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{"created":"2022-01-31T15:45:02.262300+00:00","id":"lit30774","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 20: 218-221","fulltext":[{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nLiteraturberich L\nVorl\u00e4ufig ist nur der erste Band erschienen, der die destructives II* krankungen des peripheren Nervensystems, des Sympathien\u00bb, des R\u00fcckenmarks und seiner H\u00e4ute behandelt. Es liegt in der Natur der Sache, wenn, hierbei nur selten und mehr nebenbei Fragen ber\u00fchrt werden, die sich an dieser Stelle au einem .Referate eignen. Das wird eher zu erwarten sek von dem. zweiten Bande des Lehrbuchs, der sich mit den Erkrankungen des Gehirns und seiner H\u00e4ute zu besch\u00e4ftigen haben wird. Mit um so gr\u00f6\u00dferer Spannung kann, man dessen, Erscheinen entgegen sehen, .als Vert in dem vorliegenden Theile mit der ihm eigenen Kritik in einer Haren, einfachen Darstellung die einschl\u00e4gigen Fragen er\u00f6rtert. Den Interessenten sei das Buch angelegentlichst empfohlen.\tE. Schultzb (Bonn).\nFink. Breve Gompemdio dt PiichUtrit (Kurses Oampeadlim der PsycMaMf).\nManual! Hoepli, 1899. Ulrico Hoepli, Milano. 222 S.\nWenn, die strebsame Verlagsbuchhandlung Unnco Hoepli in Mailand mit allen, ihren Manualen, deren sie bisher an die 600 \u00fcber alle Zweige des Wissens ver\u00f6ffentlichte, dasselbe Gl\u00fcck hat, wie mit dem vorliegenden, dann wird man ihre Findigkeit anstaunen m\u00fcssen, denn das vorliegende kurze Compendium der Psychiatrie ist wirklich gut.\nEs war gewifs nicht leicht, den ganzen Umfang der psychiatrischen Wissenschaft auf die enge Form von 214 Seiten zusammen zu pressen, ohne der Gefahr einer oberfl\u00e4chlichen Zusammenstellung zu unterliegen, und wenn der Zweck des Buches auch eine eigentlich originale Behandlung ausschlofs, so ist es dem Verf. dennoch gelungen, sie zu einer ebenso interessanten wie 'belehrenden, zu gestalten.\nWas wir ihm. als; Italiener besonders hoch anzurechnen haben, ist, dafs er sich von jeder allzu ausgesprochenen Parteinahme an den Tagesfragen fern gehalten, und zumal, den, deutschen Ansichten und der deutschen Literatur reiche Rechnung tr\u00e4gt. Dafs er der Eintheilung nicht die Astrologie sondern di\u00a9 Prognose zu Grunde legt, soll ihm bei der Schwierigkeit einer einheitlichen Eintheilung \u00fcberhaupt, nicht als Fehler angerechnet werden. Zudem theilt er dies mit anderen Meistern des Faches.\nDie Beschreibung der einzelnen Krankheitsformen ist klar und verst\u00e4ndlich, und to ist das ganze Buch, das \u00e4hnlichen kurzen Compendien dreist als ein Muster vorgehalten werden, darf.\tPeukax.\nP. J. Moebius. Termixchte ilfsitie (5. Heft der Neurologischen Beitm\u00a7e*) Leipzig, X A. Barth, 1898. .173 S.\nMoebius hat dem 4. Heft\u00a9 seiner Neurologischen 'Beitr\u00e4ge noch ein f\u00fcnftes nachfolgen lassen, das eine Anzahl von vermischten. Aufs\u00e4tzen enth\u00e4lt, von denen uns haupts\u00e4chlich die unter III auf gef\u00fchrten interessiien, da sie \u00dcber die Behandlung von Nervenkranken und die Errichtung von Nervenheilst\u00e4tten handeln. Die Vorz\u00fcge seiner Darstellung kommen hier voll und ganz zur Geltung. Scharf und prias, in kurzen knappen S\u00e4tzen und mit eherner Logik f\u00fchrt, er seine Gedanken aus.\n\u201eSeit 20 Jahren behandele ich Nervenkranke und sinne dar\u00fcber nach, wie ihnen su helfen sei,\u201c und da. das Verh\u00fcten der Nervenleiden nun ein* .mal unm\u00f6glich sei, so bleib\u00ab' nur das Heilen. In .sch\u00f6nen, tiefempfundenen","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Li Uraturbericht.