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{"created":"2022-01-31T14:36:54.837289+00:00","id":"lit30820","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Sternberg, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 20: 385-407","fulltext":[{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\nVon\nDr. Wilhelm Bteknbebo, pract Arzt in Berlin.\nDen h\u00f6heren Sinnen, deren Reize vorz\u00fcglich physikali scher Art sind, auf dafs sie uns die Erkenntnifs der Ferne erschliefsen, steht der niedere Sinn, der chemische gegen\u00fcber, das Sinneswerkzeug der N\u00e4he, das daher vorwiegend materielle Vorstellungen in unserem Bewufstsein zu erwecken hat, dessen Reize demzufolge die chemischen Verbindungen in amorphem Zustande sind. Dieser chemische Sinn ist das an den Eingang zu den inneren Leibesh\u00f6hlen als wachsamer H\u00fcter gesetzte Sinnespaar des Geschmackes, das nur die englische Sprache in einem Wort zu vereinen vermag: der Geschmack in die Ferne, f\u00fcr den gasf\u00f6rmigen Aggregatzustand, der Geruch, \u201eder Sinn der Phantasie\u201c nach Rousseau1, nach Rant, \u201eder undankbarste und entbehrlichste\u201c, da er uns mehr Unlust als Lust bereitet; und f\u00fcr den fl\u00fcssigen Aggregatzustand der Geschmack im engeren Sinne des Wortes. Es ist daher nichts nat\u00fcrlicher, als dafs ebenso wie die Physik die Physiologie des Geh\u00f6rsinnes, gleichermaafsen die Chemie die Physiologie dieser Sinne zu unterst\u00fctzen berufen ist. Erst sp\u00e4t jedoch suchte die physikalische Chemie, nachdem sie l\u00e4ngst Gesetzm\u00e4fsigkeiten unter den optischen Eigenschaften der Materie aufgefunden hatte, zun\u00e4chst solche bez\u00fcglich des Lichtbrechungsverm\u00f6gens und der Drehung der Polarisationsebene,\n1 Rousseau : \u201ele sens de l\u2019odorat est au go\u00fbt ce que celui de la vue est au touch,er.\u201c\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XX.\n25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nWilhelm Sternberg.\nBeziehungen des Chemismus zum Farbensinn, auffallender Weise noch sp\u00e4ter erst solche zum Geruch, wiewohl doch diese Eigenschaften der Materie weit director und unmittelbarer in die Augen springen. Noch mehr mufs es daher befremden, dafs die Beziehungen des chemischen Baues zum. Geschmack gar nicht er\u00f6rtert sind, und zwar aus doppelten Gr\u00fcnden.\nEinmal verbindet die Chemie und die Physiologie des Geschmackes eine grofse Reihe \u00e4hnlicher, wenn nicht gleicher Be-griffe ; wie die Physiologie s\u00fcfs, sauer, salzig, laugenhaft, metallisch, bitter schmeckende Substanzen unterscheidet, so sind der Chemie heutzutage die Gruppen der Zucker ebenso wie die der S\u00e4uren, Laugen, Metalle, Salze ganz streng charakterisirte Gruppen, und auch die Bitterstoffe fafst sie, freilich als eine noch wenig organisirte Gruppe, doch zusammen. Ja, war es doch der Geschmack, welcher einstmals der Chemie die Begriffe, Ms auf den heutigen Tag jedenfalls die Bezeichnung geliehen hat, f\u00fcr die Salze, Zucker, Bitterstoffe, S\u00e4uren und Laugen.\nSodann aber ist die biologische Bedeutung gerade des Ge-schm&cksinnes, so sehr auch der Beitrag, den er uns zu unserer intellectuelle!! Ausbildung liefert, Mnter allen anderen Sinnen zur\u00fccksteht, eine um so h\u00f6here f\u00fcr unsere vegetativen Vorg\u00e4nge, f\u00fcr den thierischen Haushalt ; denn er ist mit den f\u00fcr das Thier allerwichtigsten vitalen Forderungen der Ern\u00e4hrung verbunden. Daher kommt es auch, dafs von allen Sinnen beim Neugeborenen der Geschmack am fr\u00fchesten, sofort nach der Geburt und sogar vorz\u00fcglich ausgebildet ist; denn das Neugeborene unterscheidet nicht nur die Qualit\u00e4ten s\u00fcfs und bitter, sondern sogar die Intensit\u00e4ten, so dafs man sagen mufs, das Neugeborene bringt eine feine Zunge mit zur Welt Zu einer Zeit, in. der das Kind noch taub, ohne Geruch ist, noch kaum, sehen, jedenfalls noch, nicht Farben unterscheiden kann, da die ganze Welt also eigenschaftslos vor ihm liegt, erkennt es doch schon die Materie und zwar nur mit diesem einzigen Sinn ; und es sind. 1\u20142 Monate zu fr\u00fch geborene Kinder nicht weniger empfindlich gegen Geschmacks reize als reife, so dafs von manchen Autoren sogar angenommen wird, dafs der Geschmackssinn schon im intrauterinen Leben ge\u00fcbt werde. KCstner 'und Blnswaxgkk erw\u00e4hnen sogar einen Aneneephalus mit Gesell macks verm\u00f6gen. Am. oberfl\u00e4chlichsten gelegen, am leichtesten zug\u00e4nglich, functionirt der Geschmackssinn am ehesten, aber auch, am l\u00e4ngsten, denn, er ist der einzige","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n887\nSinn, welcher nicht wie die \u00fcbrigen im Alter schlechter, sondern nach Hybtli sogar besser wird. Selbst von den Schweinen unter den Fischen, wie Knauthe 1 die Karpfen nennt, ist es letzt nachgewiesen, dafs sie das S\u00fcfse angenehm empfinden m\u00fcssen.\nReine Geschmacksempfindungen giebt es nur zwei : s\u00fcfs und bitter, die anderen Geschm\u00e4cke sind heterogene Tastempfindungen oder Combinationen von solchen mit den Geschm\u00e4cken: Wer also Gesetzm\u00e4fsigkeiten zwischen dem chemischen Bau und dem Geschmack aufsuchen will, wird am besten Fehlerquellen vermeiden, wenn er zun\u00e4chst wenigstens ausschliefslich die s\u00fcfs und bitter schmeckenden Verbindungen betrachtet Dafs freilich auch der selber aus mehrfachen, recht complicirten Empfindungen sich zusammensetzende Tastsinn den Geschmack, besonders dessen Intensit\u00e4t, beeinflussen kann, hat Zuntz 2 gezeigt. Warne Essig-, warme Zucker-L\u00f6sungen haben eine geringere Intensit\u00e4tsempfindung.\nDas wissen die K\u00f6chinnen und Zuckcrk\u00fcchler sehr wohl; denn sie f\u00fcgen bei der Zubereitung von s\u00fcfsen Leckereien gern etwas von einer bitteren Substanz hinzu, wie denn auch der Parfumeur den verschiedensten Parfums in ganz geringem Grade etwas vom, Moschusgestank mittheilt. Die K\u00f6chin will ebenso den Geschmack \u201eheben\u201c, \u201ef\u00fcllen\u201c, wie auch der Parfumeur dadurch dem Geruch eine \u201eV\u00f6lle\u201c verleihen will, genau ebenso wie in der Akustik die grofse Trommel oder die Bafsgeige Verwendung findet, um dem Tongem\u00e4lde den Hintergrund zu verleihen.