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{"created":"2022-01-31T13:29:49.314452+00:00","id":"lit30727","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Andreae, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 20: 179-181","fulltext":[{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n179\nman \u00fcber grofse Mittel nicht verf\u00fcgt, den Psychologieunterricht durch Experimente zu f\u00f6rdern. Verf. plant die Abfassung einer Zusammenstellung von psychologischen Schulversuchen, \u2014 ein Unternehmen, dessen Ausf\u00fchrung \u00e4ufserst verdienstvoll w\u00e4re.\nBeide Vortr\u00e4ge richten sich, wie man sieht, vorwiegend an \u00f6sterreichische Schulm\u00e4nner. Bei uns in Deutschland ist der Psychologieunterricht in den meisten Bundesstaaten l\u00e4ngst abgeschafft; \u00fcber die Seele, ihr Verh\u00e4ltnifs zum K\u00f6rper und derlei Probleme werden unsere Sch\u00fcler durch den Religionslehrer orientirt.\tKarl Marbe (W\u00fcrzburg).\nJ. Baumahn. liier Willens- und Charakterbildung anf physiologisch-psychologischer Grundlage. Schiller-Ziehen, Samml. v. Abh. aus dem Gebiete der P\u00e4dagog. Psychol 1 (3). 86 S. 1897.\nDie Schrift geh\u00f6rt zu der von H. Schiller und Th. Ziehen heraus gegebenen Sammlung von Arbeiten, welche die Ergebnisse der neuern psychologischen und physiologischen Forschungen f\u00fcr die praktische P\u00e4dagogik nutzbar machen wollen. Sie beginnt mit einer Orientirung \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit des gesammten geistigen Lebens von k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nden und erhofft entgegen der oft hervorgehobenen \u201eR\u00e4tselhaftigkeit des sittlichen Lebens\u201c von da \u201evermehrte Herrschaft \u00fcber uns selbst\u201c. Die nun folgenden Abschnitte behandeln \u201eden Willen in. seiner physiologischen Bedingtheit\u201c, seine \u201eEntwickelung\u201c, die \u201eBildbarkeit\u201c desselben, die \u201eHauptgesetze der Willensbildung\u201c, die der \u201eCharakterbildung\u201c, die \u201eAusbildung der moralischen Haupteigenschaften\u201c, bringen einige Bemerkungen \u201ezum Moralisch- und \u00fcberhaupt Geistig-Pathologischen\u201c und kritisiren schliefslich die Lehren, von \u201eBinbke und Herbart \u00fcber Willensbildung\u201c.\nAusgehend von \u201eden. krankhaften Erscheinungen des Willens\u201c bringt der Verfasser unter der erst genannten Ueberschrift allerhand Belege daf\u00fcr, dafs \u201edie Willenshandlungen stets k\u00f6rperlich bedingt sind\u201c, um, schliefslich Wunsch, Begehren, Wille mit Worten, M\u00fcnste\u00e4hero\u2019s \u25a0\u2014 deren Fundstelle wie bei allen \u00fcbrigen Citaten, nebenbei bemerkt, nicht angegeben wird \u2014 zu beschreiben (S. 18). Alle willk\u00fcrlichen Bewegungen m\u00fcssen gelernt werden, denn \u201edie urspr\u00fcnglichen Grundlagen des menschlichen Willens\u201c, welcher an anderer Stelle (S. 24) im Gegensatz zu allem Triebartigen als \u201eappetitus rationalis, Vernunft gern \u00e4fse Th\u00e4tigkeit, Vorwegnahme einer Handlung in Gedanken mit Lustgef\u00fchl an (!) derselben\u201c bezeichnet wird, sind \u201eunwillk\u00fcrliche elementare Bet\u00e4tigungen\u201c. F\u00fcr die Bildbarkeit des Willens ist die \u201eFeststellung der modernen Wissenschaft\u201c maafsgebend, \u201edafs unser Geist als Vorstellung und Werthsch\u00e4tzung nicht unmittelbar, sondern sehr vermittelt wirkt, und dafs hei diesen, Vermittelungen die organischen unwillk\u00fcrlichen Bet\u00e4tigungen auch, da den Vortritt haben, wo wir sp\u00e4ter \u00fcberwiegend willk\u00fcrlich zu handeln lernen\u201c. Da die \u201eurspr\u00fcngliche Genesis des Willens so zu fassen ist: mit zuerst spontaner Bet\u00e4tigung war allm\u00e4hlich verbunden darauf bez\u00fcgliche Vorstellung und Werthsch\u00e4tzung, diese Vorstellung und Werthsch\u00e4tzung regt dann wieder die bez. Bet\u00e4tigung an\u201c, so nennen wir \u201eeinen Vorgang, wo anf Vorstellung und Wertsch\u00e4tzung geistige oder geistig-leibliche Bet\u00e4tigung eintritt, Wille und willk\u00fcrliche Handlung.