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{"created":"2022-01-31T14:41:13.706171+00:00","id":"lit30926","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pilzecker, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 229-232","fulltext":[{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n229\ndingungen entschieden ung\u00fcnstig wirkten. Sobald aber die Addierarbeit auf 2 Stunden ausgedehnt wurde, war die Wirkung der viertelst\u00fcndigen Pause entgegengesetzt: sie wurde eine g\u00fcnstige, w\u00e4hrend sie bei ein-st\u00fcndiger Arbeit eine ung\u00fcnstige gewesen war. Die entschieden ung\u00fcnstige Einwirkung einer viertelst\u00fcndigen Pause bei einst\u00fcndigem Addieren stellt sich n\u00e4mlich nur dann ein, wenn die Versuchsperson, wie in den AMBERGschen Versuchen, die Resultate fortlaufend niederschreibt. Dieses Mederschreiben erfordert eine hinzukommende Einstellung der Augen- und Handmuskeln, f\u00fcr welche die \u00dcbung, wie Kontrollversuche lehren, bei der Arbeit sehr rasch ansteigt und namentlich bei Auf h\u00f6ren der Arbeit sehr rasch abf\u00e4llt. Bei den leichten Additionen der Oehrn-AMBER\u00f6schen Versuchsanordnung mufs dieses Ansteigen und Sinken der \u00dcbung des Mederschreibens besonders stark zur Geltung kommen. Die \u201eAnregung\u201c, welche A. zur Erkl\u00e4rung seiner Ergebnisse hypothetisch konstruiert, ist nur eine besondere Form der \u00dcbung. Bei anderer Versuchsanordnung f\u00e4llt denn auch in der That der ung\u00fcnstige Einflufs der Pausen fast ganz fort. Richtig und interessant ist nur die von A. fest gestellte Thatsache, dafs Erholungspausen im allgemeinen um so g\u00fcnstiger wirken, je gr\u00f6fser der Grad der schon eingetretenen Erm\u00fcdung ist. Die Wirkung einer Pause h\u00e4ngt also wesentlich von dem Zustand ab, in welchem sich der Arbeitende in den verschiedenen Abschnitten seiner Th\u00e4tigkeit befindet.\tZiehen (Jena).\nH. Bergson. M\u00e9moire et reconnaissance. Lev. philos. Bd. 41. S. 225\u2014248 u. S. 380-399. 1896. (No. 3 u. 4.)\nVerfasser unterscheidet in den beiden Abhandlungen, die einen kurzen Auszug aus einem demn\u00e4chst erscheinenden Buche bilden, zwei theoretisch von einander unabh\u00e4ngige Arten von Ged\u00e4chtnis, von denen das erste alle Ereignisse unseres t\u00e4glichen Lebens mit ihren Besonderheiten nach Farbe, r\u00e4umlicher und zeitlicher Anordung u. dergl. in Form von Vorstellungsbildern aufspeichert. Dieses spontan wirkende Ged\u00e4chtnis bildet das eigentliche Ged\u00e4chtnis. Jenes andere, von den Psychologen in der Regel in den Vordergrund gestellt^, welches durch Wiederholung der\u2019 einem einzelnen Akt ersterer Art innewohnenden Bewegungsenergie einen m\u00f6glichst grofsen Nutzeffekt zu erreichen sucht, ist weiter nichts als eine \u201evom Ged\u00e4chtnis erleuchtete k\u00f6rperliche Gewohnheit.\u201c Es ist vom Willen abh\u00e4ngig.\nVerfasser verwirft alle Theorien, welche das Wiedererkennen aus der Fusion eines \u00e4lteren bewufsten oder latenten Vorstellungsbildes mit einer Wahrnehmung erkl\u00e4ren. Denn es giebt F\u00e4lle von Seelenblindheit, wo die visuellen Vorstellungsbilder erhalten sind, und Charcots bekannter Fall lehrte umgekehrt, dafs, wo alle visuellen Vorstellungsbilder fehlten, nicht alles Wiedererkennen verloren war.