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{"created":"2022-01-31T15:08:41.216638+00:00","id":"lit30631","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Rehmke, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 224-229","fulltext":[{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nLiteraturbericht.\nVorstehend konnten nat\u00fcrlich nur einige markante Z\u00fcge aus dem mannigfachen Inhalt des M.\u2019sehen Buches gegeben werden. Das Ganze giebt zu denken, dem Philosophen \u00fcberhaupt und dem Psychologen insbesondere. Gegen\u00fcber einem so energischen und siegesgewissen Vordringen der mittelalterlichen Weltanschauung geht es doch wohl nicht mehr mit der unklaren agnostischen Ablehnung oder zaghaften Zur\u00fcckschiebung und Verdunkelung der principiellen Fragen ; es gilt, sich selbst \u00fcber seine prin-cipielle Stellung klar zu werden und Farbe zu bekennen. A. D\u00f6ring.\nA. Deews. Das Ich als Grundproblem der Metaphysik; eine Einf\u00fchrung in die speculative Philosophie. Freiburg i. B., Mohr, 1897. 322 S.\nDie Philosophie des Unbewufsten, die Metaphysik En. v. Hartmann\u2019s, hat in dem Karlsruher Docenten der Philosophie einen bemerkenswerthen Vertreter gefunden, der in schriftstellerischer Begabung dem Meister gleichzukommen scheint. In dem vorliegenden Buche er\u00f6ffnet Deews einen Feldzug gegen die philosophischen Systeme der Neuzeit, welche auf den von Cabtesius gelegten Grund des cogito ergo sum ihre Weltanschauung auf-bauten, also gegen die sogenannten Idealisten. Ihrer Philosophie des Be-wufsten stellt er als die wahre die Philosophie des Unbewufsten entgegen. Seine Kritik der idealistischen Philosophiesysteme ist \u2014 ich m\u00f6chte dies umsomehr hervorheben, je weniger ich seinen eigenen Aufstellungen zustimmen kann \u2014 eine schneidige und interessante, so dafs sie angelegentlichst dem Leser empfohlen werden kann. Auf die metaphysischen Er\u00f6rterungen des Verf. aber einzugehen, ist diese Zeitschrift nicht der Ort; ich werde mich daher in meiner Besprechung auf das beschr\u00e4nken, was an psychologischen Er\u00f6rterungen das Buch bietet.\nIch lasse also alle metaphysischen Unterstellungen der Philosophie des Unbewufsten bei Seite und frage nur nach der Berechtigung der vom Verf. auf gestellten Behauptungen, in denen Thatsachen des Seelenlebens vorgef\u00fchrt werden. Die Psychologie stellt sich immer auf den Boden, auf welchem Seelisches und Leibliches zweierlei Gegebenes sind, die zu einander in einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse stehen und als Innenwelt und Aufsenwelt begriffen werden ; von diesem Boden aus sucht sie das Seelenleben zu verstehen.\nDeews geht nun davon aus, dafs \u201eman die Elemente des Seelenlebens ganz allgemein in solche des Vorstellens, des F\u00fchlens und des Wollens einzutheilen pflegt\u201c, und meint, \u201edafs alle Psychologen darin \u00fcbereinstimmen, dafs die Vorstellungselemente sich letzten Endes auf Empfindungen zur\u00fcckf\u00fchren lassen\u201c. Was er unter \u201eVorstellen\u201c begreift, deckt sich im Ganzen mit dem, was ich in meinem \u201eLehrbuch der allgemeinen Psychologie\u201c die gegenst\u00e4ndliche