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{"created":"2022-01-31T15:35:21.619853+00:00","id":"lit30975","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Heller, Theodor","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 393-394","fulltext":[{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n393\ntern zwei drittel rein menschlich sind (wie Prostitution, Trunkenheit, Heresie, Spiel, L\u00fcge, wirtschaftlicher Schwindel etc.). Unsere tierischen Vorfahren haben viel mehr Ursache, sich ihrer menschlichen Nachkommen zu sch\u00e4men, als wir unserer Vorfahren, und doch besitzen wir die \u201ekolossale Unversch\u00e4mtheit\u201c dem Verbrecher zu sagen, er sei wie ein Tier Es ist ein Gl\u00fcck zu nennen, dafs unsere Tugenden \u00e4lter sind als wir, und unsere Verbrechen biologisch betrachtet nur die kurze Lebensdauer eines Schwammes haben. \u201eInstinkt ist die krystallisierte Erfahrung von tausenden von Generationen. Es ist die goldene Weizen-Saat, die MillP onen von Ernten und Myriaden von Tennen entnommen ist. Er steht tiefer als die Vernunft, insofern er weniger individuellen Willen und weniger individuelles Urteil ben\u00f6tigt; aber als f\u00fchrendes Prinzip ist er weit sicherer, als Ursache einer Handlung- weit verl\u00e4fslicher und wirkungsvoller und kennt in seiner Dom\u00e4ne keine h\u00f6here Macht.\u201c\nNirgends sei die Moral sicherer als auf diesem nat\u00fcrlichen Grundsatz und sei deshalb ganz unabh\u00e4ngig von Priestern, Kirche und Staat, die sich ihrer so eifrig anzunehmen vorgeben. \u201eM\u00f6ge der Himmel verh\u00fcten, dafs Moral jemals auf einer so engherzigen und best\u00e4ndig lavierenden Grundlage beruhe\u201c wie sie die drei obgenannten M\u00e4chte bezeichnen. \u201eDie ganze Grausamkeit, Intoleranz und geradezu fatalistische Verblendung der katholischen Kirche, die in ihren Mitteln nie w\u00e4hlerisch war\u201c, r\u00fchrt nach Ansicht des Verfassers von der \u201egeschlechtslosen Priesterschaft her, die durch ihr unnat\u00fcrliches Gel\u00fcbde des C\u00f6libats abgeschnitten ist von dem mildernden humanisierenden, noblen und veredelnden Einflufs des Familienlebens.\u201c Diesem entspringen nach Darwin die sozialen Instinkte, welche die egoistischen Instinkte des Individuums so-wolth\u00e4tig beeinflussen. \u201eWas k\u00f6nnen jene M\u00e4nner von dem grofsen Allvater wissen, die niemals selbst V\u00e4ter gewesen sind noch hoffen d\u00fcrfen, es zu werden.\u201c\nDer Artikel, der gelegentlich auch poetische Sch\u00f6nheiten verr\u00e4t, verdient auch wegen seiner einfachen, durch passende Beispiele plastischen und \u00fcberzeugenden Darstellung gelesen zu werden.\nWallaschek (Wien).\nEmil Redlich und D. Kaufmann. \u00dcber Ohrunt er Buchungen bei Geh\u00f6rs, halluzinanten. Wien. Min. Wochenschr. Bd. IX, 33. S. 745\u2014753. 1896.\nDie Verfasser haben bei allen im Studienjahr 1895\u20141896 auf der psychiatrischen Klinik von Prof. v. Wagner zur Beobachtung gekommenen Geisteskranken mit Geh\u00f6rshalluzinationen, im ganzen 81, das Geh\u00f6rorgan nach jeder Richtung hin einer genauen Untersuchung unterzogen. Es ergab sich ein relativ h\u00e4ufiges Vorkommen von Ohrerkrankungen bei Geh\u00f6rshalluzinanten; \u00fcberdies bot in vielen F\u00e4llen \u201edas Vorhandensein subjektiver Ohrger\u00e4usche gewisse Hinweise auf das Bestehen mindestens von Reizzust\u00e4nden im Bereiche des akustischen Apparates\u201c. Nach einer eingehenden Kritik der verschiedenen Theorien \u00fcber die Entstehung der Geb\u00f6rshalluzinationen gelangen die Verfasser auf Grund ihrer Unter-","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nLitteraturbericht.