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{"created":"2022-01-31T15:33:48.438210+00:00","id":"lit30967","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Brahn, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 387-390","fulltext":[{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n387\netwas f\u00fcr gewifs halten k\u00f6nne, f\u00fcr dessen Gewifsheit man keinerlei theoretische Gew\u00e4hr besitzt, verwechselt die Hingabe an die Hoffnungj eine gewisse Annahme sei wahr, oder den Entschlufs, sie f\u00fcr wahr zu halten, mit dem Glauben an diese Wahrheit selbst.\nL. Busse (Rostock).\nG. Dumas. Recherches exp\u00e9rimentales sur la joie et la tristesse. Revue philos. Bd. 41. S. 577\u2014601; Bd. 42. S. 24\u201445 u. 113\u2014138. No. 6, 7, 8. 1896\nDas Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Best\u00e4tigung der Theorie Langes, dafs das Gef\u00fchl nur der psychische Reflex der vasomotorischen Ver\u00e4nderungen im K\u00f6rper und der daraus sich ergebenden sonstigen k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen ist. Verfasser hat also zwei Probleme zu l\u00f6sen: 1. Gehen dem Gef\u00fchl stets bestimmte k\u00f6rperliche Ph\u00e4nomene voraus? 2. Sind es die vasomotorischen Ver\u00e4nderungen und deren Folgen allein, die einen Gef\u00fchlszustand bestimmen? Diese Fragen sollen durch Experimente an Geisteskranken gel\u00f6st werden, die typische Freude oder Trauer zeigen. \u201eIn dem Studium so komplexer und verworrener Thatsachen\u201c, sagt der Verfasser (Heft 8, S. 120), \u201emufs man mit der Analyse grober, ja brutaler Thatsachen beginnen.\u201c Diesen Vorteil gew\u00e4hrt allerdings das psychologische Experiment an Geisteskranken, f\u00fcr die L\u00f6sung psychologischer Fragen mangelt ihm aber die M\u00f6glichkeit der Selbstbeobachtung der Reagenten; dazu kommt die ungeheure Verwirrung des geistigen Zustandes, die zu fixieren wohl der ge\u00fcbteste Psychiater nicht wagen w\u00fcrde. Dem Grunds\u00e4tze, dafs man zur Entwirrung komplexer Thatsachen von m\u00f6glichst brutalen Thatsachen auszugehen habe k\u00f6nnte man wohl mit demselben oder gr\u00f6fserem Rechte den anderen entgegenstellen, man m\u00fcsse die m\u00f6glichst einfachen Zusammenh\u00e4nge heraussuchen oder selbst durch das Experiment solche schaffen.\nDie Untersuchungen werden vermittelst des Sphygmo-, Plethysmo-und Pneumatographen angestellt, zur Untersuchung der Freude werden Kranke gew\u00e4hlt, die Ideen von grofsem Selbstbewufstsein, ehrgeizige Pl\u00e4ne etc. verraten und die bei Freude gew\u00f6hnlichen Bewegungen zeigen. Es ergeben sich zwei Formen der Freude: 1. Freude mit Druckerniedrigung im Gef\u00e4fssystem ist oft bei den megalomanen Paralytikern zu finden. Prim\u00e4r ist hier eine Paralyse der Vasokonstriktoren, die Pulsbeschleunigung und Druckerniedrigung zur Folge hat, von der auch die schnellere Atmung abh\u00e4ngig ist, die ihrerseits wieder auf das Gehirn wirkt. 2. Freude mit Drucker h \u00f6hung im Gef\u00e4fssystem ist bei maniakalischen, zirkul\u00e4ren, degenerierten, sowie bei normal Freudigen h\u00e4ufig, z. B. zeigt ein Maniakus gew\u00f6hnlich 18 mm hg Druck, 85\u201490 Pulse, 20 Atemz\u00fcge, sobald er Gr\u00f6fsenideen erh\u00e4lt, steigen die Zahlen auf 20, 100\u2014110, 30. Es ergeben sich als Characteristica dieser Form hoher Druck, Beschleunigung der Pulsation und der Atmung. Da hier Vorstellungen Ursache der Freude sind, so ist eine prim\u00e4re Gehirnerregung anzunehmen, die das Eintreten der Druckerh\u00f6hung etc. erkl\u00e4rt, wenn man die Hypothese Meynerts annimmt, dafs die Rinde die beiden\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nLitter aturbericht.