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{"created":"2022-01-31T13:27:31.728976+00:00","id":"lit30767","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 20: 215-217","fulltext":[{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n215\nR. Eislke. Voler Ursprung und Voten des Glaubens an die Existent der Anisen-\nwell. Vierieljahrmchri\u00df f. wissenschaf\u00fc, Philosophie 22 (4), 408\u2014426, 1898.\nEs fragt sich zun\u00e4chst, was die Nichtphilosophen unter \u201ewahrnehmen\u201c\nverstehen. Wahrnehmen heilst: \u201ezu dem Wahrgenommenen in einer Beziehung stehen, die ihre besondere F\u00e4rbung durch gewisse Spannungs-empfindungen erhalten kann, und mit der sich auch Zust\u00e4nde des Schmerzes, der Lust und Unlust verkn\u00fcpfen\u201c. Dabei werden wir uns f\u00fcr gew\u00f6hnlich, unseres Wahrnehmens nicht bewufst. Das ist Sache der Reflexion. Wir treffen nur Qualit\u00e4ten an: roth, warm u. s. w., und da wir \u00fcberzeugt sind, dafs wir eie nicht erst durch das Wahmehmen erzeugen, so glauben wir an eine unabh\u00e4ngige Existenz dieser Qualit\u00e4ten. Wir bezeichnen Qualit\u00e4ten als Empfindungen, sofern sie als Theilinhalte eines Gegenstandes auftreten, als Wahrnehmungen dagegen, sofern die Aufmerksamkeit sie in ihrer Besonder heit zum Gegenst\u00e4nde hat. Dinge sind Qualit\u00e4tencomplexe. Jedoch nehmen wir nicht zuerst die einzelnen Qualit\u00e4ten wahr und verkn\u00fcpfen sie zu einer Einheit, sondern das im Bewusstsein prim\u00e4r Auftretende ist die Einheit. Von den Theilinhalten bildet das r\u00e4umlich geformte Farben-nnd Tastbild den \u201eGrundstock\u201c des Gegenstandes, eie vertreten die Gegenst\u00e4nde und bilden den constantesten Theil derselben, dies um so mehr, wenn sie bei normaler Beleuchtung wahrgenommen werden. Das Raumbild nehmen wir deswegen als Vertreter, weil andere Qualit\u00e4ten aus der Erinnerung mit ihm rasch und innig verschmelzen. So ruft das Gesichtsbild z. B. das Tastbild hervor. Umgekehrt reproducer! die einzelne, iso-lirte Wahrnehmung einer Qualit\u00e4t den Gesammtcomplex, zu dem sie geh\u00f6rt, Insofern werden unsere Edi p fin d\u00fcngen \u201eZeichen\u201c, \u201eSymbole\u201c f\u00fcr Gegenst\u00e4nde. F\u00fcr das Festhalten der Identit\u00e4t eines Dinges zu verschiedenen Zeiten ist jedoch noch n\u00f6thlg, dafs wir die Einheit und Identit\u00e4t unseres Selbstbewufstseins, unseres Ich der Beurtheilung der Aufsen-welt zu Grunde legen. \u201eWir verlegen den stetig zu verfolgenden Zusammenhang unseres Seins in die Aufsenwelt, da wo sie durch ihr constantes Vorgefundenwerden von uns und \u00c4nderen gewissermaafsen herausfordert.\u201c\nDie Eigenschaften sind ferner nicht nur unterscheidende Merkmale der Dinge, sondern sie gelten uns auch als Ausfl\u00fcsse, Beth\u00e4tigungsweisen der Dinge. Die Gegenst\u00e4nde sind uns Wesen, von denen Wirkungen ausgeben, sie haben den Werth von Kr\u00e4ften. \u201eDer Kraftbegriff hat seinen Ursprung in der F\u00e4higkeit des Individuums, eine Willenstendenz auch Hindernissen gegen\u00fcber zu realisiren.\u201c Wir legen unsere Einheit, Identit\u00e4t, unser Wirkenk\u00f6nnen in das Aufsending und stempeln es dadurch zum Gegen-Ich. Es widersteht und hemmt uns. Indem wir also dadurch unser\u00a9 Umgebung mit einem Factor bereichern, den wir nicht- vorfinden, setzen wir ein Transcendantes. \u201eAufsending\u00a9 sind die um einen transcendenten Factor vermehrten Inhalte der Wahrnehmung selbst.\u201c \u201eDie Dinge sind so wahr, wie wir selbst sind.\u201c \u201eDie Wahrnehmung reproducirt dem gern\u00e4fs die Vorstellung unserer eigenen (primitiven) Ichheit, unserer Kraft, unseres Wollene, und diese Vorstellung verschmilzt mit der Wahrnehmung zu einer solchen Einheit, dafs wir die Th\u00e4tigkeit in dem Dinge unmittelbar zu sehen und zu f\u00fchlen glauben.