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{"created":"2022-01-31T13:58:13.291574+00:00","id":"lit3096","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 1: 337-378","fulltext":[{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\nVon\nW. Wundt.\nIn einer im 17. Bande der \u00bbPhilosophischen Monatshefte\u00ab (Seite 558 \u2014 602) erschienenen Abhandlung hat J. Baumann die in der 2. Auflage meiner \u00bbGrundz\u00fcge der physiologischen Psychologie\u00ab enthaltene Darstellung der Lehre vom Willen einer eingehenden Kritik unterzogen. Die Gesichtspunkte, die hei der gew\u00f6hnlichen Auffassung des Willens ma\u00dfgebend sind, werden in dieser Abhandlung mit dankenswerther Klarheit entwickelt und damit die von mir vorgetragenen Ansichten verglichen. Schlie\u00dflich entscheidet sich der Verfasser zu Gunsten der herk\u00f6mmlichen Lehre, die er schon fr\u00fcher in seinem \u00bbHandbuch der Moral\u00ab speciell im Anschluss an die Arbeiten von Lotze und Bain mannigfach verwerthet hatte, und zugleich sucht er nachzuweisen, dass meine entgegengesetzte Anschauung theils auf einer \u00fcberfl\u00fcssigen oder unzul\u00e4ssigen Begriflserweiterung beruhe, theils von metaphysischen Ansichten in bedenklicher Weise beeinflusst Sei. Das Ergebniss seiner Kritik fasst Baumann in folgenden Worten zusammen :\n\u00bbNach dein vorherrschenden Sprachgebrauch des gebildeten Lebens und der Wissenschaft ist Wille der geistige Zustand, wo mit Vorstellung und Werthsch\u00e4tzung innere oder zugleich auch \u00e4u\u00dfere Be-th\u00e4tigung zur Realisirung des werthgesch\u00e4tzten Inhalts oder zur Nichtrealisirung des in der Sch\u00e4tzung Verworfenen eintritt. Nach Wundt ist Wille innere Th\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt, besonders aber die Steigerung innerer Th\u00e4tigkeit, welche bei Lust- oder Unlustgef\u00fchlen eintritt. Nach der gew\u00f6hnlichen Ansicht ist somit Wille eine beson-Wundt, Phil. Studien. I.\t23","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nW. Wundt.\ndere Art der inneren Th\u00e4tigkeit, nach Wundt ist Wille innere, besonders verst\u00e4rkende Th\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt. Soweit die Differenz ein blo\u00dfer Unterschied im Sprachgebrauch war, lag kein Bed\u00fcrfniss f\u00fcr den Wundt\u2019schen Sprachgebrauch vor. Denn dass es innere und innere verst\u00e4rkende Th\u00e4tigkeit g\u00e4be. hat die gew\u00f6hnliche Ansicht vom Willen nicht geleugnet, sie hat sie nur eben innere Th\u00e4tigkeit oder Spontaneit\u00e4t genannt. Aber es ist keine blo\u00dfe Wortdifferenz; denn die gew\u00f6hnliche Ansicht vom Willen wird dazu gef\u00fchrt, den Willen \u00fcberhaupt, nicht blo\u00df die willk\u00fcrlichen Bewegungen, aus urspr\u00fcnglich unwillk\u00fcrlichen Beth\u00e4tigungen (leiblichen und geistigen Trieben u. \u00e4.) sich herausbilden zu lassen. Erst sind ihr die logischen, \u00e4sthetischen, sittlichen Elemente etc. spontan da , wenn auch zum Theil unter Anregung von au\u00dfen, dann entwickelt sich daraus erst der Wille, logisch, \u00e4sthetisch, sittlich u. s. w. zu denken und zu handeln. Besonders ausgef\u00fchrt war diese Entwicklung des Willens an den willk\u00fcrlichen Bewegungen, wreil der Fall am complicirtesten liegt Wundt bestreitet diese Herleitung des Willens aus unwillk\u00fcrlichen geistigen und leiblichen Beth\u00e4tigungen mit aus dem Grunde, weil ihm besonders die Herleitung der willk\u00fcrlichen K\u00f6rperbewegungen aus unwillk\u00fcrlichen zum Dualismus oder zur monadologischen Seelenansicht zu f\u00fchren scheint, die nach ihm f\u00fcr eine abschlie\u00dfende Auffassung des seelischen Lebens un\u00fcberwindliche Schwierigkeiten bietet, Wille ist ihm eine Urthatsache der letzten Elemente \u00fcberhaupt, diese haben Empfindung und Bewegung zugleich, mindestens der Anlage, nach, und zwar verhalten sich beide wie Innen- und Au\u00dfenseiter, Dieser metaphysischen Wendung seiner Willenslehre stellten wir ent* gegen die logische Undenkbarkeit dieses animistischen Monismus, wenn er streng gemeint ist, und seine Willk\u00fcrlichkeit, wenn er laxer gefasst wird.\u00ab\nIch habe gegen dieses Resum\u00e9 zun\u00e4chst zweierlei einzuwenden. Erstens hat es Baumann beliebt, die Beziehungen, die zwischen meiner psychologischen Willenstheorie und meiner metaphysischen Grundansicht stattfinden, umzukehren. Ich verwerfe nach ihm die gew\u00f6hnliche Willenslehre, weil sie zum Dualismus f\u00fchrt, und bin zn der meinigen gelangt, weil sie am besten mit meiner monistischen Anschauung \u00fcbereinstimmt. Dem gegen\u00fcber kann ich nur darauf hin-weisen, dass ich lediglich auf eine Pr\u00fcfung des objectiven Thatbestan-","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n339\ndes meine Auffassung vom Willen gegr\u00fcndet habe ; meine metaphysische Ansicht st\u00fctzt sich dann aber allerdings auf diese ebenso wie auf andere der psychologischen Erfahrung entnommene Anschauungen. Dieses Yerh\u00e4ltniss ist durch die Stellung, die ich der Kritik der metaphysischen Hypothesen in meinem Werke gegeben habe, so nachdr\u00fccklich betont, dass mir die Umkehrung desselben nicht berechtigt zu sein scheint. Zweitens hat Baumann diejenigen Punkte, in denen sich meine Auffassung des Willens von der gew\u00f6hnlichen unterscheidet, kaum in ganz zutreffender Weise bezeichnet. Es ist ohne Zweifel richtig, dass die gew\u00f6hnliche Ansicht neben dem Willen noch eine innere Th\u00e4tigkeit annimmt, die sie meistens als \u00bbSpontaneit\u00e4t\u00ab bezeichnet. Es ist ebenso richtig, dass diese Ansicht speciell in der von Bau mann vertretenen Richtung Vorstellungen, Werthsch\u00e4tzungen , allerlei Erfahrungen \u00fcber \u00e4u\u00dfere Beth\u00e4tigungen und schlie\u00dflich sogar logische, \u00e4sthetische, sittliche Elemente als die Bedingungen hinstellt, die der Entstehung des Willens zu Grunde liegen. Dass hier die verwickeltsten psychologischen Erlebnisse einer so fundamentalen Function wie dem Willen vorangehen sollen, ist gerade, wie ich nicht leugnen will, das erste Motiv gewesen, welches Zweifel an der Wahrheit dieser Willenstheorie in mir erweckte. Dagegen kann ich es Baumann nicht zugeben, dass nun nach meiner Ansicht der Wille nur als \u00bbinnere Th\u00e4tigkeit\u00ab oder auch als \u00bbinnere verst\u00e4rkende Th\u00e4tigkeit\u00ab zu definiren sei, bei der blo\u00df in nebens\u00e4chlicher Weise die etwa vorhandenen Lust- und Unlustgef\u00fchle in Betracht kommen. Vielmehr habe ich ausdr\u00fccklich mehrfach hervor^ gehoben, dass uns \u00fcberall Gef\u00fchle als die Motive des Willens erscheinen, und dass gerade diese Beziehung zu den Gef\u00fchlen die wesentliche Uebereinstimmung der gew\u00f6hnlich so genannten Willensth\u00e4tigkeit mit den einfacheren Formen spontaner Beth\u00e4tigung sicherstellt. Nicht darum also halte ich die gew\u00f6hnliche Willenstheorie f\u00fcr falsch, weil sie nicht den Begriff der Willensth\u00e4tigkeit in dem allgemeineren dej psychischen Th\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt aufgehen l\u00e4sst, sondern weil sie \u00fcbersieht, dass die n\u00e4mlichen psychischen Factoren, die sich an den entwickelteren Willenshandlungen betheiligen, auch bei jenen einfacheren inneren und \u00e4u\u00dferen Beth\u00e4tigungen bereits deutlich nachzuweisen sind.\nNachdem durch diese Vorbemerkungen einige Missverst\u00e4ndnisse,\n23*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nW. Wundt.\ndie auf Baumann\u2019s vergleichende Kritik eingewirkt haben, hoffentlich beseitigt sind, wende ich mich nunmehr zu einer eingehenderen Untersuchung der einzelnen Einw\u00fcrfe. Ich werde dabei die gew\u00f6hnliche Willenslehre etwas ausf\u00fchrlicher behandeln, als es in meiner \u00bbphysiologischen Psychologie\u00ab geschehen konnte, und ich freue mich, hier eine so vortreffliche Darstellung zu Grunde legen zu k\u00f6nnen, wie sie Baumann theils in der vorliegenden Kritik, theils und namentlich aber in dem ersten Abschnitt seines \u00bbHandbuchs der Moral\u00ab (Leipzig 1879) gegeben hat. In Bezug auf meine eigene Ansicht werde ich mich an dieser Stelle kurz fassen d\u00fcrfen. Es wird f\u00fcr den gegenw\u00e4rtigen Zweck gen\u00fcgen darzuthun, dass die gew\u00f6hnliche Willenstheorie durch die Widerspr\u00fcche, in die sie sich verwickelt, ganz von selbst zu derjenigen Anschauung getrieben wird, die ich auszuf\u00fchren versucht habe. Zum Schl\u00fcsse werde ich aber nicht umhin k\u00f6nnen, auch den metaphysischen Excurs, den Baumann seiner Kritik beigegeben, einer kurzen Beleuchtung zu unterziehen.\n1. Die Elemente der Willensth\u00e4tigkeit.\nBaumann beginnt seine Er\u00f6rterungen mit dem Satze, dass im Begriff des Willens, wie er sich \u00bbim gebildeten Leben und in der Wissenschaft\u00ab festgestellt habe, drei Merkmale vereinigt seien : 1) ein vorgestellter Inhalt, 2) ein Werthurtheil bez\u00fcglich dieses Inhalts und 3) eine innere oder zugleich auch \u00e4u\u00dfere Beth\u00e4tigung zur Realisirung dieses Inhalts. *) Er hebt hervor, dass der Begriff in dieser Fassung auch in der Philosophie der allgemeing\u00fcltige sei, wof\u00fcr Kant, Herbart, Baumgarten und Sigwart als Beispiele citirt werden.\nIn seinem \u00bbHandbuch der Moral\u00ab hat Bau mann die Auffassung des Willens nicht als eine so einm\u00fcthige betrachtet. Hier ist viel von einer \u00bbfalschen Willenstheorie\u00ab des gew\u00f6hnlichen Lebens die Rede, bei der Vorstellen und Werthsch\u00e4tzung des Vorgestellten das Wesentliche des Willens ausmachen sollen, w\u00e4hrend das Eintreten von reali-sirender Th\u00e4tigkeit und Bewegung als ein Accessorisches angesehen werde.1 2) Auch auf die Philosophie habe diese falsche Willenstheorie\n1)\tPhil. Monatsh. S. 558.\n2)\tHandbuch der Moral, S. 14, 97 f.","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n341\nihren Einfluss ausge\u00fcbt, und es werden hier speciell Plato und Kant als ihre Vertreter angef\u00fchrt. Baumann h\u00e4tte vielleicht diese philosophische Wendung der Willenslehre treffender noch als eine besondere Form unterscheiden k\u00f6nnen. Denn indem hier, wie er richtig bemerkt, alles Wirken nach Analogie unseres h\u00f6heren Geisteslebens gedacht wird, erscheint der Wille als ein reines Werkzeug des Er-kennens, so dass schlie\u00dflich bei Kant die Forderung auftritt, der Wille habe sich von den an die wechselnden Gef\u00fchle und Strebungen gebundenen Werthurtheilen v\u00f6llig unabh\u00e4ngig zu machen und blo\u00df nach dem Erkenntnisswerth der Vorstellungen Handlungen hervor-zubringen. Darum ist es keine zuf\u00e4llige Unterlassung, wenn Kant an einer von Baumann citirten Stelle den Willen definift als \u00bbein Verm\u00f6gen, den Vorstellungen entsprechende Gegenst\u00e4nde entweder hervorzubringen oder doch sich selbst zur Bewirkung derselben zu bestimmen , das physische Verm\u00f6gen dazu m\u00f6ge nun hinreichend sein oder nicht\u00ab. Auch wird das hier hinweggebliebene Werthurtheil keineswegs in demjenigen Sinne, in welchem es Baumann f\u00fcr jedes Wollen verlangt, von Kant nachgeholt, wenn er in der Kritik der Urtheilskraft das Gute, als das Object des moralischen Wollens, als das bezeichnet, \u00bbwas vermittelst,der Vernunft durch den blo\u00dfen Begriff gef\u00e4llt\u00ab. Denn w\u00e4hrend Baumann das Werthurtheil aus einem Werth ge f\u00fchl von Lust oder Unlust hervorgehen l\u00e4sst, wird von Kant ausdr\u00fccklich verlangt, dass das moralische Werthurtheil von diesen Gef\u00fchlen v\u00f6llig unabh\u00e4ngig sei und sogar im Widerspruch mit ihnen vollzogen werde. Das ist aber nur m\u00f6glich, wenn man dem Erkennen, d. h. dem Verlauf der Vorstellungen, losgel\u00f6st von allen Gef\u00fchlen, die Macht zutraut, eine Willensth\u00e4tigkeit zu erzeugen.\nAus dem Gesagten ergibt sich schon, dass es kaum angemessen sein d\u00fcrfte, mit Baumann das Werthurtheil in eine allgemeine Definition des Willens aufzunehmen. Denn unter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine Zweideutigkeit. Man kann, wie es von Bau mann meines Erachtens mit Recht geschieht, ein Werthurtheil nur f\u00fcr vollziehbar halten auf Grund bestimmter Gef\u00fchle der Lust oder Unlust, des Gefallens oder Missfallens. Man kann aber auch m\u00f6glicher Weise mit Kant Werthurtheile statuiren, welche \u00bbdurch den blo\u00dfen Begriff\u00ab, d. h. auf Grund rein intellectueller Th\u00e4tigkeit gef\u00e4llt werden. L\u00f6sen wir demnach den Begriff des Werthurtheils in die Elemente auf, die","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nW. Wundt.\nman in verschiedenen F\u00e4llen in ihm unterscheidet, so zerf\u00e4llt die gew\u00f6hnliche Ansicht vom Willen wieder in drei Ansichten, zwischen denen sehr wesentliche Differenzpunkte bestehen. Die erste ist die popul\u00e4re, nach welcher ein vorgestellter Inhalt und ein daran geT kn\u00fcpftes Werthgef\u00fchl die wesentlichen Elemente des Willens sind, die darauf folgende Beth\u00e4tigung aber nur eine accessorische Bedeutung hat. Die zweite ist die Platonisch-Kantische, nach welcher ein vorgestellter Inhalt f\u00fcr sich gen\u00fcgt, einen Willensimpuls hervorzubringen, wenn auch nicht geleugnet wird, dass gelegentlich oder sogar h\u00e4ufig Gef\u00fchle den Willen sollicitiren k\u00f6nnen. Die dritte endlich ist diejenige, die von Baumann haupts\u00e4chlich im Anschl\u00fcsse an Bain und L o t z e entwickelt wird. Sie unterscheidet sich von der popul\u00e4ren Auffassung dadurch, dass sie die Beth\u00e4tigungen des Willens nicht als einen accessorischen Effect, sondern als dessen prim\u00e4re Bedingung ansieht. Jene Beth\u00e4tigungen m\u00fcssen als unwillk\u00fcrliche vorangegangen sein, damit der Wille sich ihrer bem\u00e4chtigen und sie seinen Zwecken dienstbar machen k\u00f6nne. Der Wille selbst entwickelt sich aber erst, indem die unwillk\u00fcrlichen Beth\u00e4tigungen, wie z. B. unwillk\u00fcrliche Associationen der Vorstellungen, automatische oder reflectorische Bewegungen , auf das Bewusstsein einwirken und in diesem die Vorstellung entstehen lassen, dass ihm aus eigener Macht eine Wiederholung jener unwillk\u00fcrlichen inneren oder \u00e4u\u00dferen Beth\u00e4tigungen m\u00f6glich sein werde. Der Act der Willensentstehung muss hier offenbar als eine Art Entdeckung angesehen werden, durch welche das Bewusstsein zu irgend einem Zeitpunkte seiner individuellen Entwicklung pl\u00f6tzlich in die Lage versetzt wird, Vorg\u00e4nge zu beherrschen, die bis dahin seiner Macht entzogen waren.