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{"created":"2022-01-31T15:11:52.640097+00:00","id":"lit30636","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Barth, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 236-237","fulltext":[{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nLi ter a turberich t.\nEine besonders wichtige Unterscheidung ist die zwischen intensiven und consecutiven Werthen (= Eigenwerthen und Wirkungswerthen bei Eheenfels). Dieser Unterschied wird nun an einigen Beispielen erl\u00e4utert. Ein niederes Thier z. B., das nur im Augenblicke lebt, hat nur intensive Werthe; erst im Lichte der Entwickelungsgeschichte werden diese zu consecutiven. Staat, Wissenschaft, Kunst haben, je nach der Auffassung, bald intensiven bald consecutiven Werth. Wissenschaftliche Werke geben mehr zur consecutiven, k\u00fcnstlerische mehr zur intensiven Werthsch\u00e4tzung Anlafs.\nAus psychologischen Ursachen, die vom Yerf. vielleicht sp\u00e4ter einmal untersucht werden, stehen diese beiden Arten des Werthes zu einander im Gegens\u00e4tze. Ein Sehnen nach dem ruhigen Besitz k\u00e4mpft \u00fcberall mit der Bewerthung des Strebens. Goethe\u2019s Faust, der diesen Kampf darstellt, ist darum das Weltgedicht unserer Zeit, vielleicht der Menschheit.\nP. Baeth ('Leipzig).\nJ. H. Leuba. The Psycho-Physiology of the Moral Imperative. Am. Journ. of Psychology VIII, Nr. 4, S. 528\u2014559. 1897.\nLeuba will darlegen, wie der kategorische Imperativ, moralische Gesetze \u00fcberhaupt in den physiologischen Mechanismus der Nervenerregung eingreifen. \u2014 Wie jedes complicirte Handeln, so ist nach L. auch das moralische Handeln eine Association theilweise antagonistischer Processe, deren jeder dem Bogen der Reflexbewegung gleicht. Der Wille kommt nicht in Betracht. Denn die Th\u00e4tigkeit, die dem kategorischen Imperative gehorcht, ist unfreiwillig (!). Sie geh\u00f6rt zu den Th\u00e4tigkeiten, von denen wir uns ergriffen finden, auf die wir reagiren k\u00f6nnen, die wir aber nicht durch den Willen ins Dasein rufen (!) (534, 538).\nZ. B. : Ich h\u00f6re Nachts das Husten meines im Nebenzimmer liegenden kranken Bruders. Es entsteht die Vorstellung zu ihm zu gehen und ihm zu helfen, bald darauf aber die Gegenvorstellung, wie unbequem das Aufstehen ist. Endlich siegt der Gedanke, dafs es Pflicht ist, dem Kranken zu helfen, und er bringt mich zum Aufstehen.\nDie ersten zwei Vorstellungen geben motorische Impulse, was aber darauf folgt, ist abstractes Denken. Es erzeugt nur die Vorstellung der Sprachlaute, mit denen die Bewegung benannt wird, erst auf diese folgt die Bewegung selbst, also nicht als directes Ergebnifs des moralischen Imperativs (543/44, 547). Was diesen Denkprocefs vor den ersten beiden Vorstellungen auszeichnet, ist, dafs er keine Verbindung mit dem sympathischen Nervensystem hat, also von keinen^ Gef\u00fchl begleitet wird. Gef\u00fchle k\u00f6nnen auf die sittliche Handlung folgen, sind aber ihrem Urspr\u00fcnge und ihrem Verlaufe fremd, wie Kant und seine Anh\u00e4nger so sehr betonen.\nDer Pflichtgedanke hat keine Sinnesempfindung, kein individuelles Gef\u00fchl in sich, darum ist er unpers\u00f6nlich. Die Abwesenheit des Gef\u00fchls macht ihn auch relativ unwirksam. Wie das Denken aber h\u00f6her gesch\u00e4tzt wird als die Sinnesempfindung, so auch das pflichtm\u00e4fsige Handeln h\u00f6her als das impulsive. Der Gegensatz von Pflicht und Neigung beruht also schliefslich auf dem Gegens\u00e4tze des cerebrospinalen und des sympathischen Nervensystems. ,,Eine Geschichte der Differenzirung und Isolirung der","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n237\nbeiden Nervensysteme im Menschen w\u00fcrde uns von der anatomisch-physiologischen Seite eine Parallele zur Geschichte der Antecedentien, des Werdens und Wachsens des moralischen Sinnes geben\u201c (S. 557).