Open Access
{"created":"2022-01-31T14:23:48.402753+00:00","id":"lit30882","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 130-134","fulltext":[{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nL\u00fcteraturbericht.\ndener Vorstellungen wendet er sich. Weder d\u00fcrfe man mit Hering u. A. die Vorstellungen als Stimmung der Nervensubstanz betrachten, noch auch die Gehirnbewegungen und -zustande als Erinnerungszeichen f\u00fcr die Psyche auffassen. H\u00f6ffdings Erkl\u00e4rungsversuch des Wiedererkennens aus dem bei Wiederholung eines zentralen Nervenprozesses entstehenden Leichtigkeitsgef\u00fchl l\u00e4fst M. ebenso wenig gelten, wie die Theorie Lehmanns.\nDen allgemeineren, im engsten Anschlufs an Hermann Schwarz\u2019 j\u00fcngst erschienenes Buch unternommenen Vorstofs gegen die physiologische Psychologie k\u00f6nnen wir f\u00fcglich \u00fcbergehen. Verfasser glaubt nun, die Thatsachen des Erinnerns erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen mit der Annahme eines bewufsten, aber unbemerkten psychischen Eortwirkens der Vorstellungen. Die Selbstbeobachtung lehrt uns nichts dergleichen, und die von M. daf\u00fcr gebrachten Beispiele sind l\u00e4ngst anderweitig richtig erkl\u00e4rt. Auch h\u00e4tte sich der Verfasser bei seiner Annahme verschiedener Be-wufstseinsgrade mit den noch unwiderlegten Einw\u00e4nden, die Lotze vor 43 Jahren in derselben Zeitschrift gebracht hat, auseinandersetzen m\u00fcssen\nA. Pilzecker (G\u00f6ttingen),\nEr. Paulhan. Les types intellectuels. Esprits logiques et esprits faux.\nParis, Felix Alcan. 1896. 862 S.\nDer Verfasser, der sich schon durch ein Buch \u00fcber den Charakter bekannt gemacht hat, sucht hier die andere Seite des Geisteslebens, den Intellekt, in seinen individuellen Verschiedenheiten, zu verfolgen. Doch soll die Durchforschung dieses Gebietes nicht mit diesem einen Bande abgeschlossen sein, vielmehr sind Typenbildungen nach anderen Gesichtspunkten noch zu erwarten. Paulhan weifs sehr wohl, dafs alle aufzustellenden Typen die Menge der \u00dcberg\u00e4nge und Kombinationen nicht ersch\u00f6pfen, aber er zweifelt darum nicht an der N\u00fctzlichkeit der aufgefundenen Unterscheidungen; dienen sie doch dazu, sich in der Mannigfaltigkeit der Individuen zurechtzufinden.\nDie Methode, nach welcher er seine Typen einteilt, ist wesentlich entwickelungsgeschichtlich. Er vertieft sich in irgend eine Seite des Entwickelungsganges des Intellekts und findet dann die verschiedenen Stadien dieser Entwickelung in verschiedenen Typen verwirklicht, \u00e4hnlich wie etwa der Zoologe in verschiedenen noch existierenden Tieren die Stadien die Herausbildung h\u00f6herer Formen veranschaulicht sieht. Eine solche Methode hat nat\u00fcrlich einen entschieden deduktiven Zug, der allerdings die Hineinarbeitung eines reichen Thatsachenmaterials nicht ausschliefst.\nIn diesem Sinne schildert Paulhan im ersten Teile seines Buches die individuelle Verschiedenheit im Verh\u00e4ltnis des Verstandes zur Gef\u00fchlsseite (sentiments \u2014 Gef\u00fchl + Willen nach gebr\u00e4uchlicher Terminologie) unseres Geistes. Das Denken besteht zun\u00e4chst als blofser Teilvorgang eines Gef\u00fchlsverlaufes. Das Nahrungsbed\u00fcrfnis ruft etwa das Bild der Nahrung hervor und dies Bild treibt zur Aneignung der Nahrung. Damit erlischt dann das Bild, das nur ein unbedeutendes Zwischenglied des Verlaufes bildet. Aber die Schwierigkeit, das Gewollte zu erlangen,","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n131\nbildet die intellektuelle Vermittelung weiter aus. So entspringt die