\nMan sieht hieraus, dass die Ansichten \u00fcber die Natur des Willens keineswegs so \u00fcbereinstimmend sind, wie Baumann in seiner Kritik es darstellt, und dass die von ihm selbst vertretene Anschauung durchaus nicht identisch ist mit der \u00bb itii gebildeten Leben \u00ab allgemein gel\u00e4ufigen Auffassung des Willens. Insbesondere sind die drei von Baumann hervorgehobenen Merkmale nur dadurch geeignet, alle m\u00f6glichen Ansichten zu vereinigen, weil das Wort \u00bbWerthurtheil\u00ab eine Unbestimmtheit in sich schlie\u00dft, und weil es bei der \u00bbinneren oder \u00e4u\u00dferen Beth\u00e4tigung\u00ab dahin gestellt bleibt, ob man dieselbe als etwas Accessorisches oder umgekehrt als die prim\u00e4re Bedingung der Willens-","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n343\nth\u00e4tigkeit annehmen will. Diese Grenzen sind in der That weit genug, dass auch meine Willenstheorie noch in ihnen Platz finden k\u00f6nnte. Ich Iahe niemals behauptet, dass ein Wollen ohne einen vorgestellten Inhalt m\u00f6glich sei, auf den es sich bezieht. Ich habe stets Gef\u00fchle als die Motive der Willensth\u00e4tigkeit betont, und da Baumann selbst nicht selten den Ausdruck \u00bbWerthurtheil\u00ab mit \u00bbWerthgef\u00fchl\u00ab vertauscht, so ist anzunehmen, dass eine solche Motivirung des Wollens durch Gef\u00fchle von ihm unter die Werthurtheile subsumirt werde. Vollends dass innere und unter Umst\u00e4nden auch \u00e4u\u00dfere Beth\u00e4tigung ein wesentliches Merkmal des Willens sei, habe ich so entschieden hervorgehoben, dass bei Baumann sogar die Meinung entstehen konnte, ich betrachtete dies als das einzige Kennzeichen des Willens. Es versteht sich von selbst, dass eine Definition, die so Verschiedenartiges in sich fasst, der zureichenden Sch\u00e4rfe entbehren muss. Abgesehen von der wichtigen Frage, wie man sich das zeitliche Verh\u00e4ltniss der hier unterschiedenen Bewusstseinsacte denkt, sind es besonders die zwei Begriffe des \u00bbWerthurtheils\u00ab und der \u00bbBeth\u00e4tigung\u00ab, die offenbar eine etwas genauere Analyse erfordern.\nDer Begriff des Werthurtheils ist psychologisch ebenso wie im sprachlichen Ausdruck aus zwei Bestandtheilen zusammengef\u00fcgt. Der Werth, den ein Object f\u00fcr uns hat, beruht auf seinem Verh\u00e4lt-niss zu unsern Gef\u00fchlen, wir messen ihn nach den sinnlichen, \u00e4sthetischen, sittlichen Gef\u00fchlen, welche die Vorstellung des Objectes in uns anregt. In diesem Sinne k\u00f6nnten alle Gef\u00fchle ebenso gut Werthoder Unwerthgef\u00fchle wie Lust- oder Unlustgef\u00fchle genannt werden, und es besteht durchaus kein Unterschied, ob wir den Willen durch ein \u00bbWerthgef\u00fchl\u00ab, oder oh wir ihn schlechthin durch ein Gef\u00fchl bestimmt sein lassen. Anders ist es, wenn man ein Werthurtheil als Bedingung jeder Willensth\u00e4tigkeit hinstellt. Dieses enth\u00e4lt nicht blo\u00df ein Gef\u00fchl des Werthes oder Unwerthes einer Vorstellung, sondern au\u00dferdem einen Erkenntnissact, der sich auf jenes Gef\u00fchl bezieht. Bau mann braucht nun abwechselnd die Ausdr\u00fccke Werthurtheil und Werthgef\u00fchl, ohne dass sich deutlich erkennen lie\u00dfe, ob nach seiner Ansicht Gef\u00fchle als Motive des Willens zureichen, zu denen nur bisweilen noch ein Erkenntnissact hinzutrete, oder ob er meint, ein solcher Erkenntnissact sei mit jedem Gef\u00fchl verbunden, so dass Gef\u00fchl und Urtheil als synonyme Ausdr\u00fccke angesehen werden k\u00f6nnten. Sollte","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nW. Wundt.\ndas erstere der Fall sein, so w\u00fcrde offenbar in der von ihm gegebenen Aufz\u00e4hlung der Merkmale des Willens das Werthurtheil durch das Werthgef\u00fchl zu ersetzen sein; denn nur das Gef\u00fchl ist ja ein constantes Merkmal der Willensth\u00e4tigkeit, der daran gekn\u00fcpfte Er-kenntnissact kann unter Umst\u00e4nden hinwegfallen und hat darum nur eine accessorische Bedeutung. Sollte dagegen Bau mann Gef\u00fchl und Urtheil als identische Begriffe ansehen, so w\u00fcrde hiergegen, wie ich glaube, vom psychologischen Standpunkte aus zu protestiren sein. Der vulg\u00e4ren Redeweise mag man solche Verwechslungen nachsehen ; die psychologische Analyse hat darauf zu achten, dass sie nicht in die Gefahr ger\u00e4th, durch das Spiel der Worte Vorg\u00e4nge zu schaffen, die that-s\u00e4chlich nicht existiren. Ist es doch gerade diese aus dem popul\u00e4ren Denken in die Wissenschaft \u00fcbergegangene Neigung, sich zuerst einen Vorgang logisch zurechtzulegen und dann in dem so zu Stande gekommenen logischen Process den urspr\u00fcnglichen Vorgang selbst zu erblicken, die in der Psychologie seit alter Zeit eine bedenkliche Rolle gespielt hat. Auch jene oben ber\u00fchrte Anschauung, welche eine moralische Werthsch\u00e4tzung auf Grundlage eines \u00bbblo\u00dfen Begriffs\u00ab f\u00fcr m\u00f6glich h\u00e4lt, konnte einzig und allein auf diesem Boden entstehen. Bleibt es aber unter allen Umst\u00e4nden wahr, dass ein gef\u00fchlsleerer Er-kenntnissact niemals die Macht in sich hat, den Willen in Bewegung zu setzen, so bleiben als die wirklichen Bedingungen der Willensth\u00e4tigkeit die Vorstellung und das an die Vorstellung gebundene Gef\u00fchl stehen. Von diesen beiden Bestandtheilen ist aber wieder das Gef\u00fchl als derjenige zu bezeichnen, welcher zun\u00e4chst durch seine Qualit\u00e4t und St\u00e4rke den Willen bestimmt. Denn nur das Gef\u00fchl enth\u00e4lt in sich jene Gegens\u00e4tze der Lust und Unlust, welche in den Formen des Begehrens und des Widerstrebens alle Willensth\u00e4tigkeit beherrschen.\nWie der Begriff des \u00bbWerthurtheils\u00ab in der von Baumann gegebenen Definition des Willens auf der popul\u00e4ren Uebertragung logischer Formen beruht, so ist in derselben nicht minder der Begriff der \u00bbTh\u00e4tigkeit\u00ab v\u00f6llig in jener Unbestimmtheit gelassen, die er in dem popul\u00e4ren Denken zu besitzen pflegt, und die zu beseitigen mir eine unerl\u00e4ssliche Aufgabe der psychologischen Analyse zu sein scheint. Der Ausdruck \u00bbTh\u00e4tigkeit\u00ab kommt im psychologischen Sprachgebrauch in sehr verschiedenem Sinne vor. Man redet 1) ganz allgemein von","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n345\n\u00bbpsychischen Th\u00e4tigkeiten\u00ab oder sogar von \u00bbspontanen Th\u00e4tigkeiten\u00ab, wenn man damit irgend welche psychische Functionen bezeichnen will, die unabh\u00e4ngig von dem Zwang \u00e4u\u00dferer Eindr\u00fccke auftreten. So nennt z. B. auch Baumann gelegentlich die Associationen \u00bbspontane innere Bet\u00e4tigungen\u00ab. In engerem Sinne wird dann aber 2) vorzugsweise ein solcher innerer Vorgang als ein \u00bbspontaner\u00ab bezeichnet, bei dem man sich eines gewissen Th\u00e4tigkeitsgef\u00fchles bewusst ist, wie z. B. die Aufmerksamkeit, der Zustand des Besinnens, die logische Gedankenarbeit u. dergl. In diesem engeren Sinne stellte einst Kant die \u00bbSpontaneit\u00e4t des Verstandes\u00ab der \u00bbReceptivit\u00e4t der Sinnlichkeit\u00ab gegen\u00fcber. Weiterhin fasst man 3) unter den spontanen Th\u00e4tigkeiten alle diejenigen \u00e4u\u00dferen K\u00f6rperbewegungen zusammen, welche nicht als unmittelbare mechanische Erfolge eines \u00e4u\u00dferen Sinnesreizes sich darstellen, also alle automatischen Bewegungen im Gegens\u00e4tze zu den r eflectorischen, welche nicht spontan sind, insofern sie durch einen \u00e4u\u00dferen Reiz ausgel\u00f6st werden. Dazu gesellt sich endlich 4) als eine specielle Form spontaner Beth\u00e4tigung die willk\u00fcrliche Th\u00e4tig-keit, wie sie theils als innere in der willk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit, der willk\u00fcrlichen Lenkung des Gedankenlaufs u. dgl., theils als \u00e4u\u00dfere in den willk\u00fcrlichen K\u00f6rperbewegungen zur Erscheinung kommt.\nUnter diesen verschiedenen Formen, in welchen der Begriff der psychischen Th\u00e4tigkeit eine Rolle spielt, wird die erste f\u00fcr uns nicht weiter in Betracht kommen. Aus dem popul\u00e4ren Sprachgebrauch hervorgegangen , welcher geneigt ist, alles innere Geschehen als eine Th\u00e4tigkeit des Subjectes aufzufassen, w\u00fcrde hier f\u00fcr wissenschaftliche Zwecke der Ausdruck besser vermieden werden. Denn der blo\u00dfe Umstand, dass irgend einem inneren Geschehen nicht unmittelbar ein \u00e4u\u00dferer Vorgang v\u00f6rangegangen ist, rechtfertigt es offenbar noch nicht, in anderem Sinne eine Action des Geistes vorauszusetzen, als sie bei der Aufnahme \u00e4u\u00dferer Sinneseindr\u00fccke ebenfalls stattfindet. Das n\u00e4mliche gilt von den aus rein physischen Ursachen erfolgenden automatischen Bewegungen. Gewisse Bewegungen, wie die Athmungs-und Herzbewegungen, sind theils reflectorischer theils automatischer Natur. Die automatische Bewegung unterscheidet sich aber hier von der reflectorischen nur dadurch, dass die erregenden Reize nicht die \u00e4u\u00dferen Sinnesnerven, sondern direct gewisse Nervencentren treffen. Der popul\u00e4re Ausdruck der \u00bbspontanen Th\u00e4tigkeit\u00ab f\u00fcr solche rein","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nW. Wundt.\nmechanische Actionen ist urspr\u00fcnglich durch die Vorstellung entstanden, dass alle thierischen Bewegungen, die nicht durch sichtbare \u00e4u\u00dfere Ursachen hervorgebracht werden, eigentlich Willenshandlungen seien. Es ist nun unter allen Umst\u00e4nden n\u00fctzlich, eine Bezeichnung aufzugeben, die in irrigen Vorstellungen ihren Ursprung hat, und um so n\u00f6thiger wird dies, wenn eine solche Bezeichnung, wie im gegenw\u00e4rtigen Falle, dazu verf\u00fchrt, die verschiedenartigsten Erscheinungen zusammenzuwerfen. Nennen wir also alles innere Geschehen , insoweit es nicht mit der besonderen Empfindung der Th\u00e4tigkeit verkn\u00fcpft ist, einfach einen psychischen Vorgang, und ziehen wir f\u00fcr die durch rein physiologische Bedingungen verursachten K\u00f6rperbewegungen die unverf\u00e4nglichere Bezeichnung der automatischen Bewegungen vor, so bleiben uns hier als sogenannte \u00bbspontane Th\u00e4tigkeiten \u00ab, deren Verh\u00e4ltniss zur Willensth\u00e4tigkeit einer besonderen Untersuchung bedarf, nur die oben an zweiter Stelle genannten Vorg\u00e4nge der Aufmerksamkeit, des logischen Denkens u. s. w. \u00fcbrig.\nFr\u00e4gt man nun nach den Merkmalen, durch welche sich diese Th\u00e4tigkeiten des Geistes von andern psychischen Vorg\u00e4ngen unterscheiden , so wird geantwortet : die unwillk\u00fcrliche Aufmerksamkeit bestehe in der \u00bbRichtung des Geistes auf etwas\u00bb oder in der \u00bbAufgelegtheit, einen besonderen Zuwachs des Vorstellens zu empfangen\u00ab, wozu eine gewisse \u00bbKr\u00e4ftigkeit der Sinnesorgane und des Gehirns\u00ab erforderlich sei.1) Niemand wird verkennen, dass es sich bei diesen Definitionen, abgesehen von der R\u00fccksicht auf die nebenbei angenommenen physiologischen Bedingungen, lediglich um Umschreibungen des Wortes Th\u00e4tigkeit handelt. Was die Aufmerksamkeit sei, oder auch nur worin sie sich \u00e4u\u00dfere, von welchen andern Erscheinungen sie regelm\u00e4\u00dfig begleitet sei, erf\u00e4hrt man dadurch nicht im mindesten. Dennoch sind wir, wie ich meine, nicht so ganz der M\u00f6glichkeit beraubt, uns \u00fcber die psychologischen Bedingungen, unter denen gerade der Vorgang der Aufmerksamkeit zu Stande kommt, Rechenschaft abzulegen. Von den Erscheinungen der einfachen sinnlichen Aufmerksamkeit an bis zu den complicirteren Aeu\u00dferungen des intellectuellen Interesses finden wir. dass einerseits die St\u00e4rke der Vorstellungen, andrerseits deren\n1) Baumann, Handbuch der Moral, S. 33 f.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n347\nspecifischer Gef\u00fchls werth f\u00fcr dieselben bestimmend ist. Die Art und Weise, wie diese beiden Momente zur Geltung kommen, rechtfertigt aber ferner die Annahme, dass die eigentliche Lenkung der Aufmerksamkeit stets von den Gef\u00fchlen ausgehe, dass also insbesondere die St\u00e4rke der Vorstellung nur insofern von Einfluss sei, als der st\u00e4rkeren Vorstellung in der Eegel unter sonst gleichen Bedingungen ein h\u00f6herer Gef\u00fchlswerth zukommt. Nicht minder charakteristisch sind die begleitenden und die Folgeerscheinungen dieses psychischen Vorgangs. Sie bestehen in Innervationsempfindungen, die zun\u00e4chst den betheiligten Sinnesgebieten entsprechen, und neben denen eine centrale sensorische Innervation einherzugehen scheint, welche die physische Unterlage f\u00fcr jene Verst\u00e4rkung der sinnlichen Vorstellung liefert, die wir als eine Wirkung der Aufmerksamkeit eintreten sehen. In diesen Innervationsempfindungen liegt zugleich der n\u00e4ohste sinnliche Anlass daf\u00fcr, dass wir die Apperception oder Aufmerksamkeit eine Th\u00e4tigkeit nennen und sie als solche von dem v\u00f6lligen passiven Verhalten gegen\u00fcber \u00e4u\u00dferen Eindr\u00fccken oder in uns aufsteigenden Vorstellungen unterscheiden.