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{"created":"2022-01-31T13:18:31.864308+00:00","id":"lit30724","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Andreae, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 20: 175-177","fulltext":[{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberieh t.\n175\npers\u00f6nlichen Lehrergewissens. Bedenklich d\u00fcrft\u00a9 es nur dort werden, wo allenthalben als unentschieden Anerkanntes gleich allem Anderen im Habitus des Thats\u00e4chlichen vorgebracht wird. Doch kommt das im vorliegenden Buche nicht gar zu, h\u00e4ufig vor und so wird es des Erfolges, der ihm jenseits des Oceans gewifs beschieden ist, wohl auch w\u00fcrdig sein.\nF\u00fcr Deutschland kommt Titchknkr\u2019h \u201ePrimer\u201c als Lembueh nicht in Betracht. Der Anf\u00e4nger wird lieber und besser nach einem der bereit liegenden deutschen B\u00fccher greifen und dem Vorgeschrittenen kann es nichts mehr bieten. Dem Psychologielehrer jedoch wird es in einer Beziehung gute Dienste leisten. Es bringt n\u00e4mlich am End\u00a9 eines jeden Capitels eine Anzahl Uebungsfragen und Anweisungen zu Sehulversuchen. Die Auswahl scheint im Ganzen den Verh\u00e4ltnissen des Elementarunterrichtes gut angepafst und di\u00a9 Anleitung zu den Versuchen ist so klar und einfach gehalten, dafs Jedermann leicht darnach arbeiten wird. Ein Verzeichnifs der zur Ausf\u00fchrung der Versuche erforderlichen, \u00fcbrigens ganz bescheidenen Apparate \u2014 zum Theil Gebrauchsgegenst\u00e4nde des t\u00e4glichen Lebens \u2014 ist beigegeben.\nIn einer anderen Beziehung d\u00fcrfte sich das B\u00fcchlein auch dem deutschen Fachpsychologen n\u00fctzlich erweisen. Die K\u00fcrze und Bestimmtheit seiner Definitionen in Verbindung mit dem am Ende des Buches befindlichen Sachregister l\u00e4fst es als ein handliches Nachschlagebuch der englischen psychologischen Terminologie erscheinen. Denn diese weicht ja in vielen Punkten nicht unerheblich von der-, deutschen ab \u2014 was freilich zum 'Theil auch in den vielfachen, besonders in der Psychologie des F\u00fchlens und Wollene weitgehenden Verschiedenheiten der Systematik und Begriffsfassung begr\u00fcndet ist.\tWitasik.\nM. Jahn. Psychologie als Grundwissenschaft der P\u00e4dagogik. Leipzig, D\u00fcrr\u2019sche Buchhandlung, 1897. 413 S.\nDas vorliegende Buch, welches sich nach der Vorrede als \u201eein Lehr-und Handbuch f\u00fcr ein tieferes und umfassenderes Studium dieser Wissenschaft\u201c \u2014 gemeint ist \u201edi\u00a9 p\u00e4dagogische Psychologie\u201c \u2014 anbietet, zerf\u00e4llt in f\u00fcnf Abschnitte, denen eine Einleitung vorausgeht. Dieselbe giebt Auf-schlufs \u00fcber Aufgabe, Quellen und Hilfsmittel der Psychologie, \u00fcber Physiologie, Psychophysik, auch \u00dcber p\u00e4dagogische Psychologie. Darnach \u201ekann f\u00fcr die P\u00e4dagogik nicht jede Psychologie und nicht jedes psychologische Lehrbuch von gleicher Bedeutung sein, ungeeignet erscheinen diejenigen, welche den Menschen als etwas Fertiges und Abgeschlossenes betrachten. Die p\u00e4dagogische Psychologie mufs die Entwickelung des aeelischenLebens im Kinde darstellen\u201c.\nDer erste Abschnitt ist dem, \u201eSinnesleben unter Ber\u00fccksichtigung der Hauptlehren der Psychophysik\u201c gewidmet und handelt von den Sinnen, den Sinnesempfindungen, dem sinnlichen Gef\u00fchl und den, Bewegungs-Vorg\u00e4ngen einfacher Art. Ein besonderer Paragraph (\u00a7 9) besch\u00e4ftigt sich mit \u201eder Bedeutung der Sinn\u00a9 oder Folgerungen f\u00fcr die P\u00e4dagogik\u201c und er\u00f6rtert z. B. di\u00a9 S\u00e4tze : \u201eDie Sinneswerkzeuge bed\u00fcrfen der Pflege und des Schutzes. \u2014 Eine Ueberh\u00e4ufung (1) der Sinnesreize ist zu vermeiden\u201c. \u2014 Der zweite Abschnitt (S. 83--166) tr\u00e4gt die Ueberschrift \u201eDas Vorstellungsleben","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nLi ter a turbericht.