\nEin gew\u00f6hnliches Objekt wiedererkennen, heifst, es zu gebrauchen wissen. Wir empfinden beim Anblick bekannter Objekte Bewegungcantriebe, welche die fortdauernde Wirkung fr\u00fcher gehabter Wahr-","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nLitteraturbericht.\nnehmungen sind. Denn jede Wahrnehmung lebt fort als Bewegungsantrieb, und je \u00f6fter sie dagewesen ist, eine um so festere Verbindung tritt zwischen dem sensoriellen Eindruck und der Bewegung, \u201ewelche ihn nutzbar macht\u201c, ein. Und das Gef\u00fchl des Wiedererkennens hat seine Wurzel in jenem Auftreten von begleitenden Bewegungstendenzen bei der Wahrnehmung bekannter Objekte.\nMit diesem mechanisch zu st\u00e4nde kommenden Wiedererkennen verbindet sich meistens ein solches vermittelst alter Vorstellungsbilder. Wenn die Bewegungsimpulse, welche von den gegenw\u00e4rtigen Wahrnehmungen ausgehen, sich mit solchen decken, die von fr\u00fcheren Vorstellungsbildern herstammen, so verst\u00e4rken sie sich gegenseitig und bringen das alte Vorstellungsbild gelegentlich wieder zur Erscheinung. Je nachdem nun eines dieser beiden Bestandteile des Wiedererkennens, die alten Vorstellungsbilder oder die Verbindung zwischen der Wahrnehmung und den sie gewohnheitsm\u00e4fsig begleitenden Bewegungen, fehlen, lassen sich zwei Formen von Seelenblindheit unterscheiden. Das mangelnde Orientierungsverm\u00f6gen, das Unverm\u00f6gen zusammenh\u00e4ngend zu zeichnen, die Wortblindheit sind f\u00fcr die zweitgenannte Form charakteristisch.\nEs giebt jedoch noch eine zweite Art des Wiedererkennens. Hier haben die von fr\u00fcheren Wahrnehmungen zur\u00fcckgebliebenen Bewegungstendenzen nicht das praktische Ziel einer Handlung, sie dienen vielmehr dazu, die Spuren von mit der Gegenwart analogen Vorstellungsbildern in gesetzm\u00e4fsiger Weise herbeizuf\u00fchren. W\u00e4hrend Verfasser jenes erste auf praktische Zwecke gerichtete Wiedererkennen auch mit Unaufmerksamkeit, Zerstreutheit identifiziert, nennt er letzteres Aufmerksamkeit.\nAufmerksamkeit ist ihm nicht nur eine allgemeine k\u00f6rperliche Adaptation; sie umfafst ein Verzichten des Geistes auf den praktischen Nutzeffekt der vorliegenden Wahrnehmung, somit eine Bewegungshemmung. Zu dieser negativen tritt nun aber positive Leistung der Aufmerksamkeit hinzu. \u201eWenn die \u00e4ufsere Wahrnehmung wirklich unsererseits Bewegungen hervorruft, die sie in grofsen Strichen umzeichnen, so richtet unser Ged\u00e4chtnis auf die erhaltene Wahrnehmung die alten Vorstellungsbilder, die ihr \u00e4hneln, und von denen unsere Bewegungen bereits eine Skizze entworfen haben. Es schafft so die gegenw\u00e4rtige Wahrnehmung von neuem oder verdoppelt sie vielmehr, indem es dieser ihr eigenes Bild zuschickt oder irgend ein Erinnerungsbild gleicher Art. Gen\u00fcgt das wiedererweckte Bild nicht, um alle Einzelheiten des wahrgenommenen Bildes zu decken, so wird ein Befehl an tiefere und entlegenere Regionen des Ged\u00e4chtnisses gerichtet, bis andere bekannte Einzelheiten sich auf diejenigen projizieren, die man nicht kennt. Und diese Operation kann sich endlos fortsetzen, indem das Ged\u00e4chtnis die Wahrnehmung verst\u00e4rkt und bereichert, die ihrerseits, je mehr sie sich entwickelt, eine wachsende Anzahl erg\u00e4nzender Erinnerungen an sich zieht.