiz auf die Extremit\u00e4ten wirkt. Der Tonus h\u00e4lt bis zu 20 Min. ohne Klonus und ohne Tremor an. Durch passive Bewegungen l\u00e4fst er sich ohne Schwierigkeit beseitigen und kehrt dann nicht zur\u00fcck. Wird zuerst der rechte Arm gereizt und so in tonische Contraction versetzt und hierauf der linke ebenso gereizt, so tritt gleichzeitig mit der nunmehr erfolgenden tonischen Contraction des linken Armes eine Erschlaffung des rechten Armes ein u. s. f.\nVerworn (30.) hat durch Druck oder Reiben (nicht durch chemische, thermische oder elektrische Reize) der Seitenhaut des Rumpfes (nicht des enth\u00e4uteten Rumpfes) bei Rana temporaria eine reflectorische tonisc-he Contraction der \u201cgesammten K\u00f6rpermuskulatur hervorgerufen, welche den Reiz l\u00e4ngere Zeit, bei grosshirnlosen Individuen unter Umst\u00e4nden eine Stunde \u00fcberdauert, so dass das Thier mit gekr\u00fcmmtem R\u00fccken auf gestreckten Extremit\u00e4ten unbeweglich stehen bleibt. Eine Ver\u00e4nderung der sonstigen Reflexerregbarkeit ist in diesem Zustand nicht nachweisbar. Die Bahn dieses tonischen Reflexes ist nach V. folgende: sensible Hautnerven \u2014 sensible Ganglien des R\u00fcckenmarkes \u2014 lange aufsteigende spinale Leitungsbahnen \u2014 sensible Elemente der Mittelhirnbasis \u2014- motorische Gebiete der Med. oblongata \u2014 die absteigenden motorischen Leitungsbahnen des R\u00fcckenmarkes \u2014 motorische Ganglien des R\u00fcckenmarkes \u2014 motorische Spinalnerven.\nAus den Untersuchungen Massaut\u2019s (27.) ergiebt sich nur, dafs- das Ggl. habenulae nicht, wie fr\u00fcher behauptet, Centrum des Pupillenreflexes ist. Die Lage dieses Centrums vermochte auch Verf. nicht tiefer zu bestimmen.\nBernheimer (26.) hat bei Affen entweder die \u00e4ufseren oder die inneren Augenmuskeln exstirpirt und die eintretende Degeneration anatomisch festgestellt. Danach finden sich die Centren f\u00fcr die \u00e4ufseren Oculomotorius-muskeln im distalen und mittleren Drittel des Seitenhauptkerns und in den Lateralzellen; im distalen Drittel \u00fcberwiegt die gekreuzte Verbindung, im mittleren ist die gleichseitige Verbindung ebenso stark wie die gekreuzte. Die beiden kleinzelligen Mediankerne und der grofszellige Mediankern sind die Centren der Binnenmuskeln ; ersterer hat nur gleichseitige Verbindungen. Vergleiche auch die ausf\u00fchrlichere Mittheilung in Graefe\u2019s Arch. f. Ophthalmol, Bd. XLIII, H. 3 S. 481.\nVI. Physiologie des Zwischenhirns.\n31. Henschen. Ueber Localisation innerhalb des \u00e4ufseren Kniegangiions. Neurol.\nCentralbi. Bd. XVII, Xr. 5, S. 194.\nH. schliefst aus einem interessanten Sectionsbefund, dafs der dorsale","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n215\nAbschnitt des C\u00f6rp. genic, lat. dem dorsalen (oberen) Quadranten beider Netzh\u00e4ute zugeordnet ist.\nVII. Physiologie des Hemisph\u00e4renhirns, namentlich der\nGrofshirnrinde.\n32.\tBechterew. Ueber die Erregbarkeit der Grofshirnrinde neugeborener Thiere.\nNeurol. Centralbl. Bd. XVII, H. 2, S. 148.\n33.\tBiedl. Exstirpation der beiderseitigen motorischen Rindengebiete beim Affen. Wien. Klin. Wochenschr. 1897, S. 635.\n34.