\ninnerhalb des psychischen Mechanismus\u201c. Er emfafst 20 Paragraphen verschiedensten Inhalts und beginnt mit der \u201eFortbildung der Sinnesempfm* d\u00fcngen su Wahrnehmungen und Anschauungen\u201c. Darauf folgen: Das r\u00e4umliche und das seitliche Wahrnehinen und Anschauen. Bedeutung d\u00abr Wahrnehmungen und Anschauungen f\u00fcr die Auffassung der Aufsenwelt, die V orstellungen,Erinnerungsbilder, Phantasiegebilde,Einbildun gsvorstellungen. F\u00fchlen und Streben, Wechsel zwischen Bewnfstsein und Unbewufetseia, Association der Vorstellungen, Die Gem\u00fctsbewegungen oder .Affecte, Vergeistigung der Aulsenw\u00f6lt, das Sprechen und die Sprache, die Zeitunterschiede des Vorstellens, der psychische Mechanismus. Diese bunte Zu-Haminaniiteifcrog wird durch einige p\u00e4dagogische Paragraphen unterbrochen, mg \u201edie p\u00e4dagogische Wichtigkeit der r\u00e4umlichen und zeitlichen Phantasie, di\u00a9 Neigung der Kinder zu Einbildungen und Aberglauben, das Spielen, die Verschiedenheit der Kindernaturen\u201c, \u25a0\u2014 welcher letztere Paragraph uns \u00fcber Individualit\u00e4t und Temperament belehrt und zwischen \u201edie Zeitunterschiede des Vorstellens\u201c und \u201eder psychische Mechanismus\u201c eingereiht ist. Wieder andere p\u00e4dagogisch.\u00a9 Er\u00f6rterungen sind den einzelnen Paragraphen direct angeh\u00e4ngt, so z. B. \u00fcber die Erinnerungsbilder in. der Jugend (S. 63), \u00fcber di\u00a9 p\u00e4dagogische Behandlung der Affecte, \u00fcber die N&ivet\u00e4t der kindlichen Auffassung (S. 117), \u00fcber die Wichtigkeit der Zeit Verh\u00e4ltnisse des Vorstellens f\u00fcr den erziehenden Unterricht (S. 14o). \u2014 Gegenstand des dritten Abschnittes sind \u201edie h\u00f6heren, den Mechanismus \u00fcberschreitenden Bewufstseinsweisen.\u201c Wir h\u00f6ren hier von den \u201eArten des Bewufstsein s\u201c und den \u201eGesetzen, des psychischen Mechanismus\u201c. B\u00abs weitere Material erscheint unter den, Ueberschriften : a) Das Bewufstsein des Angenehmen und Unangenehmen oder der Lust und Unlust b) Das logische Bewufstsein (Erfahrungswissen, Apperzeption, logisches Denken, Ausbildung des letzteren, intellectuelle Gef\u00fchle), c) Das \u00e4sthetische Bewufstsein. d) Das ethische Bewufstsein. \u2014 \u201eP\u00e4dagogisches\u201c ist allenthalben eingestreut, wie denn die wiederholte Behandlung der sinnlichen Gef\u00fchle (| 35), die schon Gegenstand der \u00a7\u00a7 10 und 22 waren, damit motivlrt wird, daft \u201egezeigt werden soll, welche Stelle diese Bewufstseinsart innerhalb der \u00fcbrigen, einnimmt und welchen. Bildungswerth dieselbe besitzt\u201c. \u2014 Der vierte Abschnitt enth\u00e4lt die \u201ePsychologie des Willens und die Willens* bildung\u201c und behandelt in 9 Paragraphen das Selbstbewufstsein, das B'\u00a9* gehren, das Wollen, das Handeln, die Arbeit, den Willen, den. freien Willen, den Charakter und den rein psychischen und den normirten Vorstellungslauf. \u2014 Der f\u00fcnfte und letzte Abschnitt endlich bietet in 4 Paragraphen \u201etheoretische S\u00e4tze \u00dcber das Wesen und die Entwickelung der Seele\u201c und wir erhalten hier Aufschl\u00fcsse nicht nur \u00fcber Materialismus, Spiritualismus, Dualismus, Monismus, sondern auch \u00fcber \u201eindividuelle Anlagen\u201c und Vererbung, sowie schliefslich \u00fcber Realismus und Idealismus.