\nDie ganze Beweisf\u00fchrung L.\u2019s beruht auf der Annahme, dafs nur durch Erregungen des svmpathischen Nervensystems Gef\u00fchle entstehen k\u00f6nnen, einer Ansicht, die die Ursachen des Gef\u00fchls noch enger einschi\u00e4nkt als diejenigen, die sie nur in den Ausdrucksbewegungen finden wollen. Es ist also eine physiologische Hypothese, die L. hiervortr\u00e4gt. Die Thatsache der intellectuellen Gef\u00fchle scheint mir dagegen zu sprechen. Dafs ferner der moralische Imperativ allein von allen Imperativen auf die Sprach centren und die Sprachorgane wirkt und uns zun\u00e4chst zum Sprechen, wenigstens zum inneren, nicht lauten Sprechen, nicht zum Handeln antieibt, ist auch nur eine Hypothese, die vielleicht der Wahrheit entspricht, abei noch n\u00e4herer Beweise bedarf.\tP- Barth (Leipzig).\nW. Koenig. Ueber Mitbewegungen bei gel\u00e4hmten und nicht gel\u00e4hmten Idioten.\nDeutsche Zeitschrift f\u00fcr Nervenheilkunde S. 373\u2014396. 1891.\nEingehende Untersuchungen des Verf. an 46 gel\u00e4hmten und oo nicht gel\u00e4hmten Idioten ergaben, dafs fast alle bei gel\u00e4hmten Idioten zur Beobachtung gelangenden Mitbewegungen auch bei nicht Gel\u00e4hmten Vorkommen. Bei letzteren treten dieselben jedoch weniger h\u00e4ufig auf und sind leichter durch den Willen unterdr\u00fcckbar; nur die refiectoiischen Mitbewegungen scheinen auschliefsliche Eigenth\u00fcmlichkeit der Gel\u00e4hmten zu sein. Die Sectionsbefunde des Verf. boten keinen Anhaltspunkt f\u00fcr die Behauptung Westphal\u2019s, dafs die Mitbewegungen auf einer Erkrankung dei\nHirnrinde bei Integrit\u00e4t der grofsen Ganglien beruhen.\nTheodor Heller (Wien).\nDr. Hanns Gross, Oriminalpsychologie. Graz. Leuscher & Labensky. 1898, 721 S.\nDer Verf. bezeichnet sein \u00e4ufserst umfangreiches Werk selbst als eine Zusammenstellung aller Lehren, die der Criminalist an psychologischen Kenntnissen bei seiner Arbeit n\u00f6thig hat.. Er zieht danach alle seelischen Momente, die bei der Feststellung und Beurtheilung von Verbrechen in Frage kommen k\u00f6nnen, in den Bereich seiner Behandlung, und er thut dies an der Hand eines literarischen Materiales, das immer aufs. Neue unser Staunen erregt, und mit einer Sachkenntnifs, einem praktischen Blick und einer Beherrschung dieser eben so verschiedenen wie schwierigen Gegenst\u00e4nde, die uns zur Bewunderung n\u00f6thigen. Wenn er in dem Versuche, seine Disziplin dem grofsen Zuge und dem einzig richtigen Arbeitssysteme der Naturforscher unterzuordnen, hin und wieder vielleicht etwas gar zu weit in das Gebiet der Naturwissenschaften zur\u00fcckgreift und wir bei ihm auf Ausf\u00fchrungen stofsen, die uns in einem juristischen Buche zun\u00e4chst befremden, so geschieht dies doch \u00fcberall in einer klaren und fafslichen Weise.\nOb er trotzdem in dem Bestreben, den Dichter in den Stand zu setzen, alle m\u00f6glichen Irrth\u00fcmer wissenschaftlich zu verstehen und sie dadurch zu vermeiden, das Aufnahmeverm\u00f6gen des Einzelnen nicht doch \u00fcbersch\u00e4tzt,","page":237}],"identifier":"lit30636","issued":"1899","language":"de","pages":"236-237","startpages":"236","title":"J. H. Leuba: The Psycho-Physiology of the Moral Imperative. Am. Journ. of Psychology VIII, Nr. 4, S. 528-559. 1897","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:11:52.640103+00:00"}