\nIch gebe zu, dass in der hier gegebenen Schilderung gewisse Elemente mehr aus Folgeerscheinungen erschlossen als direct beobachtet sind. Immerhin wird der Versuch gemacht, den in der gew\u00f6hnlichen Vorstellung v\u00f6llig unbestimmt gelassenen Begriff der \u00bbspontanen Th\u00e4tigkeit\u00ab so viel als m\u00f6glich in seine Elemente zu zerlegen und dar\u00fcber Rechenschaft zu geben, warum wir gewisse Vorg\u00e4nge auf eine innere Th\u00e4tigkeit beziehen und andre nicht. Zugleich aber zeigt diese Analyse , wie ich glaube, dass bei jeder derartigen Action die n\u00e4mlichen wesentlichen Elemente wiederzufinden sind, die wir bei den anerkannten Willenshandlungen antreffen. Dies ist der Grund, wesshalb ich die Apperception als die primitive Willenshandlung bezeichnet habe. In der That sind bei derselben die bei jeder Willens-th\u00e4tigkeit zu unterscheidenden Stadien anzutreffen : die Erregung des Bewusstseins durch ein Gef\u00fchlsmotiv, die daraus hervorgehende Richtung des Bewusstseins mit ihren psychischen und physischen Folgezust\u00e4nden und endlich die durch die letzteren herbeigef\u00fchrte L\u00f6sung der Spannung.\nKann auf diese Weise die psychologische Analyse in den einfachsten Apperceptionsacten alle wesentlichen Elemente der Willensth\u00e4tig-","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nVV. Wundt.\nkeit nach weisen, so scheint mir aber auch weiterhin die hierauf gegr\u00fcndete Auffassung die einzige zu sein, welche eine zureichende Rechenschaft von der Entwicklung der Willensfunctionen zu geben vermag, w\u00e4hrend die entgegengesetzte an dem alten Fehler der Verm\u00f6genstheorie leidet, dass sie an Stelle einer zusammenh\u00e4ngenden Erkl\u00e4rung der psychischen Erscheinungen mit einer oberfl\u00e4chlichen Classification sich begn\u00fcgt.\n2. Die Entwicklung des Willens.\nNach der von Bau mann vertretenen Ansicht entsteht der Wille \u00fcberall im Anschl\u00fcsse an unwillk\u00fcrliche Th\u00e4tigkeiten, in denen von der Willensfunction selbst noch nichts zu bemerken ist. \u00bbErst sind die logischen, \u00e4sthetischen, sittlichen Elemente etc. spontan da, \u2014 dann entwickelt sich daraus erst der Wille, logisch, \u00e4sthetisch, sittlich u. s. w. zu denken und zu handeln\u00ab.1) \u00bbStattgefunden haben unwillk\u00fcrliche Bewegungen mit daran sich kn\u00fcpfenden Vorstellungen und Werthsch\u00e4tzungen; sobald nun diese Vorstellungen und Werthsch\u00e4tzungen aus irgend welchen psychologischen Gr\u00fcnden sich repro-duciren, entsteht auch wieder eine Tendenz zu der K\u00f6rperbewegung, welche fr\u00fcher und vielleicht recht oft damit verbunden war. Es liegt da nichts vor, als was wir tausendf\u00e4ltig in uns erleben, eine umgekehrte Association, aus der sich zugleich erkl\u00e4rt, warum der (effective) Wille auch in dieser Hinsicht sich nur langsam und schwer ausbildet, eben weil dabei eine umgekehrte Association statthat.\u00ab2) Der allgemeine Sinn dieser Ausf\u00fchrungen, die sich auf die inneren ebenso wie auf die zun\u00e4chst ber\u00fccksichtigten \u00e4u\u00dferen Willenshandlungen beziehen , ist offenbar dieser, dass alle Elemente, aus denen sich die Willensth\u00e4tigkeit zusammensetzt, vorhanden sein m\u00fcssen, ehe der Wille wirklich in Th\u00e4tigkeit tritt. Bestimmte Vorstellungen m\u00fcssen Gef\u00fchle des Strebens oder Widerstrebens und daran gekn\u00fcpfte Werthsch\u00e4tzungen in uns angeregt, durch unwillk\u00fcrliche innere oder \u00e4u\u00dfere Beth\u00e4tigungen m\u00fcssen diese Gef\u00fchle gelegentlich Befriedigung gefunden haben, damit sich nun das Verh\u00e4ltniss umkehren und eine\n1)\tBaumann, Phil. Monatsh. S. 601.\n2)\tEbend. S. 577.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n349\nTh\u00e4tigkeit entstehen k\u00f6nne, die von vornherein absichtlich und auf Grund eines vorangegangenen Werthurtheils auf die Befriedigung eines bestimmten Strehens gerichtet ist.\nDiese Erkl\u00e4rung scheint mir nur den einen Fehler zu haben, dass sie voraussetzt, was zu erkl\u00e4ren war. Der Wille tritt hier pl\u00f6tzlich in die Erscheinung, man wei\u00df nicht, von wannen er kommt; in Wirklichkeit aber ist er von vornherein bei der Sache hetheiligt gewesen. Denn zugegeben, dass, weil Associationen sich umkehren k\u00f6nnen, die Vorstellung einer Beth\u00e4tigung und die Werthsch\u00e4tzung gelegentlich ihre Stellen wechseln, was hilft uns dies, wenn die Willensenergie nicht vorhanden ist, die der Association zur That verhilft? \u00bbNicht der Wille merkt\u00ab, sagt Baumann, \u00bbdass gewisse Bewegungsvorstellungen seinem Befehl gehorchen, sondern unsere Seele, womit zun\u00e4chst nicht mehr gemeint zu sein braucht als unser psychisches bewusstes Wesen, merkt das, gerade wie es merkt, dass eine Menge unwillk\u00fcrlicher Zust\u00e4nde in ihm sich finden\u00ab. Aber die Seele, die merken soll, dass die Bewegungen ihrem Befehl gehorchen , muss eben einen Willen besitzen. Wenn sie keinen Willen hat, so hat sie auch nichts zu befehlen. In jener Aufz\u00e4hlung der angeblichen Bedingungen der Willensentwicklung ist also eine Bedingung stillschweigend vorausgesetzt, und diese Bedingung ist der Wille selber.\nAber diese Bedingung ist, wie ich glaube, nicht blo\u00df neben, sondern sie ist auch in den andern Bedingungen vorausgesetzt. Ein wesentliches Element der Willensbildung ist nach Barn mann die \u00bbWerthsch\u00e4tzung\u00ab oder, wie wir es psychologisch ohne Zweifel zutreffender ausdr\u00fccken, das Gef\u00fchl der Lust oder Unlust, das, urspr\u00fcnglich als unbeabsichtigter Effect auftretend, durch eine Art Umkehrung der Causalbeziehung nun heim Willen zum primum movens der Th\u00e4tigkeit werden soll. W\u00e4re diese Auffassung richtig, so m\u00fcsste die Existenz von Bewusstseinsformen denkbar sein, in denen sich die Functionen des Vorstellens und F\u00fchlens entwickelt h\u00e4tten, denen aber die Willensth\u00e4tigkeit noch mangelte. Eine solche Annahme ist nun, wie ich meine, deshalb unvollziehbar, weil die Gef\u00fchle der Lust und Unlust stets zugleich die Momente des Begehrens und Widerstrehens enthalten, die ihrerseits das wollende Subject voraussetzen. Wenn es die Aufgabe der psychologischen Analyse ist, die an sich untheilbaren psychischen Processe so viel als m\u00f6glich in ihre Elemente zu zerlegen,","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nW. Wundt.\nso darf sie sich doch dadurch niemals zu dem Irrthum verf\u00fchren lassen, als seien die so entstandenen Abstractionsproducte selbst\u00e4ndige Vorg\u00e4nge. So wenig das Gef\u00fchl trennbar ist von den Empfindungen und Vorstellungen, ebenso wenig gibt es eine Lust- und Unluststimmung oder gar eine Werthsch\u00e4tzung ohne einen Willen, dessen Richtung schon in dem Gef\u00fchl sich verr\u00e4th. Die gew\u00f6hnliche Willensansicht hebt diesen Zusammenhang der Vorg\u00e4nge auf, indem sie, die Abstractionsproducte der Psychologie in wirkliche Dinge umwandelnd, zuerst zu der Vorstellung das Gef\u00fchl und dann zu diesem den Willen jedesmal als eine selbst\u00e4ndige und v\u00f6llig neue F\u00e4higkeit der Seele hinzutreten l\u00e4sst, w\u00e4hrend sie zugleich, ganz im Sinne der Verm\u00f6genstheorie, den jedesmaligen Gebrauch dieser verschiedenen F\u00e4higkeiten von allerlei verst\u00e4ndigen Reflexionen abh\u00e4ngig macht, zu denen sich die Seele durch bestimmte Ursachen veranlasst sehen soll. So im vorliegenden Fall merkt die Seele, dass bei irgend einer inneren oder \u00e4u\u00dferen Th\u00e4tigkeit ein befriedigendes Gef\u00fchl in ihr entsteht, und sofort benutzt sie diese Wahrnehmung, um durch die F\u00e4higkeit des Willens, von der sie bis dahin keinen Gebrauch gemacht hatte, die betreffende Th\u00e4tigkeit zu erwecken und sich dadurch die Annehmlichkeit jenes befriedigenden Gef\u00fchls zu verschaffen.\nWie sehr diese Auffassung der Verm\u00f6genstheorie in der That noch Baumann\u2019s Anschauungen beherrscht, scheint mir auch aus den Einw\u00e4nden hervorzugehen, durch die er meine Ansicht ad absurdum zu f\u00fchren sucht. Er erinnert daran, dass ich alle Phantasie, die active und die passive, den apperceptiven Verbindungen der Vorstellungen zurechne, nun betrachte ich aber die Apperception als eine Willensfunction, \u2014 also sei der tr\u00e4umerische Gedankenlauf ebenso wie die ihn vielleicht selbst \u00fcberraschende Conception des Dichters und K\u00fcnstlers eine Willenshandlung. Nicht minder wird von mir, wie Baumann meint, der Verstand \u00bbsammt und sonders zur Willenshandlung gemacht\u00ab. Dagegen werde aber sowohl die h\u00f6chste intellectuelle Begabung wie die sich selbst bescheidende Beschr\u00e4nktheit Verwahrung einlegen. \u00bbDiese wird erkl\u00e4ren, dass sie trotz ihrer Willensanstrengung den angeborenen Defect nicht ganz habe heilen k\u00f6nnen, etwa mangelhafte Bef\u00e4higung f\u00fcr das und das ; das Genie, sofern es nicht in allem Genie war, hat oft genug bekannt, dass eine analoge Uebertragung seiner Bef\u00e4higung f\u00fcr ein Fach auf ein anderes selbst","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n351\nbei der h\u00f6chsten Willensanstrengung nur m\u00e4\u00dfigen oder gar keinen Erfolg gehabt habe\u00ab.Selbst das Ged\u00e4chtniss soll ich, obgleich ich es ausdr\u00fccklich auf die Associationen der Vorstellungen zur\u00fcckf\u00fchre, doch gen\u00f6thigt sein, \u00bbf\u00fcr eine Willenshandlung sammt und sonders\u00ab zu erkl\u00e4ren, weil ja auch die passive Apperception Willensth\u00e4tig-keit sei.\nVom Standpunkte der Verm\u00f6gensschablone aus sind diese Einw\u00e4nde vollkommen verst\u00e4ndlich. Wer da meint, eine Erscheinung sei erkl\u00e4rt, wenn man sie irgend einem Generalbegriff wie Ged\u00e4chtniss, Verstand, Wille u. s. w. subsumirt habe, dem werden nun leicht auch verschiedene Erscheinungen, so abweichend sie im \u00fcbrigen inhaltlich bestimmt werden m\u00f6gen, als im wesentlichen identisch definirt gelten, sobald er findet, dass dabei ein und derselbe Begriff eine wesentliche Rolle spielt. Wenn in einen verwickelten Vorgang unter anderen auch elementare Willensfunctionen eingreifen, so braucht damit noch nicht der ganze Process \u00bbsammt und sonders\u00ab eine Willenshandlung zu sein. Beim Ged\u00e4chtniss z. B. und \u00fcberhaupt bei den Associationen der Vorstellungen reducirt sich die Willensth\u00e4tigkeit auf den Act der passiven Apperception der Vorstellungen, die durch innere oder \u00e4u\u00dfere, immer aber dem Willen v\u00f6llig entzogene Bedingungen sich darbieten. Ebenso spielt bei der passiven Phantasieth\u00e4tigkeit die Association noch eine gro\u00dfe Rolle, und die active Phantasieth\u00e4tigkeit setzt zwar in ungleich h\u00f6herem Ma\u00dfe die apperceptiven Willensfunctionen in Bewegung; dennoch habe ich ausdr\u00fccklich daraufhingewiesen, dass die Associationen die Quelle sind, aus denen alle Phantasie- und Verstandes-th\u00e4tigkeit sch\u00f6pft, und darin liegt selbstverst\u00e4ndlich, dass die eigentliche Entstehung der Conceptionen der Phantasie und des Verstandes fast immer unserm Willen entzogen ist: die Function des letzteren beschr\u00e4nkt sich hier durchweg auf die klare Vergegenw\u00e4rtigung des durch urspr\u00fcngliche und erworbene Dispositionen dargebotenen Stoffes und auf die weitere planm\u00e4\u00dfige Durcharbeitung desselben, in welche dann aber stets wieder unwillk\u00fcrliche Associationen bestimmend eingreifen. Ich bin also weit entfernt, jenes blitzartige Aufleuchten k\u00fcnstlerischer und logischer Conceptionen zu leugnen, auf welches Baumann hinweist, glaube vielmehr, dass von meinem Standpunkte aus eine weit\n1) Baumann a. a. O. S. 520.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nW. Wundt.\nbefriedigendere Analyse der betreffenden Erscheinungen m\u00f6glich ist, als mit H\u00fclfe der vulg\u00e4ren Verm\u00f6genstheorie. Wie sehr freilich die von mir versuchte Analyse sich bei Baumann zu dem unbestimmten Eindruck verfl\u00fcchtigt hat, dass ich die psychischen Functionen \u00bbsammt und sonders\u00ab als Willensth\u00e4tigkeiten auffasse, dies verr\u00e4th sich in einer fast entmuthigenden Weise darin, dass er mir sogar die sonderbare Meinung zuschreibt, Genie und Beschr\u00e4nktheit seien Willenshandlungen.