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{"created":"2022-01-31T14:59:16.951760+00:00","id":"lit30908","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 159-160","fulltext":[{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n159\nDie haupts\u00e4chlichsten Beobachtungen an der ersten Kategorie sind etwa folgende :\nDie Aufmerksamkeit hatte weder auf die raschere Auffassung der S\u00e4tze, noch auf das unmittelbare oder l\u00e4ngere Imged\u00e4chtnisbehalten grofsen Einflufs; einige wiederholten die Aufgabe fast automatisch, exakt oder mit kleinen Ver\u00e4nderungen. Die besseren, die den ersten leichten Satz sich nicht aneignen konnten, behielten nach 4\u20147maliger Wiederholung die schwereren musikalischen S\u00e4tze; mit einer gewissen eigenartigen Ab\u00e4nderung, \u00fcber die sie nicht hinauskonnten. In derselben Weise wiederholten sie dasselbe mittlerweile vergessene Thema nach 4 Wochen. In wenigen F\u00e4llen liels sich ein wirklich gutes Ged\u00e4chtnis feststellen, nur in einem Falle, bei einer Blinden, war es bewufst. In allen F\u00e4llen st\u00f6rte die verlangte Wiedergabe der Worte die musikalische Erinnerung : nur ein Individuum vermochte die Worte zu wiederholen, aber doch ver\u00e4ndert, wenn auch sinngem\u00e4fs.\nDie Verfasser sind nicht allzu sehr verwundert, dafs ihre Experimente manchen vorgefafsten Meinungen, die auf Verallgemeinerung einzelner F\u00e4lle beruhten, widersprechen. Merkw\u00fcrdig bleibt aber, dafs das musikalische Ged\u00e4chtnis fester haftet als andere Ged\u00e4chtnisformen. Es sei \u00fcbrigens noch bemerkt, dafs wenigstens die (12) Individuen der ersten Kategorie einer Gegend Italiens (Provinz Reggio-Emilia) entstammten, wo die Liebe f\u00fcr Gesang und musikalischer Geschmack sehr verbreitet sind, dafs sie indes keinen musikalischen Unterricht genossen haben.\tFraenkel.\nMarc-Andr\u00e9 Raffalovich. Uranisme et unisexualit\u00e9. Etude sur diff\u00e9rentes manifestations de l\u2019instinct sexuel. Paris, Masson & Cie. 1896. 363 S.\nRaffalqvich hatte schon fr\u00fcher ein kleineres Werk geschrieben, das h\u00f6chst unn\u00f6tigerweise unter dem Titel: \u201eDie Entwickelung der Homosexualit\u00e4t\u201c ins Deutsche \u00fcbertragen wurde. (1895.)\nEr f\u00fchrt in dem vorliegenden, weit umfangreicheren Werke den_ selben Gegenstand des Weiteren aus, und wir k\u00f6nnen hier nur dem Wunsche Ausdruck geben, dafs ihm das gleiche Schicksal der \u00dcbertragung erspart werden m\u00f6ge. Nicht als ob das Buch an sich so sehlecht w\u00e4re; das ist eigentlich nicht der Fall, es ist in seinem Genre sogar ganz gut. Wohl aber giebt es Leute, welche dem Genre an sich keinen rechten Geschmack abgewinnen k\u00f6nnen, und die der unmafsgeblichen Ansicht sind, dafs der Bedarf an derartigen B\u00fcchern nachgerade gedeckt und eine kleine Pause erw\u00fcnscht sei.\nWir wollen damit keineswegs in Abrede stellen, dafs diese B\u00fccher manches Interessante und vielleicht auch hier und da etwas Dankenswertes enthalten, zumal wenn wir die geradezu entsetzliche Belesenheit in Anschlag bringen, die mir auch bei anderen Werken \u00e4hnlicher Art aufgefallen und um so erstaunlicher ist, wenn wir die Qualit\u00e4t der Lekt\u00fcre in Betracht ziehen.\nAber im Grunde genommen setzt diese Lekt\u00fcre eine bestimmte Geschmacksrichtung voraus, und selbst Werke, die, wie das vorliegende, in einem wissenschaftlichen Gew\u00e4nde auftreten, sind nicht jedermanns Sache und mehr oder weniger auf Liebhaber berechnet.