\u201c\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nLitera turbericht.\nVon besonderer Wichtigkeit sind di\u00a9 beiden mittleren Abschnitte, welche f\u00fcr die Willens- und Charakterbildung die Hauptgesetze darzulegen suchen (S. 31\u201455). Daher heben wir di\u00a9 bemerkenswerthen S\u00e4tze hervor: \u201eDer Wille ist abh\u00e4ngig von der Hebung\u201c. \u201eZum effectiven Wollen, sind stets .g\u00fcnstig\u00a9 Bedingungen der bez. organischen oder psychischen Elemente der Beth\u00e4tigung (des Impulses) unerl\u00e4fslich\u201c. Man mufs \u201estets f\u00fcr einen Vorrath von Muskel- und Nervenkraft sorgen\u201c. Von grofser Bedeutung ist die Nachahmung; aber sie \u201ereicht doch nur so weit, als verwandte unwillk\u00fcrliche Bet\u00e4tigungen der Anlage nach stark da sind\u201c. Da die Be th\u00e4tigung immer unter ganz bestimmten Umst\u00e4nden erfolgt, so \u201em\u00fcssen dieselben variirt werden, erst wenig, dann immer mehr\u201c. Viel h\u00e4ngt vom \u201eindirecten Willen\u201c ab, womit \u201ealle die Bet\u00e4tigungen\u201c gemeint sind, \u201ewelche nur auf dem Umwege durch Ansehlufs an Vorstellung und Werthsch\u00e4tzung mit bereits gelingender Beth\u00e4tigung (!) zu Stande gebracht werden.\u201c (S. 40). Aber auch der indirecte Wille \u201ehat nur eine begrenzte Macht\u201c. Eine werthvolle H\u00fclfe ist die \u201evors\u00e4tzliche Aufmerksamkeit\u201c, doch auch sie bewegt sich nur in gewissen Schranken. \u201eDer Mensch vermag nichts als vorhandene Aufgelegtheiten zu benutzen\u201c. Viel kommt dabei auf das Gelingen an. Daher die Noth Wendigkeit vielseitiger Hebung, a) \u201edes Thuns\u201c, b) \u201edes Vorstellens\u201c. \u2014 \u201eDer Begriff des Charakters ist ein Zusammenwirken aller Hauptseiten menschlichen Wesens zu einer einheitlichen und dabei fest und grunds\u00e4tzlich gewordenen Gesammtart.\u201c Mit dem Recht der Individualit\u00e4t wachsen die Schwierigkeiten, der Charakterbildung. Mit R\u00fccksicht auf das Gegebene scheidet er die zu Erziehenden in I. fr\u00fche Fertige oder Feste, 2. in stete Ver\u00e4nderliche, 3. in Umst\u00e4ndliche und Unentschlossene, 4. in. Gef\u00fchlsmenschen, und fordert Befreiung von den Einfl\u00fcssen der Umgebung, Stimmungen etc. St\u00e4rkung der Festigkeit durch Reflexion und eine vorsichtige Beh\u00fctung auch im sp\u00e4teren Leben. Eigensinn ist nicht ohne Weiteres der Charakterbildung g\u00fcnstig. Temperament und urspr\u00fcngliche Veranlagung wirken bald f\u00f6rdernd, bald hemmend, und Affecte und Leidenschaften werden leicht gef\u00e4hrlich. Daher gilt enf geeignete \u201eHemmungsmittel\u201c auszubilden.\nDer folgende umf\u00e4nglichste Abschnitt (S. 55\u201479) ist der \u201eAusbildung der moralischen Haupteigenschaften\u201c gewidmet. Sie sind: \u201eTh\u00e4tigkeit, Wohlwollen und praktische Verst\u00e4ndigkeit in, Bezug auf Ursache und. Wirkung, Zweck und Mittel\u201c. Di\u00a9 Ausf\u00fchrungen, \u00fcber di\u00a9 Art und Weise ihrer \u201eEntfaltung\u201c sind gedankenreich und bringen mancherlei Anregung, doch nicht, ohne sich mitunter ins Kleinliche zu verlieren (man vergleiche S. 57, wo vom Trockenlegen kleiner Kinder die Rede ist). Uebrigens ist der Rahmen der Ueberlegungen weit genug, um auch wichtige Fragen des Unterrichtes nach Stoff und Betrieb aufzugreifen und z. B. den. Werth naturwissenschaftlicher Bildung, das Bed\u00fcrfnifs national\u00f6konomischer Kenntnisse und die Ausbildung des weiblichen Geschlechtes in. Betracht zu ziehen. .Der folgende Abschnitt, dem \u201eMoralisch- und. Geistig-Pathologischen\u201c gewidmet, ist aphoristisch gehalten und steht dem Haupttheil seines Inhaltes nach nicht an der richtigen Stelle. Den Schlufs macht eine knapp 1 Va Seiten (!) umfassende Besprechung der BaNiKB^schen und Herbabt sehen Lehre \u00fcber Willensbildung.