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{"created":"2022-01-31T15:21:49.524344+00:00","id":"lit30950","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Marbe, Karl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 365-371","fulltext":[{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n365\nperipherische Nervendurchschneidungen. K\u00e4lte und W\u00e4rme wirken lokal auf die Hautgef\u00e4fse des operierten Tieres im Bereich des Hinterk\u00f6rpers ebenso wie im Bereich des Yorderk\u00f6rpers. Dagegen ist es unm\u00f6glich, die Hautgef\u00e4fse des Hinterk\u00f6rpers von entfernten Punkten zu beeinflussen. Die Regulierung der Blutw\u00e4rme ist nur in den ersten Wochen gest\u00f6rt, sp\u00e4ter kehrt sie zur\u00fcck. Nach einfacher Durchschneidung kommt gesteigerte Schweifssekretion vor, nach Exstirpation wurde Schweifsabsonderung \u00fcberhaupt niemals beobachtet.\nDie Schwere und Ausbreitung einerseits und andererseits den sp\u00e4teren Ausgleich der L\u00e4hmungserscheinungen unmittelbar nach der Operation erkl\u00e4ren die Verfasser im Sinne einer Shockwirkung oder Hemmung. Auch bei den h\u00f6heren Tieren und dem Menschen sind die wichtigsten Lebensvorg\u00e4nge \u2014 so formulieren die Verfasser selbst das Hauptergebnis ihrer grundlegenden Untersuchungen \u2014 dezentralisiert, unter der Shockwirkung leiden sie daher nur vor\u00fcbergehend.\nZiehen (Jena).\nVictor Urbantschitsch. \u00dcber die vom Geh\u00f6rorgan auf den motorischen Apparat des Auges stattfindenden Reflexeinwirkungen. Wien, hlin. Wochenschr. Bd. IX, 1. S. 1\u20143. 1896.\nVerfasser bemerkt, dafs die vom Ohre auf den Bewegungsapparat des Auges zuweilen ausl\u00f6sbaren Reflexeinwirkungen aufser in ohren\u00e4rztlichen Kreisen wenig beobachtet worden sind, weshalb er eine Zusammenstellung der bisher beschriebenen F\u00e4lle und solcher aus eigener Beobachtung giebt.\nAm h\u00e4ufigsten ist Nystagmus zu konstatieren, welcher vom \u00e4ufseren, mittleren oder inneren Ohre sowie vom Acusticusstamme selbst oder durch eine akustische Erregung ausgel\u00f6st werden kann und dabei gew\u00f6hnlich als Nystagmus oscillatorius, seltener als Nystagmus rotatorius auftritt. Strabismus als eine vom Geh\u00f6rorgane ausgehende Reflexerscheinung scheint selten vorzukommen, da aufser einem Fall von Lucae und zweien vom Verfasser publizierten F\u00e4llen keine weitere Mitteilung hier\u00fcber vorliegt. Genau beobachtet wurde ein Fall von L\u00e4hmung des Musculus trochlearis im Gefolge einer eiterigen Mittelohrentz\u00fcndung von Moos und Becker. Bisweilen kommt auch Pupillenerweiterung oder -Verengung als eine vom Geh\u00f6rorgane ausgehende reflektorische Einwirkung vor.\nTheodor Heller (Wien).\nFr. Schenck. \u00dcber intermittierende Netzhantreizung 1. Mitteilung: \u00dcber den Einfiufs von Augenbewegungen auf die Beobachtung rotierender Scheiben zur intermittierenden Netzhautreizung. Pfl\u00fcgers Arch. Bd. 64. S. 165-178. 1896.\nVerfasser teilt in der ersten H\u00e4lfte der Abhandlung eine Reihe teils von Fick, teils von ihm selbst ersonnener Experimente mit, welche","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nLitteraturbericht.