Intelligenz eigentlich einer unvollkommenen, gest\u00f6rten Harmonie zwischen Wunsch und Erf\u00fcllung. Aber in diesen F\u00e4llen hat doch die Intelligenz noch kein selbst\u00e4ndiges Leben, sie bildet stets nur ein, wenn auch zuweilen reicher ausgebildetes, Glied in einem Komplex von Gef\u00fchlen und W\u00fcnschen. Auf dieser Stufe der undifferenzierten Intelligenz bleiben viele Menschen stehen. Sie sind keineswegs notwendigerweise dumm, vielmehr kann die Intelligenz ihrer dienenden Stellung recht gut an-gepafst sein. Sie sind \u201eroutiniers\" und, da die urspr\u00fcngliche Harmonie von Wunsch und Befriedigung selten gest\u00f6rt wird, Optimisten.\nVon vorn herein hat jede Kraft die Neigung, selbst\u00e4ndig th\u00e4tig, jedes Mittel die Neigung, Zweck zu werden. So geht es mit der Intelligenz. Dazu kommt, dafs die St\u00f6rungen der Harmonie einen fortw\u00e4hrenden Anlafs zum Denken geben. In derselben Richtung wirkt die \u00dcbung der Sinnesorgane. Auch dafs dasselbe Ding zur Befriedigung verschiedener Bed\u00fcrfnisse dienen kann, wirkt dahin, den Gedanken an das Ding von dem einzelnen Bed\u00fcrfnisse loszul\u00f6sen. Aller Unterricht endlich zielt darauf ab, den Verstand f\u00fcr sich zu \u00fcben, ihn unabh\u00e4ngig zu machen. So bilden sich jene zahlreichen \u00dcbergangstypen aus, bei denen das Denken sich mehr und mehr von dem Gef\u00fchlsleben trennt, aber dabei doch noch wesentlich im Dienst der Bed\u00fcrfnisse steht. Es wird zwischen verschiedenen Mitteln, bald auch zwischen verschiedenen Zwecken gew\u00e4hlt. \u00dcber die Mittel wird selbst\u00e4ndig nachgedacht, auch wenn nicht gerade eine augenblickliche Not dazu zwingt. So bildet sich eine Art Theorie aus, aber diese Theorie steht noch im Dienste der Praxis, sie ist noch nicht selbst Bed\u00fcrfnis und Zweck.\nBei dem dritten Typus endlich wird die Intelligenz v\u00f6llig selbstst\u00e4ndig. Sie bildet hier ein eigenes Zweckgebiet, wird der Mittelpunkt eigent\u00fcmlicher Tendenzen. Es ist dabei hervorzuheben, dafs nahezu jeder Mensch alle drei Typen zu verschiedenen Zeiten verwirklicht. Es handelt sich bei der Zuteilung eines Individuums an einen derselben \u00fcberall nur um ein \u201ewesentlich\u201c, um ein \u201emehr oder minder\u201c. Die Unterarten dieses dritten Typus unterscheiden sich nach dem Verh\u00e4ltnis, in das die selbst\u00e4ndig gewordene Intelligenz zu der Gef\u00fchlsseite tritt. Es giebt hier drei M\u00f6glichkeiten: 1. Die intellektuelle Beth\u00e4tigung wird selbst leidenschaftlich. Dabei existiert entweder auch sonst ein leidenschaftlicher Charakter, oder alle Leidenschaft ist gewissermafsen nach der Seite der Intelligenz hin abgelenkt. Hierher geh\u00f6ren viele K\u00fcnstlernaturen, aber auch ein leidenschaftlicher Logiker wie Peoudhon. 2. Die Intelligenz besteht als ein Zentrum neben anderen Zentren willens-m\u00e4fsiger Art. Dabei kann die Wichtigkeit der intellektuellen Tendenzen gr\u00f6fser oder geringer sein. Sie k\u00f6nnen auch leicht mit den \u00fcbrigen Tendenzen in Konflikt geraten. Hierher besonders Gelehrte, aber auch Dilettanten etc. 3. Die Intelligenz f\u00fcllt das geistige Leben nahezu allein aus, sie unterdr\u00fcckt die Gef\u00fchlsseite fast ganz. Beispiel : Spinoza.\nIm zweiten und dritten Teile des Buches werden die Intelligenzen nach dem gr\u00f6fseren oder geringeren Mafse und nach der Art der erreichten logisch-systematischen Einheit eingeteilt. Es ergeben sich\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nLitteraturbericht.