\u201c Diesen Prozefs denkt sich B. als einen Kreislauf, in dem alle Elemente, das wahrgenommene Objekt inbegriffen, sich im Zustande gegenseitiger Spannung halten wie in einem elektrischen Stromkreis, so dafs irgend eine vom Objekt ausgehende Erregung auf","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n231\ndem Wege in die Tiefen des Geistes nicht aufgehalten werden kann : sie mufs immer zum Objekt selbst zur\u00fcckkehren. Der Mechanismus dieses aufmerksamen Wiedererkennens wird im einzelnen nacbzuweisen versucht an dem Beispiel des H\u00f6rens einer artikulierten Sprache.\nZum Verstehen einer neuen Sprache gen\u00fcge nicht der Besitz und die M\u00f6glichkeit der [Reproduktion der Wortklangbilder. Ebensowenig sei die Worttaubheit bei gesundem Sinnesorgan allein durch den Verlust der Wortklangbilder oder die St\u00f6rung der Leitungsbahnen nach dem Sitze derselben schon erkl\u00e4rt. Immer bliebe noch die Frage offen, durch welchen Mechanismus der sonore Zusammenhang, der sich dem Ohre zun\u00e4chst darbietet, in Worte und Silben zerlegt werde. Nach B. geschieht dies durch eine \u201emotorische Begleitung\u201c. Wir sind gewohnt, die geh\u00f6rten Worteindr\u00fccke durch automatische Bewegungen innerlich zu begleiten, and erhalten so ein motorisches Schema der geh\u00f6rten Sprache. \u201eSein Ohr an die Bestandteile einer neuen Sprache gew\u00f6hnen, best\u00fcnde also weder in einer Modifikation des rohen Schalles, noch in der Beif\u00fcgung eines Vorstellungsbildes dazu 5 es bedeutete eine [Koordination der motorischen Tendenzen der Stimmmuskeln mit den Geh\u00f6rseindr\u00fccken, es bedeutete eine Vervollkommnung der motorischen Begleitung.\u201c Dies motorische Schema, womit wir die geh\u00f6rten Klangmassen skandieren, denkt sich B. gewissermafsen als eine Skizze der zum Aussprechen jener Worte n\u00f6tigen Bewegungen. Gewisse F\u00e4lle von Worttaubheit bei intaktem Sinnesorgan und erhaltenen Wortklangbildern erkl\u00e4rt er nicht wie bisher durch Leitungsst\u00f6rungen vom Sinneszentrum zu jenem Zentrum der Wortklangbilder, sondern durch eine St\u00f6rung dieses motorischen Schemas.\nSoll das attentive Wiedererkennen nun ein intellektuelles werden, so m\u00fcssen Vorstellungsmassen in Wirkung treten. B. verwirft jedoch g\u00e4nzlich die Ansicht, dafs es sich hierbei um erneute Th\u00e4tigseit physikalisch-chemisch modifizierter Grofshirnzellen handle. W\u00fcrde das Gehirn in dieser Weise Vorstellungen aufspeichein, so m\u00fcfste es von jedem Worte viele Tausende distinkter Bilder haben, je nachdem es mit h\u00f6herer oder tieferer Stimme ausgesprochen wurde. Dafs wir ferner nicht Worte, sondern gleich Phrasen erlernen, spr\u00e4che ebenfalls gegen ein solches Aufspeichern der einzelnen Wortbilder im Gehirn. Bei wirklicher sensorieller Aphasie endlich handle es sich um eine progressive \\ erminderung einer wohl lokalisierten Funktion, der F\u00e4higkeit n\u00e4mlich, die Wortbilder zu aktualisieren, weil die dazu n\u00f6tigen motorischen H\u00fclfsmittel verloren gegangen seien. Auch lehre die Selbstbeobachtung im Falle, wo wir auf Gesprochenes h\u00f6ren, nicht, dafs die Sinneseindr\u00fccke ihre Bilder suchen gehen. Die wissenschaftliche Zerlegung des Vorganges dabei in drei Abschnitte, in den rohen \u00e4ufseren Geh\u00f6rseindruck, das Wortklangbild und die sich anschliefsenden (zum Verst\u00e4ndnis des Geh\u00f6rten f\u00fchrenden) Ideen zerreifse den ununterbrochenen Vorgang und drehe ihn um: von den Ideen m\u00fcsse man ausgehen, welchen die Geh\u00f6rsvorstellungen ihre feste Verkn\u00fcpfung verdanken, w\u00e4hrend letztere ihrerseits die blofsen Geh\u00f6rseindr\u00fccke vervollst\u00e4ndigten. Die Erkl\u00e4rung der sensoriellen Aphasien sei durch die verkehrte Annahme zuerst eines, dann einer","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nLitter aturbericht.