\tA. Broca et Ch. Richet. P\u00e9riode r\u00e9fractaire dans les centres nerveux. Arch, de Phys. norm, et path. S\u00e9r. 5, Tome IX, S. 864.\n35.\tR. H. Cunningham. The cortical motor centres of the Opossum. Journ. of Physiol. Bd. XXII, 4, S. 264.\n36.\tH. E. Hering. Beitrag zur experimentellen Analyse coordinirter Bewegungen. Pel\u00fcger\u2019s Arch. Bd. LXX.\n37.\tHering u. Sherrington. Ueber Hemmung der Contraction willk\u00fcrlicher Muskeln bei elektrischer Reizung der Grofshirnrinde. Pel\u00fcg. Arch. Bd. LXVIII,\nS. 222.\n38.\tKlemperer. Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Phonationscentren im\nGehirn. Arch. f. Laryng. II, 3.\n39.\tKnies. Ueber den Verlauf der centripetalen Sehfasern des Menschen bis zur Rinde des Hinterhauptlappens nebst Bericht \u00fcber einen weiteren Fall von beidseitiger homonymer cerebraler Halbblindheit mit erhaltenem Gesichtsfeldrest auf beiden Augen. Zeitschr. f. Biol. N. F. Bd. XVI, S. 125.\n40.\tJ. Michle. Atypical and unusual brain forms, especially in relation to mental status. Journ. of ment. sc. (Bericht an anderer Stelle.)\n41.\tW. Mills. Cortical cerebral localisation. Brit. med. Journ. 20. Nov. 1897, II, S. 1485.\n42.\tD. Lo Monaco. Sur la physiologie du corps calleux et sur les moyens de recherche pour l\u2019\u00e9tude de la fonction des ganglions de la base. Arch. ital. de Biol. Tome XXVII, S. 296.\n43.\tV. Pugliese. Ulteriori osservazioni sulla partecipazione del nervo facciale superiore nella emiplegia. Riv. di pat. nerv. e ment. 1897, Nr. 1.\n44.\tRothmann. Rumpfmuskelcentrum in der F\u00fchlsph\u00e4re. Neurol. Centralbl. 1896, Nr. 24.\n45.\tTambroni e Obici. Due casi di tumore dei lobi frontali. Riv. di pat. nerv.\ne ment. 1897.\n46.\tTissot et Contejean. \u00fbuelques points de la physiologie de l\u2019enc\u00e9phale. Compt. rend. Soc. biol. 30. Jan. 1897, Tome IV, S\u00e9r. 10, S. 113.\n47.\tVitzou. La n\u00e9oformation des cellules nerveuses dans le cerveau du singe cons\u00e9cutive \u00e0 l\u2019ablation compl\u00e8te des lobes occipitaux. Arch, dephys. norm, et path. S\u00e9r. 5, Tome IX, S. 29.\n48.\tWertheimer et Lepage. Sur les mouvements des membres produits par l\u2019excitation de l\u2019h\u00e9misph\u00e8re c\u00e9r\u00e9bral du c\u00f4t\u00e9 correspondant. Arch, de Phys S\u00e9r. 5, Tome IX, S. 168.\n49.\tZiehen. Ueber die motorische Rindenregion von Didelphys virginica.\nCentralbl. f. Phys. Bd. XI, Nr. 15, S. 457.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nBesprechung.\nTissot und Contejean (46.) haben Exstirpationsversuche, deren Zuverl\u00e4ssigkeit allerdings \u00e4ufserst zweifelhaft ist, bei V\u00f6geln und S\u00e4ugethieren vorgenommen. Unter Anderen beobachteten sie eine Blindheit des linken Auges nach Exstirpation des vordersten Abschnitts des linken Stirnlappens bei einem Bussard, andererseits bei der Eule nach vollst\u00e4ndiger Exstirpation einer Hemisph\u00e4re stets Blindheit des gekreuzten Auges u. dgl. m. Sie betrachten alle St\u00f6rungen nach Rindenl\u00e4sionen als reflectorisch und die ge-sammte Rinde als einen Haufen (amas) sensibler Centren.