\ndabei die beiden Hauptgruppen der \u201eesprits logiques\u201c, bei denen auch die Abweichungen vom vollen Gleichgewicht doch wieder einer einheitlich logischen Verarbeitung dienstbar gemacht sind, und der \u201eillogiques\u201c, bei denen dies nicht oder nur sehr unzureichend der Fall ist. Es wird hier also von den h\u00f6chsten zu den niedrigsten Formen fortgeschritten. Voran stehen unter den logischen Geistern die \u201e\u00e9quilibr\u00e9s\u201c. In ihnen findet vollst\u00e4ndiges oder doch nahezu vollst\u00e4ndiges Gleichgewicht aller geistigen Tendenzen statt. Es geh\u00f6ren hierher neben einigen grofsen Geistern (Leonardo da Vinci, Raphael, Racine, Bossuet) eine Anzahl t\u00fcchtiger Verbreiter und Verarbeiter fremder Ideen, endlich auch viele mittelm\u00e4fsige Menschen, bei denen die ziemlich schwachen Geisteskr\u00e4fte in gutem Einklang miteinander, mit dem Charakter und Lebensberuf stehen. W\u00e4hrend bei allen diesen das Gleichgewicht m\u00fchelos erreicht wird, steht bei der n\u00e4chsten Gruppe, den \u201elogiciens\u201c oder \u201eraisonneurs\u201c das Suchen nach der Einheit im Vordergrund, ein Suchen, welches allerdings zum Ziele f\u00fchrt. Als Beispiele werden besonders Auguste Comte und John Stuart Mill geschildert. Wenn sich bei diesem Einheitsstreben eine einzelne Idee in den Vordergrund schiebt, die allen anderen ihren Platz und Wert verleiht, so entsteht der \u201eoutrancier\u201c. Wegen der Enge der herrschenden Idee bleibt dann oft ein Teil des geistigen Lebens aufserhalb jener Einheit. Die Einheit ist also unvollst\u00e4ndig. Hierher rechnet Paulhan z. B. Fourier und seltsamerweise Shakespeare. Wird derjenige Teil des Geistes, der aufserhalb der logischen Einheit steht, bedeutsamer, so entsteht der \u201esp\u00e9cialis\u00e9\u201c. Hier ist irgend ein Gebiet sehr fein logisch entwickelt, die \u00fcbrigen Teile des geistigen Lebens aber bleiben aufserhalb dieses Zusammenhanges, ja k\u00f6nnen ihm sogar widersprechen. Hierher geh\u00f6ren viele Gelehrte (Claude Bernard) und K\u00fcnstler (Delacroix).\nW\u00e4hrend bei allen diesen Typen die \u201esystematische Assoziation\u201c das Arbeiten des Geistes auf allen oder doch den wichtigsten Gebieten beherrscht, folgen nun eine Reihe von Intelligenzen, in denen Arten des geistigen Geschehens vorherrschen, die bei jenen Systematischen nur eine untergeordnete, dienende Rolle spielten. Zun\u00e4chst werden diejenigen betrachtet, in deren Denken die Bek\u00e4mpfung der Gegengr\u00fcnde eine besondere Rolle spielt (type d\u2019arr\u00eat), dann diejenigen, in deren Geist jede Idee gleich ihr Gegenteil hervorruft (type de contraste). Diese beiden \u00fcbrigens verwandten Arten unterscheiden sich so, dafs der \u201etype d\u2019arret\u201c wesentlich mit anderen k\u00e4mpft, der \u201etype de contraste\u201c in sich selbst beide entgegenstehenden Ansichten einander bek\u00e4mpfen l\u00e4fst. Da wir es hier mit logischen Geistern zu thun haben, so wird die Einheit auch in diesem letzteren Falle stets irgendwie erreicht, wenn sie auch zuweilen in einem durchgef\u00fchrten Skeptizismus besteht. Auf die Wichtigkeit der \u201eassociation par contraste\u201c bei der Erfindung dramatischer Gespr\u00e4che wird besonders aufmerksam gemacht.