\nFunktionen der Ideenassoziation und Vasokonstriktion habe, die sich gegenseitig unterdr\u00fccken.\nAls physische Grundelemente jeder Freude sollen sich ergeben: a) Hyper\u00e4mie des Gehirns und der Gewebe, b) beschleunigte Herzth\u00e4tig-keit, c) gr\u00f6fsere Th\u00e4tigkeit der psycho-motorischen Zentren, d) Atembeschleunigung. W\u00e4hrend also bei der ersten Form der Freude diese Symptome prim\u00e4r sind, gehen sie bei der zweiten Form erst aus der zerebralen Hyper\u00e4mie hervor, welche wiederum aus der besonderen Form der Ideenassoziation sich erkl\u00e4ren l\u00e4fst, die zugleich sehr th\u00e4tig und doch leicht sein mufs, wie der Verfasser im Anschlufs an Paulhan und Meynert erkl\u00e4rt.\nDie Trauer \u00e4ufsert sich ihren physiologischen Erscheinungen nach in drei Formen: 1. Trauer mit Druckerh\u00f6hung ist so selten, wie die Freude mit Druckerniedrigung. Sie zeigt als Symptome Pulsverlangsamung, An\u00e4mie in der Peripherie, zerebrale An\u00e4mie, periphere Gef\u00e4fs-verengerung, Herabminderung der geistigen Th\u00e4tigkeit. Prim\u00e4r scheint hier die Gef\u00e4fsenge zu sein, welche dann Verlangsamung und \u00dcberdruck des Pulses, Venosit\u00e4t c|es Blutes in der Peripherie, bl\u00e4uliche Lippen etc. hervorbringt. 2. Trauer mit Druckverminderung ist ebenso h\u00e4ufig, wie Freude mit Druckerh\u00f6hung, sie zeigt mit Ausnahme eben der Druckverschiedenheit v\u00f6llig die gleichen Symptome, wie die erste Form der Trauer, so dafs als solche zu betrachten sind: Herabminderung der Gehirnth\u00e4tigkeit und der Atemth\u00e4tigkeit, periphere und zerebrale Gef\u00e4fs-verengung, Puls Verlangsamung. 3. Das moralische Leiden (auch die aktive Trauer, Trauer mit Erregung genannt, welcher Name wohl am besten ist) ist eine Periode des Widerstandes, welche derjenigen der ergebenen Trauer voranzugehen pflegt und diese durch die schnellere Ersch\u00f6pfung, die sie verursacht, beg\u00fcnstigt \u2014 es ist ein besonderes Anfangsstadium der Trauer, wie es bei der Freude nicht in gleicher Weise zu unterscheiden ist. Im ganzen hat man als Beginn der Trauer drei Stadien zu unterscheiden: das der \u00dcberraschung, der Dissoziation, des Widerstandes. Wir haben es hier psychisch mit einem Widerstandsph\u00e4nomen zu thun, dem auch die physischen Begleiterscheinungen entsprechen. Die Respiration wird schneller, sie nimmt eine besondere Form an, indem die Pause verschwindet und die Linie der Exspiration l\u00e4nger wird als die der Inspiration, w\u00e4hrend bei der Atembeschleunigung in der Freude die Form des Atems unver\u00e4ndert bleibt. Es zeigen sich die Symptome der Gehirnerregung, der Puls geht schneller, die Gef\u00e4fse werden weiter, die H\u00e4nde warm, der K\u00f6rper beginnt zu fiebern, es ist aufserdem, wie bei der ersten Form, Druckerh\u00f6hung vorhanden. Das Weinen ist dieser Form allein eigent\u00fcmlich, da es sonst durch die periphere Gef\u00e4fsverengerung verhindert wird, w\u00e4hrend hier die Vasodilatation f\u00fcr eine st\u00e4rkere Sekretion der Dr\u00fcsen sorgt.