\u201c Die Dinge sind Reflexe unseres eigenen \u2022Seins, w\u00e4hrend wir uns selbst als etwas Perennirendes auffassen.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nLiteraturbericht.\nDie Wahmehmungsinhalte haben relative Wirklichkeit, es sind keine T\u00e4uschungen, sondern Eigenschaften von \u00fcbergeordneten Tr\u00e4gem. Dir gegen ist der hinzutretende transcendente Factor absolut real; er besteht auch ohne unser Wahrnehmen fort. Eisler glaubt durch diese Darstellung dem Solipsismus zu entgehen.\nDasselbe Thema behandelt:\nG. ni Oraems. La croyance an monte ext\u00e9rieur. Mew. n\u00e9o-scolastique 5 (4), 410\u2014428.\nNov. 1898.\nIch erhalte keine Kenntnifs von einem K\u00f6rper dadurch, dafs ich von ihm ein \u201ehallucinatorisches Phantom\" besitze, sondern ich mufs zu ihm in Beziehung treten und urtheilen, dafs er dies oder jenes ist. Di\u00a9 Realit\u00e4t hat ihre Wurzel nicht in der einfachen Idee, sondern in dem Urtheil, welches folgt. Dies soll die vorliegende Abhandlung zeigen.\nK\u00f6rper sind Complexe von Empfindungsm\u00f6glichkeiten bezw. Empfindungenothwendigkeiten. Diese M\u00f6glichkeiten und Noth Wendigkeiten existiren unabh\u00e4ngig von uns, ihre Permanenz ist nach Mill und Tains .der Grund der Annahme der Substantiellen. Es fragt sich, ob m noch etwas Dauerhafteres als Reihen von Empfindungen giebt. Taink macht auf di\u00a9 Anthropomorphismen aufmerksam, in denen namentlich der Urmensch Bedeutendes leistete. Beim Culturmenschen sind sie mehr und mehr ver schwanden. Trotzdem haben auch wir uns gew\u00f6hnt, die Geschichte der K\u00f6rper vom Standpunkte unserer eigenen Lebensgeschichte zu betrachten* Indem wir von allen Anthropomorphismen dem K\u00f6rper noch die Bewegung .gelassen haben, \u00a9rtheilen wir ihm dieselbe Realit\u00e4t, welche wir selbst besitzen. Wir sind aber noch einen Schritt weiter gegangen. Da wir zu ab strahiren verstehen, so verm\u00f6gen wir unsere Auffassung der Natur von ihrem subject!ven Charakter zu befreien, welche sie durch di\u00a9 Beziehung auf unsere Ereignisse erh\u00e4lt, und wir k\u00f6nnen die K\u00f6rper defini reu durch Beziehung der an ihnen statthabenden Ereignisse auf einander. Bisher Gezeichneten wir mit fest das, was in uns die Empfindung des Wider-Standes erzeugte, jetzt nennen wir fest das, was das Stillestehen eines in Bewegung begriffenen K\u00f6rpers hervorruft. Bisher vergegenw\u00e4rtigten wir uns die Linien, Oberfl\u00e4chen und festen K\u00f6rper durch Gruppen von Bewegung\u00ab-, Ber\u00fchrung\u00ab* und Widerstandsempfindungen; jetzt definiren wir di\u00a9 Linie, die Fl\u00e4che und den K\u00f6rper bezw. durch die Bewegung eines Punkts, einer Linie und einer Fl\u00e4che. Bisher taxirten wir die Kraft durch die Gr\u00f6fse unserer Empfindungsanstrengung; jetzt messen wir sie durch die Geschwindigkeit der Bewegung, welche sie einer gegebenen Masse er jtheilt oder durch die Gr\u00f6fse der Masse, welcher sie ein\u00a9 Bewegung von gegebener Geschwindigkeit ertheilt. Wir fassen also von jetzt an den K\u00f6rper als eine Kraft, als ein \u201ebewegendes Bewegliches\" auf, in welchem Geschwindigkeit und Masse gleichgeltende Gesichtspunkte sind. Auf Be*' wegungsph\u00e4nomene aber k\u00f6nnen alle Ph\u00e4nomene zur\u00fcckgef\u00fchrt werden.\nAus dem, Gesagten erhellt, dafs es lauter Empfindungen sind, welche in uns ebenso wie beim Thier die Idee von K\u00f6rpern erzeugen, und welche beim Menschen durch verbale Bezeichnungen zu Complexen zusammen^ gefafst werden. Wir bed\u00fcrfen also, immer bestimmter \u00e4ufserer Eindr\u00fccke,","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"l\u00c0tera turberi ch t.