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{"created":"2022-01-31T14:54:42.087740+00:00","id":"lit30935","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 350-352","fulltext":[{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"Litt eraturb ericht.\nP. Flechsig. Gehirn und Seele, Rede, gehalten am 81. Okt. 1894 in der Universit\u00e4tskirche zu Leipzig. 2. Aufl. Leipzig, Veit & Co. 1896\u00bb 112 S.\nDie Rede Flechsigs liegt bereits in 2. Auflage vor. Es sind zahlreiche, z. T. sehr ausf\u00fchrliche Anmerkungen und f\u00fcnf ausgezeichnete Tafeln hinzugekommen. Weitaus das Hauptinteresse konzentriert sich auf Anm. 29, in welcher Verfasser die Hauptresultate seiner Untersuchungen \u00fcber die Sinnessph\u00e4ren und Assoziationszentren kurz im Zusammenhang wiedergiebt. Fl. unterscheidet Sinnessph\u00e4ren und Assoziationszentren in der Hirnrinde. Erstere decken sich etwa mit dem, was andere Autoren einschliefslich des Referenten als Empfindungsfelder bezeichnet haben, letztere mit den Erinnerungsfeldern derselben Autoren. Fl. definiert die Sinnessph\u00e4re anatomisch als diejenigen Rindenbezirke, welche mit einem Stabkranz versehen sind. An jedes sensible Projektionsfeld gliedert sich stets ein motorisches an. Die sensomotorischen Projektionsfelder liegen nicht alle zusammen, sondern bilden gewissermafsen Inseln auf der Hirnoberfl\u00e4che, welche durch eines Stabkranzes entbehrende Gebiete (Assoziationszentren) getrennt sind. Fl. unterscheidet vier solcher Inseln:\n1. Die K\u00f6rperf\u00fchlsph\u00e4re. Ihr Stabkranz entwickelt sich in mehreren Abs\u00e4tzen. Die hintere Grenze entspricht meist dem Sulcus post-centralis und dem Ramus ascendens des Sulcus callosomarginalis. Beim achtmonatlichen Foetus finden sich nur in den Zentral Windungen, und zwar namentlich in der hinteren und zum kleineren Teil auch in der oberen H\u00e4lfte der vorderen, markhaltige Fasern, welche direkt mit dem Hauptteil der Schleifenschicht, dem \u00e4ufseren Sehh\u00fcgelkern, dem roten Haubenkern und den Bindearmen Zusammenh\u00e4ngen. Diese Leitungen sind zum gr\u00f6fseren Teil sensibel. Mit der Markumh\u00fcllung der Pyramidenbahnen im neunten Monat l\u00e4uft die Markumh\u00fcllung der Stab kranzb\u00fcndel des Lobus paracentralis, des Gyrus centr. ant. und des hinteren Teils der ersten Stirnwindung parallel; in diesen Gebieten ist also ganz besonders der Ursprung der Pyramidenbahnen zu suchen. Im ersten extrauterinen Monat kommen Stabkranzb\u00fcndel hinzu, welche aus der dritten Stirnwindung, dem hintersten Teil der zweiten Stirnwindung und dem mittleren Drittel des Gyrus fornicatus entspringen. 1\u20142 Monate sp\u00e4ter endlich erfolgt die Markumh\u00fcllung der frontalen Grofshirnrinden-Br\u00fccken-","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n351\nbalm, welche wahrscheinlich die Rumpf-, Nacken- und Augenmuskeln innerviert. Der Geschmack ist nach Fl. gleichfalls an die K\u00f6rperf\u00fchlsph\u00e4ren gebunden. Insofern klinische und experimentelle Erfahrungen darauf hinweisen, dafs die R\u00fcckwirkungen der Affekte auf den Zir-kulations- und Respirationsapparat gleichfalls von der F\u00fchlsph\u00e4re ausgehen, kann man schliefsen, dafs in letzterer \u201eauch die Gef\u00fchle zum Bewufstsein kommen, welche durch diese k\u00f6rperlichen R\u00fcckwirkungen entstehen und einen steigernden Einflufs auf die Affekte aus\u00fcben\u201c. Die F\u00fchlsph\u00e4re erscheint hiernach geradezu als \u201eein Zentralherd der Affekte\u201c.