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{"created":"2022-01-31T15:14:40.929427+00:00","id":"lit30672","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 19: 327-329","fulltext":[{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\nHaems. Psychologie- Aus dem handschriftlichen Nachlasse des Verfassers herausgegeben von Dr. H. Wiese. Leipzig, Th. Grieben, 1897.\t204 S.\nEinem Gef\u00fchle der Dankbarkeit und Piet\u00e4t verdankt dieses Werk seine Ver\u00f6ffentlichung. Ob jedoch thats\u00e4chlich den Manen Haems\u2019 hiermit ein wohlgef\u00e4lliges Opfer dargebracht wird, erscheint mehr als fraglich. Denn die vorliegende \u201ePsychologie\u201c war bereits zu Lebzeiten ihres Verfassers ein Anachronismus. Dies gilt sowohl von den allgemeinen philosophischen Ansichten, als auch von den einzelnen psychologischen Thatsachen. Schon der Umstand, dafs die Psychologie nicht als eine empirische sondern als eine philosophische Wissenschaft aufgefafst wird und vage Specu-lationen, inhaltlose Wortunterscheidungen, den weitaus gr\u00f6fsten Theil der Abhandlung ausmachen, kennzeichnen die] HARMs\u2019sche Seelenforschung als eine l\u00e4ngst \u00fcberwundene und v\u00f6llig unfruchtbare. Die grofse F\u00fclle von Thatsachen, welche die moderne Psychologie im Gebiete der Empfindungen, Vorstellungen, Gef\u00fchle, Erinnerungen etc. auf gedeckt hat, wird mit Stillschweigen \u00fcbergangen, das Vorhandensein einer experimentellen Psychologie auch nicht mit einem Worte erw\u00e4hnt ; dagegen lang und breit der Nachweis versucht, dafs die Seele als Person und Individuum unsterblich ist, den 3 \u201eVerm\u00f6gen\u201c Realit\u00e4t zukommt, der Wille frei ist, die Affecte und Leidenschaften verderblich sind etc. Auch \u201eWesen und Begriff\u201c der Seele wird ermittelt und in der \u201er e f 1 e x i b 1 e n T h \u00e4 t i g k e i t\u201c gefunden ; die Wechselwirkung zwischen Leib und Seele h\u00f6rt auf, ein Problem zu sein, da beide nur Erscheinungsformen des n\u00e4mlichen Wesens sind. Ja selbst die Geisteskrankheiten werden abgehandelt und in Hemmungen des Seelenlebens (Bl\u00f6dsinn und Dummheit), St\u00f6rungen des Bewufstseins (V ahnsinn) und St\u00f6rungen des Begehrungsverm\u00f6gens (Manie, Raserei, Tobsucht) eingetheilt.\tArthur Wreschner (Giefsen).\nRudolf M\u00fcller. Naturwissenschaftliche Seelenforschung. I. Das Ver\u00e4nderungsgesetz. Leipzig, A. Strauch, 1897. 168 S.\nDa dem hellsehenden Medium vermittels der \u201ehypnotischen In sch\u00e4umet ho d\u2019o\u201c die Kraft verliehen ist, all\u2019 die psychischen und namentlich auch gehirnphysiologischen Vorg\u00e4nge zu beobachten, welche sich in ihm oder in dem Hypnotiseur oder in einer dritten mit Letzterem in Rapport stehenden Person abspielen (Selbst-Eigen-Eremdbeobachtung), so vermag auch die Psvchologie dem obersten Gesetze aller Natuiforschung, dem Ver\u00e4nderungsgesetze, gerecht zu werden, welches besagt : \u201e J edes","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nLi teraturberich t.