\nNoch weitere Zeugnisse f\u00fcr die Rolle, die bei ihm die Auffassung der Verm\u00f6genstheorie spielt, bringt Baumann in einigen Einw\u00e4nden , in denen- er nachzuweisen sucht, dass es mir nicht gelinge, den Begriff des Willens in dem Sinne festzuhalten, in welchem er von mix begrenzt worden sei. In diesem Sinne, meint er, d\u00fcrfe niemals von einer \u00bbplanm\u00e4\u00dfigen Th\u00e4tigkeit\u00ab des Willens, sondern nur von einer solchen der Willk\u00fcr die Rede sein, ebenso nicht von einer Herrschaft des Willens \u00fcber Affecte und Triebe u. dergl. Denn Wille sei ja eben schon die v\u00f6llig planlose Auffassung einer Vorstellung, sei schon der Trieb und die Leidenschaft selbst. Wir begegnen hier ganz jenem Standpunkt, welcher f\u00fcr jede Thatsache einen besondern Namen bereit hat und es darum nicht dulden kann, dass man verschiedene Dinge mit demselben Namen nennt. Das w\u00e4re ganz richtig, wenn die Dinge wirklich in dieser Weise sich trennen lie\u00dfen, und wenn nicht vielmehr bei jeder Erscheinung verschiedene Functionen in einander ein-griffen, so dass darum nun auch umgekehrt eine und dieselbe Function bei verschiedenen Erscheinungen in sehr verschiedener Weise sich \u00e4u\u00dfern kann, weil sie unter ver\u00e4nderten Bedingungen steht. Die Willk\u00fcr ist ja keine von dem Willen verschiedene seelische Kraft, sondern sie ist eine Beth\u00e4tigung des Willens, welche regelm\u00e4\u00dfig dann eintritt, wenn verschiedene Gef\u00fchlsmotive in ann\u00e4hernd gleicher St\u00e4rke um die Herrschaft k\u00e4mpfen, so dass das deutliche Bewusstsein der Bevorzugung eines bestimmten Motives vor andern gleichzeitig vorhandenen entstehen kann. Den hier sich entwickelnden Vorgang nennen wir eine Wahl, die entspringende Handlung eine willk\u00fcrliche, im Gegens\u00e4tze zu der eindeutig bestimmten Willenshandlung, welche in der Regel als Triebhandlung bezeichnet wird. Aber dies berechtigt uns doch nicht, nun die Willk\u00fcr etwa als ein neues Seelenverm\u00f6gen zu betrachten. Ebenso beh\u00e4lt der hergebrachte Aus-","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n353\ndruck, dass der Wille die Triebe beherrsche oder nicht beherrsche, seinen guten Sinn, wenn er auch nicht mehr in der w\u00f6rtlichen Bedeutung zu nehmen ist, in welcher die Yerm\u00f6genstheorie ihn gebraucht, welche den Willen als eine besondere Kraft und die Triebe wieder als besondere Kr\u00e4fte ansieht, und nun in dem bekannten \u00bbbellum omnium contra omnes\u00ab zwischen den verschiedenen Verm\u00f6gen bald dem einen bald dem andern den Sieg zu Theil werden l\u00e4sst. Wenn wir von der Lenkung des Willens durch einen vorherrschenden Trieb reden, so kann damit selbstverst\u00e4ndlich nur die Meinung verbunden werden, dass der Wille durch Gef\u00fchlsmotive einer bestimmten Art ausschlie\u00dflich determinirt werde. Demgem\u00e4\u00df wird dann umgekehrt in solchen F\u00e4llen, wo erst nach einer Abgleichung verschiedener Gef\u00fchlsmotive die Willensentscheidung zu Stande kommt, und wo nun regelm\u00e4\u00dfig zugleich die mit der Willensentscheidung verbundenen subjectiven Gef\u00fchle energischer sich geltend machen, der Ausdruck, dass der Wille gewisse Gem\u00fcthsbewegungen oder Triebe beherrsche oder sogar unterdr\u00fccke, immerhin seine Stelle behaupten k\u00f6nnen. Er ist so gut wie der Wille selbst oder wie die Bezeichnungen Verstand, Ged\u00e4chtniss u.s. w. eine abk\u00fcrzende Kedeform, die man , nachdem die Analyse der dabei betheiligten Functionen vorangegangen ist, wohl gebrauchen darf, ohne ihr jedesmal die Warnungstafel anzuh\u00e4ngen, dass man unter den verschiedenen Namen nicht specifisch verschiedene Wesen oder Kr\u00e4fte sich denken solle.\nAuf eine Kritik meiner Auffassung der Apperception und der an dieselbe sich anschlie\u00dfenden inneren Willensth\u00e4tigkeiten ist Baumann nicht tiefer eingegangen. Ich kann daher auch hier \u00fcber diesen Gegenstand trotz seiner fundamentalen Bedeutung f\u00fcr die Willenstheorie hinweggehen, um so mehr, da erst im zweiten Heft dieser Studien eine sehr klare und \u00fcbersichtliche Darstellung der ganzen Lehre von der Apperception von Dr. Otto Staude enthalten ist. Diese Darstellung d\u00fcrfte, obgleich sie vor dem Erscheinen von Baumann\u2019s Abhandlung verfasst wurde, doch in den wesentlichsten Punkten das etwas einseitige Bild, das die letztere von der Auffassung der Apperception als einer Willensth\u00e4tigkeit entworfen hat, erg\u00e4nzen und berichtigen. Dagegen wird es erforderlich sein, bei dem Einfluss des Willens auf die k\u00f6rperlichen Bewegungen eingehender zu verweilen.\nW undt, Phil. Studien. I\u00bb\n24","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nW. Wundt.\n3. Die willk\u00fcrlichen Bewegungen.\nDie gew\u00f6hnliche Willensansicht macht keinen Unterschied zwischen einer Willenshandlung und einer willk\u00fcrlichen Handlung. Nach ihr liegt es in dem Wesen des Willens, dass er frei sich entscheidet zwischen verschiedenen Motiven ; jede Willenshandlung schlie\u00dft daher eine Wahl ein. und jede \u00e4u\u00dfere, durch den Willen veranlasste Bewegung ist eine willk\u00fcrliche, insofern schon der gew\u00f6hnliche Sprachgebrauch in den Begriff der Willk\u00fcr die M\u00f6glichkeit einer Wahl zwischen verschiedenen Motiven aufnimmt. Nach der von mir entwickelten Auffassung dagegen ist die Willenshandlung ein allgemeiner Begriff, welcher ebensowohl eindeutig bestimmte wie mehrdeutig bestimmte Willenshandlungen einschlie\u00dft. Bei den ersteren findet selbstverst\u00e4ndlich keine Wahl statt: das eine Motiv bestimmt den Willen in zwingender Weise. Solche eindeutig verursachte Willenshandlungen nennen wir Triebhandlungen, w\u00e4hrend wir den Namen der willk\u00fcrlichen Handlung denjenigen Bewegungen Vorbehalten, bei denen sich ein Kampf zwischen verschiedenen Motiven in unserm Bewusstsein abspielt, welchen Vorgang wir als eine Wahl bezeichnen.\nBau mann leugnet nun allerdings diesen Gegensatz. Er behauptet, auch die gew\u00f6hnliche Willenslehre kenne einen eindeutigen Willen ; das wesentliche sei bei ihr nicht die Mehrzahl der Motive, sondern das Vorangehen von Vorstellung und Werthsch\u00e4tzung.1) Aber ich m\u00f6chte glauben, dass sich Bau mann die Consequenzen dieser Aeu\u00dferung nicht vollkommen vergegenw\u00e4rtigt hat. In dem Ausdruck \u00bbWerthsch\u00e4tzung\u00ab verbirgt sich schon ein Abw\u00e4gen zwischen verschiedenen Motiven oder mindestens zwischen der Alternative, ob ein Thun ein treten oder unterbleiben solle. Ebenso in dem Ausdruck\n'\u20225\n\u00bbwillk\u00fcrliche Bewegung\u00ab, wenn derselbe f\u00fcr eine aus einem solchen eindeutigen Willen entspringende Handlung gebraucht wird ; denn den Grundcharakter der \u00bbWillk\u00fcr\u00ab, wonach es dem betreffenden Willen vollkommen freigestanden h\u00e4tte, die Handlung zu unterlassen, wird Baumann schwerlich aufgeben wollen. Ein Wille, welchem zwischen\n1) Phil. Monatsh. a. a. O. S. 573.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n355\nThun und Nichtthun die Wahl offen steht, ist aber kein eindeutig bestimmter Wille mehr.. Denn wie k\u00f6nnte eine Entscheidung zu Gunsten des einen oder andern stattfinden, wenn nicht eben verschiedene Gef\u00fchlsmotive mit einander k\u00e4mpften? Eindeutig bestimmte sind also nothwendig zugleich vollst\u00e4ndig determinirte Willenshandlungen. Sollte Baumann die Existenz eines eindeutigen Willens in diesem Sinne anerkennen, so habe ich nat\u00fcrlich nichts dagegen einzuwenden ; dann m\u00f6chte ich aber auch glauben, dass seine Auffassung nicht von der meinigen, wohl aber von der gew\u00f6hnlichen Willenslehre verschieden ist. Denn durch welches Merkmal soll sich nun noch eine Triebhandlung von einer eindeutigen Willenshandlung unterscheiden? Durch die vorausgehende Vorstellung? Dass schon die urspr\u00fcnglichsten Trieb\u00e4u\u00dferungen an Empfindungen gekn\u00fcpft sind, dar\u00fcber ist man wohl allgemein einig ; au\u00dferdem aber wird Niemand bestreiten, dass bei den entwickelteren Aeu\u00dferungen des Nahrungs- und Geschlechtstriebes, z. B. bei der Nahrungssuche der Thiere, bei dem Nestbau des Vogels u. dgl., die Bewegungen von zusammengesetzteren Vorstellungen ausgehen. Durch die vorausgehende \u00bbWerthsch\u00e4tzung\u00ab? Wir haben vorhin gesehen, dass dieser Ausdruck, wenn man nicht in v\u00f6llig unberechtigter Weise die einfachsten psychischen Th\u00e4tigkeiten mit Erkenntnissacten vermengen will, nur im Sinne eines Lust- oder Unlustgef\u00fchls verstanden werden darf. Dass aber alle Triebhandlungen durch solche Gef\u00fchle bestimmt werden, dar\u00fcber herrscht wiederum Uebereinstimmung.\nIst man auf diese Weise dazu gelangt, jede Triebbewegung als eine eindeutige Willenshandlung anzuerkennen, so ist nun damit die Ableitung der willk\u00fcrlichen Bewegungen von selbst gegeben: sie gehen aus jenen einfacheren Willenshandlungen hervor, sobald in Folge des zunehmenden Reichthums des Bewusstseins an mannigfaltigen Vorstellungen und an Gef\u00fchlsmotiven die Bedingungen f\u00fcr die Willens\u00e4u\u00dferung complicirter werden, indem sich jener Kampf der Motive entwickelt, auf dessen Resultate neben den unmittelbar im Bewusstsein vorhandenen Vorstellungen der ganze, aus urspr\u00fcnglicher Anlage und erworbenen Dispositionen resultirende Charakter des wollenden Subjectes von Einfluss ist. Dieser Einfluss \u00e4u\u00dfert sich in den Gef\u00fchlen, welche der Willensentscheidung theils vorangehen, theils sie begleiten ; er l\u00e4sst aber, da die im einzelnen zumeist un\u00fcber-\n24*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nW. Wundt.\nsehbaren Motive in dem einen Subjecte zusammenlaufen, die Willensentscheidung als eine von dem letzteren getroffene Wahl erscheinen, an welcher das einzelne Motiv immer nur als mitbestimmender Factor betheiligt ist.\nHinsichtlich der Entwicklung der willk\u00fcrlichen Bewegungen habe ich ausdr\u00fccklich bemerkt, dass die von Baumann im Anschl\u00fcsse an Lotze und Bain entwickelte Auffassung, wonach Willk\u00fcrbewegungen aus urspr\u00fcnglich unwillk\u00fcrlichen Bewegungen hervorgegangen seien, f\u00fcr einzelne verwickeltere Formen der ersteren ohne Zweifel bis zu einem gewissen Grade zutreffend ist.J) Namentlich beim Menschen und den h\u00f6heren Thieren, deren centrales Nervensystem Apparate f\u00fcr h\u00f6chst zusammengesetzte Reflexbewegungen in sich birgt, liegt die Vermuthung nahe, dass die feinere Ausbildung willk\u00fcrlicher Bewegungen durch die Benutzung derjenigen Combi-nationen, welche bei den Reflexen in Wirksamkeit treten, erleichtert wird. Eine geringere Bedeutung m\u00f6chte den automatischen Bewegungen beizulegen sein, welche Bjaumann im Anschl\u00fcsse an Bain als die haupts\u00e4chlichsten Ausgangspunkte der \u00e4u\u00dferen Willensactionen ansieht. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass sie in dem Umfang, in welchen sie hier eine Rolle spielen, eigentlich von Bain seiner Willenstheorie zu Liebe postulirt worden sind. Bei weitem zum gr\u00f6\u00dften Theil scheinen z. B. die Bewegungen des neugeborenen Kindes theils durch die fortw\u00e4hrend stattfindenden \u00e4u\u00dferen Hautreize, theils durch innere Organempfindungen veranlasst zu werden, von denen sich im einzelnen Fall schwer entscheiden l\u00e4sst, ob sie Trieb- oder Reflexbewegungen seien. Bei fast allen anderen, auch den h\u00f6heren neugeborenen Thieren besitzen die meisten Bewegungen von vornherein den Charakter von Willenshandlungen ; wobei aber auch hier immerhin eine Ben\u00fctzung fertig vorgebildeter Reflex- und Mitbewegungsmechanismen sehr wohl m\u00f6glich ist. Dagegen finde ich zu der ungeheuren Bedeutung, welche Bain den Blutreizen f\u00fcr die Erregung automatischer Bewegungen beilegt, in der Beobachtung gar keine zureichenden Anhaltspunkte gegeben. Eine \u00e4hnliche Rolle spielen diese Blutreize bei Baumann, und auch der Blutvertheilung schreibt er zum Theil sehr merkw\u00fcrdige, durch die physiologische\n1) Physiol. Psychologie, II, S. 389.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Zw Lehre vom Willen.\n357\nBeobachtung schwerlich zu rechtfertigende psychologische Effecte zu. Nicht blo\u00df das \u00bbplenus venter non studet libenter\u00ab, sondern sogar die Enge des Bewusstseins meint er daraus erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, dass durch den Blutzufluss nach einem bestimmten Gebiet anderen Theilen das zu ihrer Function erforderliche Blut entzogen werde ! *)\nImmerhin lasse ich, wie gesagt, die Annahme einer Verwerthung reflectorischer und automatischer Bewegungen gelten, wenn auch mit der Einschr\u00e4nkung, dass sie in umfangreicherer Weise erst da stattfinden kann, wo durch eine verwickeltere Organisation des Nervensystems zweckm\u00e4\u00dfig eingerichtete Reflexmechanismen vorgebildet sind. Beobachtungen, die jener Annahme zur St\u00fctze dienen, lassen sich daher am ehesten noch beim Menschen und den h\u00f6heren Thieren gewinnen. Weit sicherere Anhaltspunkte in der Beobachtung findet nun aber jedenfalls der umgekehrte Vorgang, der Uebergang urspr\u00fcnglich willk\u00fcrlicher Handlungen in Bewegungen von reflectori-schem und automatischem Charakter. F\u00fcr ihn liefern uns die Erscheinungen der Uebung fortw\u00e4hrend die augenf\u00e4lligsten Belege. Eine verwickelte Combination von Bewegungen, bei der airf\u00e4nglich jeder einzelne Act der directen Lenkung des Willens bedurfte, vollzieht sich allm\u00e4hlig in Folge eines einzigen Willensimpulses und unter Umst\u00e4nden selbst ohne einen solchen, etwa in der Form einer gewohnheitsm\u00e4\u00dfigen Mitbewegung. Obgleich ich nun keineswegs der Meinung bin, dass dieser Vorgang bis dahin ganz \u00fcbersehen worden sei, so glaube ich doch, dass man ihm unter dem Einfluss einer falschen Willenstheorie nicht die zureichende Bedeutung beigelegt hat. In der That ist ja die erste Entstehung von Willenshandlungen unserer Beobachtung entzogen, und wir sind daher, wenn wir \u00fcberhaupt Vermuthungen \u00fcber sie aufstellen wollen, gen\u00f6thigt, aus denjenigen Momenten, die wir in die weitere Entwicklung des Willens eingreifen sehen, r\u00fcckw\u00e4rts zu schlie\u00dfen. Hier sind uns nun haupts\u00e4chlich jene beiden einander entgegengesetzten Bedingungen gegeben: erstens die Ben\u00fctzung vorgebildeter, meistens zugleich in Folge der angeborenen Organisation des Nervensystems zweckm\u00e4\u00dfig gestalteter Bewegungen, und zweitens die Umwandlung willk\u00fcrlicher Bewegungen\n1) Handbuch der Moral, S. 108.