\n2.\tDie Riechsph\u00e4re. Ihr Stabkranz, der Tractus olfactorius, erh\u00e4lt sein Mark erst nach den sensiblen Leitungen der Zentralwindungen. Auf die eingehenden Er\u00f6rterungen \u00fcber die Faserbeziehungen des Gyrus hippocampi, welche Fl. hier einf\u00fcgt, kann nur verwiesen werden.\n3.\tDie Sehsph\u00e4re. Die Fasern der Macula lutea gelangen direkt nur in den \u00e4ufseren Knieh\u00f6cker, und die Fasern des letzteren enden aus-schliefslich in der Wand der Fissura calcarina.\n4.\tDie H\u00f6rsph\u00e4re. Zu ihr geh\u00f6ren aufser dem freiliegenden Teile der ersten Schl\u00e4fenwindung auch die in der Tiefe der Fossa Sylvii liegenden Querwindungen des Schl\u00e4fenlappens. Die temporale Grofshirn-rinden-Br\u00fcckenbahn betrachtet Fl. als motorisch (Kopf- und Rumpfdrehungen auf Geh\u00f6rsempfindungen).\nIn der ersten Ausgabe seiner Rede unterschied Flechsig noch vier Assoziationszentren, jetzt nur noch drei:\n1.\tDas hintere grofse Assoziationszentrum. Es umfafst den Praecuneus, die gesamten Scheitelwindungen, Teile des Gyrus lingualis, die Spindelwindung, die zweite und dritte Schl\u00e4fenwindung und die vorderen auf der Aufsenfl\u00e4che des Gehirns gelegenen Abschnitte aller drei Occipitalwindungen. In dem ganzen Gebiet findet man \u00fcbereinstimmend den f\u00fcnfschichtigen Typus Meynerts besonders rein ausgepr\u00e4gt. Am fr\u00fchesten umkleiden sich die aus dem occipitalen Teile entspringenden Assoziationsfasern mit Mark.\n2.\tDas mittlere Assoziationszentrum. Es deckt sich mit der Insula Reilii. Diese \u201emacht anatomisch betrachtet wie klinisch den Eindruck eines Zentrums, welches s\u00e4mtliche an der Sprache beteiligten motorischen und sensiblen Rindenfelder zu einem einheitlichen Ganzen zusammenf\u00fcgt\u201c. Bekanntlich findet sich auch hier der regul\u00e4re f\u00fcnfschichtige Typus Meynerts.\n3.\tDas vordere Assoziationszentrum. Es begreift in sich die vordere H\u00e4lfte der ersten und den gr\u00f6fsten Teil der zweiten Stirnwindung; von der Basis des Stirnlappens geh\u00f6rt insbesondere der Gyrus rectus dazu. Der Bau der Rinde ist auch hier wiederum der regul\u00e4re f\u00fcnfschichtige. Gr\u00f6fsere Pyramidenzellen sind selten. Sicher nachweisen lassen sich vorl\u00e4ufig nur assoziative Verbindungen mit der Riech- und der K\u00f6rperf\u00fchlsph\u00e4re. Hierdurch glaubt Fl. die Annahme nahegelegt, dafs insbesondere die Erinnerungsbilder von allerhand Lust- und Unlustgef\u00fchlen, von Triebregungen, von Bewegungen, Bewegungsreihen und","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nLitter atwrbericht.\nHandlungen, also die wesentlichen Komponenten des Pers\u00f6nlichkeits-bewufstseins und die wichtigsten Regulatoren f\u00fcr das Handeln, an die frontalen Assoziationszentren gebunden sind.\nAusgiebige Verbindungen mit dem Balken kommen nur dem vorderen und hinteren Assoziationszentrum zu. \u201eDie Insel hat schon hiernach eine mehr lokale Bedeutung, f\u00fcr die geistigen Vorg\u00e4nge im ganzen und grofsen kommen mehr die anderen Zentren in Betracht.