\nwirkliche Dasein ist gesetzm\u00e4fsige Ver\u00e4nderung von Kraft und Stoff zu realem Zwecke\u201c. Diesem Gesetze ist auch das psychische Leben unterworfen, da die Seele ebenfalls eine Kraft darstellt, welche allen anderen physischen Kr\u00e4ften analog ist und in ihrer Wirkungsweise sich ungef\u00e4hr mit der alten, aber immer noch nicht zu entbehrende Lebenskraft deckt. Ihren Functionen gem\u00e4fs giebt es 1. eine \u201ePsychologie im engeren Sinne\u201c, welche die Entstehungsursachen f\u00fcr die Erscheinungen des normalen und abnormen Bewufstseins und die dadurch bedingten Willens -handlungen aufdeckt, 2. eine \u201eHypnologie\u201c f\u00fcr die Thatsachen der Hypnose, Clairvoyance etc., 3. eine \u201epsychische Physiologie\u201c, zur Erforschung all\u2019 der von der Seelenkraft abh\u00e4ngigen k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen.\nSo gewaltig die Leistungen der \u201enaturwissenschaftlichen Seelenforschung\u201c sind, so nichtig die aller bisherigen Psychologie, die sich nur mit \u201eimagin\u00e4ren Gr\u00f6fsen\u201c besch\u00e4ftige, so dafs das eigentliche psychische Leben noch \u201eg\u00e4nzlich eine terra incognita\u201c sei. Denn alle bisher ge\u00fcbten Methoden, selbst die des hypnotischen Experiments, seien verfehlt, verm\u00f6gen nichts \u00fcber die Entstehungsursachen der psychischen Ph\u00e4nomene und deren Zusammenhang mit den physiologischen Processen auszusagen, und beobachten h\u00f6chstens die erste \u00e4ufsere Ursache einer Nervenerregung und die als Endeffect wahrnehmbare Muskelbewegung. \u2014 Auch die KAxUsche Erkenntnistheorie bleibt von dieser \u201evernichtenden\u201c Kritik nicht verschont.\nDiese Angaben d\u00fcrften gen\u00fcgen, um der vorliegenden Arbeit den ihr geb\u00fchrenden Platz innerhalb der wissenschaftlichen Literatur anzuweisen. Abgesehen von der principiellen Stellung, die wohl jeder n\u00fcchterne Forscher zu der Clairvoyance einnimmt, d\u00fcrfte man doch zum Mindesten verlangen, dafs die Glaubw\u00fcrdigkeit das Medium eingehend behandelt wird. Statt dessen wird diese Frage nur ganz oberfl\u00e4chlich gestreift und in unglaublicher Kritiklosigkeit dahin beantwortet: \u201eDer Glaube ist allerdings der Vorl\u00e4ufer alles Wissens.\u201c Der Bedenken, welche der Einordnung der Seelenkraft in die Reihe der physischen Kr\u00e4fte von Seiten des G e -setzes der Erhaltung der Kraft entgegenstehen, wird mit keinem Worte Erw\u00e4hnung gethan. Das Bewufstsein wird als das gerade jetzt bewufst Seiende definirt ohne jede R\u00fccksicht darauf, dafs gerade dann die vom Verf. so energisch vertretene C au s a lit\u00e4t der psychischen Ph\u00e4nomen a in Frage gestellt wird. Und hieran wird nat\u00fcrlich durch die ebenso k\u00fchne wie unbewiesene Behauptung von der Materialit\u00e4t der seelischen Vorg\u00e4nge so wenig ge\u00e4ndert, wie durch die Identifiai rung von Bewufstsein und Willk\u00fcr. Die Art und Weise, wie Kant widerlegt wird, erregt den Verdacht, dafs Verf. den Ceist der Ver-nunftkritik gar nicht erfafst hat. Nach all\u2019 dem darf es nat\u00fcrlich nicht Wunder nehmen, wenn Probleme, die seit Jahrhunderten die Wissenschaft besch\u00e4ftigen, mit einer fast beneidenswerthen Naivet\u00e4t gel\u00f6st werden, z. B, die Frage nach der Realit\u00e4t der Aufsenwelt, der Seele, dem Wesen der Causalit\u00e4t etc. Schon der Glaube, durch die Anwendung der Begriffe \u201eKraft und Stoff\u201c auf die seelischen Erscheinungen eine neue Wahrheit gefunden zu haben, w\u00e4hrend selbst in der Naturwissenschaft diese Begriffe immer mehr an Erkenntnifswerth verlieren, ist geradezu","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n329\nkindlich. Endlich sei noch auf die eigenartige Terminologie des Verf. hingewiesen. \u201eAlle anderen Empfindungen, die sich nicht auf Gegenst\u00e4nde der Aufsenwelt beziehen, bezeichnen wir als Gef\u00fchle.