\ndie Ficxsche Ansicht, dafs die sogenannten Thatsachen der Konturenbewegung durch Augenbewegungen begr\u00fcndet seien, beweisen sollen. Klebt man auf die Trommel eines Kymographions oder auf die Glasplatte des Pendelmyographions ein Linienblatt in der Weise auf, dafs die Linien senkrecht zur Bewegungsrichtung stehen, so werden die einzelnen Linien bei einer gewissen Bewegungsgeschwindigkeit unsichtbar. Die Geschwindigkeit, bei welcher dies eintritt, ist viel geringer, wenn man das Linienblatt durch einen Spalt, alswenn man es mit freiem Auge betrachtet. Beobachtet man rotierende Scheiben durch einen Spalt, so tritt das Ph\u00e4nomen der sogenannten Konturenbewegung nur in geringem Grade oder \u00fcberhaupt nicht ein. Verfasser zeigt dies an Scheiben, deren Sektorenzahl zwischen 6 und 64 schwankte. Die entsprechenden kritischen Periodenzahlen variierten, w\u00e4hrend durch einen Spalt beobachtet wurde, f\u00fcr den einen Beobachter zwischen ca. 39 und 49 in der Sekunde, indem sie mit zunehmender Sektorenzahl allm\u00e4hlich stiegen, bei dem anderen Beobachter zwischen 38 und 41, ohne dafs ein gesetzm\u00e4fsiger Verlauf derselben h\u00e4tte konstatiert werden k\u00f6nnen. Bei dem ersten Beobachter ist also der Einflufs der Konturenbewegung unbedeutend, bei dem zweiten garnicht vorhanden gewesen. Stellt man auf einer Scheibe zwei konzentrische, abwechselnd weifs und schwarze Ringe her, von denen der innere ca. 2, der \u00e4ufsere ca. 3 cm breit ist, so tritt die Verschmelzung in beiden Ringen ungef\u00e4hr zu gleicher Zeit ein, ja im inneren schon bei geringerer Rotationsgeschwindigkeit als im \u00e4ufseren, obgleich sich in jenem die Konturen langsamer bewegen.\nDieser letzte Versuch soll zeigen, dafs die Langsamkeit der Konturenbewegung f\u00fcr die Verschmelzung nicht ung\u00fcnstig ist. Aus den \u00fcbrigen angef\u00fchrten Versuchsergebnissen schliefst Verfasser, dafs die von Filehne1 ausgesprochene und vom Referenten2 ausf\u00fchrlich begr\u00fcndete Ansicht, nach welcher die Geschwindigkeit der Konturenbewegung die Verschmelzung beeinflusse, unrichtig sei. Wir folgten vielmehr, wenn wir eine ganze Scheibe betrachteten, den Sektoren mit den Augen. Die FiLEHNESchen Thatsachen seien daher durch Augenbewegungen begr\u00fcndet, die ausblieben, wenn das Auge durch ein kleines Beobachtungsfeld zur Fixation gen\u00f6tigt sei.\nDen sehr naheliegenden Einwand, dafs die Beobachtung durch einen Spalt die Gr\u00f6fse der Fl\u00e4che, deren Helligkeit sich ver\u00e4ndere, ganz betr\u00e4chtlich reduziere und dafs dieser die Verschmelzung beg\u00fcnstigende3 Umstand der Grund f\u00fcr die Ergebnisse der Spaltbeobachtungen sein k\u00f6nne, sucht Schenck durch ein weiteres Experiment zu widerlegen. Ein auf die Glasplatte des Pendelmyographions aufgeklebtes Linienblatt wurde durch ein und denselben 1 mm breiten Spalt beobachtet, der aber das eine Mal senkrecht, das andere Mal parallel zur Bewegungsrichtung des Blattes aufgestellt war. \u201eEs zeigte sich nun bei einer gewissen Bewegungsgeschwindigkeit das erste Mal schon ganz deutlich Verschmelzung\n1\tGr\u00e4fes Arch. Bd. 31. Abt. 2. S. 20.\n2\tPhilos. Stud. Bd. XII. S. 288 ff.\n3\tBaader, Dm, Freiburg, 1891. S. 33 f.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Litter atuf bericht.\n367\nder Lichteindr\u00fccke, bei derselben Geschwindigkeit aber das zweite Mal noch erhebliches Flimmern. Hier ist in beiden F\u00e4llen die Gr\u00f6fse des \u201eGesichtsfeldes\u201c dieselbe, dagegen der Zwang zur Fixation bei der ersten Anordnung gr\u00f6fser, als bei der zweiten.