\n217\n\u2022bevor wir urtheilen k\u00f6nnen, dels der K\u00f6rper dies oder jenee sei. Darin liegt nach dx Craene der Grund des Glaubens an eine \u00e4ufsere Welt. \u2014\nVergleichen wir beide Abhandlungen mit einander, so sehen wir, dafs beide im Allgemeinen mit demselben Gedankenmaterial operiren. Nur legt bei der Beantwortung der obigen, Frage de Graene den Nachdruck mehr auf die Abh\u00e4ngigkeit unserer urtheilenden Thftlfgkeit, Eisler auf di\u00a9 Abh\u00e4ngigkeit unserer Willensthitigkeit von der Anfsenwelt. Von beiden Kriterien ist meiner Ansicht nach das von Eisler das urspr\u00fcnglichere, schon in den fr\u00fchesten Stadien des Thierischen vorbereitete und deshalb fester begr\u00fcndete. Diese Vorbereitung reicht wohl bis zu den Bhizopodenthierchen, bei denen die in fortw\u00e4hrendem Ausstrahlen und Einziehen von Plasmaf\u00e4den sich kundgebend\u00a9 Willensth\u00e4tigkeit in den erreichbaren Substanzen erw\u00fcnschte Beizkr\u00e4fte findet, welche die Lebensbeth\u00e4tigung dieser Thiere immer von Neuem anfachen und aufrecht erhalten. Dagegen kommt das dr CnAENE\u2019sche Kriterium mehr bei h\u00f6her entwickelten Individuen zur Geltung, bei denen das unmittelbare Austauschen von Wirkungen mit der Anfsenwelt behufs Erkennens der jeweiligen Verh\u00e4ltnisse in der Mehrzahl der F\u00e4lle enn\u00f6thig gemacht wird durch Experimentiren innerhalb des durch die Erfahrung gesammelten Vorstellungsschatzes. Sehr richtig macht Eisler darauf aufmerksam, dafs es eigentlich unrichtig sei, die K\u00f6rper als \u201eWahrnehmungsm\u00f6glichkeiten\u201c zu bezeichnen, da dies nur der Ausdruck der Erwartung sei, ein Pr\u00e4dicat, nicht ein Ding, sofern die Erwartung die Wahrnehmung oder \u201elogische Erschliefsung\u201c schon voraussetze.\nGibsslbi (Erfurt).\nH. Nichols. The Psjcho-Motor Problem. American Journal of Insanity 54 (1), -\t59\u201480. 1897.\nUnter diesem Titel publicirt Verf. einen der sechs Vortr\u00e4ge \u00fcber die Psychologie und ihre gegenw\u00e4rtige Lage, die er im Jahre 1896 an der John Hopkins\u2019 University in March gehalten hat. Er will untersuchen, welcher geistige Zustand der corticalen Entladung entspricht, die stattfindet, wenn der Mensch ein\u00a9 Bewegung ausf\u00fchrt. Die Ansichten von Discartes, Wundt und James \u00fcber den Willen werden in, grofsen Z\u00fcgen klargelegt und dis-cutirt. Nichols selbst formulirt seine Ansichten in vielfachem, Anschlufs an James. Er gelangt zu dem Resultat, dafs alle Empfindungen und geistigen Zust\u00e4nde Bewegungen associiren k\u00f6nnen, und also \u201emotorisch\u201c aind. Wie nach James f\u00fcr das Auftreten einer bestimmten Vorstellung b nicht eine vorhergehende Vorstellung a in Betracht kommt, sondern vielmehr der ganze der Vorstellung b zeitlich vorangehende geistige Zustand, to soll das Auftreten einer bestimmten Bewegung nach Nichols durch den ganzen ihr vorhergehenden Zustand des Subjects bedingt sein.\nKarl Makbb (W\u00fcrzburg).\nFr. Schultzb. Lehrbuch der flemnlcriiikhetten. Zwei B\u00e4nde. I. Band er schienen in : Bibliothek des Arztes, Stuttgart, Ferdinand Enke, 1898. 386 S.\nDer Bonner Kliniker, dessen Lieblingsgebiet gerade die Lehr\u00a9 von -den Nervenkrankheiten ist, wendet sieh in diesem Lehrbuch\u00a9 vorwiegend an den wissenschaftlich gebildeten Praktiker und an den werdenden Arzt.","page":217}],"identifier":"lit30767","issued":"1899","language":"de","pages":"215-217","startpages":"215","title":"R. Eisler: Ueber Ursprung und Wesen des Glaubens an die Existenz der Au\u00dfenwelt. Vierteljahrsschrift f. wissenschaftl. Philosophie 22 (4), 408-426. 1898 / G. de Craene: La croyance au monde ext\u00e9rieur. Rev. n\u00e9o-scolastique 5 (4), 410-428. Nov. 1898","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:27:31.728982+00:00"}