\nDie Intensit\u00e4t also wird durch die Combinationen beider Sinne erheblich beeinftufst, einer der Gr\u00fcnde, warum ich die Intensit\u00e4t nicht ber\u00fccksichtige, sondern dieselbe 'im, Gegentheil vernachl\u00e4ssigen zu m\u00fcssen glaube. Die ad\u00e4quaten Reize f\u00fcr den Geschmack sind die chemischen Verbindungen. Mithin haben\n1 Karl Knauthe, Geber die Verdauung beim Karpfen. Vortrag in der General-Versammlung des Brandenburgischen Fischerei-Vereins, S. 9. Fischerei-Zeitung 1 (17 u, 18).\n9 Zuntz, Verhandlungen der physiolog. Gesellschaft, 22. Juli 1,892: Beitrag zur Physiologie des Geschmackes. Arch. f. Anat. n, Physiolog. 1892, 6, 556.\nGeneral-Vers, des Vereins f\u00fcr d. R\u00fcbenzucker-Industrie de\u00ab Deutschen Reiches am 25. Mai 1892 : Wie erkl\u00e4rt sich di\u00a9 Ansicht des Publicum\u00ab, dafs Raffinaden verschiedener Herkunft verschieden s\u00fcfsen?\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nWittel\u00bb Sternberg.\nwir einerseits die chemischen Verbindungen, die s\u00fcfs, und diejenigen, die bitter schmecken, und zwar ohne R\u00fccksicht auf deren Intensit\u00e4t zu betrachten; andererseits sind es der Fragen drei :\n1.\tWeshalb schmecken manche Substanzen und weshalb sind andere nicht 'minder l\u00f6sliche geschmacklos?\n2.\tWeshalb schmecken die einen s\u00fcfs, die anderen bitter?\n3.\tDie psychophysische Frage: Weshalb ist der s\u00fcfse Geschmack der angenehme, der bittere der unangenehme?\nGelingt es diese drei Fragen aus einem einzigen Gesichtspunkte zu betrachten und aus einem und demselben Princip s\u00e4mmt\u00fceh zu beantworten, so mufs dasselbe an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Einen derartigen Versuch durchzuf\u00fchren, mufs zun\u00e4chst zu den einfachsten Verbindungen, den Elementen leiten.\nDen Elementen geht als Molec\u00fclen ausnahmslos die F\u00e4higkeit, s\u00fcfs oder bitter zu schmecken, ab ; freilich sind sie auch zumeist unl\u00f6slich. Wir werden am Schlufs die Frage aufzuwerfen haben, ob sie auch noch geschmacklos bleiben, wenn wir den Kunstgriff anwenden, sie in L\u00f6sung zu bringen, also als Atome mit ihrer elektrischen Ladung, als Element-Ionen.\nWas die organischen Substanzen anlangt, so ist es doch der, in der Mitte zwischen + und \u2014 Elementen im periodischen System stehende C, der den organischen Verbindungen sein Gepr\u00e4ge auf dr\u00fcckt; am Wendepunkt der Affinit\u00e4tsunterschiede gelegen, hat er daher die eigent\u00fcmliche F\u00e4higkeit, mit den verschiedensten Elementen sich zu verbinden, somit gleicher maafsen f\u00fcr Reductions- und auch f\u00fcr Oxydations-Vorg\u00e4nge sich zu eignen, wie solche f\u00fcr den pflanzlichen und tierischen Stoffwechsel von so hoher Bedeutung sind. Die einfachsten O-Verbindungen sind die, die nur noch H enthalten, die Kohlenwasserstoffe, welche s\u00e4mmtlich geschmacklos sind. Die nur ein Mal hydroxylirten Kohlenwasserstoffe, die an die unorganischen Basen erinnernden Oxydhydrate, sind die Alkohole, welche riechen und noch nicht schmecken. Der s\u00fcfs# Geschmack tritt erst hervor, wenn die m\u00f6glichst gr\u00f6fste Zahl O H Gruppen eingef\u00fcgt wird, weshalb die meists\u00e4urigen Alkohole auch Glycole z. B. Glycerin1 \u201eOels\u00fcfs\u201c heifsen, und am vollst\u00e4ndigsten wird das erreicht in den Zuckern.\n1 Da Glycerin, sills schmeckt, nicht gfihrt wie der Zucker, nicht \u00a9in. trocknet und auch, nicht ranzig wird wie die Fetts\u00e4uren, wird es \u00abur Dar-","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n389\nSubstitution von OH in der Alcylreihe\nAn 1\tC-Atom nur:\tund aufserdem zugleich an jedem anderen C-Atom noch:\t\nGeruch <\t' 1 OH Prim\u00e4re Alkohole\tMehr- s\u00e4urige Alkohole\tS tlfser >\n\t2 OH { \u00a3k*ehyde \\ Ketone\t\u201e\t,\t( Aldosen Zucker { \\ Ketosen\tGeschmack\n3 OH\t\\ f\nS\u00e4uren J |\nS\u00e4uren\nSaurer Geschmack.\nZucker, ebenso Saccharum, kommt von\tvom Indischen,\nwo schon lange vor Beginn unserer Zeitrechnung fast chemisch rein der Rohrzucker dargestellt wurde, kein Wunder, dafs nach Chmistib am s\u00fcfsen Geschmack des Urins die indischen Aerate schon die Zuckerkrankheit erkannt haben. Im Sanscrit findet sich \u201esv\u00e4dii\u201c = s\u00fcfs, lieblich schmeckend, \u201esarkure\u201c, arabisch \u201esukhar\u201c \u201ekandi\u201c = \u201eZuckerrohr\u201c, daher unser \u201eKandis\u201c *, im Griechischen daher fidovr), rjdonca, \u00e2v\u00e2\u00e0vw; \u201es\u00fcfs\u201c soll aus \u201esu\u201c = gut und der Wurzel \u201ead\u201c \u00ab \u201eschmecken\u201c, \u201eriechen\u201c stammen, welche wieder mit \u201ead\u201c = \u201eessen\u201c Zusammenh\u00e4ngen soll.\n\u201eZucker\u201c unterscheidet man der Form nach: Kr\u00fcmel-, Sand-, Streu-, Brot-, Hut-, W\u00fcrfel-, Kandis-, Krystall-, Gersten-, Leder-Zucker.\nDer Herkunft nach: St\u00e4rke-, Rohr-, Palm-, Trauben-, Holz-, Manna-, Muskel-, Blut-, Invert-Zucker.\nStellung s\u00fcfser pharmazeutischer Pr\u00e4parate verwandt; solche Arznei form en heifsen die Franzosen \u201eGlyc\u00e9r\u00e9s, Glyc\u00e9rol\u00e9s, Glyc\u00e9rolate\u201c die Engl\u00e4nder Glycerines und di\u00a9 U. St. Ph. Glycerita oder Glycerites.\n1 \u201eKandis\u201c nennen wir di\u00a9 grofsen Einzelkrystalle, daher Zuckerkand, kandiren, Kandite.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nWilhi\nF\u00e4lschlich spricht man auch von Blei-, Eisen-, Kalk-, Leim-, Orcin-Zucker.\nWissenschaftlich unterscheidet man die Zucker nach verschiedenen Principien : Fruchtzucker, Milchzucker, Malzzucker etc.\nWas die arithmetische Reihe der Zucker betrifft, so scheint die S\u00fcfsigkeit schon von der 8. Reihe an abzunehmen. Was die in geometrischer Reihe nach Potenzen von 2 sich schnell vermehrenden Stereo - Isomeren angeht, so bringt die moleculare Geometrie seltsamerweise gar keinen Unterschied im Geschmack. So vortrefflich also unsere Zunge arithmetisch unterrichtet ist, geometrisch ist sie nicht im Stande zu unterscheiden.\nWas die moleculare Constitution betrifft, so ist die S\u00fcfskraft der beiden bestgekannten Ketosen, der L\u00e4vulose und der Sorbinose, au\u00dferordentlich gesteigert gegen\u00fcber derjenigen der Aldosen. L\u00e4vulose heifst daher auch Diabetin, weil sie derjenige Zucker ist, der von den Zuckerkranken (Diabetes mellitus Zuckerharnruhr, Zuckerruhr, experimentell durch den Zuckerstich erzeugt, im Gegensatz zum Diabetes insipidus) am besten vertragen wird.