Bestimmtheit der Seele nenne; aber Drews meint: \u201eDie Empfindung bezieht sich unmittelbar noch nicht auf ein Gegenst\u00e4ndliches, wie die Vorstellung im eigentlichen Sinne; insofern gleicht sie dem Gef\u00fchle, wofern sie nicht gar mit diesem identisch ist; die Empfindung ist das \u201eInsichfinden der Seele\u201c (hoffentlich kein etymologischer Versuch!), in ihr wird sich die letztere ihres eigenen Zustandes als eines qualitativ bestimmten inne; wenn es daher ein psychisches Gebilde giebt, in welchem sich Dasein und Bewufstsein","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n225\ndecken, so mufs es die Empfindung sein, sie ist nur, indem sie und dadurch, dafs sie erkannt wird, so sehr, dafs eine \u201eunbewufste Empfindung\u201c ein Widerspruch in sich selber ist.\u201c (S. 166f.)\nEs \u00fcberrascht, bei einem Philosophen des Unbewufsten die Empfindung, \u201edas von allen Vorstellungsgebilden einfachste und urspr\u00fcnglichste\u201c (S. 167) nur als \u201eBewufstes\u201c hier anerkannt zu finden. Indessen rasch werden wir wieder ins Gleichgewicht gebracht, denn Drews behauptet weiter: \u201eDamit ist nicht gesagt, dafs sie (die Empfindung) als solches Gebilde in unserem unmittelbaren Bewufstsein auch Vorkommen m\u00fcfste\u201c und \u201einsbesondere gilt dies von den sogenannten Gemeinempfindungen, deren eigenth\u00fcmlich schillernder Charakter darin seine Erkl\u00e4rung findet, dafs zu ihrer Entstehung Empfindungen aus den verschiedensten Organen des K\u00f6rpers zusammenfliefsen, ohne als einzelne zum Bewufstsein zu kommen\u201c (S. 167); er weist als Beispiel auf die Bewegungsempfindungen hin, die sich angeblich \u201eaus Druckempfindungen, Contractions- und centralen Innervationsempfindungen zusammensetzen, so zwar, dafs eine reinliche Trennung derselben nicht m\u00f6glich ist\u201c. Damit w\u00e4re also doch die \u201eunbewufste Empfindung\u201c wieder eingef\u00fchrt. Dafs der Verf. sich in diesen Widerspruch mit sich selber setzt, wundert mich bei seiner sonst so kritischen selbst\u00e4ndigen Art recht sehr; wenn er es ernst meinte mit seiner ersten Behauptung, dafs \u201eunbewufste Empfindung\u201c ein Widerspruch in sich selber ist, so h\u00e4tte ihn die freilich sehr verbreitete Meinung von der \u201ethat s\u00e4chlich en Zusammengesetztheit dessen, was wir einfache Empfindung nennen, aus mehreren gleichzeitigen Einzelempfindungen\u201c (S. 168) zur Pr\u00fcfung der Behauptung f\u00fchren sollen, \u201ewie complicirte gleichzeitige psychische Erregungen in unserem Bewufstsein den Eindruck der Einfachheit und Urspr\u00fcnglichkeit hervorzubringen verm\u00f6gen\u201c. Ich bin \u00fcberzeugt, sein Scharfsinn h\u00e4tte bald in dieser Behauptung ein Haar gefunden und er w\u00e4re nicht auch auf die Meinung von \u201eElementarempfindungen\u201c, aus denen sich die Einzelempfindung zusammensetzen soll, verfallen. Gewifs ist es wahr, dafs wir, wie Drews schreibt, \u201ejede Empfindung uns verkn\u00fcpft zu denken haben mit einem materiellen Vorgang in unserem Gehirn, welcher durch den \u00e4ufseren Wahrnehmungsreiz ausgel\u00f6st wird\u201c, aber darum m\u00fcssen wir doch nicht, weil dieser materielle Vorgang