\u201c Demnach kann nach Schenck die Gr\u00f6fse des Beobachtungsfeldes \u201emindestens nicht allein die Ursache\u201c seiner Ergebnisse sein : dieselben m\u00fcssen wenigstens teilweise vom verschiedenen Grad der Fixation abh\u00e4ngen.\nDem Referenten dagegen scheint dieses letzte Experiment nur die verst\u00e4ndliche Thatsache zu zeigen, dafs es bei gleicher Gr\u00f6fse des Beobachtungsfeldes darauf ankommt, was in diesem Beobachtungsfeld vorgeht. Wenn ich ein bewegtes Linienblatt im einen Falle durch einen 1 mm breiten, l\u00e4nglichen Spalt betrachte, der parallel zu den Linien verl\u00e4uft, und im anderen Falle durch einen Spalt, der senkrecht zu ihnen steht, so wirken im zweiten Falle in jedem Zeitelement eine ganze Reihe k\u00fcrzerer Linien auf mein Auge, im ersten Falle nur wenige l\u00e4ngere Linien. Da eine ganz einfache Betrachtung im Anschlufs an meine Theorie der Konturenbewegung zeigt, dafs im ersten Falle die Erregungsunterschiede benachbarter Netzhautstellen in jedem Zeitelement geringer sind, als im zweiten, so stimmt dieses Versuchsergebnis aufs beste mit meiner Theorie \u00fcberein. Ich bin daher allerdings der Meinung, dafs die ScHENCKschen Ergebnisse lediglich direkte Folgen der kleinen Beobachtungsfelder sind. Werden die Beobachtungsfelder erheblich verkleinert, so werden, wie gerade aus den ScHENCKschen Beobachtungen folgt, die f\u00fcr die Verschmelzung erforderlichen Periodenzahlen ver-h\u00e4ltnism\u00e4fsig kleiner, so dafs die z. B. aus der Sektorenzahl resultierenden Einfl\u00fcsse auf die Periodenzahl weniger deutlich oder eventuell auch gar nicht mehr hervortreten.\nAuch das Experiment mit den beiden konzentrischen Ringen kann nicht gegen die Theorie der Konturenbewegung angef\u00fchrt werden ; allerdings bewegen sich die Konturen im \u00e4ufseren Ring schneller als im inneren, aber in diesem sind die Felder viel kleiner als im \u00e4ufseren Ring, Dafs jedoch die Kleinheit der Felder als solche (wegen der partiellen Mischung durch Juxtaposition, d. i. \u00dcberdeckung auf der Retina) f\u00fcr die Verschmelzung g\u00fcnstig ist, hat Referent schon fr\u00fcher wahrscheinlich zu machen versucht.1 \u00dcbrigens w\u00fcrde man auch ohne dies aus dem Experiment mit den zwei Ringen keinen Schlufs ziehen d\u00fcrfen, da sie unter g\u00e4nzlich verschiedenen Bedingungen stehen, verschiedene Breite, ver^ schiedene Ausdehnung und versctdedene Umgebungen haben.\nWenn nach allem Vorhergehenden die Mitteilungen Schencks nicht ausreichen, die Theorie der Konturenbewegung umzust\u00fcrzen, so ist seine eigene Theorie aus inneren Gr\u00fcnden unhaltbar. Dafs man bei Beobachtung ganzer Scheiben einen Zwang zur Verfolgung der Sektoren mit den Augen empfinde, oder dafs beim Beobachten Augenbewegungen bemerkbar seien, behauptet Schenck nicht. Dies ist thats\u00e4chlich auch aus-\nA. a. O. p. 290. Anm. Aus demselben Gesichtspunkte lassen sich auch die Versuche von Baader und Schenck, welche dieser auf S. 177 f. anf\u00fchrt, erkl\u00e4ren.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nLitteraturbericht.