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{"created":"2022-01-31T15:00:17.450207+00:00","id":"lit30940","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Barth, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 357-358","fulltext":[{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Litter atmbericht.\n357\nJacques Lourbet. La femme devant la science contemporaine. Paris, F. Alcan. 1896. 179 S.\nLourbet will die Notwendigkeit and Zweckm\u00e4fsigkeit der v\u00f6lligen Emanzipation der Frauen beweisen und bem\u00fcht sich, alle dagegen erhobenen Einw\u00e4nde zu widerlegen. Da der Fall ein sehr komplizierter ist, in den die verschiedensten Momente hineinspielen, und die Einw\u00e4nde selten auf alle Seiten der Komplikation R\u00fccksicht nehmen, so ist ihre Widerlegung eine sehr gute Gelegenheit zu allerlei methodologischen und logischen Unterscheidungen, die der Verfasser in verdienstlicher Weise ausn\u00fctzt.\nL. behandelt zun\u00e4chst die Frage der Sensibilit\u00e4t der Frau. Lombroso und Sergi halten sie f\u00fcr geringer als die m\u00e4nnliche, Dehn und Galton f\u00fcr feiner. Also stehen nicht einmal die Thatsachen fest. Aber selbst wenn die Empfindungen des Weibes an Zahl geringer w\u00e4ren, so ist nichts ausgemacht \u00fcber ihre Qualit\u00e4t, d. h. ihre \u00dcbereinstimmung mit den Objekten, die sich jeder Messung entzieht, noch \u00fcber die Intelligenz, f\u00fcr die die Empfindungen blofs Rohmaterial sind, die diese zu neuen Gebilden verarbeitet. Endlich ist es nicht unm\u00f6glich, dafs es aufser den bekannten noch andere unbekannte, beim Weibe sch\u00e4rfer funktionierende Sinne g\u00e4be.\nNicht besser steht es um die Streitfrage der Gr\u00f6fse des Gehirns. Auch hier widersprechen sich die anatomischen Annahmen. Nach Par-chappe und Marshall haben Menschen von gr\u00f6fserer Gestalt ein nicht blofs absolut, sondern auch relativ gr\u00f6fseres Gehirn als die kleineren Gestalten, die M\u00e4nner also, weil durchschnittlich gr\u00f6fser, ein relativ gr\u00f6fseres Gehirn als die Frauen; nach Topinard verh\u00e4lt es sich gerade umgekehrt. Aber selbst wenn die M\u00e4nner ein relativ gr\u00f6fseres Gehirn h\u00e4tten, so bewiese dies nichts f\u00fcr geistige H\u00f6he, deren die Mongolen doch entbehren, obgleich sie gr\u00f6fsere Gehirne haben als andere Rassen. Ebenso wenig beweise die gr\u00f6fsere Zahl der Windungen bei den M\u00e4nnern. Denn das Schaf hat auch viel Windungen, ohne Intelligenz, wogegen der sehr intelligente Biber sehr wenig Windungen hat. Wenn man aber, das Verh\u00e4ltnis umkehrend, aus der gr\u00f6fseren geistigen Th\u00e4tigkeit des Mannes behaupte, auch sein Gehirn m\u00fcsse gr\u00f6fser oder gefurchter werden, nach dem Grundsatz: la fonction fait Torgane, so darf man nicht vergessen, dafs dieser Grundsatz experimentell bisher nur f\u00fcr den Muskel festgestellt ist, dafs man dasselbe Verhalten f\u00fcr das Gehirn blofs deduziert und man mit Deduktionen vorsichtig sein mufs, dafs wir bisher nur f\u00fcr drei Zust\u00e4nde der Materie, den festen, fl\u00fcssigen und den gasf\u00f6rmigen, die Gesetze kennen, dafs ein vierter, der strahlende (L. denkt hier wohl an Crookes), eben erst entdeckt worden ist, das Denken aber wom\u00f6glich auf einem f\u00fcnften Zustande beruht, dessen Gesetze uns noch ganz unbekannt sind.\nWenn man die geistige Minderwertigkeit des Weibes aus der bisherigen Geschichte ihrer Gewohnheiten und Leistungen ableiten will, so ist auch hier das \u201ewissenschaftliche Vorurteil\u201c, die \u00dcbersch\u00e4tzung der unvollst\u00e4ndigen Induktion, zu bek\u00e4mpfen. Die Frau, dem Manne unterworfen, verwirklichte nur ein vom Manne aufgestelltes Ideal durch","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nLitter aturbericht.