\nDie Ber\u00fchrungs- und \u00c4hnlichkeitsassoziationen sind beim systematischen Denker blofs untergeordnete H\u00fclfen. Ihr \u00dcberwiegen stellt immer eine st\u00f6rende Einseitigkeit dar. Aber es giebt Geister, die aus dieser Einseitigkeit ein Mittel machen, zu einheitlichen Leistungen zu","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n133\ngelangen. F\u00fcr die Ber\u00fchrungsassoziation wird hier auf Chronisten und Historiker verwiesen. Freilich k\u00f6nnen diese die Ereignisse nicht in der Folge darstellen, in der sie ihnen gelegentlich mitgeteilt wurden. Vielmehr l\u00f6st sich die Form der Ber\u00fchrung, die zeitliche Folge, hier als Ordnungsprinzip von den Ereignissen los. Die \u00c4hnlichkeitsassoziation hat ihre besondere Bedeutung bei Bednern und Dichtern zum Finden der Beime, Bilder etc. Bei manchen Dichtern, z. B. Victor Hugo, wird die \u00c4hnlichkeit der Worte, der Beim, geradezu der Leitstern des Ausdrucks, aber die logische Einheit des Gedichts bleibt gewahrt und weifs die durch den Beim hervorgebrachten Gedanken in ihrem Sinn zu leiten und zu benutzen. In derselben Weise wissen andere Dichter (Gautier, Verlaine) die \u00c4hnlichkeit der Dinge zur Erweckung eigent\u00fcmlich einheitlicher Stimmungen zu verwenden.\nDie relative Unabh\u00e4ngigkeit der psychischen Elemente wird bei den logischen Geistern zur Erreichung h\u00f6herer Einheitsformen benutzt. Indem jedes Element sich in sich ausbildet, zeigen sich L\u00fccken und M\u00e4ngel in den Systemen, die nun verbessert werden. Eine besondere Bedeutung gewinnt eine solche Unabh\u00e4ngigkeit bei gewissen Dichtern, die sich mit verschiedenen Teilen ihres Wesens in die verschiedenen Personen ihrer Werke versenken. Sobald aber die Selbst\u00e4ndigkeit der Elemente nicht mehr in h\u00f6heren Einheiten sich l\u00f6st, entstehen die unlogischen Geister. Diese teilen sich in solche, die falsche, unlogische Verbindungen bilden (illogiques, faux) und solche, bei denen die Verbindungen verschiedener Gedanken gar nicht gebildet werden (alogiques). Falsche Verbindungen k\u00f6nnen durch \u00fcberm\u00e4fsige Herrschaft einzelner leitender Ideen entstehen. Diese, gew\u00f6hnlich durch starke Gef\u00fchle beg\u00fcnstigt, reifsen alle Elemente an sich, auch solche, die ihnen logisch widersprechen. Diese leitenden Ideen sind so fest, dafs sie einer logischen Berichtigung unzug\u00e4nglich werden. Es schliefst sich dieser Typus direkt an den der \u201eoutranciers\u201c unter den logischen Geistern an. Jean Jacques Bousseau geh\u00f6rt teilweise hierher. In einem gewissen Gegensatz zu diesem Typus stehen diejenigen Geister, bei denen die herrschenden Ideen zu schwach sind, um das Heranstr\u00f6men widersprechender Elemente mit H\u00fclfe der Ber\u00fchrungs- und \u00c4hnlichkeitsassoziationen zu verhindern. Je nachdem mehr Bilder oder mehr Gedanken den Geist beherrschen, entstehen so die \u201eimaginatifs\u201c und die \u201eraisonneurs\u201c. Mittelm\u00e4fsige Dichter zeigen h\u00e4ufig ein sinnliches Aneinanderreihen von Beimen und Assonanzen oder ein Zusammenf\u00fcgen widersprechender Bilder. Eine Einheit ist dabei immer noch vorhanden, aber sie vermag nicht mehr dem Ganzen Festigkeit zu geben. In Vergleich zu den beiden Typen der \u201eillogiques\u201c lassen sich verschiedene Erscheinungen des Traumlebens und des Irreseins ziehen. Vielfach zeigt sich bei den Unlogischen ein \u00fcberaus starker Einflufs des Gef\u00fchlslebens auf den Geist.\nUnter den besser als \u201ealogiques\u201c zu bezeichnenden Geistern nehmen die h\u00f6chste Stufe diejenigen ein, bei welchen verschiedene einander widersprechende Systeme bestehen, ohne dafs dieselben miteinander in Ber\u00fchrung treten. Es wird dabei an das Vorhandensein religi\u00f6ser und wissenchaftlicher Weltanschauung bei demselben Gelehrten ohne Versuch","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nLitteraturberich t.