\nHie Rindenreizungsversuche von Cunningham (35.) und Ziehen (49.) bei dem Opossum bieten vorl\u00e4ufig nur ein vergleichend-physiologisches Interesse. Mills (41.) betont die individuelle Variabilit\u00e4t der Reizeffecte. Bei der Taube beobachtete er bei Rindenreizung Lid- und Pupillenverengerung sowie Mckhautbe wegungen (gekreuzt st\u00e4rker).\nF\u00fcr die Psychologie beachtenswerth sind die Versuche von Broca und Richet (34.). Diese letzteren reizten die motorische Region des Plundes (Bet\u00e4ubung durch intraven\u00f6se Injection von Chloralose) mit Inductions-schl\u00e4gen im Zwischenraum von einer Secunde und stellten fest, clafs ein zweiter Reiz, welcher innerhalb der ersten Zehntelsecunde w\u00e4hrend des Zwischenraums erfolgt, wirkungslos ist. Diese Zeit bezeichnen die Verff. als die \u201erefract\u00e4re Periode\u201c. Auf diese refract\u00e4re Periode f\u00fchren sie zur\u00fcck, dafs bei rascherer Folge der Inductionsschl\u00e4ge (z. B. 5 pro Sec.) hier und da eine Zuckung schwach ausf\u00e4llt oder ausbleibt. Ausgesprochen treten diese Erscheinungen hervor, wenn die Temperatur des Versuehsthieres k\u00fcnstlich erniedrigt wird. Es gelingt dann einen Zustand herzustellen, in welchem das Thier z. B. nur auf je 2 oder 3 oder 4 etc. Reize mit je einer Zuckung antwortet. Anfangs ist in solchen F\u00e4llen die Antwort noch ziemlich unregelm\u00e4fsig, aber allm\u00e4hlich stellt sich ein ganz regelm\u00e4fsiger Rhythmus, ein constantes Zahlenverh\u00e4ltnifs zwischen Reizzahl und Zuckungszahl ein (Synchronisation). Statt elektrischer Reize kann man auch allgemeine mechanische Reize (z. B. Hammerschl\u00e4ge auf den Versuchstisch) anwenden.\nDie Dauer der refract\u00e4ren Periode h\u00e4ngt von der Temperatur des Thieres ab. Sie betr\u00e4gt z. B. bei 43\u00b0 0,10\u201c, bei 35\u00b0 0,18\u201c, bei 34\u00b0 0,30\u201c, bei 29\u00b0 0,70\u201c. Es scheint \u00fcbrigens der refract\u00e4ren Periode eine sehr kurze, nach Hundertstelsecunden zu bemessende Periode gesteigerter Erregbarkeit vorauszugehen, welche als Additionsperiode bezeichnet wird.\nDie Verff. stellen sich vor, dafs ' \u00e4hnlich wie bei manchen physikalischen Erscheinungen die corticalen Elemente in Form einer Reihe von Oscillationen zum Gleichgewicht zur\u00fcckkehren, und dafs w\u00e4hrend der refract\u00e4ren Periode der wirkungslose Reiz in die negative Phase der Oscillation f\u00e4llt. Die Additionsperiode w\u00fcrde der positiven Phase entsprechen. Die Gesammtdauer der Oscillation w\u00fcrde 0,1\u201c betragen. Hiermit w\u00fcrde in Einklang stehen, dafs z. B. willk\u00fcrliche oder durch elektrische Rindenreizung hervorgerufene Muskelcontractionen h\u00f6chstens einen Rhythmus von 14, meist nur von 10 Contractionen pro Secunde haben. Ebenso ergab sich, dass bei dem raschesten Aussprechen einer Silbenfolge h\u00f6chsten 11 Silben \u00e4uf die Secunde kommen. Dieselbe Zahl wurde-auch gefunden, wenn die Silben nicht ausgesprochen, sondern nur gedacht wurden. Die Verff.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n217\nsprechen daher ganz allgemein den Satz aus : \u201eles actes c\u00e9r\u00e9braux discontinus (volition on perception) ne peuvent d\u00e9passer le nombre de 10 par seconde.