\nDa hier meines Wissens die erste experimentelle Arbeit vorliegt, die sich als St\u00fctze der LANGESchen Theorie ausgiebt, so ist es wohl der M\u00fche wert, auf sie n\u00e4her einzugehen. Hat sie bewiesen, dafs jedem Gef\u00fchl bestimmte physiologische Ver\u00e4nderungen vorhergehen? Ich glaube nicht. Den Hauptwert legt Verfasser, wie schon Lange gethan, auf die","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturbericht\n389\nWirkung der Arzneimittel und auf die Zust\u00e4nde des Irreseins, bei denen eine Ver\u00e4nderung des organischen Zustandes stets eine solche des Gef\u00fchls mit sich bringt, wie das beim zirkul\u00e4ren Irresein und der Paralyse zu sehen sein soll. Ich sehe nicht, wie man bei den unter so komplizierten Bedingungen stehenden, der Selbstbeobachtung unf\u00e4higen Kranken eine solche Frage exakt entscheiden will. Wenn Verfasser bei einer Kranken z. B. morgens an den vasomotorischen Ver\u00e4nderungen erkennt, dafs sie aus der Freude in die Trauer \u00fcbergehen w\u00fcrde, so ist es nicht zu erkl\u00e4ren, woher es kommt, dafs sich die Trauer erst am folgenden Tage zeigt, da doch das Gef\u00fchl der sofortige innere Reflex der bestehenden Ver\u00e4nderung sein mufste \u2014 es w\u00e4re doch wunderbar, wenn Gef\u00fchle erst einen Tag nach ihren Ursachen auftr\u00e4ten! Die einzige genaue Untersuchung \u00fcber die Aufeinanderfolge vasomotorischer Ver\u00e4nderungen und Gef\u00fchle, die bisher bekannt geworden ist (Binet et Courtier, \u201eCirculation capillaire de la main dans ses rapports avec la respiration et les actes psychiques\u201c, Ann\u00e9e psychol. II. S. 87 if.), hat aber als Resultat von Experiment und Selbstbeobachtung ergeben, dafs das Gef\u00fchl stets seinen H\u00f6hepunkt bereits erreicht hat, bevor die Vasomotoren in Th\u00e4tigkeit getreten sind ; auch die Resultate Lehmanns sprechen nicht f\u00fcr die LANGESche Theorie.\nSieht es der Verfasser als erwiesen an, dafs bei der Verbindung von Gef\u00fchlen mit organischen Ver\u00e4nderungen diese prim\u00e4r sind, so ist es f\u00fcr ihn eine logische Unm\u00f6glichkeit, den Verlauf bei den durch Vorstellungen erzeugten Gem\u00fctsbewegungen sich anders zu denken: die Aufeinanderfolge ist hier Vorstellung, zirkulatorisches Ph\u00e4nomen, Gem\u00fctsbewegung. Eine Vorstellung wirkt auf das Vasomotorensystem erregend oder hemmend, je nachdem sie eine grofse Reihe ins Bewufstsein tretender und zugleich leichter Assoziationen erweckt oder unsere gewohnten Gedankenverbindungen hindert, dadurch erm\u00fcdet und das Denken l\u00e4hmt \u2014 wir sehen, wie eine Art HERBARTscher intellektualistischer Anschauung zur Erkl\u00e4rung dient, \u00fcber deren theoretische Unrichtigkeit wohl kein Zweifel mehr herrscht. Aufserdem hat Kraepelin nachweisen k\u00f6nnen, dafs weder bei den Manischen noch bei Alkoholikern, die beide im Zustande der Freude sich befinden, eine Vermehrung der assoziierten Ideen vorhanden ist; das gerade Gegenteil ist der Fall. Ebensowenig kann man so allgemein behaupten, dafs die Trauer die Denkth\u00e4tigkeit l\u00e4hme, es giebt besonders pathologische F\u00e4lle genug, in denen die Trauer zur Produktion einer ungeheuren Menge von Assoziationen Anlafs giebt.\nDa nur die vasomotorischen Ver\u00e4nderungen vom Verfasser untersucht sind, so mufs er sie als einzige Ursache der Gem\u00fctsbewegungen an-sehen. Ob nicht andere organische Ver\u00e4nderungen, z. B. die von James hervorgehobenen Muskelbewegungen, eine ebenso wichtige Rolle spielen, bleibt vorl\u00e4ufig dahingestellt und bedarf erst der Untersuchung. Ist es so auch nicht m\u00f6glich, den Schl\u00fcssen des Verfassers zuzustimmen, und bed\u00fcrfen auch die Versuche im einzelnen noch einer genauen Nachpr\u00fcfung, so ist doch das Auffinden ganz verschiedener Formen der Freude sowohl wie der Trauer recht bemerkenswert. Welche psychologische Grundlagen diesen verschiedenen Formen parallel gehen, bedarf noch","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nLitteraturbericht.