\nVerm\u00f6ge des Eintritts der Aldehydgruppe in den sechsfachen Alkohol, welcher die Aldosen ihre leichte Oxydirbarkeit verdanken, wie sie durch die leichte und vollst\u00e4ndige Verbrennung im Organismus und durch die vom Berliner Arzt T\u00e4ommer angegebene Zuckerprobe gekennzeichnet ist, ist der Traubenzucker auch bef\u00e4higt, mit seines gleichen zu Polysacchariden zusammenzutreten. W\u00e4hrend nun die Mono- und auch Disaccharide s\u00e4mmt-lich s\u00fcfs schmecken, h\u00f6rt der s\u00fcfse Geschmack von den Tri-8acchariden an sofort auf. Das Trisaccharid Raffinose1 * s. Meli-triose s. Pluszucker ist dem Rohrzucker au\u00dferordentlich \u00e4hnlich, s\u00fc\u00dft aber nicht mehr. S\u00e4mmtliche Polysaccharide, auch die der V. Reihe, sind geschmacklos.\n1 \u201eRaffinade*4 nennt man den von den Beimengungen, dem sogenannten\n\u201eNichUucker\u201c gereinigten iraffinirten) Zuckerhut.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n391\nAufbau\n(Synthese)\nAbbau\n(Analyse)\ndes pflanzlichen Stoffwechsels des thierischen Stoffwechsels\n\u00c4nfangsglieder H^O C\\0%\t. Endglieder\nL Fruchtzucker Traubenzucker Galactose '\nMono\u00bb Saccharide\nIL\nD i - Saccharide\n\\\t\t/\n\\ /\t\tX\t/ \\ /\n\\x\ti\t\\/\nRohr-\tMalz-\tMilch-\nzucker\tzucker\tzucker\ns\u00fcfe\nIII.\tT r i - Saccharide\nIY. Dextrin\nF o 1 y - Saccharide\nAmylum\nGlycogen\nLeberst\u00e4rke\nPflanze\nCondensation \u00ab An-hydrirung\nThier\nHydrolyse = Inversion\n\u00ab Verseifung\nWie die \u00c4nfangsglieder sind also auch die Endglieder, Amylum, St\u00e4rke, geschmacklos und diese Geschmacklosigkeit theilen sie mit den beiden anderen Nahrungsmitteln. Die Fette, das s\u00fcfse Glycerin enthaltend, (Glyceride) sind, geschmacklos wie das Eiwehs, dessen Zersetzungsproducte die s\u00fcfsen Aminos\u00e4uren sind.\nWie man in die meists\u00e4urigen Alkohole noch einmal OH ein fugen kann unbeschadet der S\u00fcfsigkeit, so dafs die S\u00fcfsstoffe %a% igoxrjv, die Zucker entstehen, also auch einmal die Alcyl-gruppe, so dafs auch noch die Methylglycoside s\u00fcfsen. Setzt man jedoch statt der positiven Alcyl- die negative Phenylgruppe\nGeschmacklos","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nWilhelm Sternberg.\nein, so bewahrt sich das Molec\u00fcl zwar noch die Eigenschaft zu schmecken, denn die Aenderung ist nicht gar so erheblich, s\u00fcfs kann es jedoch nicht mehr schmecken, da die Harmonie arg gest\u00f6rt ist, mithin kann es nur bitter schmecken. Daher schmecken die \u201earomatischen Zucker\u201c bitter; es giebt also nicht nur geschmacklose Zucker, sondern sogar bittere Zucker. Auf diese Weise war es mir m\u00f6glich den bitteren Geschmack von Phenyl-glycol und Phenylglycose vorauszusagen. Darum ist es auch nicht mehr zu verwundern, weshalb die meisten Glycoside, trotzdem sie den s\u00fcfsschmeckenden Zuckerkern besitzen, selbst diejenigen, die mehrere Molec\u00fcle Zucker enthalten wie Saponin, Ca\u00efncin u. A. doch bitter schmecken, da sie zumeist Phenolderivate des Zuckers sind, derselbe Grund, weshalb die sogenannten \u201eBitterstoffe\u201c bitter schmecken.\nGleichermaafsen st\u00f6rt man die moleculare Harmonie und f\u00fchrt somit den s\u00fcfsen Geschmack in den bitteren \u00fcber, wenn man S\u00e4urereste oder Basen ins Zuckermolec\u00fcl einf\u00fcgt; s\u00e4mmt-liche Saccharate oder Glycosate schmecken nicht mehr s\u00fcfs, sondern bitter ; Zuckerkalk, Strontianzucker, die deshalb gr\u00f6fsere technische Bedeutung haben, weil sie zur Gewinnung des Zuckers aus der Melasse1 dienen, schmecken bitter, ebenso der Eisenzucker und wenn dennoch der officielle Ferrum oxydatum saccharatum solub. (Hoknemann\u2019 scher Eisenzucker), aus dem der Sirupus ferri oxydati bereitet wird, s\u00fcfs schmeckt, so verdankt er seine S\u00fcfsigkeit dem \u00fcbersch\u00fcssigen Rohrzuckergehalt.\nGanz \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich nun mit den ringf\u00f6rmig geschlossenen (7-Ketten. Was die Hexamethylen-Derivate betrifft, so schmecken s\u00fcfs die meists\u00e4urigen Alkohole, die Inosite (Muskelzucker) die Hexa-hydroxy-hexamethylene, ebenso aber auch das symmetrische Trioxyhexamethylen, deshalb Phloroglucit genannt. Von Benzolderivaten besitzen an Dihydroxybenzolen die S\u00fcfse die m- und die symmetrische p-Stellung, w\u00e4hrend der asymmetrischen o-Stellung der bittere Geschmack eigen ist. Ebenso schmeckt von den Trihydroxybenzolen das symmetrische Derivat s\u00fcfs, daher Phloroglucin geheifsen, w\u00e4hrend die o-Stellung wieder den bitteren Geschmack besitzt.\n1 Melasse heilst die widerlich-riechende und -schmeckende Mutterlauge, die noch Zucker enth\u00e4lt und Nichtzucker d. h. Beimengungen, die die Auskristallisation des Zuckers hindern.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n393\nDie zweite salzbildende Gruppe NH2 giebt den Kohlenwasserstoffen ebenfalls den s\u00fcfsen Geschmack; und zwar dann, wenn wiederum die entgegengesetzte Gruppe mit der positiven NH2-Gruppe besch\u00e4ftigt wird. Die kr\u00e4ftige Basicit\u00e4t der NH2-Gruppe erfordert die kr\u00e4ftige S\u00e4urigkeit der COOH-Gruppe, und zwar m\u00fcssen die beiden entgegengesetzten Gruppen nicht nur m\u00f6glichst nahe gebracht, sondern m\u00f6glichst innig verkn\u00fcpft werden. Daher kommt es, dafs w\u00e4hrend alle Aminos\u00e4uren, selbst die cd - Aminos\u00e4uren geschmacklos sind, die \u00ab-Aminos\u00e4uren s\u00fcfs schmecken. Diese N-haltigen S\u00fcfsstoffe bereitet durch Abbau der thierische Stoffwechsel, Zertr\u00fcmmerungspro-ducte des Eiweifs, wie die Pflanze durch Aufbau die N-losen S\u00fcfsstoffe bereitet.\nN- los\nA^haltig\n\nZucker\n5r\nI. H20 C|02\u2014*\t+ V\nII.\tGlycocoll\nIII. [H2 0 CJg\t\nIV.\tAsparagin\nV.\t\nVI. [//2 0 C]6\tGlycoleu\u00e7in\nSt\u00e4rke\nEiweifs\nDie Hauptmasse des C, welcher den thierischen Organismus verl\u00e4fst, wird durch die Lungen als C02 zugleich mit dem H20 ausgeschieden. Die Pflanze ist nun bef\u00e4higt, diese beiden Mole-c\u00fcle unter Abgabe des dem thierischen Organismus unentbehrlichen 0 an denselben zu Zucker zu vereinen. Der Rest des C verl\u00e4fst zugleich mit dem N den K\u00f6rper durch die Nieren als Harnstoff, Carbamid. Derselbe, als S\u00e4ure-Amid bitter schmeckend, erlangt eine eminente S\u00fcfskraft im Dulcin s. Sucrol (p. Phenetol-Carbamid), dessen S\u00fcfse in Bitterkeit umschl\u00e4gt, wenn man an Stelle des NH2 das CH2 setzt, so dafs Phenacetin entsteht.