im Gehirn das letzte Glied eines complicirten physiologischen Processes im Leibe ist, annehmen, dafs, wie das Endglied dieses Processes \u201emit der bekannten Empfindung verkn\u00fcpft ist\u201c, so auch \u201eentsprechend den einzelnen St\u00f6fsen und Schwingungen der materiellen Theile eine Elementarempfindung nach der anderen zugleich mit ausgel\u00f6st wird\u201c. Drews meint, wir d\u00fcrften \u201edoch nicht annehmen, dafs jene Empfindung unvorbereitet und pl\u00f6tzlich an irgend einem Punkte jenes materiellen Processes hervortritt\u201c (S.169) \u2014 ich meine jedoch, dafs, wenn er hier gegen\u00fcber der auch von mir vertretenen Ansicht ein unvorbereitetes und pl\u00f6tzliches Hervortreten der Empfindung zu bedenken giebt, dieses Bedenken ja ganz ebenso f\u00fcr seine Elementarempfindung sich ihm geltend machen m\u00fcfste. Seine Behauptung aber, dafs die Einzelempfindung selbst kein \u201eurspr\u00fcngliches psychisches Gebilde, sondern das Resultat ihm vorange-\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIX.\t.\n/","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nLiteraturbericht.\ngangener Elementarempfindungen\u201c sei, l\u00e4fst sich auf die That-sache des \u201ecomplicirten physiologischen Vorganges\u201c keineswegs gr\u00fcnden. Ich bedauere, dafs der Verf. allem Anschein nach mein Lehrbuch der allgemeinen Psychologie nicht kennt, in welchem ich gerade gegen die Meinung von Elementarempfindungen und deren sogenannter Verschmelzung mich gewandt habe; ich m\u00f6chte fast annehmen, dafs er sicherlich nicht den Weg der \u201eElementarempfindungen\u201c gegangen w\u00e4re, wenn er meine Einw\u00fcrfe gekannt h\u00e4tte.\nVielleicht h\u00e4tte er sich dann auch vor einer anderen Behauptung geh\u00fctet, zu der die \u201eElementarempfindung\u201c ihm wohl die Br\u00fccke gewesen ist, dafs n\u00e4mlich nicht die Empfindung, dieses \u201equalitativ bestimmte\u201c Seelische, sondern vielmehr das Gef\u00fchl der Unlust und der Lust, als \u201edas blos quantitativ bestimmte\u201c Seelische \u201eder Anfangs- und Ausgangspunkt aller Entwickelung des Bewufstseins\u201c sei (S. 238). Indem der Verf. der Frage nachh\u00e4ngt, was denn die Elementarempfindungen, welche die \u201eComponenten unserer Einzelempfindung bilden sollen, selber seien\u201c, kommt er zun\u00e4chst zu dem Schlufs, dafs sie \u201eden geringsten Grad von objectiver Bestimmtheit haben m\u00fcssen\u201c, so dafs \u201esie den Quantit\u00e4tsunterschieden des Gef\u00fchles so nahe, wie m\u00f6glich, stehen\u201c (S.170). Dann aber w\u00fcrden sie immerhin noch etwas vom Gef\u00fchl der Lust und Unlust unterschiedenes Seelisches sein und demnach doch nach Analogie der uns bekannten Empfindungen zu begreifen sein. Bald aber h\u00f6ren wir, dafs die Empfindungen kleinster Individuen, \u201edie Atomempfindungen, wenn es solche giebt, aller Qualit\u00e4t \u00fcberhaupt entbehren m\u00fcssen und, da nach Abzug der letzteren nichts mehr \u00fcbrig bleibt, nur noch Unterschiede der Intensit\u00e4t von Lust und Unlust zeigen k\u00f6nnen\u201c. Befremdend ist es hierbei, dafs der Ve rf. das worauf seine ganze \u201eAbleitung der Qualit\u00e4t unserer