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nW. Wundt.\nin Bewegungen von automatischem Charakter durch den \u00fcberall in der Beobachtung nachzuweisenden Einfluss der Uebung.\nDas Motiv, durch welches die gew\u00f6hnliche Willenstheorie veranlasst wird, unter diesen beiden Bedingungen gerade diejenige zu be-. Vorz\u00fcgen, f\u00fcr welche sich in der Beobachtung die geringeren Anhaltspunkte vorfinden, ist nun ein sehr naheliegendes : es besteht darin, dass diese Theorie \u00fcberhaupt nur eine individuelle Entwicklung des Willens kennt, und dass sie sich daher verpflichtet glaubt, die Bedingungen, unter denen ein willk\u00fcrliches Handeln zu Stande kommt, in jedem Individuum von neuem entstehen zu lassen. Nimmt man noch hinzu, dass au\u00dferdem fast nur die Entwicklung des Willens beim Menschen einer eingehenden Ber\u00fccksichtigung gew\u00fcrdigt wird, so lassen sich jene Ausf\u00fchrungen, nach denen die Seele von Anfang an sich im Besitz eines h\u00f6chst vollendeten Mechanismus befinden soll, welchen sie aber selbstverst\u00e4ndlich erst aus der Erfahrung n\u00e4her kennen lernen muss, vollkommen begreifen. Wie sehr diese Anschauung auch noch bei Bau mann vorherrscht, das verr\u00e4th sich in einem merkw\u00fcrdigen Missverst\u00e4ndniss, welches ihm in Bezug auf die Aeu\u00dferungen begegnet, in denen ich den wahrscheinlichen Einfluss der Willenshandlungen auf die bleibende 'physische Organisation hervorhob. Baumann bemerkt hierzu, auch Lotze habe nicht geleugnet, dass die Seele vielleicht bei dem urspr\u00fcnglichen Aufbau des K\u00f6rpers betheiligt sei, aber er habe sich geh\u00fctet, diese Th\u00e4tigkeit Willen zu nennen. Es wird dann eine Stelle aus Lotze\u2019s \u00bbMikrokosmus\u00ab (2. Aufl. Bd. I, S. 322) angef\u00fchrt, welche die bekannten hylozoisti-schen Vorstellungen \u00fcber die organisirende Th\u00e4tigkeit der Seele zur\u00fcckweist. *) \u00bbDie Formen des Leibes\u00ab, sagt Lotze , \u00bbwerden in einem Zeitraum endg\u00fcltig festgestellt oder vorbereitet, in welchem alle diese Th\u00e4tigkeiten der Seele (verst\u00e4ndige Ueberlegung, willk\u00fcrliche Wahl der Zwecke und Mittel u. s. w.) ihrer Ausbildung noch entgegensehen\u00ab. Baumann scheint sich also zu denken, dass ich in der Weise der hier bek\u00e4mpften Anschauung den Aufbau des K\u00f6rpers auf die Willenshandlungen des F\u00f6tus zur\u00fcckf\u00fchre. Ich habe aber ausdr\u00fccklich bemerkt, dass die Trieb- und Willk\u00fcrbewegungen nur dadurch auf die bleibende Organisation einer Thierform Einfluss\n1} Phil. Monatsh., a. a. O. S. 575.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n359\ngewinnen k\u00f6nnen, dass die w\u00e4hrend des individuellen Lebens erworbenen physischen Eigenschaften sich vererben. Wenn daher Lotze an der angef\u00fchrten Stelle fortf\u00e4hrt: \u00bbAlles, was die Seele selbst zur Begr\u00fcndung des k\u00f6rperlichen Lebens beitragen konnte, vermochte sie nur, sofern sie als ein Element neben anderen in den Zusammenhang der mechanischen Wechselwirkungen mit verflochten war, aus deren zusammenstimmender Th\u00e4tigkeit mit blinder Nothwendigkeit die vorherbestimmte Form des Organismus hervorging\u00ab, so kann ich dies vollst\u00e4ndig unterschreiben, ja ich glaube sogar, dass die bei Lotze sehr unbestimmt gehaltene Forderung erst in Folge der genetischen Ansicht, die ich durchzuf\u00fchren versuchte, eine einigerma\u00dfen greifbare Gestalt gewonnen hat.\nFassen wir hiernach die wesentlichen Unterschiede der beiden Ansichten hinsichtlich der Entstehung der willk\u00fcrlichen Bewegungen zusammen, so d\u00fcrften dieselben folgenderma\u00dfen zu formuliren sein : Die von Baumann vertheidigte Theorie nimmt an, dass urspr\u00fcnglich nur automatische und reflectorische Bewegungen von zum Theil v\u00f6llig zwecklosem, zum Theil aber auch (in Folge g\u00fcnstiger Bedingungen der Organisation) zweckm\u00e4\u00dfigem Charakter existiren. Das Bewusstsein nimmt wahr, dass durch solche Bewegungen gewisse Erfolge erreicht werden, die Lustgef\u00fchle erwecken oder Unlustgef\u00fchle beseitigen. In Folge dieser Wahrnehmung entsteht dann der Wille, die betreffenden Bewegungen auszuf\u00fchren. Dem gegen\u00fcber behaupte ich : Schon unter den urspr\u00fcnglichen K\u00f6rperbewegungen thierischer Wesen spielen solche Bewegungen, welche direct auf die Erweckung von Lustgef\u00fchlen oder auf die Beseitigung von Unlustgef\u00fchlen gerichtet sind, eine hervorragende Rolle. Diese Bewegungen erfolgen zweckm\u00e4\u00dfig verm\u00f6ge der urspr\u00fcnglichen Einrichtung der psycho-phy-sischen Organisation. Bei den fr\u00fchesten Lebens\u00e4u\u00dferungen dieser Art ist ein \u00e4u\u00dferer oder innerer, von einem Unlustgef\u00fchl begleiteter Empfindungsreiz der Anlass der Bewegung, und der Erfolg der letzteren besteht in der Erweckung contrastirender Lustgef\u00fchle. Die Entwicklung der willk\u00fcrlichen Bewegungen f\u00fcgt zu diesen urspr\u00fcnglich gegebenen Elementen keine neuen hinzu, sondern sie bedingt nur verwickeltere Verbindungen derselben. Solche entstehen theils durch die Ausbildung der Gef\u00fchlsmotive und die Wechselwirkungen, in welche dieselben mit einander treten, theils in Folge der Vervoll-","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nW. Wundt.\nkommnung der Bewegungen, bei welchem letzteren Vorgang erst jene Bedingungen in die Entwicklung eingreifen, die von der entgegengesetzten Anschauung als die urspr\u00fcnglichen betrachtet werden.\nBau mann findet es unzul\u00e4ssig, dass ich die bei der ersten Theorie vorausgesetzte Entdeckung des Willenseinflusses auf die Bewegungen eine \u00bbzuf\u00e4llige\u00ab genannt habe. Diese Entdeckung zu machen geh\u00f6re ebenso zur Naturbeschaffenheit des Menschen, wie Farben, T\u00f6ne und die sonstigen Empfindungen zu erleben. Aber ich habe selbstverst\u00e4ndlich hier nicht einen absoluten Zufall gemeint, sondern durch jenen Ausdruck nur andeuten wollen, dass die einen bestimmten Willenszweck realisirenden Bewegungen durch irgendwelche au\u00dferhalb des Willens liegende Bedingungen hervorgebracht und dem Willen zur Verf\u00fcgung gestellt werden. In der That sind sie also f\u00fcr den Willen in \u00e4hnlichem Sinne zuf\u00e4llig, wie ich es zuf\u00e4llig nenne, wenn ich auf meinem Spaziergang wider Erwarten einem Freunde begegne, mit dem ich nun meinen Weg fortsetze. F\u00fcr den Willen ist jene Bewegung eine zuf\u00e4llige, weil ihre Entstehung weder mit ihm noch mit seinen Motiven in irgend einem Zusammenh\u00e4nge steht, sondern ausschlie\u00dflich durch v\u00f6llig heterogene physiologische Bedingungen hervorgebracht sein soll. Um so r\u00e4thselhafter wird dann die Entstehung des Willens selbst. Man begreift nicht, wie dieser pl\u00f6tzlich eine zuf\u00e4llig wahrgenommene und als zweckm\u00e4\u00dfig befundene Bewegung ben\u00fctzen soll, wenn er nicht schon vorher da war. Ist aber das letztere der Fall, so begreift man wiederum nicht, wie es geschehen kann, dass er sich nicht durch irgend welche Aeu\u00dferungen verr\u00e4th. Meinerseits behaupte ich daher, dass bei den urspr\u00fcnglichen Triebhandlungen der Thiere schon der Wille betheiligt ist. Freilich aber versteht es sich von selbst, dass man nun auf diese primitiven Willenshandlungen nicht jenen Begriff vom Willen mehr anwenden darf, den man sich zuvor aus den verwickelten Willk\u00fcrbewegungen abstrahirt hat. Insbesondere ist also die Vielheit der Gef\u00fchlsmotive zu streichen ; damit f\u00e4llt zugleich die Vorstellung einer Wahl, welche die entwickelteren Willenshandlungen begleitet, und mit ihrer Beseitigung wird der Umstand, ob der Erfolg der Bewegung im Bewusstsein anticipirt wird, zu einem nebens\u00e4chlichen, der abermals nur f\u00fcr die entwickelteren Willenshandlungen charakteristisch ist. Dass die so zur\u00fcckbleibende Handlung h\u00f6chst primitiver Art ist, muss zugestanden werden.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n361\nGleichwohl wird sie als eine Willenshandlung bezeichnet werden m\u00fcssen, weil sich, wie ich glaube, nachweisen l\u00e4sst, dass aus ihr ohne ein Hinzutreten neuer psychischer Elemente die entwickelteren Willenshandlungen hervorgehen. Den Ausdruck \u00bbdas Kind will trinken\u00ab von dem neugeborenen S\u00e4ugling halte ich darum ebenso wie Baumann f\u00fcr eine unangemessene Uebertragung der Vorstellungen des entwickelten Bewusstseins auf das unentwickelte. Aber gegen den Ausspruch, das Kind wolle den Schmerz, den es f\u00fchlt, beseitigen, und dieser Wille verbinde sich mit Bewegungen, die verm\u00f6ge der vererbten Organisation zum Theil einen zweckm\u00e4\u00dfigen Charakter besitzen, gegen diesen Ausspruch w\u00fcrde ich nichts einzuwenden haben. Der Beobachtung scheint mir die hierin liegende Anschauung jedenfalls besser zu entsprechen als die Vorstellung, dass der Mensch als ein schreiender und strampelnder Beflexmechanismus zur Welt komme, der nebenbei m\u00f6glicher Weise noch etwas f\u00fchlen k\u00f6nne, ohne dass aber seine \u00e4u\u00dferen Bewegungen mit diesen Gef\u00fchlen irgend etwas zu thun h\u00e4tten. Dass diese Vorstellung unter den heutigen Psychologen die herrschende geworden ist, scheint mir eines der st\u00e4rksten Zeugnisse f\u00fcr die Macht jener Vorurtheile, die aus einge\u00fcbten Theorien entspringen.\nKm Forderung endlich, die vom Standpunkte der gew\u00f6hnlichen Willenslehre aus freilich nahe genug liegt, muss gerade die genetische Ansicht von vornherein als unzul\u00e4ssig zur\u00fcckweisen, die Forderung n\u00e4mlich, man solle begreiflich machen, wie Willenshandlungen da entstehen konnten,. wo die Vorbedingungen einer Organisation, die bereits durch die Lebensgeschichte vorangegangener Geschlechter den Zwecken der individuellen Willensentwicklung angepasst ist, noch nicht gegeben waren. Eine derartige Frage hatte einen gewissen Sinn auf dem Boden jener Anschauungen, welche \u00fcberhaupt nur eine individuelle Entwicklung kannten. F\u00fcr die genetische Auffassung des psychischen Lebens ist jene Frage vollkommen identisch mit derjenigen nach der ersten Entstehung des Bewusstseins, wie wir denn \u00fcberhaupt allen Grund haben vorauszusetzen, dass Bewusstsein und Wille untrennbar an einander gebunden sind, und dass eine Auffassung \u00e4u\u00dferer Vorg\u00e4nge in den Formen der Empfindung und Vorstellung niemals Vorkommen kann, ohne dass sich das empfindende Subject den \u00e4u\u00dferen Dingen gegen\u00fcber zugleich als ein f\u00fchlendes und wollen-","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nW. Wundt.\ndes verh\u00e4lt. Jedenfalls k\u00f6nnen wir objectiv auf die Existenz von Bewusstsein nur aus Willens\u00e4u\u00dferungen schlie\u00dfen, und insbesondere hei den niedersten Lebensformen ben\u00fctzen wir das Vorhandensein von Willens\u00e4u\u00dferungen ausschlie\u00dflich als Merkmal des Beseeltseins. So kann denn auch von einer generellen Entwicklung des Willens nur insofern die Rede sein, als wir dabei die niederste Stufe psychischer Ausbildung, die uns in der Erfahrung gegeben ist, zum Ausgangspunkte nehmen. Hier meinte ich nun aber allerdings eine wichtige Instanz gegen die von Baumann vertheidigte Willenstheorie in der Thatsache linden zu k\u00f6nnen, dass die Lebens\u00e4u\u00dferungen der niederen Thiere vorwiegend den Charakter von Willenshandlungen an sich tragen, und dass im gleichen Ma\u00dfe bei ihnen die rein mechanischen Reflexactionen zur\u00fccktreten, die insbesondere in ihren verwickelteren Gestaltungen durchaus nur bei Thieren mit einem hoch entwickelten Nervensystem zu finden sind. Diese Thatsachen schienen mir wichtige Zeugnisse f\u00fcr die von mir angenommene umgekehrte Entwicklung der zweckm\u00e4\u00dfigen Reflexe aus Willenshandlungen zu sein.\nGegen eine derartige Herbeiziehung der Thierwelt macht nun Bau mann den fragw\u00fcrdigen Zustand der Thierpsychologie geltend, in der Alles auf Analogieschl\u00fcssen vom Menschen aus beruhe, die um so unsicherer werden\" je mehr man sich der niederenThierwelt n\u00e4here. *) Hiergegen ist zun\u00e4chst zu bemerken, dass Alles, was die entgegenstehende Ansicht aus der Beobachtung des Kindes zu ihrer Unterst\u00fctzung beibringt, auch nur auf Analogieschl\u00fcssen beruht. Das Bewusstsein des Neugeborenen ist uns ebenso unzug\u00e4nglich wie dasjenige irgend eines thierischen Wesens: in beiden F\u00e4llen schlie\u00dfen wir aus der Beschaffenheit der \u00e4u\u00dferen Bewegungen und aus den Bedingungen, unter denen sie zu Stande kommen, auf die inneren Motive dieser Bewegungen. Die Gefahr solcher Analogieschl\u00fcsse besteht dann aber haupts\u00e4chlich darin, dass wir geneigt sind, die Erscheinungen allzu sehr nach den Erfahrungen unseres eigenen Bewusstseins zu beurtheilen. Dieser Gefahr ist nun, wie ich glaube, gerade die von Baumann vertretene Ansicht unterlegen, indem sie der individuellen Entwicklung einen Einfluss zuschreibt, wie er kaum anders als unter der Voraussetzung eines hoch ausgebildeten Reflexions-\n1) A. a. 0. 578.