\nsuchung und einer psychologischen Analyse der Geh\u00f6rshalluzinationen zu der Ansicht, \u201edafs f\u00fcr das Zustandekommen derselben aufser einer eigent\u00fcmlichen St\u00f6rung der Gehirnth\u00e4tigkeit meist ein Eeizzustand der f\u00fcr die Aufnahme der Geh\u00f6rseindr\u00fccke in Betracht kommenden Apparate vorhanden sein mufs\u201c.\nDie Angaben \u00fcber elektrische \u00dcbererregbarkeit des Acusticus bei Geisteskranken mit Geh\u00f6rshalluzinationen fanden die Verfasser durch eigene Versuche best\u00e4tigt. Nach der von den Verfassern aufgestellten Theorie erscheinen die Versuche, durch Behebung des Ohrleidens die Geh\u00f6rshalluzinationen zum Schwinden zu bringen, ziemlich aussichtslos, da die Affektion des peripheren Sinnesapparates nur der eine Faktor ist, der das Auftreten von Halluzinationen bedingt.\nTheodor Heller (Wien).\nSante de Sanctis. Ossessioni ed Impulsi Musicali. Bullettino della Societ\u00e0 Lancisiana degli Ospedali di Roma. XV, 2. Sonderabdruck, Poggin-bonsi 1896. S. 1\u201423.\nNach einer kurzen Einleitung \u00fcber die musikalisch wichtigen Gehirnkrankheiten kn\u00fcpft der Verfasser an die Terminologie Morselli\u2019s an und erw\u00e4hnt die Erscheinungen der Hypermusie (musikalische Zwangsvorstellung und Zwangs\u00fcbung), Amusie (Verlust der musikalischen Begabung) und Paramusie, unter welch\u2019 letzterer er die krankhafte Ereude an L\u00e4rm und Dissonanzen, die Sonophobie (die Scheu vor jeder Art von T\u00f6nen) und das Parbengeh\u00f6r begreift. Er bespricht dann die bekannten Erscheinungen der kindlichen Sprache und mangelhaft ausgebildeten Musik bei Phrenasthenie, das Musiktalent der Imbezillen und Idioten und schliefslich die eigent\u00fcmliche Thatsache, dafs der unwiderstehliche Zwang zu singen oder zu pfeifen nicht selten mit Koprolalie verbunden ist. Der allm\u00e4hliche Verlust oder die St\u00f6rung der musikalischen F\u00e4higkeit schreitet dabei in derselben Weise fort, wie beim sprachlichen Ausdruck: das letzterworbene entf\u00e4llt zuerst. Die Gehirnkrankheit beeintr\u00e4chtigt also zun\u00e4chst das Harmoniegef\u00fchl, dann die Melodie, dann den ^Rhythmus und zuletzt die Tongebung \u00fcberhaupt.\nNun erw\u00e4hnt der Verfasser zwei klinische F\u00e4lle.\nI. Der Patient T. E., 23 Jahre alt, erblich belastet, war schon als Knabe sensibler Natur, er litt an Kopfweh (Pollutionen, Onanie). Mit 37 Jahren f\u00fchlte er eines Tages eine Schw\u00e4che in den Augen, die eine Minute andauerte. Von der Zeit an litt er an schlechtem Schlaf und ergab sich traurigen Gedanken. W\u00e4hrend eines vier Monate langen Fiebers (Malaria?) war er frei von nerv\u00f6sen St\u00f6rungen. Die Besch\u00e4ftigung mit Musik half ihm zuerst, dann aber gehen ihm die Noten im Kopf herum, qu\u00e4len ihn Tag und Nacht und versetzen ihn in best\u00e4ndige Aufregung. Deshalb giebt er die Musik auf und erholt sich auch so ziemlich wieder, bis er gen\u00f6tigt ist, zu Milit\u00e4r zu gehen, wo ihn ein unseliges Geschick zwingt, in die Musikkapelle einzutreten. Nun erneuern sich seine Leiden, er merkt, dafs ihm Musik Kopfweh verursacht und er von Melodien gleichsam verfolgt wird. Des Nachts aber schl\u00e4ft er tief und ruhig. Im Oktober 1894 geht er vom Milit\u00e4r fort, er ist zwar ziemlich","page":394}],"identifier":"lit30975","issued":"1897","language":"de","pages":"393-394","startpages":"393","title":"Emil Redlich und D. Kaufmann: \u00dcber Ohruntersuchungen bei Geh\u00f6rs. halluzinanten [Corr.: Geh\u00f6rshalluzinanten]. Wien. klin. Wochenschr. Bd. IX, 33. S. 745-753. 1896","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:35:21.619859+00:00"}