\nGeschmacklos","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nWilhelm SternMrg.\nDem Harnstoff der Camivoren entspricht bei den Herbivoren das Glycocoll s. Leims\u00f6fs s. Leimzmcker. Mit ihm theilen die .anderen a-Aminos\u00e4uren bis zur VL Reihe die S\u00fcfsigkeit, selbst 'die VI. Reihe hat ein Glycoleucin. Dafs die Aminos\u00e4uren, welche ja weiter nichts darstellen als carboxylirte Amine, nur bis zur VI. Reihe s\u00fcfsen, darf uns nicht Wunder nehmen; lassen doch die meisten physikalischen Eigenschaften in den h\u00f6heren Tennen nach. Die Amine selber, die iV-Basen der Alcohol Radicale, riechen zuerst nach NHS, mit zunehmendem C-Atom - Gehalt nimmt aber die L\u00f6slichkeit und Fl\u00fcchtigkeit dermaafsen ab, dafs die h\u00f6chsten Glieder unl\u00f6slich und geruchlos werden. S\u00fcfs schmeckt auch noch Methylglycocoll = Sarcosin, Spaltungsproduct des bitte-ren Kreatins, und s\u00fcfslich auch Betain, Derivat des Trimethylglyco-colis, das in der Runkelr\u00fcbe vorkommt. Hierher geh\u00f6rt auch das s\u00fcfs\u00a9 d-Asparagin, auch ein. Zersetzungsproduct des Eiwei\u00df, Der unbedingten N\u00e4he der beiden Gruppen (NB* und COOH) in der \u00ab-Stellung entspricht die v- oder o-Stellung in den aromatischen Verbindungen, daher schmeckt nur das o-Benzoe-s\u00e4ure-Sulfinid, d. i. Saccharin Fahlberg 1 2 s. Zuckerin s. Toluols\u00fcfs sehr s\u00fcfs. Die S\u00fcfsigkeit bleibt auch noch im Natriumgaiza erhalten, dem Natrium saccharinicum d. i. Crystal lose. Der Geschmack ist so s\u00fcfs, dafs er mehrere Tage sogar im, Munde haften bleibt, wenn es in Dosen von nur 1 g genommen wird, wie solche neuerdings, nach dem Vorschlag von Descheemaekers \u00e4 als Darmantiseptica gereicht werden. Der Geschmack der Crystallose-Tabletten soll den der Saccharin Tabletten \u00fcbertreffen, da diese nicht wie jene zur Herstellung des doppeltkohlensauren Natriums bed\u00fcrfen, welches durch seinen laugenhaften Geschmack die S\u00fcfse auf die Dauer unertr\u00e4glich macht. Ebenfalls geh\u00f6rt zu dieser Gruppe das \u201eGluckt\u201c und Glycyrrhizin:l \u201eS\u00fcfsholzzucker41 Glycyrrhizins\u00e4ure, ebenso wie Asparagin enthalten im. S\u00fcfsholz Radix Liquiritiae s. Glycyrrhizae,\n1\tSaccharin Fahlberg im Gegensatz zu dem bitter schmeckenden Sture-Anhydrid Saccharin P\u00e9ligot Scheibler, auch Pseudosaccharin genannt\nAducco u. U. Mosso, Archivio per la scienze med. 9, 407. 1886. Kohlsch\u00fcttbr u. Els\u00e4sser, Deutsches Archiv /*. kl in. Medici n 41, 178. Mercier, Annales d'hygihie publique (3.), 20, 311. 1888.\nFischer u. Rabow, Therapeut. Monatshefte 8. 396. 1887.\nWorms, Bulletin de Vacad\u00e9mie S. 499.\t1888.\n2\tSemaine m\u00e9d. (22), 86. 1898.\n* J. Habermann, Ueber da\u00ab Glycyrrhizin. Chan. Ber. 10, 870.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n395\ndessen Saft Suceus Liquiritia\u00a9 Lakritzen (\u201eLakritzen\u201c ebenso wie \u201eLiquiritia\u201c stammt vom grieeh. Glycyrrhiza d. i. \u201es\u00fcfs\u00a9 Wurzel\u201c) oft als Geschmackscorrigens benutzt wird. Lakritzen, 10\u201418 \u00b0/0 glvcyrrhizinsaure Salze enthaltend, bilden ein beliebtes Volksmittel1 2, werden auch zum Vers\u00fcfsen des Bieres verwandt, mit Anis\u00f6l nennt man es Cachou. Die Paste, Pasta Lxquiritiae s. Glycyrrhizae ist der \u201ebraune Lederzucker\u201c, wie er als Hustenmittel gebraucht wird, Pasta gummosa s. Althaeae \u201eweifser Lederzucker\u201c s. \u201eGummizucker\u201c s. Keglige.\nEin dem Glycyrrhizin \u00e4hnlicher K\u00f6rper, Ononidin, giebt der Hauhechelwurzel den s\u00fcfslichen Geschmack.\nHierhin geh\u00f6rt auch das schwach s\u00fcfs schmeckende Hydro-benzamid, ein Ammoniakderivat des Bittermandel\u00f6ls, das leicht in das isomere Amarin- \u00fcbergeht. Unl\u00f6slich in Wasser ist Arnarin anfangs geschmacklos, dann schwach bitter schmeckend, die Salze jedoch, so schwer l\u00f6slich sie auch sind, schmecken intensiv bitter.\nDas Bemerkenswert!!\u00a9 in der S\u00fcfsigkeit dieser Gruppe liegt in zwei Punkten. Einmal ist die S\u00fcfskraft eine sehr' hohe, die gr\u00f6fste all der s\u00fcfs schmeckenden K\u00f6rper; bedeutend gr\u00f6fser als die der nat\u00fcrlichen S\u00fcfsstoffe, der Zucker, ist ihr S\u00fcfsigkeits-grad. Sodann aber ist die S\u00fcfse nie die reine sch\u00f6ne S\u00fcfse der kostbaren Nahrungsmittel der Kohlehydrat-Reihe. Daher kommt es, dafs der Geschmack des Saccharins nur selten auf die Dauer angenehm empfunden bleibt; die Zuckerkranken, denen man es am meisten reicht, klagen, dafs ein lange anhaltender, s\u00fcfser, bel\u00e4stigender Geschmack im Munde zur\u00fcckbleibt.\nVerbindungen von Amidos\u00e4uren mit der intensiv bitter, Mntennach etwas s\u00fcfslich schmeckenden Chols\u00e4ure oder Cholal-s\u00e4ure sind, die Gallens\u00e4uren, die den sprichw\u00f6rtlich gewordenen \u201egallebitteren\u201c Geschmack dieses Secretes bedingen.\nDer s\u00fcfse Geschmack des Glycocoll geht in den bitteren der Glycochols\u00e4ure \u00fcber, zuerst schmeckt sie s\u00fcfslich, hinterher intensiv bitter, ihre Salze schmecken sehr s\u00fcfs. Die von der Eiweifszersetzung S-entnehmende und daher meist in der Galle der Camivoren vorkommende S-haltige Amidos\u00e4ure, das Taurin,\n1 Elixir e Succo Liquiritia\u00ab s. Elixir pectorale Ringelmanni s. Braat-elixir.\n2 E. Fischb\u00bb, Annalen 211, 217.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nWilhelm Sternberg.\nist Amido\u00e4thylschwefels\u00e4ure und kann nicht schmecken wegen der Anh\u00e4ufung der negativen Gruppen, als Taurochols\u00e4ure schmeckt sie s\u00fcfslich bitter.\nEine unverkennbare Verwandtschaft mit den s\u00fcfs schmeckenden aliphatischen Amido-Verbindungen weisen wenigstens einige der jetzt folgenden bitter schmeckenden Gruppe auf. Den AT-haltigen S\u00fcfsstoffen stehen die N-haltigen Bitterstoffe, die Alcaloide gegen\u00fcber. Wie die Pflanze die s\u00fcfs schmeckenden Zucker, Abk\u00f6mmlinge der Alkohole aufbaut, welche mehrfach an die anorganischen Basen erinnern, so baut sie auch die bitter schmeckenden organischen Basen auf.