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J. M. Baldwin: Social and Ethical Interpretations in Mental Development. A Study in Social Psychology. (Work crowned with the gold medal of the Royal Academy of Denmark.) New-York u. London, Macmillan Comp., 1897. 574 S.

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{"created":"2022-01-31T12:59:34.972765+00:00","id":"lit30639","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Barth, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 238-240","fulltext":[{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nLiteraturbericht.\nm\u00fcssen wir dahingestellt sein lassen. Immer aber sind es praktische Schlufsfolgerungen, auf die der Verf. zur\u00fcckkommt, so weit ab vom Wege er sich ani\u00e4nglich auch zu befinden schien, und er wird nicht m\u00fcde, auf die Fehler aufmerksam zu machen, denen der Untersuchungsrichter ohne die eingehendste Kenntnifs des psychologischen Geschehens zum Opfer f\u00e4llt. Was hat der A erf. nicht Alles gelesen ! Es ist geradezu stupend, und wie hat er es gelesen! Offenbar mit der Feder in der Hand und mit einem scharfen Blick f\u00fcr das Wesentliche und zu seinen Zwecken Benutzbare, und so hat er ein Compendium geschaffen, ein Nachschlagewerk, das im gegebenen Falle seine H\u00fclfe sicher nicht versagen wird. Auf den Inhalt des Buches einzugehen, verbietet die F\u00fclle des dort Gebotenen. Ich glaube nicht, dafs irgend etwas von dem \u00fcbergangen ist, das hier in Betracht k\u00e4me. Leberall wird uns Anregung zu einem weiteren Studium geboten und wir erhalten stets die Angaben, wo man sich dieses weitere Studium erholen kann.\nMit der gr\u00f6fsten Offenheit werden die Fehler bei der Vernehmung von Angeschuldigten und Zeugen aufgedeckt und auf ihre Gr\u00fcnde zur\u00fcckgef\u00fchrt, und wir stofsen h\u00e4ufig auf \u00fcberraschende Bemerkungen, wo das, was wir selber gelegentlich gef\u00fchlt und peinlich empfunden haben, richtig gestellt und erkl\u00e4rt wird.\nDafs Gross kein Freund der Geschworenen und von mancher der anderen heutigen Einrichtungen ist, kann ihn uns nur n\u00e4her bringen. Gebildete \u00fcberzeugt, Eingebildete \u00fcberredet man, aber wie wenige Gebildete in diesem Sinne giebt es, und von dem modernen Rechtsbeistande gilt in immer gleichem W erthe das alte Wort, dafs die Beredsamkeit auf ihrer H\u00f6he wenig Raum f\u00fcr Verstand und Ueberlegung l\u00e4fst.\nAber nicht nur Unterweisung und Belehrung, auch die mannigfachste Anlegung finden wir hier in reichem Maafse ausgestreut. Allerdings werden der Physiologe und der Psychologe in diesem zun\u00e4chst f\u00fcr den Juristen bestimmten Buche nichts Neues und ihnen bisher Unbekanntes finden. Dafs sie es aber nicht ohne Befriedigung in die Hand nehmen werden, m\u00f6chte ich zuversichtlich behaupten, mir wenigstens hat seine Lect\u00fcre mehr Genufs bereitet, als man sich von vornherein bei einem so dickleibigen Buche versprechen konnte.\tPelman.\nJ. M. Baldwin. Social and Ethical Interpretations in Mental Development. A Study in Social Psychology. (Work crowned with the gold medal of the Royal Academy of Denmark.) New-York u. London, Macmillan Comp 1897. 574 S.