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{"created":"2022-01-31T15:31:13.473591+00:00","id":"lit30966","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Busse, L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 386-387","fulltext":[{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nLitteraturbericht.\nmanches Engl\u00e4nders keineswegs auch die Eigenschaft der Keuschheit. Jedermann setzt sein Ideal zusammen aus den Anforderungen derer, mit welchen er lebt, und wenn der soziale Mafsstab ein tiefer ist, so wird sich das individuelle Ideal selten \u00fcber ihn erheben. In Details wird dieses Ideal auch beeinflufst durch die Anforderungen des Standes, dem der betreffende angeh\u00f6rt, und so entsteht z. B. mit Bezug auf die Wahrhaftigkeit ein juristisches, klerikales und B\u00f6rsen-Gewissen. Nicht nur subjektiv (in bestimmten Berufsarten), sondern auch objektiv (in bestimmten Einzelhandlungen) kann ein Spezial-Gewissen entstehen; so z. B. beim Betrug, der verschieden beurteilt wird, je nachdem eine Eisenbahngesellschaft, ein Zollw\u00e4chter, die Steuerbeh\u00f6rde oder sonst jemand betrogen werden soll. Daher sei das Gewissen jedes Menschen kein v\u00f6llig durchgebildetes, harmonisches Ganzes, sondern enthalte L\u00fccken und Ungleichheiten. Der Moralist sei dem K\u00fcnstler vergleichbar, der unabl\u00e4fsig bem\u00fcht sei, das geschaffene Objekt seinem Ideal gleich zu gestalten, und er habe, wie dieser, Stunden der Entt\u00e4uschung, der Unzufriedenheit mit sich selbst, und erhebender Befriedigung.\nWallaschek (Wien).\nJ. Bergmann. \u00dcber Glaube und Gewifsheit. Zeitschr. f. Philos, u. philos. Kritik. Bd. 107 (2). S. 176\u2014202.\nDer wesentlichste Inhalt dieser Abhandlung ist kurz folgender : Gegen\u00fcber allen philosophischen und theologischen Bichtungen, die neben der theoretischen Gewifsheit der Erkenntnis des Verstandes noch eine aus anderer Quelle fliefsende \u201epraktische\u201c Gewifsheit annehmen, verficht der Verfasser die Ansicht, dafs es eine solche nicht giebt und alles Meinen,. Glauben, F\u00fcr-wahr-und-gewifs halten lediglich Sache des Verstandes ist. Der Verstand erkennt, indem er urteilt. Zu jedem Urteil als solchem geh\u00f6rt der Glaube an die Wahrheit desselben. Dieser Glaube besitzt Gewifsheit, wenn der Glaubende und Urteilende sein Urteil durch eines; der drei Kriterien der Gewifsheit verifizieren kann: die Zugeh\u00f6rigkeit des Pr\u00e4dikates zum (bei negativen Urteilen : die Unvereinbarkeit desselben mit dem) Subjekt nach dem Satz der Identit\u00e4t (des Widerspruchs) (analytische Urteile a priori), das Folgen des Urteils aus anerkannt Wahrem, die \u00dcbereinstimmung (bei negativen Urteilen : der Widerstreit) des Pr\u00e4dikats mit der Erfahrung (synthetische Urteile a posteriori). Weitere Kriterien der Gewifsheit giebt es nicht; wie Kants synthetische Urteile a priori werden auch sein aus der Verbindlichkeit des Sittengesetzes seine \u201epraktische\u201c Gewifsheit sch\u00f6pfender reiner Vernunftglaube sowie \u00fcberhaupt alle auf Gef\u00fchl oder Willen sich st\u00fctzende Erkenntnisgewifsheit abgelehnt. Wie es aber f\u00fcr den Verstand Grade der Gewifsheit (Gewifsheit, Wahrscheinlichkeit, Wissen, Meinen) giebt, so giebt es auch Antizipationen von Erkenntnissen, die auf undeutlichem Bemerken eines der Kriterien der Gewifsheit beruhen, und zu ihnen, geh\u00f6ren die \u00dcberzeugungen, die der Verstand, durch Gef\u00fchle und Affekte bestimmt, hegt. Der sie hegt, ist aber der Verstand, und die Gewifsheit,. die er ihnen zuschreibt, beruht auf den theoretischen Kriterien, ohne welche sie f\u00fcr ihn nicht gewifs sein k\u00f6nnten. Wer da meint, dafs man","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n387\netwas f\u00fcr gewifs halten k\u00f6nne, f\u00fcr dessen Gewifsheit man keinerlei theoretische Gew\u00e4hr besitzt, verwechselt die Hingabe an die Hoffnungj eine gewisse Annahme sei wahr, oder den Entschlufs, sie f\u00fcr wahr zu halten, mit dem Glauben an diese Wahrheit selbst.