Open Access
{"created":"2022-01-31T14:24:02.254873+00:00","id":"lit30906","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 157-158","fulltext":[{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Li tie)'a turberich t.\n157\nNicht unerw\u00e4hnt d\u00fcrfen wir lassen, dafs durch die Beif\u00fcgung einer Anzahl gut ausgew\u00e4hlter photographischer Abbildungen von Kranken (meist Gruppenbilder zusammengeh\u00f6riger F\u00e4lle) der Lehrzweck des Buches wesentlich gef\u00f6rdert wurde, und dafs die Ausstattung eine vortreffliche ist.\t,\tPelman.\nP. Flechsig. Die Grenzen geistiger Gesundheit und Krankheit. Eede, gehalten zur Feier des Geburtstages Sr. Majest\u00e4t des K\u00f6nigs Albert von Sachsen, am 23. April 1896. Leipzig. Veit & Cie. 1896. 48 S.\nFlechsig f\u00fchrt seine in der vielbesprochenen Eede \u00fcber Gehirn und Seele niedergelegten Gedanken in dieser Eede weiter aus.\nMit Unrecht schm\u00e4he man die Psychiater, und Unsinn sei es, den gesunden Menschenverstand \u00fcber ihre Wissenschaft erheben zu wollen. Nur der wissenschaftlichen Psychiatrie st\u00e4nden die Mittel zu Gebote, um auf geistigem Gebiete Gesundheit und Krankheit zu unterscheiden, und dies gelte besonders, seit die Hirnlehre und hier wiederum die Lehre vom Hirnhau dahin gelangt sei, f\u00fcr die Auffassung der Seelenerscheinungen in wichtigen Beziehungen mafsgehend zu werden.\nDer Laie urteile lediglich auf Grund von Anschauungen, die er an gesunden Menschen gewonnen habe, der Psychiater dagegen kenne auch die Abweichungen von der geistigen Norm. Aber seihst die an sich schon unvollkommenen Beobachtungen des Laien seien durchaus subjektive, und daher erkl\u00e4re sich auch das geringe Ergebnis seiner Beobachtungen am mittleren normalen Menschen. So wissen wir unter vielem anderen nicht einmal, wie viele Prozent der Bev\u00f6lkerung redlich sind, und wir sind hier wie in den meisten anderen wichtigen Gebieten auf die oberfl\u00e4chlichsten Sch\u00e4tzungen angewiesen.\nAuch aus den Dichtern seine Wissenschaft zu sch\u00f6pfen, geht nicht recht an. Selbst Shakespeare ist allzusehr Poet, und seine Ophelia deliriert nicht als Ophelia, sondern als Shakespeare. Wohl sind die Umrisse richtig gezogen, die Grundlinien entsprechend gelegt, aber der Inhalt ist Dichtung und keine Wahrheit.\nIn \u00e4hnlicherWeise bringt uns die Psychophysik dem Verst\u00e4ndnisse kaum wesentlich n\u00e4her, wohl aber thut dies der gl\u00fcckliche Gedanke des psychiatrischen Forschers, die freie Kombination der Erfahrungen auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft, und nicht am wenigsten das Streben, jede geistige Erscheinung zur\u00fcckzuf\u00fchren auf Erscheinungen und Eigent\u00fcmlichkeiten, auf Faktoren der k\u00f6rperlichen Organisation, mit anderen Worten auf k\u00f6rperliche Vorg\u00e4nge. Wir zergliedern die Seele, und wir kn\u00fcpfen die so gewonnenen seelischen Elemente an ihre materiellen Tr\u00e4ger an, insbesondere an das Gehirn.\nSo wird die Analyse des kranken Menschengeistes in erster Linie zu einem physischen Problem, und die Psychiatrie zur Lehre von den Variationen des Seelenlebens unter ver\u00e4nderten k\u00f6rperlichen Bedingungen.\nEs ist somit die Hirnforschung und nicht der gesunde Menschenverstand, wodurch uns die Kunde wird von der Macht k\u00f6rperlicher Faktoren auf das Geistesleben, von welcher der Laie allenfalls in der Alkoholintoxikation eine gelegentliche Vorstellung gewinnt.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nLitter aturberich t.