Empfindung aus quantitativen Componenten\u201c fufst, n\u00e4mlich die \u201eAtomempfindung\u201c, mit der Zweifelsbemerkung, \u201ewenn es solche giebt\u201c, einf\u00fchrt. Aber auch abgesehen von dieser wackeligen Unterlage erscheint der Aufbau der Empfindung auf das Gef\u00fchl wenig vertrauenerweckend. Die \u201eAbleitung\u201c der Empfindung aus dem Gef\u00fchl geschieht so, dafs Dbews darauf hinweist, \u201ewie ein Individuum h\u00f6herer Ordnung Functionen aus\u00fcben kann, die in seinen Componenten nicht enthalten sind\u201c, so werde auch die Empfindung eines Individuums h\u00f6herer Ordnung nicht blos das Verdichtungsproduct der es constituirenden Momente niederer Ordnung sein. Wenn demgem\u00e4fs ein Molek\u00fcl, das schon nicht mehr ein schlechthin einfaches Gebilde, wie das Atom, ist, als aus verschiedenen Atomen zusammengesetzt mit verschiedenen Atomempfindungen d. h. mit quantitativ verschiedenen Gef\u00fchlen die Einwirkungen, welche es erf\u00e4hrt, beantwortet, so fliefsen nach der Behauptung des Verf. \u201ediese Unterschiede der Intensit\u00e4t in dem h\u00f6heren Bewufstsein des Molek\u00fcls zu unterschiedlich gef\u00e4rbten Empfindungen zusammen; jedes einzelne Empfindungsmoment (also das einzelne Atomgef\u00fchl) geht als solches in den Endeffect mit ein, nun aber nicht mehr als das, wTas es an seiner eigenen Stelle war, als subjectives Lust- und Unlustmoment, sondern vielmehr als Qualit\u00e4tsmoment, und aus den Elementarempfindungen (Gef\u00fchlen der Lust- und Unlust) ist nun die Synthese der qualitativ gef\u00e4rbten Endempfindung da\u201c (S. 172f.). Ich mufs gestehen, dafs diese Ableitung","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Literatur bericht.\n227\nunserer Empfindungen aus Elementarempfindungen, die in letzter Linie auf Gef\u00fchle der Lust und Unlust als deren Componenten hinausf\u00fchren, als \u201eTaschenspielerkunstst\u00fcck\u201c w\u00fcrdig sich anreiht manchen Speculationen der Idealisten, die der Verf. ganz richtig als solche Kunstst\u00fccke geschildert hat; und es wird mir insbesondere bange vor jenem vielen Empfindungsgew\u00fcrm, das da im Unbewufsten des \u201eIndividuums h\u00f6herer Ordnung\u201c herumw\u00fchlen soll.\nWie nun nach Drews die qualitativen Unterschiede der Empfindungen aus intensiven Componenten hervorgegangen sind und \u201ediese wiederum ihren letzten Grund in den extensiv verschiedenen Schwingungszust\u00e4nden ihrer physischen Substrate haben\u201c, in derselben Weise, m\u00fcssen wir annehmen \u2014 meint der Verf. \u2014 wird r\u00fcckw\u00e4rts von der Seele die extensive Verschiedenheit der aus den Empfindungen auf gebauten Anschauungen aus den intensiven und qualitativen Unterschieden ihrer Elemente reconstruct\u201c; und wie dort eine \u201esynthetische Function der Seele\u201c zur Erkl\u00e4rung der in letzter Linie aus \u201eLust und Unlustmomenten\u201c angeblich \u201ecomponirten\u201c Einzelempfindung n\u00f6thig erschien, so \u2014 meint der Verf. \u2014 k\u00f6nnen wir auch hier unsere Raumauffassung uns nur \u201edurch eine Art psychischer Chemie entstanden denken, indem das Product eine Eigenschaft empf\u00e4ngt, die in keinem