\ngeschlossen, ersteres schon deshalb, weil man bei schnell rotierenden, noch nicht vollst\u00e4ndig verschmelzenden Scheiben die Bewegungsrichtung der Sektoren gar nicht erkennen kann. Die fraglichen Augenbewegungen m\u00fcfsten deshalb ohne Mitwirkung des Bewufstseins zu st\u00e4nde kommen, sie w\u00e4ren daher rein physiologische Reflexprozesse, und zwar m\u00fcfste das Auge nicht nur reflektorisch den Sektoren eine kleine Strecke folgen, sondern auch wieder von selbst in seine urspr\u00fcngliche Stellung zur\u00fcckkehren. Diese Fixationsschwankungen m\u00fcfsten ganz regelm\u00e4fsig verlaufen, da ja die Zahlen, die man bei Versuchen \u00fcber Konturenbewegung erh\u00e4lt, nicht etwa ganz schwankend, sondern f\u00fcr dieselben physikalischen Bedingungen ebenso \u00fcbereinstimmend sind, wie bei anderen Versuchen \u00fcber intermittierende G-esichtsreizung. Ich glaube nicht, dafs jemand geneigt sein wird, so exakt verlaufende, stets unter der Schwelle liegende, biologisch h\u00f6chst unzweckm\u00e4fsige, weil \u00fcberfl\u00fcssige Augenbewegungen anzunehmen.\nDes Referenten Sache ist es durchaus nicht, eine einmal vertretene Theorie um jeden Preis zu halten. Dafs aber die Theorie der Konturenbewegung die richtige sei, daf\u00fcr sprechen allerdings Experimente \u00fcber den Tastsinn, die Referent in einem der n\u00e4chsten Hefte der Philosophischen Studien publizieren wird. Die Geschwindigkeit, die ein Uhrr\u00e4dchen von 80 Z\u00e4hnen haben mufs, um eine konstante Empfindung zu erzeugen, d. h. um glatt zu erscheinen, ist gr\u00f6fser als die H\u00e4lfte der Geschwindigkeit, die f\u00fcr ein R\u00e4dchen von 40 Z\u00e4hnen im entsprechenden Falle erforderlich ist. Die sogenannten Thatsachen der Konturenbewegung gelten also auch f\u00fcr den Tastsinn. Nach der Theorie des Referenten ist dies selbstverst\u00e4ndlich. Mit der Theorie der Augenbewegungen wird man es wohl nicht im Ernste in Einklang bringen wollen.\nIm zweiten Teile der Abhandlung bespricht Verfasser die allgemeine Theorie des TALBOTSchen Gesetzes, welche Referent aufgestellt hat.1 Schenck h\u00e4lt diese Theorie nicht f\u00fcr falsch, sondern f\u00fcr \u00fcbereinstimmend mit den Ausf\u00fchrungen von Fick,2 Exneb,3 und Boas,4 und er betrachtet sie deshalb als ein \u00fcberfl\u00fcssiges Unternehmen. Um die Unrichtigkeit dieser Behauptung vollkommen deutlich zu machen, mufs ich den wesentlichen Inhalt meiner Theorie kurz hierhersetzen.\nUnter photochemischem Elementareffekt verstehe ich die in einem Zeitelemente auf einen K\u00f6rper wirkende Lichtintensit\u00e4t. Wenn wir das Zeitelement zu 1 ff rechnen, so ist die Empfindung f\u00fcr jeden Retinapunkt in jedem Zeitelement eine Funktion des gleichzeitigen und einiger direkt vorangehender Elementareffekte, d. h. der charakteristischen Effektengruppe. Dafs gleichen charakteristischen Effektengruppen unter sonst vollkommen gleichen Bedingungen gleiche Empfindungen entsprechen, ist selbstverst\u00e4ndlich. Aus den bekannten Thatsachen der\n1\tA. a. O. S. 283 ff.\n2\tArch. f. Anat. u. Physiol. 1863. S. 739 ff., und Hermanns Handb. d. Physiol. Bd. III. S. 211 ff.\n3\tPfl\u00fcgers Arch. Bd. III. S. 217 ff.\n4\tWied. Ann. N. F. Bd. 16. S. 359 ff.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n3e>y\nUnterschiedsempfindlichkeit folgt aber, dafs nicht nur absolut gleichen, sondern auch gen\u00fcgend \u00e4hnlichen charakteristischen Effektengruppen gleiche Empfindungen entsprechen. \u2014 Die w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit (z. B. zwei Minuten) aufeinanderfolgenden charakterischen Effektengruppen sind nun unter sich um so \u00e4hnlicher, je kleiner erstens die Zeiten sind, innerhalb welcher gleich viel Licht ins Auge f\u00e4llt, und zweitens je geringer die mittlere