\nDasjenige Alcaloid, das am intensivsten bitter schmeckt, ist das Chinin mit seinen Salzen. Auch nicht die Verkuppelung mit Saccharin kann den bitteren Geschmack v\u00f6llig nehmen, da das Chininum saccharinicum nicht allein sehr bitter, sondern dabei auch noch widerlich s\u00fcfs schmeckt. Die vereinigten Chininfabriken von Zimmer & Co. bringen Chinin - Chocolade-Tabletten in den Handel, welche nicht im Mindesten bitter schmecken, ihre Herstellung ist Geheimnifs. Interessant ist es, dafs das Chinin-Molec\u00fcl seinen bitteren Geschmack g\u00e4nzlich verliert, wenn man es mit Aetliylkohlens\u00e4ure verkuppelt, so dafe der Aethylkohlens\u00e4ure-Ester des Chinins, das sogenannte Euchinin ganz geschmacklos ist Ein praktisches Interesse hat die Frage der Entbitterung und Vers\u00fcfsung f\u00fcr den Landwirth, z. B. die Entbitterung der Lupinen und die S\u00fcfsfuttererzeugung.1\nFast durchg\u00e4ngig schmecken alle Alcaloide bitter, mit dieser intensiven Reizung des Sinnesorganes der Zunge verbindet sie alle die Giftigkeit, wie denn \u00fcberhaupt mit nur wenigen Ausnahmen alle heftigen Gifte durch einen intensiven Geschmack und zwar einen bitteren ausgezeichnet sind. Wie die Substanzen,\n1 Simpson, Anleitung zur vollst\u00e4ndiger Entbitterung der blauen Lupine, rungen 1891.\nHebung - Saulenfels , Ist die Verallgemeinerung des Lupinenanbanee der Verf\u00fctterung entbitterter Lupinenk\u00f6rper w\u00fcnschenswert!* ? Inter-maler land- und forstxoissenschaftl, Congrtfs zu Wien. Heft 119. Wien 1890. Blomeybb, Pract. Anleitung zur S\u00fcfsprefsfutter\u2018Erzeugung. Wien 1890 The Theory and Practice of Sweet Ensilage. By George Fr)*, London. Agricultural Prefs Co. (Limited), 1885.\nGeobge Fby, Die Eins\u00fcfsung der Futtermittel, Theorie und Praxis der *n Ensilage. Berlin 1886.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n397\nwelche f\u00fcr unseren K\u00f6rper werthvolles Brennmaterial darstellen und ihn erhalten, zu gleicher Zeit, wie wir gesehen haben, durch das Verm\u00f6gen ausgezeichnet sind, einen specifischen Sinnesreiz auf das Sinnesorgan der Zunge auszu\u00fcben, so auch die Substanzen, die ihn vernichten, die Gifte. Durch den s\u00fcfsen an-genehmen sind die ersteren, die letzteren durch den unange-nehmen bitteren ausgezeichnet, auch Blaus\u00e4ure schmeckt bitter, die bitteren Mandeln verdanken dem Gehalt daran, neben dem des nur schwach bitter schmeckenden Glycoside Amygdalin, ihren sehr bitteren Geschmack, ihren Bittermandel-Geruch dem ebenso wie die Blaus\u00e4ure sich aus dem geruchlosen Amygdalin bildenden, geschmacklosen Benzaldehyd.\nAuch die N02-Gruppe wird oft in schmeckenden Verbindungen angetroffen :\nAethylnitrat, Amylnitrat schmecken s\u00fcfslich brennend, Aethyl-nitrit ebenfalls, daher der Name Spiritus ni tri dulcis, ebenso Nitroglycerin s. Glonoin. Sehr bitter schmecken\n3, 4, 6 \u2014 (\u00df) \u2014 und das giftige 2, 4, 6 \u2014 Trinitrophenol, daher Pikrins\u00e4ure1 2 * * * * * {jtMQ\u00d4\u00e7, bitter), WELTEBs\u2019sches Bitter, Chevreuils, auch Indigbitter, Bitters\u00e4ure genannt, die als Hopfensurrogat mitunter angewandt werden. Aufserordentlich s\u00fcfs schmeckt das \u201ek\u00fcnstliche Bittermandel\u00f6l\u201c Nitrobenzolf, das zum Parf\u00fcmiren der Seife verwandt wird, so unl\u00f6slich es auch ist.\nWoher der bittere Geschmack des \u201eBitterling\u201c8 Ithodeus amarus stammt, ist noch nicht erwiesen. Die \u201eBittermittel\u201c, die A mar a der Pharmacologie, setzen sich aus den Glycosiden, Bitterstoffen und Alcaloiden zusammen und finden zu \u201eBitter-thee\u201c, \u201eSpecies amaricantes\u201c, \u201eTinctura amara\u201c, \u201eElixir am arum\u201c u. a. m. zahlreiche Verwendung, da die \u201eBittermittel\u201c den Appetit anregen und G\u00e4hrungs-processe verhindern, w\u00e4hrend die S\u00fcfsi gkeit en gerade\n1\tDaher heifsen die Salze Pikrate, das Radical Picryl, das Schiefspulver \u201ePikratpulver\u201c.\n2\tWohl, Ber. d. Chem. Ges, 27, 1817. 1894.\n8 Aus der Ordnung der Edelfische und der Familie der Karpfen\n(Cyprinoidei), sein Fleisch ist ungeniefsbar bitter; so sind manch andere\nThier\u00a9, namentlich unter den Insecten, gerade durch den \u00fcblen Geschmack\nderart ausgezeichnet, dafs sie gerade dadurch vor den msectenfressenden\nReptilien, Amphibien, V\u00f6geln gesch\u00fctzt sind, ja dafs sie sogar von anderen\nThieren als Vorbilder copirt und nachge\u00e4fft werden, eine Art von Mimicry.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nWilhelm Sternberg.\nzu G\u00e4hrungen Anlafs geben und den Appetit verlegen; das Bittere macht Appetit, das S\u00fcfse macht Burst, das Saure l\u00f6scht den Durst Mannigfach ist das Gegens\u00e4tzliche der Wirkung an das Entgegengesetzte des Geschmackes gebunden. Die Tuberkel-Bazillen \u2014 und \u00e4hnlich verhalten sich die meisten Bakterien \u2014 gedeihen auf keinem N\u00e4hrboden recht, der nicht Glycerin oder Zucker wie ja auch das Blut enth\u00e4lt, wo sie am besten gedeihen und ja auch entdeckt sind, w\u00e4hrend freilich die Kokken der Lungenentz\u00fcndung auf einem s\u00fcfsen Boden absterben, was im besten Einklang mit der \u00e4rztlichen Erfahrung steht, dafs der Zuckerkranke aufser-ordentlich leicht Tuberkulose erwirbt, w\u00e4hrend er die Lungenentz\u00fcndung leicht \u00fcbersteht. Andererseits wirken viele Bittermittel vernichtend auf Lebewesen, sind doch alle Gifte bitter, die Wurmmittel schmecken aufserordentlich bitter. Freilich wirkt auch Saccharin antifermentativ, sogar Zucker selbst in hoher Concentration, darauf beruht ja das Conserviren der Fr\u00fcchte, Salicyls\u00e4ure. \u2014 Dem bitteren Geschmack entlehnen die Pflanzen vielfach ihre Bezeichnung wie Bitterwurzel, Bitterdistel, Bitterholzbaum, Bitteresche, Bitterkresse, Bitterklee u. A.\nAber auch das Mineralreich betheiiigt sich an der F\u00e4higkeit, gewisse Verbindungen mit der Gabe auszustatten, auf das Geschmacksorgan der Zunge zu wirken, angenehm: s\u00fcfs und unangenehm: bitter zu schmecken.\nWas den s\u00fcfsen Geschmack der anorganischen Verbindungen betrifft, so ist derselbe nie ein rein s\u00fcfser, sondern stets der sogenannte \u201es\u00fcfsliche\u201c, der mit dem herben, zusammenziehenden vereinigt ist, w\u00e4hrend der bittere oder \u201ebitterliche\u201c stete mit dem salzigen verbunden ist M\u00f6glich, dafs das, was. wir \u201es\u00fcfslich44 nennen, weiter nichts ist als eine Combination der s\u00fcfsen Geschmacksempfindung mit dem zusammenziehenden Tasteindruck, da s\u00e4mmtliche s\u00fcfs schmeckenden mineralischen Verbindungen zugleich Adstringenden sind. Theilt doch geradezu die Pharmacologie die Tannica ein in Adstringentia d ul ci a s. mineral ica und Tannica a mar a, welche meist den sogenannten Bitterstoffen, also den organischen Verbindungen, ihren Geschmack verdanken, w\u00e4hrend eine Classe der Amara die A m a r a s a 1 i n a sind. Diese Annahme wird durch den Nachweis von Weber und Zuntz 1 gest\u00fctzt, dafs die Beurtheilung des Sinnes-\n1 Zo'tz, Arch. f. A not. w. Physiolog. S. 5\u00e46. 