seiner Factoren enthalten war, die Eigenschaft n\u00e4mlich, in der Fl\u00e4che ausgebreitet und im Raume localisirt zu sein\u201c (S. 177). Der Verf. h\u00e4lt daf\u00fcr, diese Annahme sei nicht zu umgehen, da auf Grund entgegengesetzter Annahme, dafs unsere Empfindungen schon an und f\u00fcr sich \u201emit der Form der R\u00e4umlichkeit behaftet w\u00e4ren, diese Empfindungen immer ein discontinuirliches Nebeneinander von Raumelementen bilden w\u00fcrden, w\u00e4hrend unser thats\u00e4chliches Anschauungsbild vom Raume uns \u00fcberall nur eine continuirliche Einheit zeigt\u201c. Mir scheint damit die gegnerische Ansicht durchaus nicht richtig gezeichnet zu sein, dafs nach ihr die einzelnen Empfindungen gleichsam mit Raumhosen zur Welt kommen sollen, und daher ist mir auch des Verf. Einwurf gegen die Annahme, dafs das Raumbewufstsein ebenso, wie die Empfindungen und zugleich mit ihnen, Bestimmtheit der Seele werde und sei, keineswegs vernichtend. Wie will, frage ich dagegen, der Verf. sich das Zugleich gegebensein zweier gleichartiger Empfindungen, z. B. Farbenempfindungen, m\u00f6glich denken ohne Raumbewufstsein ? Dieses setzt ja erst \u00fcberhaupt die M\u00f6glichkeit von jenem und kann daher nicht das \u201eProduct\u201c einer synthetischen Function der Seele auf Grund von solchen angeblich zugleichgegebenen Empfindungen sein.\nAuf synthetische Functionen der Seele f\u00fchrt es der Verf. dann ferner, ohne dies weiter auszuf\u00fchren, zur\u00fcck, dafs \u201edie in den Raum hinaus verlegten Empfindungen oder Anschauungen zu Wahrnehmungsobjecten erhoben, ferner die Wahrnehmungen der verschiedenen Sinne unter einander zu concreten h\u00f6heren Einheiten verschmolzen und unter einander in Beziehung gesetzt werden\u201c (S. 178). Genug davon; es sei nur noch darauf hingewiesen, dafs der Verf. dieses Capitel mit dem Hinweise schliefst, dafs \u201edas Gef\u00fchl als der Keim und die Wurzel auch unserer Erkenntnifs-elemente zu betrachten\u201c sei, da ja \u201ewie alle Vorstellungen aus Empfin-\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nLiteraturbericht.\nd\u00fcngen, so alle Empfindungen letzten Endes aus den Intensit\u00e4tsunterschieden von Gef\u00fchlen\u201c mit H\u00fclfe der synthetischen Function der Seele d. h. auf dem Wege \u201epsychischer Chemie\u201c hervorgegangen seien (S. 180). Dafs der Verf. mit Lotze die \u201eAllgegenwart der Gef\u00fchle\u201c annimmt, dafs es nach ihm \u201ekeine Vorstellungsgebilde giebt, die nicht in irgendwelchem Grade zugleich gef\u00fchlsm\u00e4fsig betont w\u00e4ren\u201c, wird nicht Wunder nehmen ; h\u00f6chstens m\u00f6chte man sich wundern, dafs er, anstatt von \u201egef\u00fchlsm\u00e4fsig betonten Vorstellungen\u201c, nicht von \u201eempfindungs- und vor-stellungsm\u00e4fsig qualificirten Gef\u00fchlen\u201c spricht. Wir m\u00fcfsten dies umsomehr erwarten, als er noch am Schl\u00fcsse des Capitels klipp und klar von der \u201eZusammensetzung unserer Gef\u00fchle zu qualitativ bestimmten Empfindungen\u201c redet, womit sich dann aber wieder schwer seine andere Behauptung reimen l\u00e4fst, dafs \u201eGef\u00fchle mit unseren Vorstellungsgebilden unmittelbar verkn\u00fcpft