\nFlechsig geht alsdann in dem kurzgemessenen Zeitr\u00e4ume einer Rede entsprechenden, leicht hingeworfenen Z\u00fcgen auf die verschiedenen Verh\u00e4ltnisse ein, die hier in Frage kommen, und wenn er in dieser Weise von dem Einfl\u00fcsse einer ererbten Konstitution, von den sogenannten Degenerationszeichen, den Querulanten, Gewohnheitsverbrechern, dem Genie und anderen derart mehr redet, so sind das alles Dinge von dem h\u00f6chsten aktuellen Interesse, deren Wiedergabe sich jedoch gerade durch die Reichhaltigkeit des Gebotenen verbietet.\nFlechsig ist auf Grund seiner Forschungen kein Anh\u00e4nger Lombrosos und er behandelt ihn schlecht. Er sieht in den Anschauungen des genialen Italieners eigentlich eine Entwickelungskrankheit der auf noch jugendlichen Bahnen wandelnden Psychiatrie, der man daher den einen oder anderen Irrtum zu Gute halten m\u00fcsse. Eine gleiche Wohlthat des Inventars wird man auch Flechsig zugestehen m\u00fcssen, falls man in einer der von ihm ge\u00e4ufserten Anschauungen einen Irrtum vermuten und ihm in seinen etwas k\u00fchnen Folgerungen nicht \u00fcberall hin folgen w\u00fcrde. Dafs er seine Ansichten in einer gewandten Form vorzubringen und zu verteidigen weifs, wird ihm niemand bestreiten wollen. Pelman.\nC. Bernardini und G. C. Ferrari. Ricerche sperimentali sulla memoria musicale nei frenastenisi Biv. di Freniatria XXII, 2. S. 315\u2014323. 1896.\nMangel an Aufmerksamkeit, bedingt durch die Schw\u00e4che der Empfindung f\u00fcr \u00e4ufsere Reize, charakterisiert, wie man annimmt, den Idioten. Gleichwohl fand Wildermuth bei ca. 1h von 180Idioten und Schwachsinnigen eine gute musikalische Beanlagung, aber bei 11 % g\u00e4nzliche Unf\u00e4higkeit, w\u00e4hrend letzteres nur bei 2 % normaler Kinder der Fall war. Viele Idioten zeigten sich gleichg\u00fcltig gegen Mifst\u00f6ne, andere zeigten Widerwillen gegen sonst f\u00fcr angenehm gehaltene T\u00f6ne und Instrumente. R. Legge fand bei 30 unter 50 Idioten ein gewisses Interesse f\u00fcr Musik, bei 20 nicht das mindeste, 15 wiederholten gewisse T\u00f6ne ohne Worte, 9 mit Worten, 5 darunter, ohne die Worte zu verstehen.\nDie Verfasser beschr\u00e4nkten ihre Untersuchungen an 100 Idioten (60 M\u00e4nner, 40 Frauen) vorl\u00e4ufig auf das musikalische Ged\u00e4chtnis. Zu diesem Behufe w\u00e4hlten sie zun\u00e4chst einen einfachen Satz von vier Koten, der nichts von Melodie hatte, und forderten das Individuum auf, ihn nachzusingen. Die Anstrengungen, unter denen das geschah, der Gesichtsausdruck, die Zeit, wie oft der Satz wiederholt werden mufste, ehe er sich einpr\u00e4gte, wurden notiert; danach wurde zu einem komplizierteren zweiten Satze geschritten; endlich nach 20\u201430 Tagen zu einem weiter entwickelten bei denjenigen Individuen, die die ersten beiden Stufen \u00fcberstanden hatten. Demnach ergaben sich drei Kategorien. In die erste geh\u00f6ren 12 (7 M\u00e4nner, 5 Frauen) mit hervorragendem musikalischen Geh\u00f6r; in die zweite 20 (11 M\u00e4nner, 9 Frauen) mit einer Art von Geh\u00f6r und Ged\u00e4chtnis, das sich aber nicht erh\u00e4lt ; in die dritte alle die \u00fcbrigen, die sich mit Willen abweisend verhielten (7 M\u00e4nner, 7 Frauen) oder aus Unaufmerksamkeit (22 M\u00e4nner, 8 Frauen), dann solche, die nur den Rhythmus (3 M\u00e4nner, 6 Frauen), endlich, die aufser dem Rhythmus einige Noten behielten (7 M\u00e4nner). 8 weitere waren stumm und reagierten auch beim Anschl\u00e4gen des Klaviers nicht (entgegen der Angabe Irelands).","page":158}],"identifier":"lit30906","issued":"1897","language":"de","pages":"157-158","startpages":"157","title":"P. Flechsig: Die Grenzen geistiger Gesundheit und Krankheit. Rede, gehalten zur Feier des Geburtstages Sr. Majest\u00e4t des K\u00f6nigs Albert von Sachsen, am 23. April 1896. Leipzig. Veit & Cie. 1896. 48 S.","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:24:02.254878+00:00"}