Variation der photochemischen Elementareffekte innerhalb dieser Zeiten ist. Je mehr diese beiden Momente \u25a0erf\u00fcllt sind, desto \u00e4hnlicher sind auch die charakteristischen Effektengruppen mit denjenigen, welche vorhanden w\u00e4ren, wenn die Lichtverteilung w\u00e4hrend der zwei Minuten absolut gleichm\u00e4fsig w\u00e4re. Denn eine absolut gleichm\u00e4fsige Lichtverteilung kann angesehen werden als Grenze einer ungleichm\u00e4fsigen, bei welcher die mittlere Variation der einer charakteristischen Effektengruppe angeh\u00f6rigen Elementareffekte gleich Null wird, oder als Grenze einer ungleichm\u00e4fsigen Lichtverteilung, bei welcher die Zeiten, innerhalb deren gleich viel Licht ins Auge f\u00e4llt, unendlich klein werden.\nNun wird durch Vergr\u00f6fserung des Unterschiedes der Beizdauern, durch Verminderung des Unterschiedes der Beizintensit\u00e4ten die mittlere Variation der Elementareffekte verringert, durch Verminderung der Beizdauern aber werden die Zeiten, innerhalb deren gleich viel Licht ins Auge f\u00e4llt, verkleinert. Alle drei Momente m\u00fcssen also, wenn sie gen\u00fcgend zur Anwendung gebracht werden, nach dem Vorhergehenden eine konstante Empfindung erzeugen, und zwar speziell diejenige, welche bei gleich-m\u00e4fsiger Lichtverteilung vorhanden w\u00e4re.\nDafs die Verst\u00e4rkung der Gesamtintensit\u00e4t der Beize die Verschmelzung beg\u00fcnstigt, erkl\u00e4rt sich dadurch, dafs, unserer Kenntnis der Unterschiedsempfindlichkeit entsprechend, der Unterschied, den zwei charakteristische Effektengruppen haben d\u00fcrfen, um eben noch gleiche Erregungen zu erzeugen, mit der mittleren Gr\u00f6fse der Elementareffekte w\u00e4chst.\nMan sieht, dafs diese Theorie zu der mit unseren psychophysischen Grundanschauungen aufs beste \u00fcbereinstimmenden Ansicht f\u00fchrt, dafs gleichen psychischen Prozessen gleiche physiologische Prozesse entsprechen, m\u00f6gen die korrespondierenden Beize immerhin verschieden sein. Ob ein Beiz w\u00e4hrend zwei Minuten konstant, ein st\u00e4rkerer (mit gr\u00f6fserer oder geringerer Geschwindigkeit) successive und periodisch auf das Auge wirkt, ist demnach nach meiner Theorie f\u00fcr die Erregung ganz gleichg\u00fcltig, wofern nur die aufeinanderfolgenden charakteristischen Effektengruppen gen\u00fcgend \u00e4hnlich sind. Dafs dieselben zur Erzeugung gleicher Erregungen nicht absolut gleich sein m\u00fcssen, ist aus dem psychophysischen Gesetz (oder wie wir dasselbe allgemein und rein physiologisch ausdr\u00fccken k\u00f6nnen), aus dem Gesetz der Tr\u00e4gheit sehr einleuchtend. Die f\u00fcr die Empfindungen charakteristischen Erregungsschwankungen h\u00f6ren also auf, wenn die aufeinanderfolgenden charakteristischen Effektengruppen einen gewissen Grad von \u00c4hnlichkeit erreicht haben.1\n1 Wenn Schenck S. 178 annimmt, dafs zwei benachbarte Netzhautpunkte, auch wenn ihnen gleiche Empfindungen entspr\u00e4chen, doch ver-\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIII.\t24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nLitter atur bericht.\nNach Fick und Exner dagegen k\u00f6nnen dieselben Empfindungen aus ganz verschiedenen physiologischen Vorg\u00e4ngen resultieren: ein konstanter Reiz erzeugt immer eine konstante Erregung, und wenn wir eine rotierende Scheibe in der Sekunde sich auch eine Million mal drehen lassen, in dem Moment, wo der weifse Sektor das Auge reizt, ist der f\u00fcr die Empfindung, mafsgebende photochemische Prozefs stets intensiver als in dem Moment,, wo der schwarze Sektor wirkt. Aber wie die Erregungen auch schwanken m\u00f6gen, wir erhalten konstante Empfindungen, wenn nur die Erregungsschwankungen so klein sind, dafs wir sie nicht \u2014 \u201ebemerken!