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{"created":"2022-01-31T14:24:50.499946+00:00","id":"lit30909","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Bezold, Fr.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 161-174","fulltext":[{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe zum Nachweis von Geh\u00f6rdefekten, insbesondere bei Taubstummen, und die Bedeutung ihres Nachweises f\u00fcr die \u00dcELMHOLTZsche Theorie.1\nVon\nProf. Fb. Bezold in M\u00fcnchen.\nMit einer Figur im Text.\nWenn irgend eine Fachdisziplin, sei ihr Untersuchungsfeld dem allgemeinen Wissen noch so entlegen, ans dem Schachte, dessen Bearbeitung ihr obliegt, H\u00fclfsmittel zu Tage gef\u00f6rdert hat, deren Ben\u00fctzung auf ausgedehnteren Gebieten Erfolge verspricht, so geh\u00f6rt es zu ihren unabweisbaren Aufgaben, die Kenntnis derselben auch \u00fcber ihre engeren Fachkreise hinaus zu verbreiten.\nAls ein solches H\u00fclfsmittel darf die kontinuierliche Tonreihe, eine zun\u00e4chst aus den Bed\u00fcrfnissen des Otiatrikers hervorgegangene Instrumentenreihe, bezeichnet werden, welche f\u00fcr eine genauere Analyse des H\u00f6rverm\u00f6gens bestimmt ist. Ich durfte mich defshalb der ehrenden Aufforderung unseres Vorsitzenden nicht entziehen, die Tonreihe, wie sie im Lauf der Jahre allm\u00e4hlich von mir zusammengestellt worden ist, auch an dieser Stelle vorzulegen.\nIn seiner gegenw\u00e4rtigen Form ist das Instrumentarium hergestellt von unserem M\u00fcnchener Physiker Prof. Dr. Edelmann. Erst durch die nunmehr l\u00e4nger als 3 Jahre fortgesetzte unabl\u00e4ssige und aufopferungsvolle Arbeit dieses weltbekannten Technikers hat es die Vervollkommnung erreicht, welche dasselbe\n1 Vortrag, gehalten in der I. Sektion des III. internationalen Kon gresses f\u00fcr Psychologie in M\u00fcnchen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIII.\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nFr. JBezo\u00efd.\nnicht nur f\u00fcr ohren\u00e4rztliche, sondern auch f\u00fcr physikalische, physiologische und psychophysische Untersuchungen als geeignet erscheinen l\u00e4fst.\nIn der unteren H\u00e4lfte der Tonskala von JET3 (15 vibr. doubl.) bis zu c\"' (1024 vibr. doubl.) werden die einzelnen T\u00f6ne der Tonreihe erzeugt durch 10 Stimmgabeln mit verschiebbaren Laufgewichten. F\u00fcr physiologische Zwecke kommt dazu noch eine 11. Stimmgabel mit m\u00e4chtigen Gewichten, deren Schwingungszahlen von 18 bis 11 herabreichen. Der unterste Ton von 11 v. d. wird nurmehr von einem Teil sonst normalh\u00f6riger Geh\u00f6rorgane perzipiert. Jede Stimmgabel enth\u00e4lt die s\u00e4mtlichen T\u00f6ne von beil\u00e4ufig einer Quinte und kann durch Verschiebung der Gewichte auf jeden innerhalb dieses Intervalls liegenden Ton eingestellt werden. Der h\u00f6chste Ton jeder tieferen Stimmgabel ist auch in der n\u00e4chst h\u00f6heren wieder als unterster Ton enthalten.\nJe weiter wir in der Skala herabsteigen, desto mehr mufs die L\u00e4nge der Zinken und die Schwere der Belastungsgewichte an wachsen. Wenn wir Luftwellen von so gewaltigen Dimensionen in ausgiebige Bewegung versetzen wollen, dafs f\u00fcr deren Erzeugung Orgelpfeifen von 32 und mehr Fufs L\u00e4nge notwendig sind, so bed\u00fcrfen wir dazu auch grofser Dimensionen an den Stimmgabeln. Dieselben werden daher gegen das untere Ende ziemlich unhandlich. Die unterste und gr\u00f6fste, bis zu 11 v. d. herabreichende Stimmgabel befindet sich gerade an der Grenze, welche noch gestattet, sie mit freier Hand vor dem Ohre zu halten.\nSoweit ein darauf einge\u00fcbtes Ohr ohne weitere H\u00fclfsmittel dar\u00fcber entscheiden kann, sind die s\u00e4mtlichen T\u00f6ne dieser belasteten Stimmgabeln vollkommen frei von Obert\u00f6nen. Eine graphische Darstellung der Schwingungen sowohl an den Zinken als am Stiel ergiebt reine Pendelschwingungen, wie sie einfache T\u00f6ne charakterisieren.