\n219\nWorten geht er auf dag Wesen der Nervenkrankheiten ein und auf die Mittel, die uns zu ihrer Heilung zu Gebote stehen.\nZu ihrer Entstehung ben\u00f6thigt es bekanntlich der erblichen Anlage und der pers\u00f6nlichen Erlebnisse. Je mehr die erstere hervortritt, eines um so geringeren Anlasses bedarf es zur Ausl\u00f6sung einer Geistesst\u00f6rung, und bei geringer Anlage k\u00f6nnen umgekehrt schon recht betr\u00e4chtliche Eingriffe ohne besondere Sch\u00e4digung ertragen werden.\nZweifellos 'k\u00f6nnen Religion und Kunst, Wissenschaft und Freundschaft manches Gute und Erfreuliche leisten.\nAber die Religion kann am, Ende nur dort ihre Wirksamkeit entfalten, wo sie vorhanden ist, und das ist selten genug, die Kunst ist mehr Genufs als Heilmittel, und was kann der Arzt bei Wissenschaft und Freundschaft thun? Auch die Suggestion, das moderne Allheilmittel, das Moebius treffend als eine Heilung hinten herum bezeichnet, ohne Wissen des Kranken, ist entweder T\u00e4uschung des Kranken oder Selbstt\u00e4uschung des Arztes, und nur die Wahrheit dauert an. Anders verh\u00e4lt es sich mit der Arbeit, sofern es darauf hinausl\u00e4uft, die falsche Th\u00e4tigkeit durch richtige Th\u00e4tigkeit zu ersetzten. \u201eKeine Ueberanstrengung, kein Faulenzen, kein Firlefanz, kein\u00a9 Ausschweifung, keine unvern\u00fcnftige Aufregung/*\nAuf die specielle Art der Arbeit kommt es dabei weniger an. Jede Th\u00e4tigkeit, durch die Einer gesunder, leistungsf\u00e4higer, reifer und besser wird, ist n\u00fctzlich. Aber auch dies nur dann, wenn sie richtig \u00fcberwacht und geleitet wird, und das kann aus nat\u00fcrlichen Gr\u00fcnden nur in besonderen Anstalten, in Nervenheilanstalten geschehen.\nDas ist Alles so einfach, so klar und zweifelohne, dafs man dem Yerf. erwidern wird: ja, lieber Freund, das k\u00f6nnen wir uns schon von allein sagen, dazu brauchen wir dich gar nicht, und solcher Anstalten giebt es die H\u00fclle und die F\u00fclle. Auch das ist richtig und nur das Eine daran mangelhaft, dafs di\u00a9 vorhandenen. Nervenheilanstalten auf die oberen Zehntausend berechnet und f\u00fcr den Geldbeutel des Meinen Mannes unerreichbar sind. Aber auch der kleine Mann kann nervenleidend werden, und gerade fttr ihn, f\u00fcr das leidende Volk tritt Moebius mit seiner Forderung ein, er will Nervenanstalten f\u00fcr die geringen Leute, di\u00a9 eben so krank wie jene, aber nicht in gleichem Maafse bemittelt sind.\nWer soll f\u00fcr die Kosten aufkommen? Von den drei hier in Betracht kommenden Factoren, Staat, \u00f6ffentliche Wohlth\u00e4tlgkeit und Genossenschaften, kommen eigentlich nur die letzteren in Betracht.\nDer Staat kann nicht, und die \u00f6ffentliche Mildth\u00e4tigkeit ist zur Zeit fast ganz und gar nach einer anderen Seite hin in Anspruch genommen. Der Eifer f\u00fcr Lungenheilst\u00e4tten beherrscht den Markt und l\u00e4fst f\u00fcr andere Bestrebungen keinen Raum, und w\u00e4ren sie noch so berechtigt.\nDie Mode ist nun einmal ebenso allm\u00e4chtig wie th\u00f6richt, und dem Einzelnen deshalb einen Vorwurf zu machen, wire verkehrt.\nWie die Anstalt aussehsuen wird, wo und wie man sie errichten, leiten und halten soll, alles dies mufs man im Originale nachsehen. Moebiitb fafst zum Schiasse den Hauptinhalt seines Aufsatzes in folgenden drei Thesen zusammen :","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nLiteraturbericht.