\nB. hat ein Buch \u00fcber \u201eMental Development in the Child and the Race\u201c geschrieben (das auch ins Deutsche \u00fcbersetzt worden ist), in dem er nachweist, dafs der Weg alles Fortschrittes die Nachahmung ist, wobei er freilich \u201eNachahmung\u201c in dem Sinne auffafst, dafs sie auch die Nachahmung des ersten Falles, also die Wiederholung einschliefst. Die Wiederholung wiederum fafst er biologisch als \u201ecircul\u00e4re Reaction\u201c, d. h. eine Reaction, die durch sich selbst oder durch ihre unmittelbaren Folgen ihren Reiz erneuert und so sich fortsetzt. Er will nun die Ergebnisse dieser","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n239\nSchrift zum Theil f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der socialen Beziehungen der Menschen verwerthen.\nZun\u00e4chst wird die Entwickelung des Selbstbewufstseins behandelt, das nicht eine Einheit sondern \u201ebipolar\u201c sei, Ego und Alter zugleich umfasse. Die Isolirung des Einzelnen ist nach B. ein Fehler. \u201eDer Mensch ist vielmehr ein sociales Ergebnifs, als eine sociale Einheit\u201c (S. 87). Die Vorstellung der Pers\u00f6nlichkeit ist im Kinde zun\u00e4chst nur projectiv (von aufsen kommend) vorhanden, dann in Folge eigener Erlebnisse subjectiv, dann \u201eejectiv\u201c, indem es seine Erlebnisse in die Personen seiner Umgebung \u201ehineinliest\u201c. So ist das \u201eSelbst\u201c ein Gedanke mit zwei Polen, zwischen denen eine \u201edialeetische\u201c Entwickelung stattfindet. Weitere Gegens\u00e4tze im Selbstbewufstsein sind das receptive self gegen das aggressive seif, und habit gegen accommodation (S. 32 f.).\nDer Fortschritt des Gedankens erfolgt oft durch Nachahmung in dem oben angegebenen Sinne. Denn die Nachahmung ist nicht nothwendig \u201esklavisch\u201c, sie kann unter ver\u00e4nderten Umst\u00e4nden geschehen und so \u201einventive\u201c werden (S. 31). Was wir thun, ist immer eine Function dessen, was wir denken (S. 92). Aber wTas w7ir denken werden, ist immer eine Function dessen, was wir gethan haben (S. 36). Neue \u201einventions\u201c sind also nicht zuf\u00e4llig, sondern gehen aus dem Anpassungsprocesse hervor (S. 94).\nEs folgt nun unter dem Titel \u201ethe person\u2019s equipment\u201c eine Darstellung der Entwickelung der Gef\u00fchle, der niederen und der h\u00f6heren. Z. B. in seinem Verhalten gegen Fremde zeigt das Kind erst eine organische instinctive Sch\u00fcchternheit (bashfulness), nur eine Differenzirung der Furcht, die in der Ontogenese die Periode der Furcht des Urmenschen vor dem Stammesfremden wiederholt. Die sp\u00e4tere Sch\u00fcchternheit ist \u201ereflective\u201c, hat schon socialen Charakter, ist mit einem gewissen Streben sich zu zeigen, mit einer gewissen Koketterie verbunden. Dagegen h\u00e4ngt die Bescheidenheit (modesty) des jugendlichen Alters mit dem Geschlechtsleben zusammen.\nVon den h\u00f6heren Gef\u00fchlen wird das religi\u00f6se Gef\u00fchl am ausf\u00fchrlichsten behandelt. Es besteht aus dem Gef\u00fchle der Abh\u00e4ngigkeit (feeling of dependence) und dem Gef\u00fchle des Geheimnifsvollen (feeling of mystery). Beide sind zuerst spontan (entsprechend der Epoche der physischen H\u00fclfs-losigkeit des Kindes), dann intellectuell (in der Frageperiode des Kindes), dann ethisch. Und zwar wiederholt sich auch hier in der Ontogenese die Phylogenese. Die Stelle der Gottheit vertritt dabei beim Kinde zun\u00e4chst der eigene Vater, dann ein Anderer, dem es Macht oder G\u00fcte zuschreibt, bis es selbst den Begriff der Gottheit zu fassen im Stande ist (S. 344). Gegen Kidd ist B. der Ansicht, dafs die Religion nicht, weil sie dem nach Kldd nur zersetzenden Verst\u00e4nde entgegenwdrkt, sondern weil und so weit sie ethisch ist, dem menschlichen Fortschritte dient (S. 440 ff.).