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n363\nVerm\u00f6gens begreiflich w\u00e4re. In verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig kurzer Zeit soll die Seele die willk\u00fcrliche Beherrschung eines ihr urspr\u00fcnglich fremden und zumeist in unzweckm\u00e4\u00dfiger Weise th\u00e4tigen Mechanismus erlernen. Dass ein solches Erlernen theilweise wirklich stattfindet, bezweifle ich nicht, aber es wird, wie ich glaube, nur verst\u00e4ndlich, wenn man die individuelle Entwicklung von den. physischen und psychischen Anlagen Gebrauch machen l\u00e4sst, die ihr die generelle Entwicklung zur Verf\u00fcgung stellt. Zu diesen Anlagen geh\u00f6rt wesentlich auch die F\u00e4higkeit, auf Empfindungen, die von Unlustgef\u00fchlen begleitet sind, durch Bewegungen zu reagiren, welche die Abwehr solcher Unlustgef\u00fchle bezwecken. Dabei ist nicht im mindesten die Annahme angeborener Vorstellungen erforderlich, f\u00fcr die sich keinerlei entscheidende Beweisgr\u00fcnde beibringen lassen und gegen die zahlreiche Erfahrungen sprechen. Darum nehme ich an, dass die ersten Willenshandlungen reflexartig erfolgen, insofern bei ihnen keine Vorstellung der erfolgenden Bewegung und des durch sie wirklich erreichten Effectes vorangeht. Solche Vorstellungen k\u00f6nnen immer erst durch die individuelle Lebenserfahrung gewonnen werden, und sie wirken dann auf die weitere Ausbildung der Willenshandlungen zur\u00fcck. Insbesondere werden nun auch Willenshandlungen m\u00f6glich, bei denen Vorstellungen der Bewegung und ihrer Effecte sich vollzogen haben, ehe der Bewegungsimpuls erfolgt. Namentlich wo ein Wahlact in die Reihe der Vorg\u00e4nge sich einschiebt, pflegt eine solche Anticipation der Handlung stattzufinden. Aber selbst im ausgebildeten Bewusstsein finden sich hier noch alle m\u00f6glichen Abstufungen : einfache Triebbewegungen, bei denen das einen Eindruck begleitende Gef\u00fchl unmittelbar die Bewegung ausl\u00f6st; etwas gehemmte Triebhandlungen, bei denen wir uns zwar des Effects, den die Bewegung erreichen wird, nicht aber dieser selbst voraus bewusst werden; willk\u00fcrliche Bewegungen, bei denen neben dem Effect, auf den der Willensimpuls gerichtet ist, noch andere m\u00f6gliche Effecte, diese jedoch in der Regel nur undeutlich vorgestellt werden, und wobei nun zugleich meist schon ein schwaches Bild der auszuf\u00fchrenden Bewegung in das Bewusstsein tritt, immerhin aber auch noch fehlen kann; endlich Willenshandlungen , denen eine bewusste Erw\u00e4gung der Motive, Mittel und Zwecke vorangeht, und bei denen au\u00dfer den Effecten noch die Bewegungen mindestens in ihren allgemeinen Umrissen im Bewusst-","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nW. Wundt.\nsein anticipirt werden. Die herrschende Willenslehre l\u00e4sst nur die beiden letzten Stufen als wirkliche Willenshandlungen gelten, und eigentlich ist es die letzte, welche ihr das Schema f\u00fcr die psychologische Definition des Willens liefert; ich behaupte dagegen, dass diese vier Stufen einer continuirlichen Entwicklung angeh\u00f6ren, und dass die erste nur eine elementarere Aeu\u00dferung der n\u00e4mlichen psychischen Function darstellt, welche uns hei der letzteren unter verwickelteren Bedingungen begegnet.\nEin nicht geringer Vorzug der von mir vertheidigten genetischen Ansicht d\u00fcrfte es schlie\u00dflich sein, dass sie einigerma\u00dfen im Stande ist, \u00fcber die Entwicklung zweckm\u00e4\u00dfiger Reflexbewegungen und \u00fcber die mit der Vollkommenheit der Organisation steigende Zweckm\u00e4\u00dfigkeit derselben Rechenschaft abzulegen, w\u00e4hrend die entgegengesetzte Theorie sich gen\u00f6thigt sieht, diese Thatsache lediglich als ein unerkl\u00e4rliches Wunder anzustaunen. Denn es handelt sich hier ja keineswegs um eine jener Zweckm\u00e4\u00dfigkeiten, die blo\u00df der subjectiven Betrachtung angeh\u00f6ren, sondern um eine Form der Bewegungen, die auf ein handelndes Bewusstsein, das sich objective Zwecke setzt, zur\u00fcckschlie\u00dfen lie\u00dfe, wenn nicht andere Bedingungen, welche die Erscheinungen der mechanischen Reflexe begleiten, die Annahme eines solchen Bewusstseins unm\u00f6glich machten. Indem ich nun die Reflexe als mechanisch gewordene Willenshandlungen auffasse, welche durch die Wirkungen der einge\u00fcbten Bewegungen auf die bleibende und vererbte Organisation des Nervensystems entstanden sind, glaube ich von dieser eigenth\u00fcmlichen Doppelnatur der Reflexe, ihrem rein mechanischen Charakter und ihrer objectiven Zweckm\u00e4\u00dfigkeit, vollkommen zureichende Rechenschaft geben zu k\u00f6nnen. Man mag von der Thierpsychologie so skeptisch denken als man will, \u00fcber die Frage, wie sich im Thierreich die Reflexbewegungen entwickeln, ist die Thierbeobachtung vollkommen competent. Hier handelt es sich nicht um ein zweifelhaftes Analogisiren nach eigenen inneren Wahrnehmungen, sondern lediglich um eine unbefangene Beurtheilung objectiver Beobachtungen. F\u00fcr die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Bewegung ein rein mechanischer Reflex sei oder nicht, besitzen wir ein zureichendes objectives Kriterium in der mangelnden oder vorhandenen l\u00e4ngeren Nachwirkung des Reizes. Wo ein Sinnesreiz eine einmalige zweckm\u00e4\u00dfige Bewegungsreaction ausl\u00f6st, auf die","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n365\nwieder vollst\u00e4ndige K\u00fche folgt, und wo sich hei wiederholten Versuchen dieses Verhalten als ein constantes herausstellt, da k\u00f6nnen wir mit der auf diesem Gebiet \u00fcberhaupt erreichbaren Sicherheit voraussetzen, dass ein Bewusstsein in dem Sinne, welchen wir mit diesem Begriff verbinden, nicht bei der Bewegung vorhanden gewesen sei. Treten wir aber,' mit diesem Kriterium ausger\u00fcstet und die sonstigen Umst\u00e4nde, unter denen die Bewegungen erfolgen, in Betracht ziehend, an die Beobachtung der Thiere heran, so kann, wie ich glaube, nur theoretische Voreingenommenheit sich weigern anzuerkennen, dass die Reflexe bei den niederen Thieren im allgemeinen zur\u00fccktreten gegen\u00fcber den aus einfachen psychischen Motiven entspringenden Willenshandlungen, und dass die Ausbildung der Reflexe mit der Vollkommenheit der Organisation gleichen Schritt h\u00e4lt. Diese Best\u00e4tigung meiner Reflextheorie ist aber zugleich eine indirecte Best\u00e4tigung der genetischen Ansicht vom Willen, die ihr zu Grunde liegt.\n4r. Metaphysische Beziehungen der Willenstheorien.\nSeine Polemik gegen die metaphysische Anschauung, in der er die Grundlage meiner Willensansicht vermuthet, er\u00f6ffnet Baumann mit einer Zur\u00fcckweisung des von mir behaupteten metaphysischen Einflusses auf diejenige Lehre vom Willen , die in Lotze\u2019s \u00bbmedici-nischer Psychologie\u00ab enthalten ist. \u00bbDie Reflexbewegungen\u00ab, so \u00e4u\u00dfert sich Lotze, \u00bberscheinen, wie die Buchstaben des Alphabets, als die einfachen Elemente der Zweckm\u00e4\u00dfigkeit, welche die Natur mechanisch determinirt der Seele zu Gebote stellt, indem sie es ihr \u00fcberl\u00e4sst, unter dem vereinigten Einfl\u00fcsse der Sinnesempfindungen und der Ueberlegung sie zu hinl\u00e4nglich feinen und lenksamen Mitteln zu combiniren, um der unendlichen Mannigfaltigkeit m\u00f6glicher Reize\ngewachsen zu sein........Misstrauisch gegen den Erfindungsgeist\nder Seele, hat die Natur dem K\u00f6rper diese Bewegungen als mechanisch vollkommen bedingte Wirkungen der Reize mitgegeben\u00ab. *) Es kann wahrlich Lotze kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass ihm, als er diese Worte schrieb, der Standpunkt der Entwicklungstheorie ferne lag, dass er also noch nicht daran denken konnte, die Zweck-\n1) Lotze, Medicinisehe Psychologie, S. 292 f.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nW. Wundt.\nm\u00e4\u00dfigkeit des nerv\u00f6sen Mechanismus selbst aus der psychischen Entwicklung herzuleiten. Wenn man in diesem Sinne die Stelle berichtigte, so w\u00fcrde sie darum mit geringen Ver\u00e4nderungen auch von der genetischen Ansicht als g\u00fcltig f\u00fcr die individuelle Willensentwicklung adoptirt werden k\u00f6nnen. Aber darum bleibt es doch wahr, dass sie so, wie sie von L o t z e gemeint war, \u00bb nur auf Grund einer Anschauung vollziehbar ist, welche in Cartesianischer Weise die Verbindung von Seele und K\u00f6rper als eine \u00e4u\u00dfere und mechanische ansieht, die jeden Augenblick ohne wesentlichen Nachtheil f\u00fcr beide hergestellt und getrennt werden kann\u00ab. \u2019) Ich verkenne ja durchaus nicht, dass Bain sowohl wie Baumann ihre Lehre vom Willen von derartigen metaphysischen Voraussetzungen frei zu halten suchen. Darum legen beide auf die durch Blutreize entstehenden, v\u00f6llig zwecklosen automatischen Bewegungen mehr Gewicht als auf die zweckm\u00e4\u00dfigen Reflexe ; eben darum muthen sie aber auch , wie ich meine, der individuellen Lebenserfahrung mehr zu, als sie zu tragen im Stande ist. Dagegen wird man es nicht unbillig nennen k\u00f6nnen, wenn ich bei Lotze einen solchen metaphysischen Einfluss statuire. Gesteht er doch selbst denselben freim\u00fcthig ein, wie denn schon der \u00e4u\u00dferliche Umstand, dass er mit Er\u00f6rterungen \u00fcber das Wesen der Seele seine Darstellung der Psychologie er\u00f6ffnet, darauf hinweist. Ich bin weit davon entfernt, damit einen Tadel aussprechen zu wollen ; ich finde dieses Verh\u00e4ltnis so tief begr\u00fcndet in der Gedankenriehtung Lotze\u2019s, dass ich es mir weder anders denken kann, noch auch es anders w\u00fcnschen m\u00f6chte. Unzul\u00e4ssig finde ich es nur, wenn man die Art und Weise, die f\u00fcr eine bestimmte Zeit oder f\u00fcr eine bestimmte Individualit\u00e4t als die angemessene anerkannt werden muss, nun deshalb zur allgemein g\u00fcltigen erheben will und es der entgegengesetzten Richtung zum Vorwurf macht, dass sie, wie ein strebsamer junger Philosoph es einmal missbilligend ausdr\u00fcckte, h\u00f6chstens in einem sch\u00fcchternen Schlusskapitel einige Ansichten \u00fcber das Wesen der Seele zu \u00e4u\u00dfern wagt.\nWenn ich nach dem von mir eingenommenen Standpunkte leugnen muss, dass meine Willenstheorie von vorgefassten metaphysischen Anschauungen beeinflusst sei, so leugne ich dagegen nicht, dass ich\n1) Physiol. Psychologie, 2. Aufl. II. S. 410.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n367\nglaube, dieselbe, um mit Baumann zu sprechen, \u00bbmetaphysisch ver-werthen zu k\u00f6nnen\u00ab. Dass der Schlussabschnitt meines Werkes, in welchem eine solche Yerwerthung der vorangegangenen empirischen Untersuchungen \u00fcberhaupt, nicht blo\u00df der den Willen betreffenden, versucht wird, mehr andeutend als ausfuhrend gehalten ist, d\u00fcrfte in den n\u00e4chsten Zwecken einer \u00bbphysiologischen Psychologie\u00ab ihre Rechtfertigung finden. Ich muss auch jetzt die weitere Ausf\u00fchrung einer sp\u00e4teren Gelegenheit Vorbehalten und begn\u00fcge mich daher, die kurzen Einwendungen und Gegenaufstellungen Baumann\u2019s ebenso kurz zu beleuchten.\nDie beiden ersten Einw\u00e4nde haben in dem Yorangegangenen bereits ihre Erledigung gefunden. Der erste behauptet n\u00e4mlich, meine Willenstheorie sei durch Baumann\u2019s Ausf\u00fchrungen widerlegt, und damit sei die empirische Basis meiner metaphysischen Aufstellungen beseitigt. Dass der Versuch einer solchen Widerlegung nicht gelungen ist, hoffe ich bewiesen zu haben. Der zweite Einwand schiebt mir die Meinung zu, dass der F\u00f6tus durch Willenshandlungen seinen K\u00f6rper gestalte; diese, meint Baumann, k\u00f6nnten nur unbewusste sein, wodurch die Seele zu einem blo\u00df physischen Wesen werde. Dass dieser Einwand auf einem merkw\u00fcrdigen Missverst\u00e4ndnis meiner Ausf\u00fchrungen und auf einer Verwechslung der individuellen mit der generellen Entwicklung beruht, wurde oben schon dargelegt.\nAn dritter Stelle wird der von mir aufgestellte Satz angefochten, \u00bbdass sich nichts in unserm Bewusstsein ereigne, was nicht in bestimmten physischen Vorg\u00e4ngen seine sinnliche Grundlage habe\u00ab. Dagegen wird bemerkt : \u00bb die Begriffe M\u00f6glich, Nothwendig, der strenge Begriff der Ursache, der Formalbegriff und \u00fcberhaupt die Voraussetzung von Substanzen, um nur solche Beispiele zu nennen, bei denen die Sache unzweifelhaft gemacht werden kann\u00ab, seien nimmermehr \u00bbdie blo\u00df psychische Innenseite einer k\u00f6rperlichen Au\u00dfenseite\u00ab. Ich constatire zun\u00e4chst, dass die zuletzt angef\u00fchrten Worte etwas ganz anderes enthalten als der von mir aufgestellte Satz. Eine Erscheinung kann eine sinnliche Grundlage haben, ohne darum \u00bbblo\u00df psychische Innenseite einer k\u00f6rperlichen Au\u00dfenseite\u00ab zu sein. Wie absurd jene Vorstellungen sind, welche Begriffe als solche irgendwo im Gehirn localisiren m\u00f6chten, habe ich an verschiedenen Stellen darzulegen gesucht. Ich kann mich hier begn\u00fcgen, aus einem Aufsatze, der die","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nW. Wundt.\nauf die Localisationsfrage bez\u00fcglichen Untersuchungen meiner \u00bbphysiologischen Psychologie\u00ab zusammenfasst, eine diesen Punkt ber\u00fchrende Stelle hervorzuheben: \u00bbWir haben allen Grund anzunehmen, dass, wie schon bei der Entstehung unserer Vorstellungen ihr sinnlicher Inhalt an die Sinneswahmehmung, so \u00fcberhaupt durchg\u00e4ngig die sinnlichen Bestandteile unserer geistigen Th\u00e4tigkeit an sinnliche, also physische Vorg\u00e4nge gebunden seien .... Es fehlt uns aber ebenso an jedem Anhalte daf\u00fcr, dass dasjenige, was in unserer inneren Erfahrung jenen sinnlichen Inhalt gestaltet, was ihn nach logischen oder ethischen Normen verbindet, nun an irgend welche physischen Vorg\u00e4nge besonderer Art gekn\u00fcpft sei. In unseren Urtheilen und Schl\u00fcssen, unseren \u00e4sthetischen und sittlichen Gef\u00fchlen ruht auf sinnlicher Grundlage alles, was dem Gebiet der sinnlichen Vorstellung angeh\u00f6rt.......selbst der abstracteste Begriff kann von unserm Be-\nwusstsein nur festgehalten werden in der Form einer sinnlichen Vorstellung, welche f\u00fcr unser Denken die Stellvertreterin des Begriffs ist.