\nI.\tDie Hauptsache bei der Behandlung von Nervenkranken ist die Regelung der Th\u00e4tigkeit: Ausschaltung falscher, sch\u00e4dlicher oder nutzloser Th\u00e4tigkeit, Anleitung zu guter Arbeit, die in rechter Weise mit Ruhe wechselt.\nII.\tVielfach ist es zeitweise n\u00f6thig, den Kranken aus seinen gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen zu entfernen. In solchen F\u00e4llen ist der Eintritt in eine Nervenheilanstalt das Richtige. In der Anstalt sollen zwar alle ver-trauenswerthen Heilmittel angewendet werden, aber auch hier mufs die Lebensf\u00fchrung, d. h. die Anleitung zu rechter Arbeit und zu rechter Ruhe den Kern der Behandlung bilden. Jede Nervenheilanstalt sollte in diesem Sinne verwaltet werden und sollte den Kranken die M\u00f6glichkeit n\u00fctzlicher Arbeit bieten.\nIII.\tDer Eintritt in die Heilanstalt mufs auch Minderbemittelten m\u00f6glich gemacht werden. Dies und die gen\u00fcgend lange Dauer des Aufenthaltes kann man erreichen, wenn Anstalten mit niedrigen Preisen und mit Freistellen entstehen. Solche Anstalten aber k\u00f6nnen entweder durch Genossenschaften oder auf Grund \u00f6ffentlicher Sammlungen, bezw. der Zeichnung von Antheilscheinen gegr\u00fcndet werden.\nDer Aufruf von Moebius hat seinen Zweck nicht verfehlt, und es wird ihm selber der h\u00f6chste Lohn sein, dafs seine Worte gez\u00fcndet und zu einer Freigebigkeit angeregt haben, die das Zustandekommen einer Heilst\u00e4tte bei Berlin sichert.\nEine Reihe von anderen Aufs\u00e4tzen bezieht sich auf den Kampf gegen den Alkohol, die Tuberkulose und andere Krankheiten. Ueberall erweist sich Moebius als ein Dolmetscher, der die medieinische Wissenschaft dem grofsen Publikum zug\u00e4nglich macht, und zwar in einer Sprache und mit einem Geiste, der seinen Ausf\u00fchrungen auch die Zustimmung seiner F\u00e4ch-genossen eintr\u00e4gt, mag er nun von der Nervosit\u00e4t oder vom Alkoholismus., von der Tuberkulose oder Syphilis reden, \u00fcberall ist er der Anwalt des nat\u00fcrlichen Menschenverstandes, frisch, geistreich und tiefempfunden.\nOb ihm sein Aufsatz \u00fcber die Veredelung des Menschengeschlechtes den Beifall des emancipationslustigen Theiles der Frauenwelt eintragen wird, m\u00f6chte ich bezweifeln, denn seine Ansichten \u00fcber die Rolle des Weibes in der menschlichen Gesellschaft, seinen Einflufs auf die Veredelung des Menschengeschlechtes und. die Stellung der Frau in der Gesellschaft sind vielleicht richtig, aber sicherlich nicht galant.\nEs ist \u00fcberhaupt von Interesse, zu verfolgen, zu welchen radicalen Vorschl\u00e4gen ein so milder und offenbar wohlwollender Denker wie Moebius kommt, wenn er den uns von der Natur vorgezeichneten Wegen folgt.\nSeine Vorschl\u00e4ge wird man am besten im Originale nachsehen, und ich will hier nur das Eine verrathen, dafs sie eine bedenkliche Aehnlichkeit mit den Vorschriften Schopenhauer\u2019s haben, wonach man alle Schurken castriren und alle dummen G\u00e4nse ins Kloster sperren solle. Moebius weifs nicht, was man ,vern\u00fcnftiger Weise dagegen einwenden k\u00f6nne, obwohl kaum zu erwarten sei, dafs sich die Gesetzgeber bereit f\u00e4nden, die Castration als Nebenstrafe einzuf\u00fchren.\nDer Schlufs des Buches ist dem Andenken an Charcot und Heinroth gewidmet, und er bringt uns noch manches Bemerkenswerthe. Was Moebius","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n221\nhier von Charcot sagt\u00bb dato er nicht nur Gutes, sondern das Gute auch in einer sch\u00f6nen Form gegeben, kann man in gleicherweise auf Moebius an wenden.