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nLitteraturbericht.\nNach. Abzug dieser Bedenken kann man sich mit dem Buche selber zufrieden erkl\u00e4ren.\nNach der Ansicht von Baffalovich sind die Homosexualen (Invertis) nicht, wie man f\u00e4lschlich glaubt, Kranke oder gar Verbrecher. Im Gegenteil, sie sind, zumal dann, wenn sie sich still f\u00fcr sich halten und keinem mit ihren Neigungen l\u00e4stig fallen, Menschen wie die anderen auch. Die Homosexualen sind daher nicht anders zu beurteilen, sowohl\nrechtlich wie sittlich, als die Heterosexualen. Beide haben die verd.\nPflicht und Schuldigkeit, sich ordentlich zu betragen, und wenn ihre Sexualit\u00e4t die Oberhand \u00fcber ihr Verhalten gewinnt, dann taugt der eine nichts und der andere auch nichts. Es giebt geschlechtlich erregte Menschen, und es giebt auch solche, die es nicht sind, und die letzteren k\u00f6nnen ohne besondere Gefahr heterosexual oder homosexual sein. Nicht so sicher d\u00fcrfte es sein, wenn der Verfasser von dem Kinde annimmt, dafs es sexual indifferent und es oft lediglich von den Umst\u00e4nden bedingt sei, welche Dichtung seine sexuellen Neigungen annehmen. (Schule, Gef\u00e4ngnis.) Man k\u00f6nne in dieser Weise eine Zeit lang homosexual sein und sp\u00e4ter zur Heterosexualit\u00e4t zur\u00fcckkehren, und B. spricht die Meinung aus, dafs jeder Heterosexuale wahrscheinlich zu irgend einer Zeit seines Lebens homosexuale Anwandlungen durchgemacht habe.\nAuch der Kontr\u00e4r sexuale leide nicht mehr von seinem geschlechtlichen Drange als der Heterosexuale, und er k\u00f6nne wie dieser sein Gebrechen \u00fcberwinden, wenn er keusch werde.\nAn sich sei es daher keine Schande, homosexual zu sein, vorausgesetzt, dafs man dem Triebe widerstehe und keinen Gebrauch davon mache, ja es k\u00f6nnten unter Umst\u00e4nden sogar sehr edle Menschen darunter sein.\nOb sich allerdings der eine oder der andere der von B. als homosexual bezeichneten Personen, trotz der Hervorhebung als Tr\u00e4ger der Kultur, nicht doch f\u00fcr die Ehre bedankt und den Beweis des Gegenteils angetreten h\u00e4tte, m\u00fcssen wir dahin gestellt sein lassen, auf manche aber m\u00f6chten wir die Worte Gretchens anwenden: \u201eEs thut mir weh, dafs ich dich in solcher Gesellschaft seh.\u201c Dafs der Ton, den der Verfasser angeschlagen, \u00fcberall ein angemessener und sein Streben ein ernstes und anerkennungswertes ist, versteht sich von selbst und soll hier den vorausgestellten Bedenken gegen\u00fcber noch besonders hervorgehoben werden. Es leitete ihn das Bestreben, in diesen dunkeln Abweichungen von der Norm zur Klarheit zu kommen und eine Frage zu l\u00f6sen, die sich jedem entgegenstellen mufs, der sich mit diesem Gegenst\u00e4nde besch\u00e4ftigt, die Frage nach den organischen oder psychischen Bedingungen, welche der Abweichung zu Grunde liegen.\nUnd da ist es als beachtenswert anzuf\u00fchren, dafs er sich der Hypothesen enth\u00e4lt, mit denen doch nichts rechtes anzufangen ist, und sich an der Thatsache begn\u00fcgt, dafs neben der heterosexualen Liebe auch die homosexuale von der Natur gegeben sei,\tPelman.","page":160}],"identifier":"lit30908","issued":"1897","language":"de","pages":"159-160","startpages":"159","title":"Marc-Andr\u00e9 Raffalovich: Uranisme et unisexualit\u00e9. \u00c9tude sur diff\u00e9rentes manifestations de l'instinct sexuel. Paris, Masson & Cie. 1896. 363 S.","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:59:16.951765+00:00"}