\n\u201eUnterw\u00fcrfigkeit und Arbeit\u201c, sie durfte nicht ihr eigenes Leben leben. Die Vererbung, die ja auch m\u00e4nnliche Elemente, wie man erwarten sollte, h\u00e4tte heimischen m\u00fcssen, konnte den Zustand des Weibes nicht bessern. Denn erfahrungsgem\u00e4fs geht sie \u00f6fter einseitig vom Weibe zur Tochter und vom Manne zum Sohn, als \u00fcbers Kreuz. Und doch selbst in dieser Lage war und ist die Frau noch erfinderisch, am meisten auf dem Gebiete der Toilette. Ihre wahren F\u00e4higkeiten blieben also bisher virtuell, werden sich aber mit der Freiheit gl\u00e4nzend offenbaren.\nWenn man endlich eine Beziehung zwischen Geschlechtsleben und geistigem Leben in der Weise konstruiert, dafs sie sich gegenseitig hemmen, die Frau aber, weil wesentlich Geschlechtswesen, in geistiger Hinsicht immer im Nachteil bleiben m\u00fcsse, so vergifst man, dafs das Geschlechtsleben, z. B. Schwangerschaft, die allgemeine Energie erh\u00f6ht, also auch das geistige Leben steigern k\u00f6nne; was aber den Mutterberuf der Frau betrifft, so geht durch die Verringerung der Sterblichkeit der Kinder die Entwickelung dahin, dafs ohne Schaden f\u00fcr die Gesamtheit f\u00fcr die einzelne Frau die Zahl der Geburten beschr\u00e4nkt werde. Mit Hecht verspottet L. auch das Bestreben Fouill\u00e9es und Sabatiers, aus dem Verhalten des Samenfadens und des Eies schon den ganzen Unterschied der Geschlechtscharaktere zu deduzieren.\nDies die wesentlichsten Gedanken des Buches. Abgesehen von dem sehr hypothetischen, \u201estrahlenden\u201c und dem \u201epsychischen\u201c Zustande der Materie kann man ihm streng induktives Denken und eine reiche Sammlung von Thatsachen nicht absprechen. P. Barth (Leipzig).\nTh. Flournoy. Observations sur quelques types de r\u00e9action simple. Genf, Eggimann, 1896. 42 S. (Communiqu\u00e9 \u00e0 la Soci\u00e9t\u00e9 de physique et d'histoire naturelle de Gen\u00e8ve dans sa s\u00e9ance du 19 mars 1896).\nDie Stellung, die der Verfasser zu Langes Gesetz \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von sensorischer zu motorischer Reaktion einnimmt, f\u00e4llt im wesentlichen mit der Baldwins zusammen. Er bestreitet die ausschliefs-liche Geltung dieses Gesetzes und h\u00e4lt den Hinweis auf allf\u00e4lligen Mangel an \u00dcbung bei Personen, deren Reaktionsweise ihm widerspricht, f\u00fcr unzul\u00e4ssig. Da sich zudem seine Ausf\u00fchrungen auf eine ziemlich breite experimentelle Grundlage st\u00fctzen (25000Zeiten von ungef\u00e4hr 70Individuen), so bilden sie eine wesentliche Verst\u00e4rkung der Position von Langes Gegnern, ohne \u00fcbrigens direkt in die zwischen Baldwin und Titchener schwebende Diskussion einzugreifen. Auch geht seine \u00dcbereinstimmung mit Baldwin nicht so weit, dafs er dessen \u201etype-theory\u201c, insofern sie den Reaktionstypus auf den des innerlichen Sprechens zur\u00fcckf\u00fchrt und die Zul\u00e4ssigkeit des Schliefsens vom einen auf den andern betont, anerkennen wollte. Die Versuche Flournoys, die immer auch auf Ermittelung des inneren Sprachtypus Bedacht nehmen, lassen h\u00f6chstens die Annahme zu, dafs allenfalls der allgemeine Ged\u00e4chtnistypus einer Person f\u00fcr ihre Reaktionsweise von bestimmendem Einflufs ist. Und noch in einem Punkte geht Flournoy \u00fcber Baldwin hinaus. Er stellt n\u00e4mlich dem motorischen Typus Langes nicht nur einen, den sensorischen, gegen\u00fcber, sondern glaubt ausserdem noch einen \u201ezentralen\u201c und einen \u201eindifferenten\u201c","page":358}],"identifier":"lit30940","issued":"1897","language":"de","pages":"357-358","startpages":"357","title":"Jacques Lourbet: La femme devant la science contemporaine. Paris, F. Alcan. 1896. 179 S.","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:00:17.450212+00:00"}