seien\u201c. Denn wenn unsere \u201eVorstellungsgebilde\u201c eine \u201eZusammensetzung\u201c von Gef\u00fchlen sind, so ist nicht zu fassen, dafs neben diesen Gef\u00fchlszusammensetzungen nun auch noch besondere Gef\u00fchle da sind und zwar \u201ein unmittelbarer Verkn\u00fcpftheit\u201c mit jenen angeblichen Gef\u00fchlszusammensetzungen da sein sollen : hier ist viel Unklares in des Verf. Auffassung. Ueberhaupt will mir scheinen, dafs der Verf. seinen Scharfsinn diesem psychologischen Gebiete im Besonderen noch zu wenig zugewandt hat und so erkl\u00e4re ich es mir auch, dafs er von \u201eeinem V erschmelzungsprocefs der elementaren Gef\u00fchle zu umfassenden Gesammtgef\u00fchlen\u201c und von mehreren, im Bewufstsein zugleich auftretenden Gef\u00fchlen wissen will, \u2014 auch in diesem Punkte# m\u00f6chte ich ihm empfehlen, die Er\u00f6rterung \u00fcber die Einfachheit des Gef\u00fchls eines jeden Seelenaugenblicks in meiner Psychologie und in meinem sp\u00e4teren kleinen Buche \u201eZur Lehre vom Gem\u00fcth\u201c zu pr\u00fcfen.\n\u201eGef\u00fchl und Empfindungen\u201c, schreibt der Verf. dann weiter, \u201esind Zust\u00e4ndlichkeiten unserer Seele und als solche blos passive und reflexive Gebilde, die auf der Spontaneit\u00e4t der psychischen Function ruhen, wodurch sie ins Dasein gerufen werden; diese Spontaneit\u00e4t selbst ist der Wille, er also ist nicht nur das Prius jener zust\u00e4ndlichen Gebilde, sondern zugleich ihr tragendes und beherrschendes Princip, gleichsam das Substrat der Empfindungen und Gef\u00fchle\u201c (S. 182). F\u00fcr den J\u00fcnger E. v. Haktmann\u2019s ist dies klar, weil ihm \u201edas Gef\u00fchl der Lust und Unlust der Ausdruck daf\u00fcr ist, dafs ein Wille entweder sein Ziel erreicht hat, befriedigt ist oder nicht\u201c ; da nun nach Dbews alle \u201eVorstellungsgebilde\u201c, insbesondere also auch die Empfindungen Zusammensetzungen von Gef\u00fchlen sind, so ergiebt sich ihm der Satz, dafs der Wille das Prius aller \u201ezust\u00e4ndlichen Gebilde\u201c sei, von selbst. Demnach ist nach dem Verf. \u201eder Wille der Kern und die Wurzel alles Psychischen\u201c; dieselbe Ansicht vertritt u. A. auch H\u00f6ffdino in seiner Psychologie, dem ich (s. Lehrb. d. allg. Psych. S. 369 ff., 384ff.) in meiner Kritik das Haltlose seiner Behauptungen nachgewiesen habe. Dbews ist als Philosoph des Unbewufsten zun\u00e4chst in der gl\u00fccklichen Lage, sich dem Vorwurf, dafs doch Wille ohne \u201eVorstellungsgebilde\u201c nicht fafsbar sei, durch den Hinweis auf die \u201eunbewufste\u201c Vorstellung, welche, wie er mit E. v. Hartmann behauptet, immer mit dem \u201eVillen\u201c zusammen sei, entziehen zu k\u00f6nnen. Aber dann ist auch der","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n229\nWille, welcher den \u201eKern und die Wurzel alles Psychischen\u201c bilden soll, ebenfalls als \u201eunbewufster\u201c auszugeben: das thut auch Drews, dem wir indefs jetzt die andere Frage vorlegen, wToher er doch von solchem \u201eunbe-wufsten Willen\u201c Ivenntnifs habe. Drews entgegnet: nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch Schlufsverfahren ; wir w\u00fcrden auch dies passiren