\nihrer Vereinigung erinnert. Der G-eist ist hier gewissermafsen geteilt. W\u00e4hrend in diesen F\u00e4llen die Einheit nur an einigen wenigen Stellen gelockert ist, giebt es nun endlich noch einen Typus, bei dem h\u00f6here Einheitsbildungen gar nicht oder doch nur mangelhaft zustande kommen (les frivoles, l\u2019esprit pu\u00e9ril). Er ist als ein Stillstand des Geistes auf kindlicher Stufe zu bezeichnen. Die Routine, auch wohl ein gewisser Reichtum im einzelnen, vermag oft den Mangel etwas zu verdecken.\nWenn man diese Einteilungen im Geiste durchgeht, so wird man, scheint mir, den ersten Teil, der das Verh\u00e4ltnis des Verstandes zu den Gef\u00fchlen betrifft, f\u00fcr besser gelungen erkl\u00e4ren, als den zweiten. Im ersten Teil hat die entwickelungsgeschichtliche Betrachtung zu einem einheitlichen und interessanten Einteilungsprinzip gef\u00fchrt, das allerdings vielleicht mehr die Ausbildung des Geistes als seine Anlage bezeichnet, aber doch wesentliche und oft \u00fcbersehene Unterschiede trifft. Anders scheint es mir mit dem zweiten Teile zu stehen. Die Einteilung der Geister in logische und unlogische ist ungl\u00fccklich und reifst verwandte Typen (z. B. den \u201eoutrancier\u201c und den \u201eesprit faux par pr\u00e9dominance excessive\u201c, den \u201esp\u00e9cialis\u00e9\u201c und den \u201edivis\u00e9\u201c) weit auseinander. Zudem scheint die Identifizierung der Logik eines Geistes mit der systematischen Einheit seiner Gedanken nicht recht gen\u00fcgend. Unter einem \u201elogischen\u201c Geist pflegt man Jemanden zu verstehen, der korrekte Gedanken zu bilden und Widerspr\u00fcche in Gedankenbildungen zu erkennen vermag. Ob er alle seine Gedanken zu einer Einheit zu verbinden auch nur gesucht hat, scheint mehr nebens\u00e4chlich. Thats\u00e4chlich hat P. \u2014 und gerade in den gelungensten Schilderungen am meisten \u2014 von seinem Prinzip oft genug abgehen m\u00fcssen. Eine Systematik der Geister nach ihrer \u201eLogik\u201c h\u00e4tte mit einer psychologischen Analyse des logischen Denkens er\u00f6ffnet werden m\u00fcssen. Nach den verschiedenen Bestandteilen und Eigenschaften dieses Komplexes h\u00e4tten sich die Geister ordnen lassen. Ich nehme dabei immer an, dafs man eine derartige Systematik aus vorbestimmten Gesichtspunkten \u00fcberhaupt f\u00fcr berechtigt h\u00e4lt. Und ich m\u00f6chte ein solches Unternehmen in der That f\u00fcr n\u00fctzlich erkl\u00e4ren, da eine solche Einteilung den von Einzelbeobachtungen aus vorschreitenden Zusammenfassungen als Leitstern zu dienen vermag. Dieses Verdienst m\u00f6chte ich auch der vorliegenden Einteilung nicht abstreiten, obgleich ich, wie bemerkt, ihre Grundlagen f\u00fcr unvollst\u00e4ndig und unzureichend halte. Einzelne der beschriebenen Typen grenzen in der That sehr wichtige Gruppen ab, die reiche Kenntnis eines umfassenden Materials hindert den Autor trotz des oft etwas weitgehenden Schematismus doch meist vor leeren, unn\u00fctzen Einteilungen. So ist das Buch als ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer brauchbaren Individualpsychologie zu betrachten. Man hat Grund, dem Verfasser f\u00fcr das Gebotene dankbar zu sein und bei dem, was man auszusetzen findet, nicht zu vergessen, wie unendlich schwer jede Orientierung auf diesem noch so wenig durchforschten Gebiete ist.\nJ. Cohn (Berlin).","page":134}],"identifier":"lit30882","issued":"1897","language":"de","pages":"130-134","startpages":"130","title":"Fr. Paulhan: Les types intellectuels. Esprits logiques et esprits faux. Paris, Felix Alcan. 1896. 362 S.","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:23:48.402759+00:00"}