\nEinen weiteren Abschnitt bilden die \u201eSanctionen\u201c des Handelns. Sie sind entweder pers\u00f6nlich oder social. Die pers\u00f6nlichen Sanctionen zeigen dieselben Stufen wie das religi\u00f6se Gef\u00fchl. Auch sie sind zuerst spontan (z. B. im gew\u00f6hnlichen Sinne hedonistisch), dann intellectuell (z. B. im h\u00f6heren Sinne hedonistisch), dann ethisch (S. 362). Impulse, desire und right \u00fcben nach einander ihre Herrschaft (S. 363).\nDie ethische Sanction beruht auf der Vorstellung eines \u201eideal seif\u201c,","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nLiteraturbericht.\ndas, wie oben von der Vorstellung der Pers\u00f6nlichkeit \u00fcberhaupt gesagt wurde, zuerst auch blos projectiv (objective Vorstellung), dann subjectiv, dann ejectiv ist. Aufser den pers\u00f6nlichen giebt es noch 4 Arten \u201esocialer Sanctionen\u201c: 1. natural (z. B. der esprit de corps), 2. pedagogical and conventional, 3. civil, 4. religious.\nDen letzten Abschnitt des Buches bilden theoretische Betrachtungen \u00fcber die Gesellschaft selbst. Als \u201eStoff der socialen Organisation\u201c betrachtet B. nicht wie Tarde die Nachahmung, die er vielmehr f\u00fcr die Methode der socialen Organisation h\u00e4lt, auch nicht, wie D\u00fcrkheim den Zwang, sondern die Gedanken. Der Grund der socialen Tliatsachen liegt \u201ein der Identit\u00e4t eines fortschreitenden Denkens, das durch sein Wachsthum in einem Jeden in socialen Beziehungen alle zu einem Ganzen verbindet\u201c (integrirt). Wegen der Einheit der Gedanken in einer Gesellschaft spricht B. auch mit Recht von der quasi-personality derselben.\nZweifellos sind die Gedanken ein wesentlicher Bestandtheil des socialen Lebens, aber sein \u201eStoff\u201c' sind sie nicht. Der Stoff des socialen Lebens kann eben nur das sociale Leben selbst sein. Da aber psychologisch das Leben im Willen sich darstellt, so kann man den socialen Willen oder den Willen, soweit er social ist, den Stoff des gesellschaftlichen Lebens nennen. Der Wille aber ist nur zum Theile, wenn auch im Laufe der Entwickelung immer mehr, von den Gedanken abh\u00e4ngig, er gehorcht auch physiologischen Kr\u00e4ften, wie den sinnlichen Trieben, und psychophysischen Momenten, wie der Gewohnheit. Auf den Willen als den \u201eStoff\u201c der Gesellschaft h\u00e4tte B. gef\u00fchrt werden k\u00f6nnen durch F. T\u00f6nnies, den er citirt. Denn die \u201eGemeinschaft\u201c und die \u201eGesellschaft\u201c, die T\u00f6nnies unterscheidet, beruhen auf zwei verschiedenen Arten des menschlichen Willens, dem Gattungswillen und dem Einzelwillen. Wenn B. jedoch die Gemeinschaft (in T\u00f6nnies\u2019 Sinne) blos im F\u00fchlen und im Handeln, die Gesellschaft aufser-dem noch im Denken \u00fcbereinstimmend nennt (S. 487), so scheint es, als habe die Gesellschaft mehr Gemeinsames, eine festere Verbindung ihrer Mitglieder als die Gemeinschaft, wTas nicht T\u00f6nnies\u2019 Ansicht ist.\nDas vorliegende Buch ist reich an anregenden Gedanken, die aber zur n\u00e4heren Erl\u00e4uterung und zu ihrer Bekr\u00e4ftigung besonders f\u00fcr die Seite der socialen Entwickelung einer gr\u00f6fseren Anzahl concreter Beispiele bed\u00fcrfen, als es jetzt bietet,\tP. Barth (Leipzig).","page":240}],"identifier":"lit30639","issued":"1899","language":"de","pages":"238-240","startpages":"238","title":"J. M. Baldwin: Social and Ethical Interpretations in Mental Development. A Study in Social Psychology. (Work crowned with the gold medal of the Royal Academy of Denmark.) New-York u. London, Macmillan Comp., 1897. 574 S.","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:59:34.972771+00:00"}

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