\nEine solche Aufschreibung der tiefen Stimmgabel bei 16 v. d. sowohl von den Zinken als vom Stiel aus kann ich Ihnen hier vorlegen (cf. Abbildung). Durch eine Hebelvorrichtung sind die Schwingungen des Stiels neben diejenigen der Zinken verlegt worden, und Sie k\u00f6nnen sich davon \u00fcberzeugen, dafs beide sich in ihrer Form vollkommen gleich verhalten, dafs also am Stiel zum wenigsten bei diesen Stimmgabeln nicht die Oktave des Grundtones der Gabel zum Vorschein kommt, wie dies","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe.\nf\u00fcr andere Stimmgabeln von einigen Forschern gefunden wurde.\nEinen weiteren Beweis daf\u00fcr, dafs die Stimmgabeln mit der f\u00fcr unsere Tonreihe gew\u00e4hlten Belastungsgr\u00f6fse frei von Obert\u00f6nen sind, erhalten wir aus der Beobachtung von Ohrenkranken. Es existieren n\u00e4mlich einige h\u00e4ufig vorkommende, sp\u00e4ter genauer zu er\u00f6rternde Erkrankungsformen des Ohres, bei welchen wir konstant einen gr\u00f6fseren oder kleineren vollkommenen H\u00f6rdefekt am unteren Ende der Tonskala nach-weisen k\u00f6nnen. Wir \u00fcberzeugen uns nun, wenn wir diese Kranken mit den unterhalb ihres unteren Grenztones liegenden Stimmgabeln untersuchen, dafs innerhalb ihres pathologischen Defektes nicht nur der Grundton der in den Defekt fallenden Stimmgabeln ausgefallen ist, sondern dafs die Kranken, wenn wir nur das Auge ausschliefsen, keine Ahnung davon haben, ob \u00fcberhaupt die in starke Schwingung versetzte Gabel direkt vor dem Ohre sich befindet oder nicht. Es ist daher auch diese pathologische H\u00f6rgrenze meist sehr scharf, bis auf einen halben Ton, zu bestimmen.\nAus diesen f\u00fcr den Ohrenarzt t\u00e4glich wiederkehrenden Beobachtungen geht zun\u00e4chst hervor, dafs auch die Schwingungen dieser tiefen Stimmgabeln trotz ihrer grofsen Elongationen keine taktile Empfindung bei ihrer Ann\u00e4herung an die Muschel hervorbringen.\nDa aber die betreffenden Kranken mit H\u00f6rdefekt am unteren Ende der Tonskala (f\u00fcr die Luftleitung) ein um so vollkommeneres Geh\u00f6r besitzen, je h\u00f6her wir in der Skala hinaufsteigen,","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nFr. Bezold.\nwie wir uns durch. Pr\u00fcfung mit den in der Reihe ja ebenfalls enthaltenen h\u00f6heren Stimmgabeln \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, so d\u00fcrfen wir auch schliefsen, dafs Obert\u00f6ne, zum mindesten soweit sie f\u00fcr die H\u00f6rpr\u00fcfung in Betracht kommen, in den tiefen Stimmgabeln der vorliegenden Tonreihe nicht vorhanden sind.\nMit H\u00fclfe dieser 10 Stimmgabeln sind wir also in den Stand gesetzt, jeden beliebigen innerhalb der unteren 6'Oktaven gelegenen Ton isoliert und von Obert\u00f6nen frei zu erzeugen, und zwar bis zu einer solchen St\u00e4rke, dafs sein Ausfall als Taubheit f\u00fcr den betreffenden Ton bezeichnet werden darf.\nEtwa von der grofsen Oktave an nach aufw\u00e4rts macht sich bei s\u00e4mtlichen T\u00f6nen der Stimmgabelreihe ein anscheinend hochliegendes, musikalisch nicht genau bestimmbares Schwirren bemerklich, wenn die Zinken sehr stark angeschlagen und der Muschel bis nahe zur Ber\u00fchrung angen\u00e4hert werden; bei etwas gr\u00f6fserer Entfernung und ebenso bei etwas weniger starkem Anschlag klingt der Ton rein, ebenso, auch nach st\u00e4rkstem Anschlag, beim Aufsetzen des Stimmgabelstiels auf den Scheitel. Unterhalb der grofsen Oktave fehlt auch in der Luftleitung dieses Schwirren. Setzen wir aber die tiefen Stimmgabeln mit ihrem Stiel auf eine Tischplatte auf und legen den Kopf auf die letztere, so tritt dasselbe auch f\u00fcr sie mit grofser St\u00e4rke hervor.\nNach Helmholtz kommt dieses Schwirren wahrscheinlich dadurch zu st\u00e4nde, dafs infolge der starken Ersch\u00fctterung die beiden Fl\u00e4chen des Sperrgelenks zwischen Hammer und Ambos sich teilweise voneinander losl\u00f6sen und gegeneinander schlagen.\nJedenfalls entsteht dasselbe nicht in der Stimmgabel selbst, sondern erst im Schallleitungsapparate des Ohres, da es bei wachsender Steigerung der Tonintensit\u00e4t pl\u00f6tzlich hervortritt, und da es vom Knochen aus nicht h\u00f6rbar ist.