\u201c\nWertheimer und Lepage (48.) haben die bei Rindenreizung auftretenden gleichseitigen Extremit\u00e4tenbewegungen bei Hunden, welche man oft auf eine nachtr\u00e4gliche R\u00fcckkreuzung der Erregung im R\u00fcckenmark zur\u00fcckf\u00fchrt, genauer untersucht. Wurde das R\u00fcckenmark links in der H\u00f6he des zweiten Halswirbels halbseitig durchschnitten, so tritt bei Reizung des rechten Gyrus sigmoideus in der rechten Hinterpfote eine Contraction ein, und zwar besteht diese in einer br\u00fcsken, zuweilen tetanischen Streckung, w\u00e4hrend die auf Reizung der gekreuzten motorischen Zone erfolgende Contraction eine coordinirte Beugebewegung darstellt. Meist ist ein st\u00e4rkerer Strom zur Hervorrufung dieses gleichseitigen Reizeffects erforderlich. Schon durch diesen Versuch wird eine R\u00fcckkreuzung unwahrscheinlich. Noch beweisender ist folgender Versuch. Zuerst wird eine linksseitige Hemi-sectio an der Spitze des Calamus scriptorius ausgef\u00fchrt. Rechtsseitige Rindenreizung ruft danach noch immer Contraction der linken Hinterpfote hervor, da der Schnitt oberhalb der Pyramidenkreuzung liegt. Hierauf wird eine zweite linksseitige Hemisectio im Niveau der ersten Cervical-wurzel ausgef\u00fchrt. Nun ruft rechtsseitige Rindenreizung nur eine Bewegung der rechten Hinterpfote hervor. Exstirpirt man nun durch einen medianen L\u00e4ngsschnitt den zwischen den beiden Halbschnitten gelegenen Theil des cervicalen und verl\u00e4ngerten Markes, so tritt noch immer auf Reizung des rechten Gyrus sigmoideus eine Zuckung in der rechten Hinterpfote ein. Dieser Versuch ist in der That entscheidend. Er beweist, dafs auch die von Sherrington zeitweise angenommene R\u00fcckkreuzung unmittelbar unterhalb der Pyramidenkreuzung nicht statthat. Die gleichseitigen Reizungseffecte beruhen also auf direct er gleichseitiger Verkn\u00fcpfung der Vorderh\u00f6rner mit der Grofshirnrinde. Damit stimmen auch die anatomischen Befunde \u00fcberein. Durchschneidung des Balkens und Abtragung des gekreuzten Gyrus sigmoideus \u00e4ndern an dem Thatbestand der gleichseitigen Reizungseffecte nichts. Es ist also auch eine Mitwirkuug der gekreuzten motorischen Region auszuschliefsen. Mit diesen Ergebnissen w\u00e4re namentlich auch die pathologisch-anatomische Arbeit von A. Hoche (Arch, f. Psychiatrie, Bd. XXX, H. 1 S. 103) zu vergleichen.\nKlemperer (38.) weist nach, dafs in jeder Hemisph\u00e4re ein Phonationscentrum gelegen ist, welches beide Stimmb\u00e4nder innervirt.\nPugliese (43.) stellt fest, dafs der Augenfacialis bei den centralen Facialisl\u00e4hmungen oft mitbetheiligt ist. Sein Rindencentrum liegt vom Armcentrum weiter ab als dasjenige des unteren Facialis. Uebrigens haben Coingt und 0. Berger dies schon vor 20 Jahren nachgewiesen.\nGrofses Interesse beanspruchen die Versuche von Hering und Sherrington (37.) \u00fcber Hemmung der Contraction willk\u00fcrlicher Muskeln bei faradischer Reizung der Grofshirnrinde der Affen. Die Verff. fanden, dafs die in einem gewissen Stadium der Aethernarkose spontan eintretende, andauernde Beugecontraction der Extremit\u00e4ten (seltener Streckcontraction) durch Rindenreizung erschlafft werden kann. Die Verff. geben folgende Beispiele an:\n/","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nBesprechung.\n1.