1893.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Gochmack und Chemismus.\n399\neindrucks auch im Bereiche des Geschmacks durch gleichzeitig stattfindende Erregung anderer Nerven recht erheblich beeinflufst werden kann.\nDie s\u00fcfs und bitter schmeckenden Verbindungen sind zumeist Salze, ausnahmsweise nur sind es S\u00e4uren oder S\u00e4ure-Anhydride.\nVor zehn Jahren untersuchte Haycraft1 die l\u00f6slichen salz-sauren und schwefelsauren Salze der I., II. und VII. Mende-leeff sehen Gruppe; er fand, iafs sie salzig, bitterlich salzig und salzig bitter schmeckten. Abstrahiren wir nun einmal vom salzigen Geschmack und erkennen wir nur den bitteren als wahrhaft reine Geschmacksempfindung an, so ergiebt sich Folgendes: Der bittere Geschmack in der 1 und VII. Gruppe war nur schwach, stieg aber mit dem Atomgewichte der Elemente ; in der II. Gruppe, in der freilich Beryll mit seinen s\u00fcfs schmeckenden Salzen Schwierigkeiten machte, war der bittere Geschmack st\u00e4rker und wuchs wiederum, mit dem Atomgewicht Dieser Bitterkeit hat das erste Element der Gruppe die Bezeichnung zu verdanken, das Magnesium, in der Natur vorkommend als \u201eBitterspath\u201c d. L kohlensaures Salz und \u00fcberdies mit Kalkcarbonat verbunden als \u201eBitterkalk\u201c d. i. Dolomit (nach dem franz\u00f6sischen Mineralogen Dolomieu), wie es ganze Gebirgs-massen bildet, die Dolomiten. Das schwach bittere, freilich auch fast unl\u00f6sliche Oxyd, \u201eBittererde\u201c verleiht allen l\u00f6slichen Verbindungen mit den S\u00e4uren einen stark bitteren Geschmack, das Sulfat, das sogenannte englische Salz heifst daher \u201eBittersalz\u201c, die Mineralw\u00e4sser wegen des Gehaltes daran \u201eBitterw\u00e4sser\u201c und die Seeen \u201eBitterseeen\u201c, so die, welche der Suezcanal durchschneidet. Dem Gehalt an Magnesiumchlorid verdankt das Meerwasser seinen bitteren Geschmack, so dale lediglich der Gegensatz zu demselben dem gew\u00f6hnlichen Wasser die Bezeichnung \u201eS\u00fcfswasser\u201c eingebracht hat. Mit Magnesium theilen diese F\u00e4higkeit die anderen, dem Magnesium nahe stehenden Elemente der II. Gruppe, die zur \u201eMagnesium-Gruppe\u201c geh\u00f6ren: Zn, Cd und Cd, Sr, Ba. Nur das erste Element der zweiwerthigen Magnesiumgruppe macht allein eine Ausnahme, das leichteste, das Beryll, da es den S\u00e4uren in den Salzen den s\u00fcfsen Ge-\n1 John Bsrry Haycraft, Th\u00a9 nature of the objective cause of flensation taste. Brain 10, 146. 1888.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"4\u00a70\nWilhelm Sternberg.\nschmack verleiht Nun, als das leichteste Element der Grupp\u00a9 ist Beryll das sogenannte \u201etypisch\u00a914 d. h. in diesem ersten Element der II. Gruppe mit dem niedersten Atomgewicht ist der specifische Gruppencharacter noch zu sehr abgeschwicht ; das. Beryll n\u00e4hert sich so sehr chemisch der III, Gruppe, dem Aluminium, dafs es von manchen Chemikern sogar1 ganz in di\u00a9 III. Gruppe hin\u00fcbergenommen wird. Und diese ganze Grupp\u00a9 ist ausnahmslos eine dulcigene, d. h. dies\u00a9 Elemente verleihen den S\u00e4uren durchgehende den s\u00fcfsen Geschmack.\nDie l\u00f6slichen Salze von Beryll, deswegen auch Glucinium1 genannt, dessen Oxvd \u201eSiifserdeu heifst, schmecken s\u00e4mmtlich recht s\u00fcfslich, zusammenziehend.\nBor steht an der Grenze; das Oxyd, Bortrioxyd schmeckt jedenfalls als S\u00e4ureanhydrid nicht sauer, sondern schwach bitter. Die als Antisepticum viel verwandte Bors\u00e4ure schmeckt ebenfalls nicht sauer, sondern schwach bitterlich, nach anderen adstrin-girend s\u00fcfslich, in alcoholischer L\u00f6sung schmeckt sie suis, freilich hinterher bitterlich. Die w\u00e4ssrige L\u00f6sung von Borax, dem ebenfalls antiseptisch wirkenden Natriumsalze einer Bors\u00e4ure, schmeckt s\u00fcfs; weil der Geschmack dieses Salzes noch ange-' nehmer ist als der der S\u00e4ure, so wird es als Sp\u00fclwasser f\u00fcr1 die Mundh\u00f6hle vorgezogen. Selbst ein Magnesium - Salz der Bors\u00e4ure, Magnesium borocitricum, hat einen s\u00fcfsen Nachgeschmack.\nAluminium-Salze schmecken ebenfalls s\u00fcfslich und ad-stringirend, fafst doch schon die Pharmacologie die anorganischen Adstringentien zusammen als Taimica mineralica s. dulcia s. aluminosa Das Sulfat schmeckt s\u00fcfslich, zusammenziehend, Alaun, \u00a9in Doppelsalz, schmeckt s\u00fcfs, hinterher herbe zusammenziehend, auch das essigsaure Salz, selbst die stark verd\u00fcnnte essigsaure Thonerde schmeckt noch sehr s\u00fcfs und hinterl\u00e4fst beim Aussp\u00fclen des Mundes einen ganz deutlich s\u00fcfsen Nachgeschmack, selbst Aluminium aeetico^tartarieum schmeckt wenngleich auch s\u00e4uerlich herb, so doch auch s\u00fcfs.\nDie Salze der Scandinerde schmecken sehr s\u00fcfs, hinterher sehr herbe.\nDie Salze der Yttererde schmecken s\u00fcfs und zusammenziehend, der s\u00fcfse Geschmack r\u00fchrt nicht von der in der Yttria aufgefundenen Glycinerde her.\n1 In Frankreich ist daher da\u00a9 Symbol f\u00fcr dieses Element nicht Bc, sondern G.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Gesohmack und Chemismus.\n401\nDie Lanthan-Salze schmecken s\u00fcfs und adstringirend.\nDie Salze des letzten Elementes dieser Gruppe Ytterbium schmecken sehr s\u00fcfs und zusammenziehend.\nVon der IV. Gruppe schmeckt s\u00fcfs: die h\u00f6chste \u25a0Oxydationsstufe des ersten Elements; die Kohlens\u00e4ure kt nicht, wie stets angegeben wird, ganz geruchlos und schmeckt schwach s\u00fcfs.\nDie Ceroxydul-Salze schmecken s\u00fcfs.\nDie l\u00f6slichen Salze des Blei, des schwersten Elements dieser Gruppe, schmecken wiederum recht s\u00fcfs\u00fcch, so das Nitrat und Nitrit, das essigsaure Salz heifst deshalb \u201eBleizucker\u201c Saccharum Batumi, sogar das basisch essigsaure Salz, der sogenannte \u201eBleiessig\u201c, selbst das stark verd\u00fcnnte \u201eBleiwasser\u201c schmeckt noch aufserordentlieh s\u00fcfs.