\nF\u00fcr die H\u00f6rpr\u00fcfung braucht das Vorhandensein dieses von der grofsen Oktave an beginnenden Sch wirr ens beim H\u00f6ren der Stimmgabeln vor dem Ohre nur selten in Betracht zu kommen.\nHoch scheinen hierher einige seltene F\u00e4lle von hochgradiger Schwerh\u00f6rigkeit aus meiner Beobachtung zu geh\u00f6ren, welche die Ann\u00e4herung der verschiedensten Stimmgabeln nur als ein","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe.\n165\nunbestimmbares Ger\u00e4usch zu h\u00f6ren angaben, das sich bei den hohen und tiefen T\u00f6nen ganz gleich blieb, so dafs die jeweilige H\u00f6he des Tones f\u00fcr diese Kranken, unter denen auch ein Klaviermacher sich befand, vollkommen unbestimmbar blieb.\nIn der grofsen Mehrzahl der von mir untersuchten F\u00e4lle wurden dagegen die T\u00f6ne in der ganzen Ausdehnung der Skala entweder bei einer bestimmten Intensit\u00e4t richtig geh\u00f6rt oder sie fielen ganz aus.\nDie obere H\u00e4lfte der Tonreihe, von e\" an,1 wird hervorgebracht durch drei gedackte Orgelpfeifchen mit verschiebbarem Stempel, von denen das h\u00f6chste unter dem Namen des Galtonpfeifchens von Burckhakdt-Merian 1884 in die otologische Praxis eingef\u00fchrt worden ist.\nIn die Strecke der Tonskala, welche im Galtonpfeitchen enthalten ist, f\u00e4llt die obere Tongrenze f\u00fcr das menschliche Ohr; oberhalb dieser Grenze verschwindet das Pfeifen f\u00fcr unser Ohr, und bleibt nur mehr ein leises Anblaseger\u00e4usch \u00fcbrig, welches auch schon vorher neben den leisen h\u00f6chsten T\u00f6nen immermehr vorwiegt, je mehr wir uns der oberen Grenze n\u00e4hern. Entfernen wir das Pfeifchen weit genug vom Ohr, so verschwindet dieses Anblaseger\u00e4usch, w\u00e4hrend das Pfeifen noch auf gr\u00f6fsere Entfernung, f\u00fcr ein normales Ohr auf 5 m und mehr, h\u00f6rbar bleibt, also auf diesem Wege auch von seinen Nebenger\u00e4uschen isoliert werden kann.\nDie gedackten Pfeifen geh\u00f6ren ebenfalls zu den relativ obert\u00f6nefreien Instrumenten. Wenn sie auch in dieser Beziehung hinter den belasteten Stimmgabeln zur\u00fcckstehen, so reichen sie, wie mir die Erfahrung gezeigt hat, f\u00fcr unsere klinischen H\u00f6rpr\u00fcfungen doch aus ; denn abgesehen von der Bestimmung der oberen Tongrenze bed\u00fcrfen wir dieser h\u00f6heren T\u00f6ne nur bei hochgradig Schwerh\u00f6rigen und bei Taubstummen, bei welchen es mir oftmals m\u00f6glich war, mit ihrer H\u00fclfe L\u00fccken oder Inseln im oberen H\u00f6rbereich nachzuweisen.\nEin sehr leises aber doch von dem Anblaseger\u00e4usch sicher unterscheidbares Pfeifen beginnt in dem EDELMANNschen Galton-pfeifchen bereits bei einer Zylinderh\u00f6he von 0,2 mm des Pfeifenrohres. Diese h\u00f6chsten T\u00f6ne reichen nach den Berechnungen\n1 Das St\u00fcck von e\u201c \u2014 c\u201c\u2018 ist sowohl in den Stimmgabeln als in den Pfeifen vorhanden.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nFr. Bezold.\nvon Edelmann bis ungef\u00e4hr zum oberen Ende der 8-gestrichenen Oktave hinauf (der oberste in der Pfeife eingezeichnete Ton ist avm, \u00fcber den aber das Pfeifen noch ein St\u00fcck hinaus geh\u00f6rt wird).\nNach den Ergebnissen, welche mit H\u00fclfe der hier zusammengestellten Instrumente zu gewinnen sind, liegt somit die untere Grenze der vom menschlichen Ohre perzipierbaren Schallwellen bei 11 Doppelschwingungen oder noch etwas niedriger, die obere Grenze bei 55000 und mehr Doppelschwingungen in der Sekunde.\nDie Tonreihe, welche durch diese beiden noch sicher perzipierbaren Schwingungszahlen nach oben und unten begrenzt wird, umfafst etwas \u00fcber 12 Oktaven.\nM. H.! Die F\u00e4higkeit unseres Ohres, sowohl jeden einzelnen Ton nach seiner Lage in der Skala genau zu bestimmen, als auch eine ganze Reihe von zusammenklingenden T\u00f6nen gleichzeitig aufzufassen, wird uns nur verst\u00e4ndlich durch die Annahme eines an den Enden der weit verzweigten Acusticusausbreitung angebrachten mechanischen H\u00fclfsapparates, der die Eigenschaften unserer Saiteninstrumente besitzt, dafs jedem einzelnen Ton der ganzen Skala je ein Element in diesem H\u00fclfsapparat entspricht, welches durch ihn in Mitschwingung versetzt wird und eine an ihm endende Nervenfaser erregt.