\tErschlaffung der Ellenbogenstrecker und Beugung im Ellbogen bei Reizung einer Rindenstelle, deren Erregung vorher bei schlaff herabh\u00e4ngendem Arm Ellbogenbeugung hervorgerufen hatte.\n2.\tErschlaffung des Biceps und Contraction der Strecker des Ellbogens bei Reizung der Rindenstelle f\u00fcr die Ellbogenstreckung.\n3.\tErschlaffung der Fingerbeuger mit Contraction der Fingerstrecker bei Reizung der Rindenstelle f\u00fcr die Fingerstreckung u. s. w.\nIm Allgemeinen liefs sich mit Abschw\u00e4chung des Reizes, wenn der Reiz \u00fcberhaupt wirksam war, stets die Erschlaffung der genannten Muskeln erzielen, aber die mit der Reizung gew\u00f6hnlich verbundene Contraction der anderen Muskeln wurde dabei immer schw\u00e4cher und oft gar nicht wahrnehmbar. Bei gewisser Stromst\u00e4rke war nicht von derselben Rindenstelle Erschlaffung oder Contraction derselben Muskeln erh\u00e4ltlich, sondern von 2 gesonderten, oft ziemlich weit von einander liegenden Hirnrindenstellen. Aufser der reciproken Innervation der wahren Antagonisten ergab sich noch ein complicirteres Verh\u00e4ltnifs zwischen verschiedenen Muskelgruppen; denn Erschlaffung einer Gruppe war nicht stets nur mit Contraction ihrer wahren Antagonisten verkn\u00fcpft, sondern zuweilen auch mit Contraction von Muskeln, mit welchen ein physiologischer Zusammenhang nicht sofort zu erkennen war. Verff. glauben ferner, dafs die Erschlaffung einer Gruppe zeitlich ein wenig vor die Contraction der anderen Gruppe f\u00e4llt, namentlich bei einer gewissen St\u00e4rke der Reaction. Eine gleichzeitige Contraction wahrer Antagonisten wurde niemals beobachtet.\nMonaco (42.) hat den Balken nach einer besonderen Methode bei dem Hund durchschnitten. Faradische Reizung des Balkens ergab niemals die von Mott und Mubatofe beschriebenen Bewegungen. Auch hat er ebenso wie Kobanyi niemals nach Balkendurchschneidung sensible oder motorische Ausfallserscheinungen beobachtet.\nKnies (39.) gelangt auf Grund eines sehr interessanten Falles von beidseitiger homonymer cerebraler Hemionopsie mit erhaltenem centralen Gesichtsfeldrest auf beiden Augen und der vorliegenden Literatur zu folgenden Schl\u00fcssen. Wenn auch die Maculastelle der Occipitalrinde (also die Lippen der Fiss. ealcarina) auf der 'Grenze des Gebiets der Art. cerebri post, und media liegt, so reicht diese Thatsache zur Erkl\u00e4rung des gelegentlich auftretenden sog. \u201e\u00fcbersch\u00fcssigen Gesichtsfeldrestes\u201c bei Hemianopsie doch nicht aus, sondern es mufs angenommen werden, dafs eine doppelseitige Faserverkn\u00fcpfung des die Fov. centralis zun\u00e4chst umgebenden Theils der Macula lutea (F\u00d6BSTEE\u2019scher Fall) stattgefunden hat. Eine doppelseitige absolute Hemianopsie cerebralen Ursprungs mit beiderseitigem \u00fcbersch\u00fcssigen Gesichtsfeldrest, normalem Sehverm\u00f6gen und Farbenverm\u00f6gen kommt vor ohne jegliche Complication, also ohne Lesest\u00f6rung, ohne St\u00f6rung der Orientirung und ohne Ausfall optischer Erinnerungsbilder.