lassen, wenn \u201eder Wille, wie er im Bewufstsein ist\u201c (S. 188), also wenn das, was wir als unmittelbar Gegebenes \u201eWille\u201c zu nennen pflegen, nach der Ansicht des Verf. sich irgendwie begrifflich deckte mit jenem \u201eWillen\u201c, der angeblichen Wurzel alles Psychischem. Denn erschliefsen k\u00f6nnen wir nur das in seiner begrifflichen Bestimmtheit, was sich seinem allgemeinen Begriff nach deckt mit in unserem Bewufstsein schon unmittelbar Gegebenen. Drews will nun wissen, dafs jenes angebliche \u201ePrius aller zust\u00e4ndlichen Gebilde\u201c unseres Bewufstseins, welches er als \u201eWille\u201c bezeichnet, von Gef\u00fchl und Empfindung und Vorstellung unterschieden als ein Besonderes da ist ; er behauptet aber andererseits, dafs \u201eder Wille, wie er im Bewufstsein ist, nichts enthalte, was sich nicht als Vorstellung oder Gef\u00fchl nachweisen liefse, dafs also ein besonderer Wille sich jedenfalls im Bewufstsein neben Vorstellung und Gef\u00fchl nicht finde\u201c (s. S. 184ff.). W\u00e4re dieses that-s\u00e4chlich der Fall, wie in aller Welt kommt denn Drews \u00fcberhaupt zu dem Begriff \u201eWille\u201c und demgem\u00e4fs zu der Behauptung eines Willens, den er mit seinem Meister E. v. Hartmann neben der Vorstellung im Unbe-wufsten bestehen l\u00e4fst! Ich wiederhole es, entweder finden wir \u201eim Bewufstsein unmittelbar\u201c einen Willen \u201eneben Vorstellung und Gef\u00fchl\u201c als besonderes psychisches Moment und dann l\u00e4fst sich auch ein Wille neben der Vorstellung f\u00fcr das metaphysische Wesen der Welt erschliefsen, oder wir finden im unmittelbar Gegebenen dieses besondere Moment \u201eWille\u201c nicht und dann ist es auch gar nicht m\u00f6glich, Wille neben der Vorstellung als besonderes Moment \u00fcberhaupt zu denken.\nWenn daher E. v. Hartmann und mit ihm Drews von einem \u201ebesonderen Willen\u201c neben der Vorstellung redet, so ist dies entweder leeres Gerede oder aber sie haben \u201eWille\u201c doch unmittelbar im Bewufstsein als etwas Besonderes kennen gelernt. W\u00e4re es wahr, was Drews schreibt, dafs \u201eder Wille als solcher \u00fcberhaupt nicht im Bewufstsein sein kann\u201c, dann ist ein \u201eWissen vom Willen\u201c durch ein \u201eindirectes Erschliefsen desselben aus anderweitigem Bewufstseinsinhalt\u201c (s. S. 184) in keiner Weise m\u00f6glich!\nWoran aber die Psychologie des Verf. in ihrem Grunde krankt, das zeigt uns seine Behauptung: \u201eUnser Bewufstsein ersch\u00f6pft nicht das ge-sammte psychische Sein\u201c (S. 189); der Begriff \u201eGeistsein\u201c und der Begriff \u201eBewufstsein\u201c decken sich bei ihm nicht und das \u201eunbewufste\u201c Geistsein ist ihm ein m\u00f6glicher Denkinhalt des Bewufstseins. Vor diesem \u201eUnbe-wufsten\u201c schweigt meines Erachtens die Wissenschaft \u00fcberhaupt.\nJ. Rehmke (Greifswald).","page":229}],"identifier":"lit30631","issued":"1899","language":"de","pages":"224-229","startpages":"224","title":"A. Drews: Das Ich als Grundproblem der Metaphysik; eine Einf\u00fchrung in die speculative Philosophie. Freiburg i. B., Mohr, 1897. 322 S.","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:08:41.216644+00:00"}