\nDie zwingende Notwendigkeit eines solchen H\u00fclfsapparates und sein wahrscheinliches Vorhandensein in der Schnecke des Ohres klargelegt zu haben, ist eines der Verdienste von Helmholtz, welche seinen Namen unsterblich machen.\nAls mitschwingendes Organ erscheint am geeignetsten die Membrana basilaris der Schnecke.\nDer Anordnung ihrer successive gegen die Kuppel der Schnecke sich verl\u00e4ngernden quergespannten Easern entsprechend, mufs angenommen werden, dafs die Perzeption von den h\u00f6chsten bis zu den tiefsten T\u00f6nen in der Richtung vom Anfang der untersten Schneckenwindung bis zur Kuppel verteilt ist.\nDiese Theorie von Helmholtz ist, obgleich er selbst sie stets nur als eine Hypothese bezeichnet hat, doch heute die Basis f\u00fcr unser ganzes otologisches Denken geworden; denn ohne dieselbe m\u00fcfsten wir auf ein genaueres Verst\u00e4ndnis der funktionellen Vorg\u00e4nge im Ohr \u00fcberhaupt einfach verzichten,","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe.\n167\nIhre thats\u00e4chliche und unanfechtbare Begr\u00fcndung kann diese Theorie aber nur durch genaue Funktionspr\u00fcfungen am erkrankten Ohre des Menschen finden.\nYor allem sind es partielle Zerst\u00f6rungen innerhalb der Schnecke, welche hier Aufschlufs zu geben im Stande sind. Derartige Zerst\u00f6rungen m\u00fcssen nach der Theorie yon Helmholtz auch einen partiellen, das heifst auf einzelne Tongruppen beschr\u00e4nkten Ausfall in der vom menschlichen Ohre perzipierten Skala zur Folge haben.\nDie erste und wichtigste Frage ist daher:\nKommen \u00fcberhaupt derartige L\u00fccken im Verlauf der Skala oder an ihren Enden in Wirklichkeit zur Beobachtung?\nIst dies der Fall, so ist die zweite Frage, welche wir zu stellen haben : Lassen sich an den Stellen, welche derartigen L\u00fccken nach unseren obigen Voraussetzungen im Verlaufe der Lamina spiralis entsprechen, auch wirklich pathologisch-anatomisch bei der Sektion Zerst\u00f6rungen nachweisen?\nWie leicht in dieser Richtung gemachte Experimente an Tieren zu T\u00e4uschungen f\u00fchren k\u00f6nnen, das beweist die bis zum heutigen Tage nur unvollkommen entschiedene Frage, ob nicht sogar nach totaler Entfernung des h\u00e4utigen Labyrinths bei Tieren noch ein Rest von Geh\u00f6r zur\u00fcckbleibt.\nBeim Menschen bedingt ein Verlust der Schnecke, wie wir ihn nach Labyrinthnekrose beobachten k\u00f6nnen, wenigstens nach meinen eigenen Beobachtungen, ausnahmslos vollkommene Taubheit des betroffenen Ohres.\nBeispiele von partiellen Defekten und L\u00fccken in der Perzeption der Tonskala liegen schon ziemlich zahlreich in der ohren\u00e4rztlichen Litteratur vor. Auch eine Reihe von Sektionsberichten existiert bereits, welche Nervenatrophie etc. in den entsprechenden Regionen der Schnecke ergeben haben.\nDirekt gegen die Helmholtz sehe Theorie w\u00fcrde nur eine pathologisch-anatomisch in der Schnecke nachgewiesene Zerst\u00f6rung sprechen, ohne dafs vorher im Leben ein entsprechender H\u00f6rdefekt bestanden h\u00e4tte. Ein solcher Befund liegt meines Wissens, wenigstens vom Menschen, bei dem allein eine vollkommen zuverl\u00e4ssige H\u00f6rpr\u00fcfung m\u00f6glich ist, bis heute nicht vor.\nWenn \u00fcberhaupt von der Untersuchung der Schneckenerkrankungen an der Leiche sichere Aufschl\u00fcsse erwartet","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nFr. Bezold.\nwerden sollen, so mufs vorher im Leben das Geh\u00f6rorgan auf seine Perzeption f\u00fcr die gesamte Tonskala gepr\u00fcft sein.\nDa auch die Ger\u00e4usche eine gewisse Tonh\u00f6he erkennen lassen und deshalb wahrscheinlich in der Schnecke zur Perzeption gelangen, so darf unter der letzteren Voraussetzung mit der Pr\u00fcfung der Perzeption f\u00fcr die gesamten T\u00f6ne die H\u00f6rfunktion des Ohres als vollst\u00e4ndig analysiert betrachtet werden.