\nVitzou (47.) hat bei einem jungen Affen (Macacus sinicus) in einer Operation beide Hinterhauptslappen, wie er versichert, vollst\u00e4ndig abgetragen. Das Thier war danach 3 Monate v\u00f6llig blind. Nach 31/\u00ab Monaten wurden Anzeichen einer wiederkehrenden Sehf\u00e4higkeit festgestellt. Weiterhin besserte sich das Sehen progressiv. Als Beweis f\u00fchrt Y. an, dafs das Thier die Ann\u00e4herung von Personen an seinen K\u00e4fig bemerkte und Hinder-","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n219\nnissen gr\u00f6fstentheils auswich. Ein exactes Untersnchungsprotokoll fehlt. Zwei Jahre zwei Monate nach der ersten Operation legte Verf. znm ZwTeck einer zweiten Operation das Hinterhauptsgehirn wieder frei und fand eine Masse neugebildeter Substanz an Stelle der exstirpirten Occipitallappen. Er trug die Masse ab und fand bei der mikroskopischen Untersuchung Pyramidenzellen und Nervenfasern. Er nimmt an, dafs diese neugebildet seien und dafs die Wiederkehr des Sehens auf diese Neubildung zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Nach der zweiten Operation war der Affe wieder v\u00f6llig blind. Ref. hat erhebliche Zweifel gegen die Vollst\u00e4ndigkeit der Abtragung. Auch ist es dem Verf. nicht gegl\u00fcckt den Einwand zu widerlegen, dafs benachbarte Hirnmassen sich in die L\u00f6cher eingedr\u00e4ngt haben.\nTambroni und Obici (45.) lassen sich wieder einmal durch die An Wesenheit von psychischen Symptomen bei Stirnlappentumoren zu der Annahme verf\u00fchren, dafs der Stirnlappen in engerer Beziehung zu den psychischen Functionen steht.\nBiedl (33.) hat bei einem Affen zuerst die linke, und dann ca. 3 Wochen sp\u00e4ter die rechte motorische Region und zwar erstere sehr unvollkommen exstirpirt. Nach der ersten Operation wurde die rechte Hand zu Einzel* bewegungen nicht mehr benutzt. Nach der zweiten Operation wurde die linke Hand nicht mehr benutzt und pl\u00f6tzlich die rechte wieder zu com-plicirten Bewegungen \u2014 allerdings ungeschickt \u2014 wieder verwendet. B. erkl\u00e4rt die Beobachtung mit Recht aus der Unvollst\u00e4ndigkeit der ersten Operation.\nVIII. Stoffwechsel und Circulation des Gesammtgehirns.\nBeziehungen zwischen Function und Structur.\n50.\tA. Adamkiewicz, lieber den sog. Hinidruck, die Bewegung der Oerebro-spinal\u00fc\u00fcssigkeit im Sch\u00e4del und den Bruck im Gehirn. Neurol. Centralbl.\nBd. XVI, Nr. 10.\n51.\tG. Elder. The intracranial circulation in some of its aspects. Brit. Med. Journ. 1897, S. 1414.\n52.\tC. Gaufini. Suite aiterazioni delle cellule nerv\u00f6se dell5 asse cerebrospinale consecutive all\u2019 inanizione. Mon. zool. ital. 1897, Nr. 10.\n53.\tHeger. Bull. acad. m\u00e9d. de Belg. Bd. IX, S. 831.\n54.\tL. Jacobsohn. Ueber das Aussehen der motorischen Zellen im Vorderhorn des R\u00fcckenmarks nach Ruhe und Hunger. Neurol. Centralbl. Bd. XVI, Nr. 20, S. 946.\n55.\tv. K\u00f6llicker. Ueber die Hypothese von Ramon y Cajal von der Bedeutung der Neuroglia. Phys.-Med. Gesellsch. zu W\u00fcrzburg 1896, Nr. 8.\n56.\tE. Lugaro u. L. Chiozzi. S\u00fclle aiterazioni degli element! nervosi nell\u2019 inanizione. Riv. di pat. nerv, e ment. 1897.\n57.\tObersteiner. Die Innervation der Gehirngef\u00e4fse. Jahrb. f. Psychiatrie Bd. 16, H. 1.\n58.\tM. Reiner u. J. Schnitzler. Beitrag zur Kenntnifs der Blutcirculation im Gehirn. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. XXXVIII, S. 249.\n59.