\u00ab 1 In diesen und den entsprechenden Ausf\u00fchrungen meiner \u00bbphysiologischen Psychologie\u00ab ist, wie ich meine, die Antwort auf die obigen Einw\u00e4nde bereits enthalten. Sicherlich k\u00f6nnen auch die Begriffe M\u00f6glich, Nothwendig, Ursache, Substanz nicht existiren ohne eine sinnliche Grundlage und demgem\u00e4\u00df ohne begleitende k\u00f6rperliche Vorg\u00e4nge. Diese sinnliche Grundlage besteht eben in diesem Fall in der stellvertretenden Vorstellung, die, sei sie auch nur ein akustisches oder optisches Wortbild, eine centrale Sinneserregung voraussetzt. Dass Baumann jene Ausf\u00fchrungen so gr\u00fcndlich missverstehen konnte, wird nur begreiflich, wenn man annimmt, dass er sie von vornherein durch das Medium seines Cartesianischen Dualismus appercipirte, wobei dann freilich wohl oder \u00fcbel eine Spino-zistische Identit\u00e4t herauskommen musste.\nDer vierte Einwand ist ein Corollar zu dem vorangegangenen und f\u00e4llt darum gro\u00dfentlieils von selbst weg. Dass Geist nicht anders wirklich sein k\u00f6nne als in der Verbindung mit dem K\u00f6rper, und unsere Seele der Knotenpunkt der Welt sei, in welchem sie sich auf sich selbst besinne, das seien, meint Baumann, \u00bbVerabsolutirungen\n1) \u00bbGehirn und Seele\u00ab, Deutsche Rundschau, 1S80, S. 67. Vgl. hierzu physiol\u00bb Psychologie, I, Cap. V, S. 211 f.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Zui Lehre vom Willen.\n369\nder Wirklichkeit, wie sie ja ein Erb\u00fcbel vieler Philosophien zu sein scheinen, die das Wirkliche zum allein M\u00f6glichen und Nothwendigen machen, wo das Wirkliche sich nur als Wirkliches pr\u00e4sentirt und jene geistigen Reflexionen der M\u00f6glichkeit und Nothwendigkeit uns gar nicht zwingen, etwas Anderes daraus zu machen \u00ab. Als wenn ich jemals etwas anderes behauptet h\u00e4tte, als dass die Seele, die wir aus der wirklichen Erfahrung kennen, an den K\u00f6rper gebunden sei ! Mit einem andern Seelenbegriff hat es die empirische Psychologie \u00fcberhaupt nicht zu thun. Diese Beschr\u00e4nkung auf die wirkliche Erfahrung l\u00e4sst ja gerade das M\u00f6gliche an dem Ort, wo es hingeh\u00f6rt, im Bereich der Ideen, w\u00e4hrend Baumann, wie ich f\u00fcrchte, in jenes \u00bbErb\u00fcbel vieler Philosophien\u00ab verf\u00e4llt, dem M\u00f6glichen, weil es vielleicht auch ein Wirkliches sein k\u00f6nnte, eine Art von Halbwirklichkeit zu geben, die nur ein irgendwoher genommenes \u00bbcomplementum possibilitatis\u00ab erwartet, um eine ganze Wirklichkeit zu werden. Wie nun gar der Ausdruck, das menschliche Bewusstsein (nicht die Seele, wie Baumann substituirt) bilde den \u00bbKnotenpunkt im Naturlauf, in welchem die Welt sich auf sich selber besinnt\u00ab, eine Verabsoluti-rung der Wirklichkeit sein soll, ist noch schwerer begreiflich. Sollte ich noch besonders versichern, dass ich unter der Welt nur die \u00bbwirkliche\u00ab verstehe, diejenige, die uns in unsem Vorstellungen gegeben ist? Oder sollte ich vielleicht in einer Note bemerken, dass ich unter dem Knoten keinen wirklichen, sondern einen bildlichen Knoten gemeint habe?\nDer f\u00fcnfte und letzte Einwand kehrt sich gegen meine Kritik des Spiritualismus, des vulg\u00e4ren Dualismus und der bald mehr dem ersten bald mehr dem zweiten sich zuneigenden monadologischen Anschauungen. Baumann verwundert sich, dass ich der Frage der Wechselwirkung und des Sitzes der Seele immer noch eine Bedeutung beilege. Durch Hume und Kant seien wir l\u00e4ngst \u00fcberzeugt worden, dass wir das Wie der gegenseitigen Einwirkung von Substanzen \u00fcberhaupt nicht einsehen. Man darf wohl behaupten, dass diese Ansicht von der Unbegreiflichkeit der Wechselwirkung \u00e4lter ist als Hume und Kant. Eigentlich liegt sie schon in dem Wunder, welches die Cartesianische Schule f\u00fcr die Thatsache der Wechselwirkung postulirte. Aber sind darum die Er\u00f6rterungen \u00fcber den Sitz der Seele aus der Psychologie verschwunden? Kommt nicht insbe-\nWundt, Phil. Studien. I.\t25","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nW. Wundt.\nsondere die monadologische Psychologie trotz Kant\u2019s Kritik des psychologischen Paralogismus immer wieder auf jene Er\u00f6rterungen zur\u00fcck? Ich schlage Herbart\u2019s \u00bbLehrbuch zur Psychologie\u00ab auf und lese : \u00bb Zuerst aber tritt hiermit wieder die mit Unrecht verworfene Frage von dem Sitze der Seele hervor. Dass man aus physiologischen Gr\u00fcnden nicht einen Ort, sondern nur eine Gegend (imUebergang zwischen Gehirn und R\u00fcckenmark) daf\u00fcr mit Wahrscheinlichkeit nachw'eisen kann, ist bekannt. Auch bedarf es keines festen Sitzes, sondern die Seele kann sich bewegen in einer gewissen Gegend, ohne dass hiervon in ihren Vorstellungen die geringste Ahnung oder bei anatomischen Nachsuchungen die geringste Spur vork\u00e4me ; wohl aber kann man Ver\u00e4nderungen ihres Sitzes als eine sehr fruchtbare Hypothese zur Erkl\u00e4rung ihrer anomalischen Zust\u00e4nde betrachten\u00ab. ') In Lotze\u2019s \u00bbmedicinischer Psychologie\u00ab hei\u00dft es: \u00bbEine immaterielle Substanz , aller Ausdehnung entbehrend , kann freilich nicht eine gewisse Strecke des Raums erf\u00fcllen, aber nichts hindert, dass sie einen bestimmten Ort in ihm habe, von welchem aus ihre Kraft unmittelbar die benachbarten Theilchen der Materie in Bewegung setzt, und bis zu welchem hin, um \u00fcberhaupt zur Einwirkung auf sie zu gelangen, alle aus der \u00e4u\u00dfern Natur stammenden Erregungen sich fortpflanzen m\u00fcssen\u00ab. * 2)\nAngesichts solcher Anschauungen, die man noch in psychologischen Schriften neuesten Datums wiedergegeben findet, l\u00e4sst sich doch kaum behaupten, dass es Eulen nach Athen tragen hei\u00dfe, wenn man sich bem\u00fcht, die Unhaltbarkeit der ihnen zu Grunde liegenden Voraussetzungen darzuthun. Aber ich meine auch, dass gerade die monadologische Ansicht ihre guten Gr\u00fcnde hat, immer und immer wieder auf diese Er\u00f6rterungen \u00fcber den Sitz der Seele zur\u00fcckzukommen. Indem sie eine bestimmte Hypothese \u00fcber das Wesen der Substanzen entwickelt, die als der reale Hintergrund der Erscheinungswelt anzusehen seien, kann sie gar nicht umhin, zugleich \u00fcber die Art der Verbindung dieser Substanzen Rechenschaft zu geben. Von diesem Gesichtspunkte aus muss daher, selbst wenn der Raum mit Kant als eine Anschauungsform angesehen wird, die keine wi-\nll Herbart, S\u00e4mmtl. Werke, Bd. 5 (Hartenstein\u2019sche Ausgabe), S. 114.\n2) Lotze, Med. Psychologie, S. 115 f.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n371\nmittelbare metaphysische Realit\u00e4t besitzt, doch, wie Her hart sich ausdr\u00fcckt, die Seele \u00bbin dem Denken, worin sie mit anderen Wesen zusammengefasst wird, in den Raum, und zwar f\u00fcr jeden Zeitpunkt an einen bestimmten Ort gesetzt werden\u00ab.1) Selbst f\u00fcr andere, nicht-monadologische Hypothesen beh\u00e4lt diese Forderung ihre G\u00fcltigkeit, und der von Bau mann vertretenen Ansicht kann daher nur die Bedeutung eines asylum ignorantiae zukommen, das sich freilich durch seine Bequemlichkeit empfehlen mag. Anders steht die Sache, wenn man etwa mit Hume die Zul\u00e4ssigkeit jeder Metaphysik bestreitet. Aber das thut auch Baumann nicht. Er huldigt, wie er sagt, einem \u00bb gem\u00e4\u00dfigten Dualismus \u00ab, er gesteht den K\u00f6rpern au\u00dfer ihren sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften eine innere Qualit\u00e4t zu, \u00bbdie aber darum nicht noth wendig geistig anzusetzen sei\u00ab; in Bezug auf die Seele meint er, dass \u00bb die Deutung auf eine centrale, wenn auch darum noch gar nicht \u00fcberm\u00e4chtige Monade nicht vermieden werden k\u00f6nne\u00ab. Das Recht metaphysischer Hypothesen wird also von ihm anerkannt. Welchen Zweck sollen aber diese haben, wenn sie sich weigern, \u00fcber den thats\u00e4chlichen Zusammenhang der Erscheinungen Rechenschaft zu geben? In der That geht auch aus Baumann\u2019s eigenen Worten hervor, dass er der Frage nach der Verbindung von K\u00f6rper und Seele nicht v\u00f6llig aus dem Wege gehen will. Dass die Seele \u00bbals bewusstes Vorstellen und Wollen in besonderer Weise an das Gehirn und vielleicht bestimmte Theile desselben gebunden ist\u00ab, leugnet er nicht. Offenbar ist also die eigentliche Tendenz der Polemik diese, dass im allgemeinen ein Sitz der Seele im Gehirn zugestanden wird. Die Vorstellungen \u00fcber diesen Sitz sollen nur durchaus in jener Unbestimmtheit verbleiben, in welcher sie beliebigen metaphysischen Hypothesen freien Spielraum lassen. Worauf beruht aber \u00fcberhaupt die Annahme, dass die Seele im Gehirn localisirt sei? Auf Thatsachen der Erfahrung, die im allgemeinen schon zu einer Zeit bekannt waren, in der man von den physiologischen Verh\u00e4ltnissen des Gehirns noch so gut wie nichts wusste. Und sollte es nun demgem\u00e4\u00df nicht erlaubt sein, jene unbestimmten, weil auf ungen\u00fcgender Kenntniss beruhenden Vorstellungen wo m\u00f6glich in bestimmtere zu verwandeln, indem wir die, wenn auch immer noch un-\n1) Herbart, a. a. O. S. 108 f.\n25*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nW. Wandt.\nvollkommenen, so doch im Verh\u00e4ltnis zu dem fr\u00fcheren Zustand jedenfalls fortgeschrittenen Kenntnisse der heutigen Nervenphysiologie zu H\u00fclfe nehmen? Aber das ist ja auch ein \u00bbErb\u00fcbel gewisser Philosophien\u00ab, dass ihnen die roheste Erfahrung gut genug ist, wenn sie zu ihren vorgefassten Meinungen passt, und dass ihnen die zuverl\u00e4ssigsten empirischen Resultate allzu unsicher sind, wenn sie zuf\u00e4llig mit diesen Meinungen nicht \u00fcbereinstimmen.\nDie Vorstellung, dass meine metaphysische Ansicht nichts anderes sei als Spinozistische Identit\u00e4tsphilosophie, hat sich bei Baumann derma\u00dfen festgesetzt, dass er S\u00e4tze aus dem Schlusskapitel meiner \u00bbphysiologischen Psychologie\u00ab fast regelm\u00e4\u00dfig in Spinozistische Redeformen \u00fcbersetzt, ohne sich auch nur des Unterschiedes bewusst zu werden. Wenn ich sage, der psychologische Standpunkt verlange als elementare Eigenschaft der Substanz die Empfindung, der physikalische die Bewegung, und beiden entsprechend finde der psycho-physi-sche Standpunkt in dem Trieb das Elementarph\u00e4nomen, einen Vorgang, der gleichzeitig eine Empfindung und eine Bewegungs\u00e4u\u00dferung enthalte1), so macht Bau mann daraus die Behauptung, \u00bbdass Empfindung zugleich Bewegung ist und Bewegung Empfindung\u00ab.2) Wenn ich sage, \u00bbwas wir Seele nennen, sei das innere Sein der n\u00e4mlichen Einheit, die wir \u00e4u\u00dferlich als den zu ihr geh\u00f6rigen Leib anschauen\u00ab, so habe ich damit nach Baumann eine Identit\u00e4t von K\u00f6rper und Seele behauptet, woran dann weiterhin allerlei erbauliche Betrachtungen dar\u00fcber angekn\u00fcpft werden, wie verkehrt es sei, Unterschiede dadurch los werden zu wollen, dass man sie identisch setzt. Ich unterschreibe diesen Satz, aber hier beweist er doch nichts weiter, als dass Bau mann in meine Aeu\u00dferungen Dinge hineingelesen hat, die nicht im entferntesten in denselben enthalten sind. Psychologisch glaube ich freilich diese Art von Interpretation vollst\u00e4ndig begreifen zu k\u00f6nnen. Der Gedanke, dass das K\u00f6rperliche eine Erscheinungsform des Geistigen sei, wird sich f\u00fcr den vulg\u00e4ren Dualismus stets in eine Identit\u00e4t des Denkens und der Ausdehnung zur\u00fcckverwandeln, weil dieser Dualismus von der Vorstellung der metaphysischen Realit\u00e4t des K\u00f6rperlichen nicht loskommen kann. Darum f\u00fchrt Baumann zwar an;\n1)\tPhysiol. Psychol. II, S. 460 f.\n2)\tA. a. O. S. 593.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen.\n373\ndass ich dem Geistigen den Vorrang lasse ; aber er scheint doch anzu-nehmen, dass dies mehr ans einer Art von pflichtschuldiger Ehrfurcht als aus irgend welchen erkenntnisstheoretischen Gr\u00fcnden geschehe.\nBesonders charakteristisch f\u00fcr diesen Standpunkt des Verfassers ist die kurze Kritik der verschiedenen Weltanschauungen, mit der er seine Er\u00f6rterungen schlie\u00dft. Meiner Kritik des Materialismus, in welcher bemerkt war, derselbe verkenne, dass die Objecte der Au\u00dfenwelt Vorstellungen sind, die sich in uns nach psychologischen Gesetzen entwickeln, erkl\u00e4rt Baumann sich ganz anzuschlie\u00dfen ; aber die Einw\u00e4nde, die er selbst kurz darauf bringt, sind davon total verschieden. \u00bbFalsch\u00ab, hei\u00dft es hier, \u00bbist der Materialismus; denn aus Materie als Gr\u00f6\u00dfe und Bewegung kann man Denken nicht logisch ableiten\u00ab. Kann man \u00fcberhaupt Vorg\u00e4nge, die in causaler Beziehung stehen, darum immer auch nothwendig logisch aus einander ableiten\u201d? Baumann selbst bemerkt kurz vorher, sogar zwischen den geistigen Vorg\u00e4ngen brauchten wir das innere Band nicht einzusehen. Logisch will der Materialismus gar nicht das Denken aus der Materie ableiten ; er behauptet nur die Pr\u00e4existenz der Materie und die unbedingte Abh\u00e4ngigkeit des Geistigen von ihr, und er w\u00fcrde sich darum schwerlich durch Baumann\u2019s Ein wand f\u00fcr widerlegt halten.