\nDiese Erw\u00e4gungen haben mich veranlafst, seit einer Reihe von Jahren an der Zusammenstellung einer l\u00fcckenlosen Reihe von einzelnen reinen T\u00f6nen zu arbeiten, welche in ihrer gegenw\u00e4rtigen Gestalt den gesamten menschlichen H\u00f6rbereich umfafst.\nSeit ich im Besitz der kontinuierlichen Tonreihe bin, habe ich nach Tonl\u00fccken unter den Ohrenkranken gesucht und habe eine ziemliche Anzahl solcher F\u00e4lle sammeln k\u00f6nnen.\nDie Aufgabe ist indes nicht so einfach, als sie auf den ersten Blick erscheint.\nVor allem sind wir aufser Stande, das andere Ohr, falls dasselbe nicht ebenfalls hochgradig schwerh\u00f6rig oder taub ist, bei der Pr\u00fcfung auszuschliefsen.\nInwieweit dies unm\u00f6glich ist, davon kann man sich leicht \u00fcberzeugen an F\u00e4llen mit unzweifelhafter einseitiger Taubheit. Als solche F\u00e4lle d\u00fcrfen Kranke betrachtet werden, bei welchen das Labyrinth auf einer Seite fr\u00fcher zur nekrotischen Ausstellung gekommen ist. Zwei solche Kranke, denen ich selbst einige Jahre zuvor die Schnecke auf der einen Seite als Knochensequester entfernt habe, w\u00e4hrend ihr anderes Ohr ann\u00e4hernd normal h\u00f6rt, konnte ich mit der kontinuierlichen Tonreihe untersuchen. Der Geh\u00f6rgang des gesunden Ohres wurde bis in seinen kn\u00f6chernen Teil mit nasser Watte verstopft und der hervorragende Pfropf noch mit dem Finger angedr\u00fcckt. Der H\u00f6rbefund war in beiden F\u00e4llen der gleiche: Vom unteren Ende der Tonskala bis herauf in die zweigestrichene Oktave h\u00f6rte das schneckenlose Ohr absolut nichts, weder wenn die starkschwingende Stimmgabel mit ihren Zinkenenden direkt vor die Muschel gehalten, noch wenn ihr Stiel in die Muschel oder in den Geh\u00f6rgang leise aufgesetzt wurde. Sobald der Druck verst\u00e4rkt wurde, erklang der Ton, wobei es dem Kranken nicht immer m\u00f6glich war, zu unterscheiden, in welchem Ohre. Die Knochenleitung mufs aus dem letzteren Grunde f\u00fcr diese","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe.\n169\nPr\u00fcfungen, als leicht zu T\u00e4uschungen f\u00fchrend, ganz ausge-schlofsen werden. Innerhalb der zweigestrichenen Oktave begann ein H\u00f6ren auch per Luftleitung von dem tauben Ohre aus, und zwar verl\u00e4ngerte sich die H\u00f6rdauer f\u00fcr die einzelnen Stimmgabelt\u00f6ne successive um so mehr, je mehr ich in der Skala emporstieg. F\u00fcr den Ton fis in der viergestrichenen Oktave betrug die H\u00f6rdauer bereits die H\u00e4lfte derjenigen des normalen Ohres, und f\u00fcr die leisen T\u00f6ne im GALTONpfeifchen an der oberen H\u00f6rgrenze fand sich nur mehr eine geringe Einschr\u00e4nkung.\nWenn wir ber\u00fccksichtigen, dafs starke T\u00f6ne von einer gewissen H\u00f6he an durch verschlossene Th\u00fcren und durchW\u00e4nde dringen, so d\u00fcrfen wir auf dieses anscheinende H\u00f6ren des schneckenlosen Ohres in der oberen H\u00e4lfte der Skala bei Ver-schlufs des anderen gesunden kein Gewicht legen. K\u00f6nnen wir uns doch auch bei doppelseitigem Yerschlufs unseres eigenen Ohres \u00fcberzeugen, wie laut die hohen T\u00f6ne trotzdem perzipiert werden.\nBei den erw\u00e4hnten Versuchen kommt aber noch aufserdem in Betracht, dafs diese T\u00f6ne sehr wahrscheinlich von dem unverschlossenen schneckenlosen Ohre aus auch in transversaler Richtung die kurze Knochenstrecke bis zum anderen intakten Ohre durch dringen, wobei das offene, schneckenlose Ohr, obgleich geh\u00f6rlos, doch als Schallf\u00e4nger wirkt.\nEs ergiebt sich somit aus diesen Versuchen am schneckenlosen Ohre, dafs wir bei einseitiger H\u00f6rst\u00f6rung \u00fcberhaupt nur die untere H\u00e4lfte der Tonskala mit voller Sicherheit zu pr\u00fcfen im st\u00e4nde sind.\nF\u00fcr diese aber findet sich nach Labyrinthnekrose ausnahmslos vollkommene Taubheit.\nBei der Beurteilung von H\u00f6rdefekten, welche nicht die ganze, sondern nur ein St\u00fcck der Tonskala betreffen, m\u00fcssen wir fernerhin ber\u00fccksichtigen, dafs derartige Defekte keineswegs ausschliefslich durch Labyrintherkrankung bedingt zu sein brauchen. Sie k\u00f6nnen vielmehr auch ebensowohl durch peripher als durch zentral vom Labyrinth gelegene Erkrankungen hervorgerufen werden.