\t0. Siven. Experimentelle Untersuchungen \u00fcber den Einfiufs der K\u00f6rperstellung und Respiration auf die Gehirnbewegungen beim Hunde. Zeitschr. f. Biol Bd. XXXV, S. 506.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nBesprechung.\n60.\tM. Stefanowska. Les appendices terminaux des dendrites c\u00e9r\u00e9brales et leurs diff\u00e9rents \u00e9tats physiologiques (Trav. de laborat. Heger 1897).\n61.\ty. Zeissl. Ueber Gebirndruck. Centralbl. f. Phys. Bd. XI, Nr. 21, S. 694. Sitz, des Phys. Club zu Wien. 21. Dec. 1897.\nSi Ven (\u00f49.) best\u00e4tigt, dais bei dem Thier der Hirnpuls verschwindet, wenn der Sch\u00e4del bis zum R\u00fcckenniveau herabgesenkt wird. Die Inspiration ruft ein Steigen, die Exspiration ein Fallen der Hirnpulscurve hervor. Das Steigen und Fallen ist arteriellen, nicht ven\u00f6sen Ursprungs.\nEinen leidlichen Ueberblick \u00fcber die Entwickelung und den jetzigen Stand unseres Wissens \u00fcber die Gehirncirculation giebt auch Sotjry im 3. Paragraph seines Artikels Cerveau im Diet, de Physiologie.\nElder (51.) gelangt zu wesentlich abweichenden Ergebnissen. Nach seinen Versuchen ist die respiratorische Pulsation ven\u00f6sen Ursprungs. W\u00e4hrend der Inspiration findet eine Aspiration des ven\u00f6sen Blutes statt und dabei sind die Arterien erweitert. W\u00e4hrend der Exspiration sind die Venen erweitert und die Arterien verengt. Der capillare Blutstrom wird durch die Athmung nicht beeinflufst. Der Arterienpuls beschleunigt den \u201c\"ven\u00f6sen Abflufs aus dem Sch\u00e4del. Ein Uebergang von Cerebrospinalfl\u00fcssigkeit aus dem Sch\u00e4del in den Wirbelcanal findet weder bei der Athmung noch mit dem Arterienpuls statt. Die Besprechung des Einflusses der Hirndruckschwankungen auf die Hirncirculation ist im Original nachzulesen. Sehr bemerkenswert!! ist hingegen f\u00fcr den Psychologen noch die Thatsache, dafs die intracranielle Circulation sich zuweilen unabh\u00e4ngig von der sonstigen Circulation ver\u00e4ndert, woraus zu schliefsen ist, dafs die Weite der arteriellen Gef\u00e4fse des Gehirns unter dem Einflufs eines besonderen \u201elocalen Mechanismus\u201c steht.\nReiner und Schnitzler (58.) haben bei curarisirten Hunden eine Kan\u00fcle in den peripheren Ast der Vena jugul. ext. endst\u00e4ndig eingebunden, nach dem zuvor alle Aeste dieses Venenstammes mit Ausnahme der Hirnvene unterbunden worden wraren ; die fallenden Blutstropfen wurden automatisch auf dem Papier des Kymographions verzeichnet. Sie fanden nun, dafs bei jeder Blutdrucksteigerung (durch Reizung der peripherischen Splanchnicus-st\u00fcmpfe) die Zahl der abfliefsenden Blutstropfen zunahm, einerlei ob der Subarachnoidalraum er\u00f6ffnet war oder nicht. Bei einzelnen Thieren gelang es auch durch Reizung der centralen St\u00fcmpfe der Vago-Sympathici die Fluxion zum Gehirn dergestalt zu steigern, dafs das Blut nicht tropfenweise, sondern in continuirlichem Strom aus der Can\u00fcle rann ; auch hier ist gleichg\u00fcltig, ob man den Subarachnoidalraum er\u00f6ffnet hat oder nicht. Auch f\u00fcr die Hyperdiaemorrhysis bei der maximalen Blutdrucksteigerung eines mit Strychnin vergifteten Thieres bedingt die Er\u00f6ffnung der Membrana obturans keinen wesentlichen Unterschied. Aus diesen Ergebnissen