\nVon der V. Gruppe schmeckt die niederste Oxydationsstufe des ersten Elements s\u00fcfs, das Stickoxydul, Lachgas, das zu kurzen zahn\u00e4rztlichen Operationen verwandt wird; die niedere Oxydationsstufe des Arsens, dasTrioxyd, Arsenik, Giftmehl auch Fliegentod genannt, weil es zu Fliegenpapier verwandt wird. Trotzdem Arsenik sich nur schwierig l\u00f6st, schmeckt es doch deutlich s\u00fcfs und metallisch. Von Antimon sind die meisten Salze unl\u00f6slich. Brechweinstein schmeckt widerlich s\u00fcfs.\nDie Didym-Salze schmecken s\u00fcfs und zusammenziehend.\nEndlich die Salze der Erbinerde schmecken ebenfalls s\u00fcfs zusammenziehend.\nWenn von den Salzen dieser Gruppen s\u00e4mmtlich die l\u00f6slichen den gleichen s\u00fcfsen Geschmack haben, ganz gleichg\u00fcltig mit welchen S\u00e4uren die Elemente im Molec\u00fcl verbunden sind, so m\u00fcssen es die Element-Ionen sein, denen der s\u00fcfse Geschmack zukommt.\nWas den Geschmack der VI. Reihe betrifft, so ist das Wasser ebenso wie seine (Komponenten : B und 0 geschmacklos.* 1 Reines Wasser Aqua destiUata hat einen faden \u201eBlasengeschmack\u201c von der Destillirblase, das geschmacklose Wasser der Fl\u00fcsse und der meisten Seeen heifst S\u00fcfswasser2 lediglich im Gegensatz zu dem\nrA n\n1 S\u00fcfs schmeckt Aqua destillata nur Kmsow.\n\u00c4 Man spricht daher von S\u00fcfswasserfonnationen, SO Is Wasserflora, Stfa* w assers tationen, S\u00fcfswasserk&lk, S\u00fcfswasserquarz, S\u00fcfewasserschwamm, S\u00fcfa-waaserscbnecken u. s. w.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XX.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nWilhelm Sternberg.\nbitteren Geschmack des Meerwassers und der Bitterseeen, und dem salzigen Geschmack mancher Seeen wie z. B. dem. des kaspischen Meeres, des \u201eGrofsen Salzsee^\u201c im Staate Utah in Nordamerika, der einen gr\u00f6fseren Salzgehalt hat als selbst der Ocean. Das ist auch der Grund f\u00fcr den Namen des \u201eS\u00fcfsen Seees\u201c im Regbzk. Merseburg, der nach Trockenlegung des \u201eSalzigen Seees\u201c vor 5 Jahren durch die Salza zur Saale f\u00fchrt. Reines Wasser ist Gift1, die Giftigkeit liegt in seiner Reinheit, in der Abwesenheit der Salze, schon der Geschmack protestirt daher gegen die Zuf\u00fchrung, und wenn man versehentlich einmal einen Schluck genommen, so speit man ihn sofort unwillk\u00fcrlich aus, es entzieht der Zunge die Salze und schmeckt daher \u201efade\u201c, \u201eabgeschmackt\u201c, daher warnen auch mit Recht die Reisehandb\u00fccher vor dem Genufs von Schnee, Gletscherwasser, vor dem Gebirgsbachwasser, daher l\u00f6schen Schnee und Eis auoh nicht den Burst, das Eis l\u00e4hmt zudem die Geschmacksempfindung. \u00c4ndere erkl\u00e4ren den faden Geschmack als das unangenehme Vermissen eines Geschmackes, \u201eSapor insipidus\u201c, vergleichbar dem Widerwillen des Auges gegen das absolute Dunkel.s\n( S\u00fcfs sollen die - O H Ionen schmecken in einer KaH-Lauge-Verd\u00fcnnung von 1: 200000.9\t'\t':\nAehnlieh soll Kalkwasser schmecken ; ich konnte den s\u00fcfsen Geschmack der Laugen in der angegebenen Verd\u00fcnnung nicht wahmehmen.\nBi\u00a9 h\u00f6here \u00d6xydationsstufe, Wasserstoffsuperoxyd schmeckt bitter und zusammenziehend, selbst in grofser Verd\u00fcnnung ist* * der bittere Geschmack noch wahrnehmbar. -\t:\n:\tVon Schwefel Verbindungen schmeckt s\u00fcfs das Oxyd :\nSchwefeldioxyd4, auch \u201eS\u00fclsbrand\u201c geheifsen, da es beim1 ,;Schwefeln\u201c, \u201eBrennen\u201c der Weinf\u00e4sser entsteht; ebenso schmeckt s\u00fcfs : Schwefelwasserstoff, Wasserstoffsupersulfid schmeckt bitterlich s\u00fcfs. In bitter schmeckenden Verbindungen organischer\n* , \u2022\n__- - , \u2666 \u00ab\n\u00ab \u2666 * \u2022 \u2022\n\u25a0\t1 H. Koxpp, Deutsche med. Wochemchr. 8,624. 1898.\na Henlk , lieber dem Geschmacksinn. AnthropoL Vortr\u00e4ge % 18. 1880*.\n* Oehrwall, Skandinav. Arch. f. Physiol. S. 10. 1891.\nH\u00f6be* und Krasow, lieber den Geschmack von Salden und Laugen. \u00c9dtscMr. f. physical. Chemie 27 (4) 601.\n4 Arbeiter, dl\u00ae mit Schwefeldioxyd vergiftet sind, sind\u201c appetitlos nnd leiden an einem widerlichen Geschmack oder Geschmacklosigkeit.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n405\nHerkunft wird Schwefel oft angetroffen. Schliefslich schmecken die Salze der Torbinorde s\u00fcfs.\nUeberdies ist es das elektro-negativste Element, Chlor, das der positiven Alcylgruppe den Geschmack verleiht, z. B. den s\u00fcfsen in 'Chloroform, den bitteren in Chloralhydrai\nGew\u00f6hnlich sind es also die den niederen Gruppen ange-h\u00f6rigen Elemente, deren Salze schm.ecken, ganz im Gegensatz zu den besonders in. den h\u00f6heren Gruppen angeh\u00e4uften Elementen, welche gefirbte Verbindungen geben, Chrom, Mangan, Eisen, Kobalt, Nikel, dessen Oxydulsalze auch herb und etwas s\u00fcfslieh schmecken sollen.\nWenn Calomel (xcddv uilcxv) Mercurius \u201edulcis\u201c, \u201eManna metal-lorum\u201c, \u201evers\u00fcfstes Quecksilber\u201c heilst, so ist das unl\u00f6sliche und daher geschmacklose Salz nur im. Gegensatz zum Sublimatum c o r r o s i v u m so \u25a0 benannt worden. Ebenso wenig schmecken s\u00fcfs Ferrum sulfuricum, femim lacticum, Kalium permanganicum1 * * * * * \u201eu. A.u, die nach Oebdrwaul \u201eentschieden s\u00fcfs schmecken\u201c sollen. Folgende Elemente sind demnach sapigene:\n(Sieh\u00a9 die Tabelle auf der n\u00e4chsten Seite.)\nBas sind die sapigenen Elemente, die am&ragenen stehen an den Aufsenseiten des Systems, ihr positiver oder negativer Charakter ist deutlich ausgepr\u00e4gt, die dulcigenen Elemente stehen in der Mitte, d. h. diejenigen Elemente sind dulcigen, die einen doppelten Charakter zeigen, eine Boppelnatur in sich vereinen, weshalb sie scherzweise von den Chemikern die \u201eSchnabelthiere\u201c 9 unter den Elementen geheifsen werden, da sie sich mit S\u00e4uren als Basen und auch mit Basen als S\u00e4uren* zu Salzen verbinden.\nUnd diese Doppelnatur ist es, die s\u00e4mmtlichen s\u00fcfs schmeckenden Verbindungen eigen ist. S\u00fcfs schmecken nur drei Gruppen :\n1 Vonxorganischen Verbindungen: \u2022\n1. Die .W-losen mehrs\u00e4urigen Alkohole und Zucker. Die Alkohole, die eine Mittelstellung zwischen Kohlenwasserstoffen\n1 Kalium permanganic, schmeckt Rollet scharf bitter. Mitteilungen\ndes naturwm, Vereins f\u00fcr Steiermark S. 36. 1897.