\neiner Erkl\u00e4rung, da vom Verfasser nur die physiologischen Gesichtspunkte ins Auge gefafst worden sind. Vielleicht bieten die neuen Aufstellungen Wundts dazu einen Schl\u00fcssel, der neben der Lust und Unlust noch Erregung und Beruhigung, L\u00f6sung und Spannung als Hauptrichtungen der Gef\u00fchle ansieht. Die \u00dcberg\u00e4nge von der aktiven Form der Trauer zu der passiven deuten besonders auf einen solchen Zusammenhang hin.\tMax Erahn (Leipzig).\nColley March. Evolution and Psychology in Art. Mind. N. S. Vol. V. (No. 20). g. 441\u2014463. 1896.\nDer Artikel ist im wesentlichen eine Entwickelungsgeschichte des Ornaments, an ethnologischen Beispielen erl\u00e4utert. Da eine solche bereits von Baleour, Haddon und Grosse in ausf\u00fchrlicheren Werken gegeben ist, so gen\u00fcgt ein Hinweis auf diese, um die Tendenz der Arbeit zu charakterisieren, mit der sich die moderne ethnologische Richtung der Kunstwissenschaft von vorneherein einverstanden erkl\u00e4ren wird. Diese Tendenz geht von dem Gedanken aus, dafs die Naturv\u00f6lker k\u00fcnstlerische Muster in den Ornamenten oder technischen K\u00fcnsten nicht frei nach der Fantasie erfinden, sondern sie nur anwenden als Nachahmung von Figuren und Formen, deren Gestalt urspr\u00fcnglich durch den praktischen Zweck der Dinge notwendig war. Verfasser weist diesen Gedanken nach an einer Anzahl von Beispielen vom einfachen Linien-Ornament bis zur Vase. Die Lehre der fr\u00fcheren spekulativen \u00c4sthetik, die in allen Dingen der Kunst immer eine Emanation der Idee des Sch\u00f6nen sah, erh\u00e4lt dabei eine Zur\u00fcckweisung, die sie f\u00fcr immer von der Kunstwissenschaft ausschliefst.\nDa die Idee des Artikels nicht neu ist, habe ich die einzige Einwendung zu erheben, dafs er blofs kompilatorischen Wert besitzt und auch da nur als Summarium aufgefafst werden kann, denn in mehreren Spezialwerken und fast in allen ethnologischen Arbeiten ist sie schon gr\u00fcndlicher behandelt und ausf\u00fchrlicher an Beispielen erl\u00e4utert worden.\nWallaschek (Wien).\nFriedrich Carstanjen. Entwickelungsfaktoren der niederl\u00e4ndischen Fr\u00fchrenaissance. Ein Versuch zur Psychologie des k\u00fcnstlerischen Schaffens. \u2014 Vierteljahr sehr. f. wissensch. Philos\u25a0 Bd. XX (1 u. 2) S. 1 \u201444, 143\u2014190. 1896.\nEs ist allgemein \u00fcblich geworden, die Enstehung neuer Kunstepochen aus dem Volks- und Zeitcharakter zu erkl\u00e4ren. Da aber die Beziehung zwischen Volk und Individuum keine unbedingt gesetzm\u00e4fsige ist, so erscheint es dem Verfasser als gewagt, wenn man den kulturellen, soziologischen Faktoren mehr als einen indirekten Einflufs zuschreibt. Die direkten Vorbedingungen einer neuen Kunstgestaltung m\u00fcssen in subjektiven, individuellen, biologischen Faktoren gesucht werden, 0. stellt daher der historisch - soziologischen Methode eine \u201ebio - psychologisch e<\u00a3 Betrachtungsweise gegen\u00fcber, die er auf die niederl\u00e4ndische Fr\u00fchrenaissance anwendet, d. h. 1. auf die franz\u00f6sisch - niederl\u00e4ndische Miniaturmalerei des 14. Jahrhunderts, 2. auf die gleichzeitige und folgende","page":390}],"identifier":"lit30967","issued":"1897","language":"de","pages":"387-390","startpages":"387","title":"G. Dumas: Recherches exp\u00e9rimentales sur la joie et la tristesse. Revue philos. Bd. 41. S. 577-601; Bd. 42. S. 24-45 u. 113-138. No. 6, 7, 8. 1896","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:33:48.438216+00:00"}