\nganzen Beihe yon Vorstellungszentren, die auf transkortikalen Wegen mit den verschiedenen Sprachzentren verbunden seien, zu immer ver-wickelteren Schematen gef\u00fchrt worden, ohne doch die Komplexit\u00e4t der Wirklichkeit zu umfassen.\nZum Schlufs entwickelt Verfasser seinen Standpunkt kurz dahin, dafs er mit W\u00fcndt hei aller distinkten Wahrnehmung einen zentrifugalen neben dem zentripetalen Nervenprozefs annimmt. Derselbe geht aus von Vorstellungszentren, in denen B. aber nur Zentren der Gruppierung von Einzelempfindungen sieht, Organe virtueller Wahrnehmung, die unter dem Einfl\u00fcsse der Zwecke der Erinnerung stehen, ebenso wie es Organe der reellen Wahrnehmung giebt, die unter dem Einfl\u00fcsse der Wirkung der Objekte stehen. Der charakteristische Prozefs des Wiedererkennens ist nicht der zentripetale, sondern der zentrifugale.\nA. Pilzecker (G\u00f6ttingen).\nG. Aschaffenburg. Experimentelle Studien \u00fcber Assoziationen. Psychol.\nArbeiten, herausgeg. von E. Kraepelin. Bd. 1. H. 2 u. 3. S. 209\u2014299. 1895-\nA. hat Untersuchungen \u00fcber die assoziative Th\u00e4tigkeit in normalem Zustande und in der Ersch\u00f6pfung angestellt. Die Ersch\u00f6pfung, f\u00fcr welche \u00fcbrigens eine scharfe Definition nicht gegeben wird, wurde durch durchwachte und durcharbeitete N\u00e4chte erzeugt. Vom Mittag an wurde Thee, Alkohol und Nikotin vermieden, w\u00e4hrend des Tages die gew\u00f6hnliche Berufsarbeit verrichtet; von 8 Uhr abends an \u2014 eine Stunde nach dem Nachtmahl \u2014 wurde mit kurzen, in einzelnen Versuchsn\u00e4chten nur minutenlangen Pausen durchgearbeitet bis zur gleichen Stunde des anderen Morgens. Die Versuchspersonen experimentierten gegenseitig aneinander. Aufser Wasser wurde keine Nahrung genommen. Im Laufe einer Versuchsnacht wurde die assoziative Th\u00e4tigkeit viermal untersucht. Folgende Methoden kamen zur Anwendung:\n1.\tDer Versuchsperson wurde ein Wort zugerufen, und sie mufste mit m\u00f6glichster Geschwindigkeit eine bestimmte Zeit lang niederschreiben, was ihr einfiel.\n2.\tDie Versuchsperson hatte jedesmal auf drei zugerufene Beiz-worte nur das erste auftauchende Beaktionswort auszusprechen oder hinzuschreiben.\nDie zweite Methode wurde oft mit Zeitmessung verbunden, und zwar in der von Kraepelin angegebenen Weise. Aufser einsilbigen kamen auch zweisilbige Worte zur Verwendung. Den Fehler, welcher bei letzteren bekanntlich durch Verz\u00f6gerung des Beginnes der assoziativen Verwertung entsteht, hat A. auf 72 g (m V d~ 34 o) berechnet.\nDie Assoziationen klassifiziert A. in folgender Weise:\nI. Unmittelbare Assoziationen.\nA. Beizwort dem Sinne nach richtig aufgefafst. a) Innere Assoziationen.\n1.\tAssoziationen nach Koordination und Subordination.\n2.\tAssoziationen nach pr\u00e4dikativer Beziehung.\n3.\tKausalabh\u00e4ngige Assoziationen.","page":232}],"identifier":"lit30926","issued":"1897","language":"de","pages":"229-232","startpages":"229","title":"H. Bergson: M\u00e9moire et reconnaissance. Rev. philos. Bd. 41. S. 225-248 u. S. 380-399. 1896. (No. 3 u. 4.)","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:41:13.706177+00:00"}