\nDa die direkten Verbindungen des vorderen und hinteren Assoziationszentrums untereinander relativ sp\u00e4rlich sind, m\u00f6chte Dl. noch einen indirekten Zusammenhang durch Vermittelung der K\u00f6rperf\u00fchlsph\u00e4re annehmen. Hierdurch w\u00fcrde letztere auch f\u00fcr die Einheitlichkeit des geistigen Lebens \u00fcberhaupt eine besondere Bedeutung gewinnen.\nBei der Hausmaus und dem Hamster vermifst Fl. die Assoziationszentren noch vollst\u00e4ndig. Sinnessph\u00e4re st\u00f6fst an Sinnessph\u00e4re, so dafs die ganze Hirnrinde bis auf wenige ganz schmale Streifchen nur Projektionsfasern erkennen l\u00e4fst. Auch bei den Carnivoren sind die Assoziationszentren noch klein \u2014 Fl. erinnert z. B. an das \u201edurch Rindenreizung abgrenzbare frontale Zentrum des Hundes\u201c. Erst in der Reihe der katarrhinen Affen erlangen die Assoziationszentren die gleiche Ausdehnung wie die Sinneszentren, und erst bei dem Menschen wachsen sie dar\u00fcber hinaus.\nIn Anm. 31 giebt \u00fcbrigens Fl. ausdr\u00fccklich zu, dafs die Elemente des Assoziationssystems auch auf die Sinneszentren \u00fcbergehen. W\u00e4hrend aber die Assoziationszentren keine anderen Elemente enthalten, kommen den Sinneszentren aufserdem noch spezifische Elemente (Spindelzellen des G-yrus fornicatus, K\u00f6rner der Sehsph\u00e4re, Riesenzellen der Zentralwindungen, Zylinderzellen der H\u00f6rsph\u00e4re etc.) zu. \u2014 Die Assoziationsneurone einer Sinnessph\u00e4re bilden sich ausnahmslos nach den Projektionsneuronen. In der Tastsph\u00e4re Neugeborener sind markhaltige, zu Assoziationsneuronen geh\u00f6rige Fasern nicht aufzufinden. Unter den Assoziationsfasem entwickeln sich die Balkenfasern auff\u00e4llig fr\u00fch.\nIn der Feststellung der soeben im Auszug mitgeteilten anatomischen Thatsachen liegt die Hauptbedeutung der FLECHSioschen Schrift. Die psychologischen Er\u00f6rterungen, welche Fl. an die anatomischen Thatsachen kn\u00fcpft, sind zum Teil sehr bestreitbar. Die Mahnung aber, welche Fl. im Vorwort (S. 7) an die Psychologie und Psychiatrie richtet, verdient gerade heute die allergr\u00f6fste Beachtung. Mit gerechtem Hohn wendet er sich gegen den \u201eHochmut des Nichtwissens\u201c mancher Verfasser verbreiteter psychiatrischer Lehrb\u00fccher und, wie Referent wohl hinzusetzen darf, psychologischer Arbeiten, welche \u201emit der Verachtung der Hirnanatomie als brauchbarer Grundlage f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis krankhafter Geisteszust\u00e4nde geradezu prunken und dies als Beweis besonders reifer psychiatrischer Erfahrung hinzustellen versuchen.\u201c\nZiehen (Jena).\nOscar Cbrisman. Paidologie. Entwurf zu einer Wissenschaft des Kindes.\nInaug.-Dissert., Jena 1896. 96 Seiten.\nDer dieser f\u00fcr eine Promotionsschrift ungew\u00f6hnlich umfangreichen Arbeit zu Grunde liegende Gedanke ist die Zusammenfassung alles dessen,","page":352}],"identifier":"lit30935","issued":"1897","language":"de","pages":"350-352","startpages":"350","title":"P. Flechsig: Gehirn und Seele. Rede, gehalten am 31. Okt. 1894 in der Universit\u00e4tskirche zu Leipzig. 2. Aufl. Leipzig, Veit & Co. 1896. 112 S.","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:54:42.087746+00:00"}