\nSo hat mir die konsequent durchgef\u00fchrte Untersuchung mit der kontinuierlichen Tonreihe ergeben, dafs bei den so h\u00e4ufigen Erkrankungen des Mittelohres mit objektiv nachweisbarer","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nFr. Besold.\nZerst\u00f6rung oder Fixation an der Schallleitungskette regelm\u00e4fsig ein, je nach dem Grad der St\u00f6rung, gr\u00f6fserer oder kleinerer Defekt am unteren Ende der Tonskala vorhanden ist. Bei hochgradigen objektiv nachweisbaren Ver\u00e4nderungen betr\u00e4gt dieser Defekt mehrere Oktaven. Von seinem oberen Ende nach aufw\u00e4rts in der Skala nimmt die H\u00f6rdauer f\u00fcr die einzelnen T\u00f6ne successive und gleichm\u00e4fsig zu.\nDa diese Verh\u00e4ltnisse bei den genannten Erkrankungsformen des Mittelohres ausnahmslos wiederkehren, wie ich mich durch tausendf\u00e4ltig wiederholte Untersuchungen \u00fcberzeugt habe, so erscheint es mir berechtigt, in der \u00dcberleitung des unteren Teils der Tonskala aus der Luft zum Labyrinth \u00fcberhaupt die physiologische Funktion des Schallleitungsapparates zu suchen.\nEine Verwechselung dieses vom Mittelohr aus bedingten Defektes an der unteren Tongrenze mit Defekten des Nerven-endapparats in der Strecke, welche die Theorie von Helmholtz daf\u00fcr in Anspruch nimmt, d. h. in den oberen Windungen der Schnecke ist indes leicht zu vermeiden.\nDer durch Erkrankung des Schallleitungsapparates bedingte Ausfall betrifft n\u00e4mlich nur die Luftleitung, nicht gleichzeitig die Knochenleitung. Bei Schneckendefekten dagegen mufs selbstverst\u00e4ndlich auch die Knochenleitung ausfallen. Ist aus-schliefslich der Schallleitungsapparat erkrankt, so findet sich im Gegenteil die Knochenleitung sogar mehr oder weniger weit \u00fcber die Norm, und zwar ebenfalls konstant, verl\u00e4ngert, ein Symptom, auf dessen Zustandekommen genauer einzugehen hier zu weit abf\u00fchren w\u00fcrde. Die eben erw\u00e4hnte Verl\u00e4ngerung der Knochenleitung erlaubt uns sogar bei einseitiger Erkrankung diese beiden Formen von Defekt an der unteren Tongrenze mit Sicherheit auseinander zu halten.\nSchwieriger gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse bei H\u00f6rdefekten, welche ihre Ursache in einer Erkrankung des Nervus acusticus selbst jenseits des Labyrinths, in seinem Wurzelgebiet, den Acusticuskernen, seinen weiteren zentralen Bahnen und schliefs-lich in seinem Hirnrindengebiet haben.\nWas die Erkrankung des Acusticus und der ihm zugeh\u00f6rigen Bahnen betrifft, so ist die M\u00f6glichkeit einer Entstehung von partiellen Defekten auf ihren Wegen allerdings sehr wohl denkbar. In der grofsen Mehrzahl der F\u00e4lle wird indes hier","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe.\n171\ndie gleichzeitige Beteiligung benachbarter Hirnnervengebiete unsere Diagnose leiten k\u00f6nnen.\nOb in der Hirnrinde selbst H\u00f6rl\u00fccken f\u00fcr einzelne umschriebene Strecken der Tonskala entstehen k\u00f6nnen, dar\u00fcber d\u00fcrfen wir wohl \u00fcberhaupt zweifelhaft sein.\nDie Zerlegung der gesamten Schalleindr\u00fccke in einzelne T\u00f6ne ist nach der Hypothese von Helmholtz eine mechanische Funktion der Schnecke. F\u00fcr unser Bewufstsein ist diese Analyse von Jugend auf in den Hintergrund getreten, und nur durch k\u00fcnstliche H\u00fclfsmittel oder spezielle Ein\u00fcbung k\u00f6nnen wir dahin gelangen, beispielsweise in dem anscheinend einfachen Ton eines Musikinstruments dessen einzelne Komponenten heraus zu h\u00f6ren.\nUnter der Leitung der Gesamtsinneseindr\u00fccke haben wir vielmehr vom Beginn eines bewufsten H\u00f6rens an gelernt, auch die Schalleindr\u00fccke auf die Objekte zu beziehen, von welchen sie ausgehen, und den momentan von einem Objekt herr\u00fchrenden Komplex von T\u00f6nen und Ger\u00e4uschen als Ganzes aufzufassen.