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Sante de Sanctis: Ossessioni ed Impulsi Musicali. Bullettino della Società Lancisiana degli Ospedali di Roma. XV, 2. Sonderabdruck, Pogginbonsi 1896. S. 1-23

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{"created":"2022-01-31T15:32:29.088725+00:00","id":"lit30977","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wallaschek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 394-397","fulltext":[{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nLitteraturbericht.\nsuchung und einer psychologischen Analyse der Geh\u00f6rshalluzinationen zu der Ansicht, \u201edafs f\u00fcr das Zustandekommen derselben aufser einer eigent\u00fcmlichen St\u00f6rung der Gehirnth\u00e4tigkeit meist ein Eeizzustand der f\u00fcr die Aufnahme der Geh\u00f6rseindr\u00fccke in Betracht kommenden Apparate vorhanden sein mufs\u201c.\nDie Angaben \u00fcber elektrische \u00dcbererregbarkeit des Acusticus bei Geisteskranken mit Geh\u00f6rshalluzinationen fanden die Verfasser durch eigene Versuche best\u00e4tigt. Nach der von den Verfassern aufgestellten Theorie erscheinen die Versuche, durch Behebung des Ohrleidens die Geh\u00f6rshalluzinationen zum Schwinden zu bringen, ziemlich aussichtslos, da die Affektion des peripheren Sinnesapparates nur der eine Faktor ist, der das Auftreten von Halluzinationen bedingt.\nTheodor Heller (Wien).\nSante de Sanctis. Ossessioni ed Impulsi Musicali. Bullettino della Societ\u00e0 Lancisiana degli Ospedali di Roma. XV, 2. Sonderabdruck, Poggin-bonsi 1896. S. 1\u201423.\nNach einer kurzen Einleitung \u00fcber die musikalisch wichtigen Gehirnkrankheiten kn\u00fcpft der Verfasser an die Terminologie Morselli\u2019s an und erw\u00e4hnt die Erscheinungen der Hypermusie (musikalische Zwangsvorstellung und Zwangs\u00fcbung), Amusie (Verlust der musikalischen Begabung) und Paramusie, unter welch\u2019 letzterer er die krankhafte Ereude an L\u00e4rm und Dissonanzen, die Sonophobie (die Scheu vor jeder Art von T\u00f6nen) und das Parbengeh\u00f6r begreift. Er bespricht dann die bekannten Erscheinungen der kindlichen Sprache und mangelhaft ausgebildeten Musik bei Phrenasthenie, das Musiktalent der Imbezillen und Idioten und schliefslich die eigent\u00fcmliche Thatsache, dafs der unwiderstehliche Zwang zu singen oder zu pfeifen nicht selten mit Koprolalie verbunden ist. Der allm\u00e4hliche Verlust oder die St\u00f6rung der musikalischen F\u00e4higkeit schreitet dabei in derselben Weise fort, wie beim sprachlichen Ausdruck: das letzterworbene entf\u00e4llt zuerst. Die Gehirnkrankheit beeintr\u00e4chtigt also zun\u00e4chst das Harmoniegef\u00fchl, dann die Melodie, dann den ^Rhythmus und zuletzt die Tongebung \u00fcberhaupt.\nNun erw\u00e4hnt der Verfasser zwei klinische F\u00e4lle.\nI. Der Patient T. E., 23 Jahre alt, erblich belastet, war schon als Knabe sensibler Natur, er litt an Kopfweh (Pollutionen, Onanie). Mit 37 Jahren f\u00fchlte er eines Tages eine Schw\u00e4che in den Augen, die eine Minute andauerte. Von der Zeit an litt er an schlechtem Schlaf und ergab sich traurigen Gedanken. W\u00e4hrend eines vier Monate langen Fiebers (Malaria?) war er frei von nerv\u00f6sen St\u00f6rungen. Die Besch\u00e4ftigung mit Musik half ihm zuerst, dann aber gehen ihm die Noten im Kopf herum, qu\u00e4len ihn Tag und Nacht und versetzen ihn in