\n\u00c4 Di\u00a9 kleine Gruppe der Schnabelthiere, Omithorhynchus paradoxus,\nnimmt di\u00ae unterste 'Stufe der Sin get Mer\u00a9 ein, da ihr Bau mehrfach an\nden der V\u00f6gel erinnert, indem, sie ein doppeltes Brustbein und ein.zahn-\nloses, schnabelf\u00f6rmiges Maul haben.\n26*","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nW\u00fcKdtn Sternberg,\nI\n\t\t\t\t\t!\t\t\n\to\t\t\t\t\t\t\nHO\ttf\t\t\t\u2022o\t\t\t\nO af\t\t\u2022\te\u00ae O\t\t\t*5\t4\no* o\t\t\t\u25a0\t\t\tS\t\u00a3 A.\no\" af\t\t<8\t\t\t\t\t. >\u00a9 h\n\t\u00a3\t<3\t\t\t\t\t\n3\t*\t*\t\t\u00a7\t\u00a3\t<3\t\n+ -------------\u25ba\nAmaragene\tDulcigene\tAmaragene\nZone","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n405\nund Carbons\u00e4uren einnehmen, reagiren zwar vollkommen neutral gegen Pflanzenfarben, erinnern jedoch an die Basen der anorganischen Chemie, da sie ebenfalls OJ\u00cf-haltige Verbindungen darstellen, die sich mit S\u00e4uren unter H^O Abspaltung zu den Salzen analog zusammengesetzten Estern verbinden, andererseits verbinden sie sich aber auch wie S\u00e4uren mit Basen und bilden Alcoholate resp. Saccharate.\nFreilich m\u00fcssen die diese Doppelnatur bedingenden Gruppen, die Alcyl- und OH-Gruppe, harmonisch in Bezug auf Anzahl derselben verkn\u00fcpft sein, damit der s\u00fclse Geschmack zu Stande kommt\n2.\tDie .V-haltigen S\u00fcfsstoffe sind die a-Aminos\u00e4uren. Die Aminos\u00e4uren spielen eine Doppelrolle, da sie sich mit S\u00e4uren als Basen und als S\u00e4uren mit Basen zu Salzen zu verbinden verm\u00f6gen, freilich ist zum Hervortreten der S\u00fcfsigkeit auch hier eine Harmonie im Molec\u00fcl noth wendig und zwar bezieht diese sich hier auf die Stellung der den Doppelcharakter bedingenden Gruppen NE% und COOH, weshalb erst der a- bezw. o-Stellung der s\u00fcfse Geschmack eigen ist\nIL Von anorganischen Verbindungen:\n3.\tDie l\u00f6slichen Salze der dulcigenen Elemente, die\nTannica dulcia.\t:\nS\u00e4mmtlichen s\u00fcfsen Verbindungen ist also eine Harmonie im chemischen Bau eigen, entsprechend dem angenehmen Geschmack des S\u00fcfsen, sie ist es, welche der S\u00fcfsigkeit zu Grunde liegt\nIst dem so, so ist es ein Postulat, dafs eine St\u00f6rung der Harmonie im Molec\u00fcl den s\u00fcfsen Geschmack benehmen mufs; ja noch mehr, ist es wirklich so, dafs die im Molec\u00fcl herrschende Harmonie der s\u00fcisenden Eigenschaft zu Grunde liegt, so mufs eine St\u00f6rung derselben nicht nur den s\u00fcfsen Geschmack nehmen, sondern sogar den bitteren zun\u00e4chst herbeif\u00fchren, wenn anders die St\u00f6rung nicht so erheblich ist, dafs Geschmacklosigkeit eiri-tritt Mit diesen theoretischen Erw\u00e4gungen stehen die That-sachen im besten Einklang. Denn die bitter schmeckenden Verbindungen bestehen ebenfalls nur aus drei Gruppen und zwar stehen dieselben in den intimsten Beziehungen zu den sttfe schmeckenden drei Gruppen.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nWilhelm Sternberg,\n-\tIlls schmeckende \u00bb Verbindungen\tI | Bitter schmeckende ; Verbindungen 1 .1\u00bb a \t:\t -\t\n\u00c0. Organische Verbindungen >\t! 1. Ar*lose : Alkohole f + * Zucker \\ \u2014 (\t\u00d6acclmrat\u00a9 +\t\n\t\tGlacoside \u2014 Bitterstoffe \u2014\tm \u00f9 S \u00c4 'S \u00ab J a \u00a9 S e 5 1\n\t2, AT-haltige : \u00ab-Aminos\u00e4ure | J\t: Alealoid\u00a9 +\t\nB. Anorganische\t3. in\u2014V Dulcigene ( + ^\tI\u2014III \\ Amaragene f-j-\t\nVerbindungen\tZone\t\\ \u2014 /\tVI\u2014vm /\tZone\t\\-\n\tTannica dulcia\t,\tAnmra salina 1\t\nS\u00fcTs und bitter zugleich schmeckt eine Reihe von Stoffen, am bekanntesten ist \u201eDulcamarin\u201c - \u201eBitters\u00fcfis\u201c.1 Nur wenige K\u00f6rper giebt es, die zugleich schmecken und f\u00e4rben; bitter schmeckt der \u00e4lteste Farbstoff Pikrins\u00e4ure (nix\u00e7\u00f4s) WEi/TEBs\u2019sches Bitter, auch Indigbitter genannt, Methylenblau, Caramel, daher \u201eZucker-oouleur\u201c genannt, die Ammoniumbasen f\u00e4rben und schmecken bitter, s\u00fcfse Farbstoffe giebt es aber nur zwei: Pyronin und m. AmidobenzonitriL\nWenn einerseits die Geschmacksempfindungen s\u00fcfs und bitter .die diametral entgegengesetzten Modalit\u00e4ten sind, andererseits aber die Molec\u00fcle der s\u00fcfe und bitter schmeckenden Substanzen sehr nahe bei einander liegen, so dafs aus dem stfsen Molec\u00fcl leicht ein, bitteres und umgekehrt erzeugt werden kann, so zeugt dies ebenso 'sehr von der Feinheit des Sinnesorganes wie von der teleologischen Bedeutung, eine minimale Ver\u00e4nderung der Materie durch einen m\u00f6glichst grofsen Effect sicher zu kennzeichnen. W\u00e4hrend ^die Molecule mit ausgeglichener Positivit&t 'und Negativit\u00e4t nicht .sch\u00e4dlich sein k\u00f6nnen, so dafs sie durch den s\u00fcfsen Geschmack ausgezeichnet sind, also m\u00fcssen die Molec\u00fcle mit ausgesprochenem\n1 Bas Glycosid Dulcamarin ist mit dem glycosidischen Alealoid So\u00eeaniit enthalten, in den Stipitee Dulcamarae, Bitters\u00dcfsstengel, Tiges de Douce-am\u00e8re, Bittersweet,","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Geschmack und Chemismus.\n407\npositiven oder negativen Charakter chemisch wirksam sein und demnach durch den bitteren Geschmack kenntlich gemacht sein. So ist teleologisch der bittere Geschmack der selbst den s\u00fcfsen Zuckerkem einschliefsenden Glycoside zu verstehen. Denn auf diese Weise wird nicht nur der leicht zersetzliche 'und hochbedeutsame Zucker vor der Oxydation bewahrt, sondern es wird dadurch der Schutz wichtiger Organe, di\u00a9 ihn beherbergen, z. B. der Keime oder der Fruchte vor den Angriffen der Feinde zugleich garantir! Der bittere Geschmack im Verein mit giftigen Eigenschaften machen das Fruchtfleisch so lange ungeniefsbar, bis der Samen seine Entwickelung abgeschlossen hat\nWie also die psychische Lustempfindung in dem Gebiete der H\u00f6rsph\u00e4re mit einer gewissen Einfachheit im. Zahlensystem der p h y s i k a 1 Ischen Ursachen der Empfindungen zusammenf\u00e4llt, .also darf man nunmehr die psychisch\u00a9 \u2018Lustempfindung im Gebiete des Geschmackssinnes \u201cauf eine Einfachheit der chemikalischen Bedingungen der Empfindungen zur\u00fcckf\u00fchren.\n(Mngegangen am 1. April 1899,)","page":407}],"identifier":"lit30820","issued":"1899","language":"de","pages":"385-407","startpages":"385","title":"Geschmack und Chemismus","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:36:54.837294+00:00"}