\nL. Busse (Rostock).\nG. Dumas. Recherches exp\u00e9rimentales sur la joie et la tristesse. Revue philos. Bd. 41. S. 577\u2014601; Bd. 42. S. 24\u201445 u. 113\u2014138. No. 6, 7, 8. 1896\nDas Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Best\u00e4tigung der Theorie Langes, dafs das Gef\u00fchl nur der psychische Reflex der vasomotorischen Ver\u00e4nderungen im K\u00f6rper und der daraus sich ergebenden sonstigen k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen ist. Verfasser hat also zwei Probleme zu l\u00f6sen: 1. Gehen dem Gef\u00fchl stets bestimmte k\u00f6rperliche Ph\u00e4nomene voraus? 2. Sind es die vasomotorischen Ver\u00e4nderungen und deren Folgen allein, die einen Gef\u00fchlszustand bestimmen? Diese Fragen sollen durch Experimente an Geisteskranken gel\u00f6st werden, die typische Freude oder Trauer zeigen. \u201eIn dem Studium so komplexer und verworrener Thatsachen\u201c, sagt der Verfasser (Heft 8, S. 120), \u201emufs man mit der Analyse grober, ja brutaler Thatsachen beginnen.\u201c Diesen Vorteil gew\u00e4hrt allerdings das psychologische Experiment an Geisteskranken, f\u00fcr die L\u00f6sung psychologischer Fragen mangelt ihm aber die M\u00f6glichkeit der Selbstbeobachtung der Reagenten; dazu kommt die ungeheure Verwirrung des geistigen Zustandes, die zu fixieren wohl der ge\u00fcbteste Psychiater nicht wagen w\u00fcrde. Dem Grunds\u00e4tze, dafs man zur Entwirrung komplexer Thatsachen von m\u00f6glichst brutalen Thatsachen auszugehen habe k\u00f6nnte man wohl mit demselben oder gr\u00f6fserem Rechte den anderen entgegenstellen, man m\u00fcsse die m\u00f6glichst einfachen Zusammenh\u00e4nge heraussuchen oder selbst durch das Experiment solche schaffen.\nDie Untersuchungen werden vermittelst des Sphygmo-, Plethysmo-und Pneumatographen angestellt, zur Untersuchung der Freude werden Kranke gew\u00e4hlt, die Ideen von grofsem Selbstbewufstsein, ehrgeizige Pl\u00e4ne etc. verraten und die bei Freude gew\u00f6hnlichen Bewegungen zeigen. Es ergeben sich zwei Formen der Freude: 1. Freude mit Druckerniedrigung im Gef\u00e4fssystem ist oft bei den megalomanen Paralytikern zu finden. Prim\u00e4r ist hier eine Paralyse der Vasokonstriktoren, die Pulsbeschleunigung und Druckerniedrigung zur Folge hat, von der auch die schnellere Atmung abh\u00e4ngig ist, die ihrerseits wieder auf das Gehirn wirkt. 2. Freude mit Drucker h \u00f6hung im Gef\u00e4fssystem ist bei maniakalischen, zirkul\u00e4ren, degenerierten, sowie bei normal Freudigen h\u00e4ufig, z. B. zeigt ein Maniakus gew\u00f6hnlich 18 mm hg Druck, 85\u201490 Pulse, 20 Atemz\u00fcge, sobald er Gr\u00f6fsenideen erh\u00e4lt, steigen die Zahlen auf 20, 100\u2014110, 30. Es ergeben sich als Characteristica dieser Form hoher Druck, Beschleunigung der Pulsation und der Atmung. Da hier Vorstellungen Ursache der Freude sind, so ist eine prim\u00e4re Gehirnerregung anzunehmen, die das Eintreten der Druckerh\u00f6hung etc. erkl\u00e4rt, wenn man die Hypothese Meynerts annimmt, dafs die Rinde die beiden\n25*","page":387}],"identifier":"lit30966","issued":"1897","language":"de","pages":"386-387","startpages":"386","title":"J. Bergmann: \u00dcber Glaube und Gewi\u00dfheit. Zeitschr. f. Philos. u. philos. Kritik. Bd. 107 (2). S. 176-202","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:31:13.473597+00:00"}