best\u00e4ndige Aufregung. Deshalb giebt er die Musik auf und erholt sich auch so ziemlich wieder, bis er gen\u00f6tigt ist, zu Milit\u00e4r zu gehen, wo ihn ein unseliges Geschick zwingt, in die Musikkapelle einzutreten. Nun erneuern sich seine Leiden, er merkt, dafs ihm Musik Kopfweh verursacht und er von Melodien gleichsam verfolgt wird. Des Nachts aber schl\u00e4ft er tief und ruhig. Im Oktober 1894 geht er vom Milit\u00e4r fort, er ist zwar ziemlich","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht,\n395\ngesund, aber, da er besch\u00e4ftigungslos ist, giebt er sich wieder traurigen Gedanken hin; die Erinnerung an die Milit\u00e4rzeit ruft die musikalischen Ideen wieder in ihm wach, er schl\u00e4ft schlecht, phantasiert und lamentiert. Januar 1895 f\u00e4ngt er des Nachts nicht nur zu singen, sondern auch zu sprechen an, meist obsc\u00f6ne Worte, und f\u00e4hrt darin so lange fort, bis er aus Ersch\u00f6pfung auf h\u00f6ren mufs. Hernach schl\u00e4ft er tief. Das wiederholt sich jeden Abend. Schon Februar 1895 gesellt sich hierzu der Beginn einer Verbalamnesie, das Wiedererinnern an ein Wort macht ihm M\u00fche, und allgemeine Zwangsvorstellungen verfolgen ihn.\nGegenw\u00e4rtig hat der Patient ein normales Aussehen, doch ist die leichte Erregbarkeit des Gef\u00e4fssystems unverkennbar. Easches Err\u00f6ten wechselt mit vollkommmenem Erblassen (Dermographie). W\u00e4hrend des Sprechens macht er zahlreiche unwillk\u00fcrliche Bewegungen. Der Singzwang stellt sich immer am Abend ein, wenn es beginnt, still zu werden, gelegentlich auch bei Tage. Er beschreibt selbst die Qualen, die ihm das best\u00e4ndige Verfolgtwerden von Arien macht, er hat Schmerzen im Kopf und Bauch, und obgleich er sich alle M\u00fche giebt, sich der Musik zu ent-schlagen, kann er diese \u201everfluchten Arien\u201c nicht los werden. Dies bek\u00fcmmert ihn um so mehr, als er damit auch seiner Mutter den Schlaf raubt, die mit ihm in einem Zimmer schl\u00e4ft. W\u00e4hrend der Konsultation fragt der Arzt den Patienten, ob er singen wolle. \u201ePer carit\u00e0, no\u201c ist die Antwort. Der Arzt beginnt ein Motiv aus dem Troubadour, das den Patienten sofort beeinflufst. Er wird aber vom Arzt ermahnt, an etwas Anderes zu denken, und soll der auf ein anderes Thema \u00fcbergehenden Konversation folgen. Zu sp\u00e4t, Patient bleibt zerstreut, stampft unwillig mit den F\u00fcfsen, wirft sich ungeduldig von einer Seite auf die andere und macht krampfhafte mimische Bewegungen der Gesichtsmuskeln, bis er endlich zu singen anf\u00e4ngt. \u201eEntschuldigen Sie,\u201c sagt er, \u201edas bin nicht ich, es ist das Motiv, das in mir singt.\u201c\nIm \u00fcbrigen hat Patient gegenw\u00e4rtig keine melancholischen Gedanken, auch keine Ged\u00e4chtnisst\u00f6rungen und keine krankhaften Affekte. Er ist von gutem Charakter, moralisch, religi\u00f6s.\nII. P. G. ist 26 Jahre alt, hat einen asymmetrischen Sch\u00e4del und ein idiotisches Aussehen. Seine Sprache kann beinahe Echolalie genannt werden, verbunden mit einer besonderen Leidenschaft f\u00fcr das Singen. Er ist am liebsten allein, h\u00e4lt unverst\u00e4ndliche Solomonologe, lacht und tanzt auch in Gegenwart seiner Kollegen. Sein musikalisches Ged\u00e4chtnis (und nur dieses) ist gut, die Aufmerksamkeit gering. Sobald er zu singen anf\u00e4ngt, belebt sich seine Physiognomie, sein ganzer K\u00f6rper ger\u00e4t in Bewegung und er schl\u00e4gt Takt mit H\u00e4nden und F\u00fcfsen. Allm\u00e4hlich l\u00e4fst seine Erregung nach und endet nach einem allgemeinen ,decrescendo* in einige tiefe tonlose Laute. Im ganzen ist er das Bild des musikalischen Idioten, bei dem der musikalische Zwang mit Zwangsbewegungen verbunden vorkommt, w\u00e4hrend im Falle I der Musikzwang isoliert und bei einem sonst normalen Menschen vorkam.