schliefsen die Verff., dafs der Liq. cerebrospinalis auf den Blutdurchflufs des Gehirns keinen oder nur einen sehr geringen Einflufs aus\u00fcbt. Ebenso kommen auch bei starker Blutdrucksteigerung die Vibrationen Grashey\u2019s nicht zu Stande. Die Drucksteigerung des Liquor c. sp., welche durch Circulationsver\u00e4nderungen der Hirngef\u00e4fse entsteht, kann niemals dazu f\u00fchren, dafs der Druck des Liquors gr\u00f6fser wird als der gleichzeitige intra-","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechung.\n221\nven\u00f6se Druck. Im Sch\u00e4delinnern ist auch f\u00fcr einen aufsergew\u00f6hnlichen Wechsel der Blutf\u00fclle genug Raum. Nur wenn die Drucksteigerung des Liquor nicht angiogen ist, k\u00f6nnen Vibrationen und schwere Kreislaufst\u00f6rungen eintreten. Vgl. auch II, 20 Spina.\nObersteiner\u2019s Mittheilung (57.) ist auch physiologisch bedeutsam, insofern Verf. den noch immer ausstehenden anatomischen Nachweis von Gef\u00e4fsnerven f\u00fcr die kleineren Hirnarterien erbringt.\nAus den Versuchen v. Zeissl\u2019s (61.) scheint zu folgen, dafs die Steigerung des Hirndrucks zuweilen (z. B. bei Jodjodnatriumeinspritzung) deshalb die Steigung des allgemeinen Blutdrucks \u00fcbertrifft, weil ein Transsudation von Fl\u00fcssigkeit aus den Gef\u00e4fsen in das Gehirn stattfindet.\nVersuche, vorzeitig zwischen der morphologischen Beschaffenheit der Ganglienzellen und ihrem Functionszustand (Erm\u00fcdung, Ruhe u. s. w.) Beziehungen festzustellen, sind auch in diesem Jahr nicht ausgeblieben. So glaubt Stefanowska (60.), dafs der Stachelbesatz der Protoplasmaforts\u00e4tze bei Meerschweinchen undM\u00e4usen erst wenige Tage nach der Geburt mit Ausbildung der psychischen Functionen auftritt. Auch soll die Zahl der Stachel und der Contour der Forts\u00e4tze von der jeweiligen Activit\u00e4t abh\u00e4ngen. Lug ARO und Chiozzi (56.) beobachteten bei Hunden und Kaninchen, wTelche sie bis zu 42 Tagen hungern liefsen, erst in den Tagen vor dem Tode deutlichere Ver\u00e4nderungen der Chromatinstructur. Die Vorderhornzellen waren am wenigsten, die Spinalganglienzellen, Grofshirnrindenzellen u. a. am st\u00e4rksten gesch\u00e4digt. Zu gerade den entgegengesetzten Ergebnissen ist Gattfini (Kaninchen) gelangt (52.). Jacobsohn (54.) fand, dafs die Vorderhornzellen des Igels nach Ruhe und Hunger (bei Anwendung der Nissl\u2019-schen Methode) dieselbe Structur zeigen wie bei dem normalen Thier.\nDie Hypothese Ramon y Cajals \u00fcber die Bedeutung der Neuroglia erf\u00e4hrt durch v. K\u00f6lliker (55.) eine wohlverdiente Zur\u00fcckweisung.\nSehr zweifelhaft sind auch die Angaben Heger\u2019s (53.), wonach die Ganglienzellen der Hirnrinde beim schlafenden Thier weniger zahlreiche, k\u00fcrzere und undeutlichere Protoplasmaforts\u00e4tze zeigen sollen. Die Form soll rosenkranz\u00e4hnlich sein (GoLGi\u2019sche Methode).","page":221}],"identifier":"lit30629","issued":"1899","language":"de","pages":"203-221","startpages":"203","title":"Kritischer Bericht \u00fcber wichtigere Arbeiten auf dem Gebiete der Physiologie des Centralnervensystems der Wirbelthiere [61 Arbeiten, 1894-1899]","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:48:06.797261+00:00"}