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turbericfi t.\n181\nWenn man auch die Schrift nicht ohne Gewinn lesen wird, so kann \u2022doch kein Zweifel dar\u00fcber hesfehen, dafs sich ein so wichtiges, die P\u00e4dagogik in. ihrem Centrum treffendes Thema mit Erfolg nicht behandeln l\u00e4fst, ohne eine gr\u00fcndliche Auseinandersetzung mit den p\u00e4dagogischen Hauptrichtungen. Der Verfasser scheint Aehnliches auch gef\u00fchlt zu haben. Daher das g\u00e4nzlich unzul\u00e4ngliche Schlufskapitelchen I Heber die physiologisch-psychologischen Voraussetzungen in \u00a9ine Discussion einzutreten, ist Mer ausgeschlossen. Wir haben den praktischen Theil anregend genannt ; ob sich aber Alles ungezwungen unter die drei genannten Eigenschaften einreihen l\u00e4fst, steht doch dahin, und ob es wohlgethan ist, den Begriff des Wohlwollens so zu erweitern, wie es dem Verfasser beliebt, darf man f\u00fcglich bezweifeln.\nDie dem zweiten Abschnitt an gereihten Literaturangaben sind unvollst\u00e4ndig. Warum sie f\u00fcr die anderen Abschnitte g\u00e4nzlich fehlen, ist nicht ersichtlich. Die Sprache ist klar und sachlich. Fl\u00fcchtigkeiten, wie S. 40: \u201e Bet\u00e4tigungen, die mit bereite gelingender Beth\u00e4tigung zu Stande gebracht werden\", sind uns weiter nicht aufgestofsen.\nEs ist dankenswerth, dafs sich die Lehrer der Hochschulen der P\u00e4dagogik annehmen; aber man mufs w\u00fcnschen, dafs es mit der Umsicht und Gr\u00fcndlichkeit geschieht, die ihrer und der Sache w\u00fcrdig sind. Mittelwaare haben wir auf dem p\u00e4dagogischen Gebiet in H\u00fclle und F\u00fclle.\nC. Andreas (Kaiserslautern).\nA. Wreschnm. Methodologische Beitr\u00e4ge xi psychophysischem Messuages*.\nSchriften der Gesellschaft f\u00fcr psychologische Forschung, 3. Sammlg., Heft XI.\nLeipzig, J. A. Barth, 1898. 238 S.\nDie Arbeit berichtet \u00fcber Ergebnisse von, Gewichtsversuchen, die mit H\u00fclfe eines eigens conetruirten Apparates angestellt wurden. Eine \u00fcber zwei leicht drehbare Bollen laufende Darmsaite trug am einen Ende eine Wsgschale, w\u00e4hrend Ihr anderes Ende mit einem ausgepolsterten Armband verbunden war, welches die Versuchsperson am rechten Unterarm angelegt hatte. Letzter\u00a9 safs vor einem Tisch, auf dem sich \u00a9in\u00a9 ausgepolstert\u00a9 Gyps-form befand; in diese st\u00fctzte sie den Ellenbogen so, dafs Ober- und Unterarm. etwa einen rechten. Winkel bildeten. Di\u00a9 Hebung der auf der Schale befindlichen Gewicht\u00a9 (viereckige Blei- und Zinkstticke) ging nun so vor sich, dafs der Unterarm um. einen Winkel von ca. 20 Grad gedreht und dem, Oberarm gen\u00e4hert wurde. Der Beagent konnte dabei die in der Schale liegenden Gewichte nicht sehen; das Verfahren war also unwissentlich.\nGearbeitet wurde mit Normalgewichten von 200, 400, 600, 900, 1200, 1600, 2000, 2500, 3000, 3600, 4000, 6000, 6000, 7000 und 8000 gr und mit Fehlgewichten, die entweder dem Normalgewicht gleich waren oder um 0,06 P oder ein vielfaches von 0,06 P von dem Normalg\u00a9wicht (d. i. P) differirten. Bei einer grofsen Anzahl von Versuchen wurde jedes Norm.al.gewicht mit jedem Fehlgewicht so verglichen, dafs einmal das Hauptgewicht, das andere Mal das Fehlgewicht zuerst beurtheilt wurde. Diese Experimente gaben interessante Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Zuverl\u00e4ssigkeit und die Empfindlichkeit des Urtheils.\nw","page":181}],"identifier":"lit30727","issued":"1899","language":"de","pages":"179-181","startpages":"179","title":"J. Baumann: Ueber Willens- und Charakterbildung auf physiologisch-psychologischer Grundlage. Schiller-Ziehen, Samml. v. Abh. aus dem Gebiete der P\u00e4dagog. Psychol. 1 (3). 86 S. 1897","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:29:49.314461+00:00"}