\u201c\nMit diesem Worte wird die vom Referenten gel\u00f6ste Frage,, warum wir eben die dem TALBOTSchen Gesetze entsprechenden Empfindungen erhalten, von Fick und Exner erledigt. Wenn wir dies erw\u00e4gen, und ferner bedenken, dafs diese exakt und eventuell \u00fcberaus schnell verlaufenden Intensit\u00e4tsschwankungen des photochemischen Prozesses, die mit unserer Kenntnis von der Tr\u00e4gheit der retinalen Vorg\u00e4nge im grellsten Widerspruche stehen, von Fick und Exner aus dem TALBOTSchen Gesetz deduziert werden, w\u00e4hrend eine Theorie des Talbot-schen Satzes logischerweise doch den TiLBOTSchen Satz zu deduzieren hat, \u2014 so sind wir dar\u00fcber orientiert, ob Sceenck mit, Recht sagen durfte, dafs des Referenten Theorie mit den Auffassungen Picks und Exners im wesentlichen identisch sei. Dafs Fick in allgemein gehaltenen Ausf\u00fchrungen das TALBOTSche Gesetz auf das Tr\u00e4gheitsgesetz gr\u00fcndet, was Schenck anf\u00fchrt, ist freilich richtig. Aber nicht auf die allgemeine Behauptung einer Beziehung des TALBOTSchen Gesetzes zum Tr\u00e4gheitsgesetz kommt es an, sondern vielmehr auf eine spezielle Ableitung.\nBoas zeigt, dafs die Erregungsschwankungen periodische Funktionen der Zeit sind, und dafs sie um so kleiner werden, je k\u00fcrzer die Periodendauer ist. Die \u201eErfahrung\u201c lehre, dafs die Schwankungen bei hinreichend kurzer Dauer der Periode f\u00fcr die Empfindung unmerkbar w\u00fcrden. Indem Boas daher f\u00fcr die w\u00e4hrend einer Periode aufeinanderfolgenden Erregungszust\u00e4nde den Mittelwert einsetzt, gewinnt er eine Formel, aus der allerdings folgt, dafs die Empfindungen gleich bleiben,, wenn bei gen\u00fcgend oft unterbrochenen Reizen das Verh\u00e4ltnis der ganzen Periode zu der des Reizes konstant bleibt. Auch Boas nimmt jedoch an, dafs die f\u00fcr die Empfindung in Betracht kommenden Erregungen auch bei konstanten Empfindungen schwanken, und er ist gen\u00f6tigt, f\u00fcr.\nschieden erregt sein k\u00f6nnten, so stimmt dies nicht mit meinen Auffassungen \u00fcberein. Die Unterschiede der erregten nebeneinanderliegenden Netzhautpunkte sind allerdings um so gr\u00f6fser, je langsamer die Konturen sich bewegen. Nichtsdestoweniger bin ich (auf die Thatsachen der Unterschiedsempfindlichkeit gest\u00fctzt) der Meinung, dafs bei einer gewissen Geschwindigkeit der Konturenbewegung (bei derjenigen, bei welcher Verschmelzung eintritt) diese Unterschiede gleich Null werden. Ich gebe gerne zu, dafs diese Ansicht aus meiner Theorie der Konturenbewegung nicht oder mindestens nicht deutlich hervorgeht. Indessen ist dieser Gegenstand unabh\u00e4ngig von meiner Allgemeinen Theorie des TALBOTSchen Gesetzes und der ScHENCKschen Kritik derselben.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturbericht.\n371\ndie einzelnen Perioden den Mittelwert der Erregung einzusetzen, da die Erfahrung hierzu berechtige. Was gerade zu erkl\u00e4ren ist, warum wir konstante Empfindungen erhalten, wird hier aus der \u201eErfahrung\u201c abgeleitet, d. h. nicht erkl\u00e4rt. Dafs ich meine Theorie f\u00fcr etwas Anderes halte, als die BoASSche Formel, beruht daher nicht auf einem \u201eMifs-verst\u00e4ndnis.