\nDen monistischen Spiritualismus, dem alles Geist ist, h\u00e4lt Baumann an sich f\u00fcr logisch m\u00f6glich, aber f\u00fcr unbeweisbar. Er h\u00e4tte hinzuf\u00fcgen k\u00f6nnen, dass sich dieser Spiritualismus in den Gestaltungen, in denen er in der Philosophie aufgetreten ist, in Widerspr\u00fcche mit der Erfahrung verwickelt, und dass insbesondere die monadologischen Anschauungen zu Annahmen \u00fcber die Beziehungen der Seele zu ihrem k\u00f6rperlichen Substrate gen\u00f6thigt werden, die in einem vollen Gegens\u00e4tze zu denjenigen Annahmen stehen, welche die wissenschaftliche Erfahrung nahe legt. Nat\u00fcrlich lassen sich metaphysische Hilfsannahmen ersinnen, durch welche diese Widerspr\u00fcche wieder ausgeglichen werden, wie z. B. die Hypothese Lotze\u2019s, dass die Seele durch unmittelbare Intuition die Zust\u00e4nde der Monaden ihres Leibes in sich abbilde. Eine Hilfsannahme, die so eingerichtet werden muss,' dass sie die wesentlichsten Merkmale der urspr\u00fcnglichen Hypothese wieder auf hebt, ist aber, wie mir scheint, die wirksamste Widerlegung der letzteren. Eine physiologische Basis hat gegenw\u00e4rtig die monadologische Hypothese nicht mehr. Die Be-","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nW. Wundt.\nhauptung, (lass ihre psychologische Begr\u00fcndung auf einer Verwechslung der Einheit mit der Einfachheit beruht, ist auch durch Bau mann nicht widerlegt worden. Im Gegentheil, er gesteht zu, das wirkliche geistige Leben zeige \u00bb eine Mannigfaltigkeit und Vielf\u00e4ltigkeit , welche auf eine Mannigfaltigkeit seiner Grundlagen hinweist\u00ab. Aber das Ich sei nicht immer blo\u00df formale Einheit, und selbst so weit es das sei, werde die Deutung auf eine centrale Monade nicht vermieden werden k\u00f6nnen. Das hei\u00dft mit anderen Worten : Die Seele ist zwar keineswegs einfach, aber weil es der Metaphysik beliebt, so soll sie es dennoch sein. Ich leugne keineswegs, dass das Ich auf eine reale Einheit hinweist, aber ich leugne, dass jede Einheit ein einfaches Wesen sei, wie denn z. B. der physische Organismus ein einheitliches Ganze ist, ohne einfach zu sein.\nBei diesem Punkte tritt nun das wahre Motiv der von Baumann vertretenen Ansicht deutlich genug hervor. Obgleich dasselbe von dem Verfasser selbst nirgends ausdr\u00fccklich zugestanden wird, so glaube ich es doch in seinem Sinne erg\u00e4nzen zu d\u00fcrfen. Dabei kann ich aber nicht umhin, den tieferen Grund der Gegens\u00e4tze, die sich hier bek\u00e4mpfen, kurz zu ber\u00fchren.\nDie von Baumann vertretene Richtung tritt an die psychologischen Hypothesen mit dem Postulate heran, dass sich dieselben geeignet erweisen m\u00fcssen, gewissen ethischen Bed\u00fcrfnissen Gen\u00fcge zu leisten. Sie w\u00e4hlt daher nicht nur unter verschiedenen, etwa gleich m\u00f6glichen Hypothesen diejenige heraus, die diesem Zweck besser zu entsprechen scheint, sondern sie scheut sich auch nicht, durch beliebige, von andern Gesichtspunkten aus v\u00f6llig unmotivirte Hilfsannahmen einer durch die psychologische Erfahrung gef\u00e4hrdeten Hypothese , die sie aus ethischen R\u00fccksichten f\u00fcr w\u00fcnschenswerth h\u00e4lt, zu Hilfe zu kommen. Es ist unvermeidlich, dass dieses Verfahren zu einer von der sonstigen v\u00f6llig abweichenden Verwendung wissenschaftlicher Hypothesen f\u00fchren muss. Diese besitzen nicht mehr die Bedeutung von Voraussetzungen, welche aus den zu erkl\u00e4renden That-sachen abgeleitet werden, sondern sie werden selbst wie Thatsachen behandelt, die von vornherein feststehen, und f\u00fcr deren Verbindung mit den wirklichen Thatsachen verschiedene Hilfsannahmen erforderlich sind, so dass nun den letzteren erst die Rolle der eigentlichen Hypothesen zukommt.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen,\n375\nDem gegen\u00fcber bin ich der Meinung, dass psychologische Hypothesen keine andere Bedeutung beanspruchen k\u00f6nnen, als sie Hypothesen \u00fcberhaupt zukommt. Sie sind Voraussetzungen, die wir zu den Thatsachen der Erfahrung hinzudenken m\u00fcssen, um uns den Zusammenhang derselben begreiflich zu machen, die sich daher einzig und allein nach den Thatsachen richten d\u00fcrfen, auf die sie sich beziehen, und die \u00fcber Thatsachen oder Forderungen, die einem andern Gebiete angeh\u00f6ren, ebenso wenig etwas entscheiden k\u00f6nnen, als sie selbst von solchen au\u00dferhalb der psychologischen Erfahrung liegenden Forderungen veranlasst sind. Dieser Standpunkt empfiehlt sich, wie ich meine, nicht blo\u00df dadurch, dass er sich durchaus nach denjenigen logischen Gesichtspunkten richtet, die f\u00fcr den Gebrauch wissenschaftlicher Hypothesen \u00fcberhaupt ma\u00dfgebend sind, sondern ganz besonders auch dadurch, dass er f\u00fcr beide Theile der vortheilhaf-tere ist.\nEinen schlagenden Beleg f\u00fcr die schlimme Lage, in welche sich die herk\u00f6mmliche Psychologie durch ihre Vermengung heterogener Gebiete verwickelt, liefert nun gerade die monadologische Hypothese. In der Form, in der sie von Baumann vertreten wird, ist sie offen eingestandener oder stillschweigend zugestandener Ma\u00dfen dazu da, die Unsterblichkeit begreiflich zu machen. Nun ist es an und f\u00fcr sich ein aussichtsloses, um nicht zu sagen widersinniges Unternehmen, zur Erkl\u00e4rung des empirischen Zusammenhanges unseres geistigen Lebens mit den k\u00f6rperlichen Erscheinungen eine Hypothese aufstellen zu wollen, welche gleichzeitig auch ein geistiges Sein begreiflich machen m\u00f6chte, f\u00fcr das jener empirische Zusammenhang aufgeh\u00f6rt hat zu existiren. Die Psychologie hat es mit der sinnlichen Welt und mit der Beth\u00e4tigung des geistigen Lebens innerhalb dieser sinnlichen Welt zu thun. Auch die Hypothesen, deren sie sich bedient, sind daher durchaus in diese Grenzen eingeschlossen. Wollen sie mehr leisten, so bringen sie die psychologische Untersuchung in Verwirrung, ohne den Glaubensannahmen, in deren Interesse sie erfunden wurden, f\u00f6rderlich zu sein. Je exacter man die monadologische Hypothese durchzuf\u00fchren sucht, um so deutlicher zeigt es sich in der That, dass hier an die Stelle einer tieferen Auffassung des geistigen Lebens, die aus der eigenen Entwicklung des letzteren gesch\u00f6pft wird, ein \u00f6der Mechanismus geistiger Atome getreten ist. Ist ja doch","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nW. Wundt,\ndie Wurzel dieser Anschauung ein unbewusster Materialismus. Um die Unzerst\u00f6rbarkeit des geistigen Seins zu retten, denkt man sich die Seele nach dem Vorbild des materiellen Atoms. Der Erfolg ist dann freilich auch darnach. Die Ewigkeit der \u00e4u\u00dferen Dauer ist gerettet , aber der werthvolle Inhalt ist verloren gegangen. Oder sollte man sich wirklich der Illusion hingeben, durch das, was Herb art als das ewige Leben schildert, durch \u00bb ein unendlich sanftes Schweben der Vorstellungen, eine unendlich schwache Spur dessen, was wir Leben nennen\u00ab *), seien die Hoffnungen des gl\u00e4ubigen Gem\u00fcths befriedigt? Man wird sagen, das seien individuelle Vorstellungen; es stehe vollkommen frei, und auch Herbart habe dies zugestanden, neben jenem nat\u00fcrlichen Erfolg des Todes, welcher sich kaum wesentlich von der Vernichtung unterscheiden w\u00fcrde , an au\u00dferordentliche Veranstaltungen zu glauben, durch welche der werth volle Lebensinhalt f\u00fcr den Einzelnen erhalten bleibe. Aber wenn man erst solche Veranstaltungen n\u00f6thig hat, um die misslichen Erfolge, zu denen man sich durch die Hypothese gedr\u00e4ngt sieht, wieder los zu werden, w\u00e4re es dann nicht besser, diese Hypothese lieber ganz bei Seite zu lassen und nicht erst der Psychologie durch sie Verlegenheiten zu bereiten?\u2014 An dritter Stelle bespricht Bau mann den Monismus, \u00bbnach welchem\u00ab, wie er sagt, \u00bbNatur und Geist, Denken und mechanische Bewegung dasselbe sind, sich blo\u00df wie zwei Seiten des N\u00e4mlichen verhalten sollen\u00ab. Er hat also auch hier zun\u00e4chst den Spinozistischen Monismus im Auge. Dass Denken nicht zugleich Nichtdenken, mechanische Bewegung nicht zugleich Nichtbewegung sein k\u00f6nne, ist gewiss wahr. Aber auch Spinoza hat diese Meinung nicht gehabt. Vern\u00fcnftiger Weise kann hier nur die zweite der von Baumann hingestellten Ansichten m\u00f6glich sein, \u00bbdass man eine Substanz mit zwei Kr\u00e4ften statuirt, mechanischer Bewegung und Denken\u00ab. Auch dass dieser Spinozistische Monismus ein \u00bb willk\u00fcrlich zusammengeschwei\u00dfter universeller Dualismus\u00ab ist, bestreite ich nicht im mindesten. Nur finde ich es seltsam, dass Baumann zuerst ihn darum willk\u00fcrlich nennt, weil die Natur uns keineswegs \u00fcberall auch eine geistige Seite zeige, und dass er gleichwohl unmittelbar darauf vom Standpunkte seines gem\u00e4\u00dfigten Dualismus aus den K\u00f6rpern \u00bbeine innere Natur zu-\nll Herbart\u2019s Werke, Bd. 5, S. 173.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Willen,\n377\ngesteht, die aber darum nicht nothwendig geistig anzusetzen sei\u00ab. Als oh hier die Unterscheidung einer innem und einer \u00e4u\u00dfern Natur \u00fcberhaupt etwas anderes sein k\u00f6nnte als ein anderer Ausdruck f\u00fcr Geist und K\u00f6rper. Wir finden das Geistige in uns, und wir finden es gebunden an einen K\u00f6rper. Dadurch mag man zu der, keineswegs beweisbaren , aber durch die Analogie immerhin einigerma\u00dfen gerechtfertigten Idee kommen, dass den K\u00f6rpern ein geistiges Sein oder doch die Anlage zu einem solchen innewohne. Die Idee dagegen, dass in ihnen irgend eine unbekannte dritte, weder k\u00f6rperliche noch geistige Natur verborgen sei, \u2014 diese Idee ist ein metaphysischer Traum, der in die Philosophie ungef\u00e4hr mit dem n\u00e4mlichen Rechte geh\u00f6rt wie der Pegasus in die Zoologie.\nIch vertrete meinerseits nicht den Spinozistischen Monismus. Indem dieser unseren Vorstellungen von der K\u00f6rperwelt eine unmittelbare metaphysische Realit\u00e4t zuschreibt, leidet er an dem n\u00e4mlichen erkenntnisstheoretischen Fehler wie der Cartesianische Dualismus, und er unterscheidet sich von diesem \u00fcberhaupt kaum in einem andern Punkte als darin, dass er der Hilfsannahmen, zu denen der letztere durch das Problem der Wechselwirkung getrieben wird, seinerseits nicht bedarf. Wenn ich ferner dem Animismus einen gewissen Werth beilegte, so geschah dies nicht, weil mir derselbe in den Gestaltungen, in denen er uns in der Geschichte vorliegt, als eine einwurfsfreie oder auch nur als eine haltbare Anschauung erschienen w\u00e4re ; ich habe vielmehr ausdr\u00fccklich hervorgehoben, dass er regelm\u00e4\u00dfig entweder in die Fehler des Materialismus oder des dualistischen Spiritualismus zu-r\u00fcckgefallen ist. Sondern blo\u00df deshalb halte ich ihn f\u00fcr werthvoll, weil in ihm der Einfluss der Seele auf den K\u00f6rper in einer Weise zur Geltung gelangt ist, die der Wahrheit immerhin n\u00e4her liegt als jene \u00e4u\u00dferliche und mechanische Verbindung, welche der Cartesianismus annimmt. Wenn ich die Seele das innere Sein der n\u00e4mlichen Einheit genannt habe, die wir \u00e4u\u00dferlich als den zu ihr geh\u00f6rigen Leib anschauen, so sollte damit zun\u00e4chst die vorher entwickelte Ansicht, dass ich dem K\u00f6rper nicht in dem n\u00e4mlichen Sinne ein Sein zuschreibe wie den geistigen Vorg\u00e4ngen in uns, noch einmal angedeutet werden. Sodann aber behauptet jener Satz nicht im entferntesten, dass jene \u00e4u\u00dfere Anschauung des Leibes irgendwie identisch sei mit unserem geistigen Sein, oder dass auch nur zu jedem geistigen eine correspon-","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nW. Wundt. Zur Lehre vom Willen.\ndirende k\u00f6rperliche Erscheinung aufgefunden werden k\u00f6nne. Er sagt nur, dass unser Ich uns in der r\u00e4umlichen Anschauung als unser K\u00f6rper gegeben sei ; er legt Gewicht darauf, dass auch diese r\u00e4umliche Erscheinung die Form einer Einheit besitzt, aber er betont nicht minder, dass unser K\u00f6rper eine Anschauung ist, die, mag sie auch noch so sehr nach nothwendigen Gesetzen zu Stande kommen , doch niemals anders denn als ein Erzeugniss des Geistes, nicht aber als selbst\u00e4ndige Kealit\u00e4t gefasst werden darf, wie es der Spinozistische Monismus und der Dualismus thun.\nAuch der gem\u00e4\u00dfigte Dualismus, zu welchem sich Bau mann bekennt, begeht diesen erkenntnisstheoretischen Irrthum. Im \u00fcbrigen stehen die metaphysischen Hypothesen desselben im Widerspruch mit der Erfahrung oder machen, um diesem Widerspruch zu entgehen, Hilfsannahmen erforderlich, welche die urspr\u00fcnglichen Voraussetzungen wieder aufheben ; sie sind daher nicht Hypothesen im wissenschaftlichen Sinne, sondern im Sinne jenes popul\u00e4ren Sprachgebrauchs, welcher Hypothesen und willk\u00fcrliche Phantasien f\u00fcr synonyme Begriffe nimmt. Die Angriffe, welche Baumann von diesem Standpunkte aus auf die von mir gegebenen Andeutungen einer idealistischen und, in einem gel\u00e4uterten Sinne des Wortes, zugleich animisti-schen Auffassung des Problems der Beziehung von K\u00f6rper und Geist ausf\u00fchrt, sind wirkungslos, weil sie ihr Ziel verfehlen. Sie gehen auf den Spinozistischen Monismus, welchen ich nicht vertrete ; sie treffen aber auch diesen nur in nebens\u00e4chlichen Momenten und lassen den Grundfehler desselben unber\u00fchrt, weil der Cartesianische Dualismus, welchen Baumann adoptirt, des n\u00e4mlichen Fehlers sich schuldig macht.","page":378}],"identifier":"lit3096","issued":"1883","language":"de","pages":"337-378","startpages":"337","title":"Zur Lehre vom Willen","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:58:13.291580+00:00"}