\nEs ist ein ziemlich reicher Inhalt, der sich nach der gegebenen Ueber-sicht erwarten i\u00e4fst, wenn auch die Ueberschriften nicht immer halten, was sie versprechen. Immerhin mag das Buch unter den Schriften, welch\u00a9 sich zur Orientirung \u00fcber psychologische Fragen Lehrerkreisen anzubieten pflegen, zu den besseren gez\u00e4hlt werden. Allein das will noch nicht sehr viel bedeuten. \u2014 Schon das Unternehmen, in dieser Weise \u00a9in\u00a9 p\u00e4dagogische","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n177\nPsychologie zu schaffen, mufs ernste Bedenken erregen. Denn von ihr gilt, was von einer guten Jugendschrift gesagt worden : Der wird die beste schreiben, welcher f\u00fcr die Jugend nicht schreiben will. Dem P\u00e4dagogen wird diejenige Psychologie den gr\u00f6fsten Dienst leisten, welche das psychologische Material soweit analysirt und durchsichtig macht, dafs das p\u00e4dagogische Denken unmittelbar \u00a9insetzt. Dagegen, wirken p\u00e4dagogische Exkurse doch nur wie Rezepte. Man vergleich\u00a9 z. B. das, was S. 334 unter der Ueberschrift \u201ep\u00e4dagogische Forderungen\" dargeboten wird, oder \u00a9inen Satz wie S. 305: \u201eDi\u00a9 Eltern und Erzieher haben darum solche Ereignisse herbeizuf\u00fchren, wodurch Gef\u00fchle der bezeichnet\u00a9!! Art entstehen k\u00f6nnen\". Wie wenig \u00fcbrigens der Verfasser seine Aufgabe gel\u00f6st, zeigt insbesondere der zweite Abschnitt mit seinem bunten Durcheinander. Nach \u00a7 2 sind physiologische Psychologie, Psychophysik und experimentelle Psychologie nur verschieden\u00a9 Namen f\u00fcr dieselbe Sache! Seine Gew\u00e4hrsm\u00e4nner sind insbesondere Wundt, Herbabt und H\u00f6ffding, wenn er auch mitunter in einer keineswegs gl\u00fccklichen Weise gegen die beiden erstgenannten polemisirt (cf. z. B. Apperception S. 204 und 205 oder Association S. 105) dazu kommt, dafs die einzelnen Materien In einer nicht zu verstehenden Weise zerrissen und zerst\u00fcckelt sind; z. B. das Gef\u00fchl, \u00e4hnlich di\u00a9 Aufmerksamkeit, Spiel und Arbeit etc. Auch die Ausdrucksweise entspricht mitunter wenig wissenschaftlichen Anforderungen. So lesen wir z. B. S. 34 : \u201eDurch die erw\u00e4hnten psychischen Vorg\u00e4nge des Figurirens, Projicirens und Locali-sirens erscheinen also die Empfindungen als etwas Aeufserliches (Extensives), und es entstehen dadurch in der Seele Gebilde, von denen wir meinen (!), dafs sich In ihnen \u00e4ufsere, fremde, wirkliche Dinge zu erkennen geben\".\nWas nach dem Vorg\u00e4nge von Str\u00fcmpell unter dem, Namen \u201eGesetze des psychischen Mechanismus\" vorgebracht wird, ist weder sachlich einwandsfrei noch der Bezeichnung nach anerkannt. Association und Reproduction sind nicht deutlich auseinander gehalten. Eine ausgiebige Er\u00f6rterung \u00fcber Ged\u00e4chtnifs, Gewohnheit, Uebung sucht man vergeblich ; ebenso trotz der Bestimmung des Buches etwaig\u00a9 Aufschl\u00fcsse \u00fcber Lehren und Lernen. Literaturangaben haben in einer Schrift, die ausdr\u00fccklich dem Studium dienen will, nur Werth, wenn sie relativ vollst\u00e4ndig sind oder sich auf das grundlegend Wichtige beschr\u00e4nken.\nAuf weitere sachliche Bedenken einzugehen, m\u00fcssen wir verzichten, weil es mit gen\u00fcgender Ausf\u00fchrlichkeit nicht geschehen k\u00f6nnte. Das Vorgebrachte wird \u00dcbrigens hinreichen, um den eingangs erw\u00e4hnten Anspruch \u00ables Buches in das rechte Licht zu setzen. Wenn aber der Verfasser \u00df, 205 schreibt: \u201eWir k\u00f6nnen darum eine Psychologie, welche das Wesen der Apperception nur in der willk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit erblickt, nicht f\u00fcr richtig halten; sie ist p\u00e4dagogisch nicht brauchbar\", so mufs dagegen gesagt werden, dafs di\u00a9 \u201ep\u00e4dagogisch\u00a9 Brauchbarkeit\" psychologischer Lehren mit ihrer Richtigkeit nicht das geringste zu thun hat.\n0. Andreas (Kaiserslautern).\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XX.\n12","page":177}],"identifier":"lit30724","issued":"1899","language":"de","pages":"175-177","startpages":"175","title":"M. Jahn: Psychologie als Grundwissenschaft der P\u00e4dagogik. Leipzig, D\u00fcrr'sche Buchhandlung, 1897. 413 S.","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:18:31.864313+00:00"}