\nDie Elemente f\u00fcr unsere bewufsten Schall eindr\u00fcck e werden nicht dargestellt von der Reihe einfacher T\u00f6ne, wie sie in der kontinuierlichen Tonreihe vorhanden sind, sondern vielmehr von den Kl\u00e4ngen der verschiedenen Musikinstrumente, den mannigfaltigen zusammengesetzten Ger\u00e4uschen, S\u00e4useln, Pl\u00e4tschern, Rauschen etc., den Sprachlauten, kurz den ungez\u00e4hlten Lautkomplexen, welche unser Ohr treffen. Alle diese H\u00f6reindr\u00fccke haften als Ganzes in unserer Erinnerung, und wir d\u00fcrfen wohl auch annehmen, dafs ihre Lokalisation in der Hirnrinde dem entsprechend und nicht entsprechend der Tonreihe angeordnet ist.\nEs l\u00e4fst sich daher auch nicht erwarten, dafs durch eine partielle Zerst\u00f6rung der Hirnrinde einfach L\u00fccken in die Tonreihe gerissen werden.\nDazu kommt noch, dafs jedes Ohr mit beiden Hirnhemisph\u00e4ren in Verbindung steht, woran wir nach den Ausf\u00fchrungen von Lichtheim nicht mehr zweifeln k\u00f6nnen. Denn w\u00fcrde eine vollkommene Kreuzung der H\u00f6rnerven bestehen, so m\u00fcfste ja eine rechtsseitige absolute Taubheit gleichzeitig Sprachtaubheit zur Folge haben. Dafs dies nicht der Fall ist, l\u00e4fst sich leicht hundertfach konstatieren. Ich brauche nur beispielsweise auf die rechtsseitigen Labyrinthnekrosen hinzuweisen.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nFr. Bezold.\nEine Zerst\u00f6rung in der H\u00f6rsph\u00e4re des Schl\u00e4fenlappens m\u00fcfste demzufolge, um H\u00f6rl\u00fccken zu machen, nicht nur stets eine doppelseitige sein, sondern es m\u00fcfsten auch jedesmal gleichzeitig auf beiden Seiten die gleichen Stellen der H\u00f6rsph\u00e4re betroffen sein.\nAuf Grund dieser Erw\u00e4gungen scheint es berechtigt, an dem Zustandekommen von einfachen Tonl\u00fccken durch Zerst\u00f6rungen in der Hirnrinde und den prim\u00e4r von ihr ausgehenden Bahnen \u00fcberhaupt zu zweifeln.\nVerschiedene Gr\u00fcnde legten mir die Vermutung nahe, dafs insbesondere bei Taubstummen h\u00e4ufiger Tonl\u00fccken zu erwarten sein m\u00fcfsten :\n1.\tIst es eine seit langem bekannte Thatsache, dafs eine bedeutende Zahl von Taubstummen noch gr\u00f6fsere oder kleinere Beste von H\u00f6rverm\u00f6gen besitzt.\n2.\tSoweit pathologisch-anatomische Untersuchungen von Taubstummen vorliegen, haben sie in ihrer grofsen Mehrzahl Ver\u00e4nderungen im Labyrinth ergeben. Eine Mittelohraffektion f\u00fcr sich allein scheint nach unseren Erfahrungen \u00fcberhaupt nicht ausreichend, um Sprachtaubheit zu verursachen.\n3.\tEndlich f\u00e4llt bei Taubstummen die bei den \u00fcbrigen Ohrenkranken so h\u00e4ufig uns entgegentretende Schwierigkeit weg, das zweite gut h\u00f6rende Ohr von der Untersuchung aus-zuschliefsen.\nEinerseits um zu erfahren, wie oft und in welcher Form \u00fcberhaupt L\u00fccken im menschlichen H\u00f6rbereich Vorkommen k\u00f6nnen, andrerseits um die von mir zusammengestellte kontinuierliche Tonreihe auf ihre durchg\u00e4ngige Verwertbarkeit, auch bei den geringsten H\u00f6rresten, zu pr\u00fcfen, habe ich vor einigen Jahren die 79 Insassen des k\u00f6niglichen Zentral-Taub-stummen-Instituts in M\u00fcnchen durchuntersucht.\nWie vollkommen meine Erwartungen best\u00e4tigt worden sind, das k\u00f6nnen Sie mit einem Blick auf die vorliegenden Tafeln1 \u00fcberschauen. Dieselben geben in graphischer Darstellung, eingezeichnet in die Tonskala, die H\u00f6rstrecken wieder, welche sich in den Geh\u00f6rorganen der untersuchten Taubstummen vor-\n1 Siehe: \u201eDas H\u00f6rverm\u00f6gen der TaubstummenWiesbaden, Bergmann.\n1896.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe.\n173\ngefunden haben, soweit sie \u00fcberhaupt noch ein H\u00f6rverm\u00f6gen besafsen.\n48 Geh\u00f6rorgane erwiesen sich als total taub.\nEin Taubstummer war nicht genauer zu pr\u00fcfen.\nDie H\u00f6renden habe ich in sechs Gruppen eingeteilt.\nDie I. Gruppe derselben enth\u00e4lt eine Anzahl von 28 Geh\u00f6rorganen, welche nur mehr eine \u201eInsel\u201c besafsen, wie wir diese Form von H\u00f6rrest bezeichnen k\u00f6nnen. Die kleinste Insel um-fafste nur zwei halbe T\u00f6ne. Zu den Inseln wurden alle F\u00e4lle gerechnet, deren H\u00f6rbereich 21/\u00ef Oktaven nicht \u00fcberschritt.