\nUeberall in seinen verschiedenen Aufs\u00e4teen tritt uns der Naturforscher entgegen, gleich frei von Vorurtheilen wie von sch\u00fcchterner Befangenheit, aus seinen Untersuchungen die Consequenzen zu ziehen. \u2014 Die Aufs\u00e4tze wirf\u00bb daher ihren dauernden Werth behalten.\tPelman.\nF, Raymond et Pierre Janet. livroses et Id\u00e9es txes. Travaux du laboratoire de Psychologie de la Clinique \u00e0 te Salp\u00eatri\u00e8re, Paris, F. Alcan. 2 Bde. 1898.\nIm ersten Bande beschr\u00e4nkt sich Janet darauf, von einigen wenigen Krankheitsf\u00e4llen eine ausf\u00fchrliche psychologische Analyse zu geben unter Benutzung aller Methoden und Apparate, die das psychologische Laboratorium der Neuzeit benutzen mufs. Fixe Ideen setzen immer eine gewisse geistige Schw\u00e4che voraus, namentlich wird di\u00a9 active synthetische Function der Seele gar nicht, oder zu langsam in Th\u00e4tigkeit gesetzt, die neuen Gef\u00fchle und Bilder werden nicht geh\u00f6rig appercipirt, mit dem bisherigen geistigen Capital verschmolzen, automatische Vorg\u00e4nge gewinnen die Oberland. Fast immer handelt es sich um ererbten oder angeborenen Schwachsinn, \u2014 seltener um einen erworbenen, etwa nach Typhus.\nIm zweiten Band handelt es sich um \u00fcber 150 Kranke aus der Poliklinik der Salp\u00eatri\u00e8re. Wae hier Raymond f\u00fcr psychologisch interessant fand, schickt er in das psychologische Laboratorium zu Janet zu kurzer Untersuchung. W\u00e4hrend im ersten Band jeder Fall lange und gr\u00fcndlich beobachtet wird, sieht im zweiten Band Janet jeden Fall nur kurz, 1\u20142 Mal. Trotzdem bietet die Sammlung so ziemlich Alles aus dem Gebiete der Nervenkrankheiten, auf psychischem und somatischem Gebiete, und zeigt so recht die Bedeutung psychologischer Studien f\u00fcr die Erkl\u00e4rung und oft auch die Behandlung nerv\u00f6ser Krankheiten. Aufser dem Mediciner findet auch der Psychologe sehr viel Interessantes und Anregendes.\nUmppenbach.\nP. J. Moebius. Ueber i\u00ab Pathologische hoi Goethe. Leipzig, J. A. Barth, 1898. 208 S.\nEin neues Buch von Moebius bedeutet einen neuen. Genufs, gleichviel ob er sein Werk dem engeren Gebiete der Fachwissenschaft entnimmt, oder sich auf den breiteren Bahnen der Kunst bewegt. Auf beiden Pfaden ist er ein, zuverl\u00e4ssiger F\u00fchrer, dem man sich, getrost anvertrauen darf, und ich kann nichts Besseres thun, als mich dem Kritiker des \u201eLiterarischen Centralblattes\u201c anzuschliefsen, der das Buch f\u00fcr di\u00a9 inhaltreichste Frucht der Goetheforschung der j\u00fcngsten Jahre erkl\u00e4rt. Goethe habe seine Kennte niese der pathologischen Geisteszust\u00e4nde durch Beobachtung des allgemeinen Lebens gewonnen. In der klaren Auffassung und der Wiedergabe dieser Verh\u00e4ltnisse lieg\u00a9 die Bedeutung des Werkes, das \u00a9ine Fundgrube des Neuen und Anregenden darbiete.\nMokbius geht von. der Voraussetzung aus, dafs sich der Dichter nicht nur mit dem normalen, sondern auch mit dem. abnormen Menschen be-schattigen m\u00fcsse, weil der Normalmensch zugleich auch der mittelm\u00e4fsige uni langweilige sei.","page":221}],"identifier":"lit30774","issued":"1899","language":"de","pages":"218-221","startpages":"218","title":"P. J. Moebius: Vermischte Aufs\u00e4tze. (5. Heft der Neurologischen Beitr\u00e4ge.) Leipzig, J. A. Barth, 1898. 173 S.","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:45:02.262305+00:00"}