\u201c \u201eWorte, welche als Bezeichnungen einzelner Theile von Vorstellungen oder Ver\u00e4nderungen dienen, nennen wir Begriffe.\u201c Zu welchen heillosen Verwirrungen und Widerspr\u00fcchen eine derartige unzutreffende und jeder tieferen Analyse bare Terminologie f\u00fchrt, sieht Verf. nicht, obwohl ihn die Lect\u00fcre seiner eigenen Abhandlung am besten davon h\u00e4tte \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. Ein ab-schliefsendes Urtheil \u00fcber die \u201enaturwissenschaftliche Seelenfoischung behalten wir uns jedoch bis nach dem Erscheinen des folgenden Bandes vor, der ja erst die Ergebnisse der hypnotischen Inschaumethode bringen s0ip\tArthur Wreschner (Giefsen).\nF. Laudowicz. Wesen und Ursprung der Lehre von der Pr\u00e4existenz der Seele und von der Seelenwanderung in der griechischen Philosophie. Berlin, Selbstverlag, 1898. 115 S.\nDie Schrift zerf\u00e4llt in drei Abschnitte, einen begrifflich-terminologischen (\u201eCharakteristik des Pr\u00e4existenzbegriffes\u201c S. 8\u201411), einen geschichtlichen (g. 12\u201478) und einen den Ursprung dieser Vorstellungen betreffenden (g. 79\u2014111). Der historische Abschnitt ist zwar mit Scharfsinn und selbst\u00e4ndigem Urtheil gearbeitet, leidet aber an unzureichender Vertrautheit mit dem Quellenmaterial und den Vorarbeiten und kann deshalb als Einf\u00fchrung in die behandelte geschichtliche Erscheinung nicht gen\u00fcgen. Der Verf. ist von einem dogmatischen Interesse aus auf die geschichtliche Frage gef\u00fchrt worden und versucht mehr sich selbst zu orientiren, als die geschichtlichen Probleme weiterzuf\u00fchren. Hinsichtlich der Herkunft dieser Lehren bei den Griechen sucht er den autochthonen Ursprung zu entkr\u00e4ften, wobei er aber durch Leugnung des Vorhandenseins diesei Vorstellungen bei den Orphikern \u00fcber das Ziel hinausschiefst, und versucht sodann mit beachtenswerthen Argumenten und zum Theil in Abweichung von der Schr\u00f6der\u2019sehen Begr\u00fcndung die Importation aus Indien vahischein-lich zu machen.\t^ D\u00f6ring.\nMicheline Stefanowska. Les appendices terminaux des dendrites c\u00e9r\u00e9braux et leurs diff\u00e9rents \u00e9tats physiologiques. Arbeiten des Instituts Solvay, herausgegeben von Prof. P. Heger, Br\u00fcssel, Fascic. III, S. 1\t57. 1897.\nEine anatomische Arbeit, die interessant wird durch die physiologische Deutung ihrer Befunde. Wieweit letztere objectiver Natur sind, m\u00fcssen weitere Untersuchungen zeigen.\nVerf. hat eine Reihe von \u2018Thieren intensiven physikalischen und chemischen Reizen unterworfen und ihr Gehirn nach der Golgi sehen Methode der Metallsalzimpr\u00e4gnation untersucht. Die Schl\u00fcsse, zu denen sie gelangt, sind folgende:\nDie sich reich ver\u00e4stelnden Protoplasmaforts\u00e4tze (Dendriten) der Nervenzellen der Hirnrinde sind bedeckt mit zahlreichen kleinen bimf\u00f6rmigen gestielten Endorganen, den viel umstrittenen \u201e\u00e9pines von Ramon y Cajal, f\u00fcr welche Verf. den Namen appendices pirifonnes vorschl\u00e4gt.","page":329}],"identifier":"lit30672","issued":"1899","language":"de","pages":"327-329","startpages":"327","title":"Rudolf M\u00fcller: Naturwissenschaftliche Seelenforschung. I. Das Ver\u00e4nderungsgesetz. Leipzig, A. Strauch, 1897. 168 S.","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:14:40.929433+00:00"}