\nDie II. Gruppe stellt \u201eL\u00fccken\u201c verschiedenen Umfangs innerhalb der Kontinuit\u00e4t der Tonskala dar. Ihr geh\u00f6ren 20 Geh\u00f6rorgane an, und zwar 16 mit einfachen und 4 mit doppelten L\u00fccken.\nDie III. Gruppe wird nur von einem einzigen in mehrfacher Beziehung singul\u00e4ren Fall dargestellt, dem die ganze obere H\u00e4lfte der Tonskala fehlt, w\u00e4hrend er in der unteren H\u00e4lfte eine der Norm nahestehende H\u00f6rf\u00e4higkeit aufweist,\nDie IY. Gruppe (mit 8 Geh\u00f6rorganen) zeigt verschieden grofse Defekte an der unteren und zugleich an der oberen Grenze.\nDie Y. Gruppe (mit 18 Geh\u00f6rorganen) bietet ausgedehntere Defekte nur an der unteren Grenze der Tonskala.\nM. H. ! Wenn Sie alle die verschiedenen Defekte dieser f\u00fcnf Gruppen \u00fcberschauen, so finden Sie unter ihnen so ziemlich eine jede M\u00f6glichkeit von partieller Zerst\u00f6rung des Perzeptionsapparates im Ohre vertreten, sowohl was den verschiedenen Umfang der h\u00f6rempfindlichen und unempfindlichen Stellen, als was ihre wechselnde Lage innerhalb der Tonskala betrifft.\nAus der grofsen H\u00e4ufigkeit und Mannigfaltigkeit dieser partiellen Defekte l\u00e4fst sich die Schlufs-folgerung ziehen, d als die normale Perzeption f\u00fcr die einzelnen Teile der Tonskala auf einer weit ausgebreiteten Strecke stattfinden mufs.\nEs d\u00fcrfen somit schon diese Beobachtungen am Lebenden in ihrer Gesamtheit als eine wesentliche St\u00fctze f\u00fcr die Hypothese von Helmholtz betrachtet werden, wenn auch die direkte Best\u00e4tigung durch eine gr\u00f6fsere Anzahl von Sektionsbefunden noch fehlt.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"4\nFr. Bezold.\nEinen interessanten Gegensatz zu den \u00fcbrigen Gruppen bietet endlich die letzte von mir abgeschiedene VI. Grupp\u00a9 der Taubstummen mit der ansehnlichen Zahl von 33 Geh\u00f6rorganen.\nHier finden wir durchg\u00e4ngig nur geringere, grofsenteils sogar nur ganz unbedeutende Defekte am oberen und unteren Ende der Tonskala. Sowohl die Ausdehnung der H\u00f6rstrecke als die Perzeptionsdauer f\u00fcr die einzelnen darauf gepr\u00fcften T\u00f6ne im ganzen Verlauf der Strecke w\u00fcrde hier f\u00fcr ein Verstehen der Sprache meistenteils gen\u00fcgend, teilweise sogar sicher vollkommen ausreichend sein. \u2014 Trotzdem haben alle diese Kinder die Sprache entweder gar nicht oder doch nur so mangelhaft erlernt, dafs sie in der Taubstummenanstalt untergebracht werden mufsten.\nDas gute H\u00f6rverm\u00f6gen, welches hier f\u00fcr die Tonreihe gefunden wurde, l\u00e4fst uns f\u00fcr diese F\u00e4lle gr\u00f6fsere Zerst\u00f6rungen im Labyrinth oder im Verlauf des H\u00f6rnerven ausschliefsen, es bleibt uns also hier nur \u00fcbrig, als Grund f\u00fcr die Taubstummheit zerebrale Ver\u00e4nderungen anzunehmen.\nDie VI. Gruppe ist das Bild, unter welchem uns die Erkrankungen der zentralen H\u00f6rsph\u00e4re entgegentreten, w\u00e4hrend die Inseln und L\u00fccken, zum Teil auch die kleineren H\u00f6rstrecken der III., IV. und V. Gruppe, als partielle Zerst\u00f6rungen in der Schnecke, in seltenen F\u00e4llen vielleicht auch in den Acusticus-bahnen des Hirnstammes, angesprochen werden d\u00fcrfen.\nErst grofse, konsequent durchgef\u00fchrte Untersuchungsreihen mit der kontinuierlichen Tonreihe am Lebenden k\u00f6nnen allm\u00e4hlich das Material vorbereiten, um die Theorie von Helmholtz auch auf pathologisch-anatomischem Wege sicher zu stellen.\nDiese Aufgabe geht aber \u00fcber die Leistungsf\u00e4higkeit des Einzelnen hinaus und verlangt die th\u00e4tige Mith\u00fclfe nicht nur der gesamten Otologen, sondern auch weiterer wissenschaftlicher Kreise, zu welcher ich hiermit eine Anregung gegeben haben m\u00f6chte.","page":174}],"identifier":"lit30909","issued":"1897","language":"de","pages":"161-174","startpages":"161","title":"Demonstration einer kontinuierlichen Tonreihe zum Nachweis von Geh\u00f6rdefekten, insbesondere bei Taubstummen, und die Bedeutung ihres Nachweises f\u00fcr die Helmholtzsche Theorie","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:24:50.499952+00:00"}