\u201c Dafs \u00fcberhaupt periodische Erregungsschwankungen Vorkommen, was Schenck als eine Konsequenz meiner Theorie bezeichnet, habe ich niemals bestritten. Nur dafs diese Erregungsschwankungen auch bei der Verschmelzung Vorkommen, bestreite ich.\nDas endg\u00fcltige Resultat dieser beinahe allzulangen Ausf\u00fchrungen ist dies, dafs die ScHENCKSchen Darlegungen in allen wesentlichen Punkten als unzutreffend zu bezeichnen sind,\tKabl Marbe (W\u00fcrzburg).\nEr. Schenck. \u00dcber intermittierende Netzhautreizung. 2. Mitteilung. \u00dcber die Bestimmung der Helligkeit grauer und farbiger Pigmentpapiere mittelst intermittierender Netzhautreizung. Pfl\u00fcgers Arch. Bd. 64. S. 607\u2014628. 1896.\nVerfasser beschreibt eine photometrische Methode, die auf dem aus Nichols und Roods Untersuchungen resultierenden Satz beruht, dafs die Helligkeit eines Pigmentpapieres bestimmt ist durch die Helligkeit desjenigen grauen Papiers, das mit dem ersteren am leichtesten, d. h. bei der kleinsten Geschwindigkeit, zur Verschmelzung gebracht werden kann. Schenck bedeckt die H\u00e4lfte einer Kreisscheibe von 16 cm Durchmesser mit dem zu bestimmenden Papier. Die andere H\u00e4lfte der Scheibe ist in sechs gleich grofse Sektoren geteilt, innerhalb deren Schwarz undWeifs so verteilt ist, dafs in jedem konzentrischen Halbkreis der Gehalt an Schwarz proportional dem Abstand dieses Halbkreises vom innersten d. i. kleinsten Halbkreis ist. Vor der Scheibe wird ein Karton mit kleinem Loch von 1,5 mm2 mittels eines parallel zur Scheibe beweglichen Schlittens verschoben. Auf dem letzteren befindet sich direkt vor der Mitte des unteren Lochrandes eine Stecknadelspitze, \u00fcber weiche das Auge die Scheibe fixieren mufs. Der Versuch gestaltet sich dann so, dafs man der Scheibe eine Umdrehungsgeschwindigkeit giebt, bei welcher eine m\u00f6glichst kleine Zone zur Verschmelzung gelangt. Dann wird mittelst Verschiebung des Schlittens der Punkt der Skala gesucht, bei welchem man durch das Loch gerade die nicht flimmernde Zone sieht. Sucht man dann noch den dem Scheibenrand entsprechenden Skalenpunkt, so kann man aus beiden Daten die gesuchte Helligkeit berechnen.\nBei diesen Bestimmungen empfiehlt es sich, ganz dunkeln Pigmenten Weifs ganz hellen Schwarz hinzuzusetzen. Von grofser Wichtigkeit ist es, die Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe m\u00f6glichst langsam und den Spalt bei einem Schlittenabstand von 25 cm nicht gr\u00f6fser als 1,5 mm2 zu nehmen, weil man nur so relativ genau auf die flimmernde Zone einstellen kann. Wird der Spalt zu grofs genommen oder eine zu grofse Rotationsgeschwindigkeit, d. i. eine zu grofse verschmelzende Zone, angewandt, so entstehen Fehler, die infolge des Einflusses der Unterschiedsempfindlichkeit auf das Verschmelzungsph\u00e4nomen mit der mittleren Intensit\u00e4t der Reize wachsen.\n24*","page":371}],"identifier":"lit30950","issued":"1897","language":"de","pages":"365-371","startpages":"365","title":"Fr. Schenck: \u00dcber intermittierende Netzhautreizung 1. Mitteilung: \u00dcber den Einflu\u00df von Augenbewegungen auf die Beobachtung rotierender Scheiben zur intermittierenden Netzhautreizung. Pfl\u00fcgers Arch. Bd. 64. S. 165-178. 1896","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:21:49.524350+00:00"}