\nDe Sanctis verweist auf \u00e4hnliche F\u00e4lle in der Litteratur bei Wahnsinnigen und hysterisch-epileptischen Patienten. Bei letzteren bildet ein kurzer musikalischer Ausbruch (aura musicale) nicht selten den","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n396\nAnfang oder das Ende des epileptischen Anfalls, der zuweilen lediglich in dieser kurzen Attacke des Singzwangs besteht (,mormottement\u2018 der Franzosen, ,muttering epilepsy' der Engl\u00e4nder). Aber hei Wahnsinnigen ist der Anfall mit allgemeiner Geschw\u00e4tzigkeit verbunden, hei Melancholikern mit kurz ausgestofsenen monotonen Lauten (,les gemisseurs' der Franzosen), w\u00e4hrend er bei unserem Idioten isoliert dast\u00e9ht. De Sanctis macht aufserdem auf die Thatsache aufmerksam, die schon Griesinger h\u00e4ufig beobachtete, dafs das Auftreten des Fiebers oder einer akuten chronischen Krankheit die psychische Abnormit\u00e4t g\u00fcnstig beeinflufste. Aufserdem ist der Umstand bemerkenswert,, dafs Patient I. gerade dann dem Singanfall unterliegt, wenn er am meisten bestrebt ist, ihn zu unterdr\u00fccken, wie auch der normale Mensch h\u00e4ufig gerade das thun mufs, was er nicht thun will, z. B. dorthin sehen mufs, wo er einen Bekannten nicht sehen will (\u201eGegenwille\u201c der deutschen Psychiater).\nZur psycho-physiologischen Erkl\u00e4rung des Falles bemerkt de Sanctis, dafs, so wie jeder intellektuelle Akt von einer Bewegung begleitet ist, auch die Musik diese Assoziation nicht ganz entbehren k\u00f6nne. Wenn Setchenow den Gedanken ein Wort im Geburtsstadium nannte, so m\u00f6chte ich die Musik eine Aktion im Stadium des Entstehens nennen. Brazier hatte geglaubt, dafs die Musiker meist dem Geh\u00f6rstypus angeh\u00f6ren, aber unter Hinweis auf das, was ich in Band VI dieser Zeitschrift (S. 8 bis 32) und im Mind Vol. IV. N. S. No. 13. S. 33\u201435 seinerzeit zu zeigen versuchte, mufs ich mich de Sanctis anschliefsen, wenn er die Mehrzahl als dem motorischen Typus angeh\u00f6rig betrachtet. Individuelle Verschiedenheiten sind deshalb nicht ausgeschlossen und namentlich vom \u00e4sthetischen Standpunkt gleich berechtigt. Die leichte Erregbarkeit motorischer Zentren ist bei Musikern ganz gew\u00f6hnlich und das Taktschlagen daf\u00fcr das popul\u00e4rste, aber auch naheliegendste und nicht unbedeutendste Beispiel. Auch de Sanctis glaubt, dafs die Zentren der Musikvorstellung und Wortvorstellung verschieden seien, weil Aphasie ohne Amusie und umgekehrt verkommen k\u00f6nne. Er hat dabei nur das eine Bedenken, dafs wir ja doch nur sprechend singen lernen k\u00f6nnen. Ich glaube auch dieses Bedenken durch die Erw\u00e4gung zerstreuen zu k\u00f6nnen, dafs dieses Sprechen lediglich ein mechanisches ist, zur Erleichterung der Tonbildung beitr\u00e4gt und mit der psychologischen (und anatomischen) Basis des Sprechens als eines Gedankenausdrucks nichts zu thun hat. \u00dcbrigens ist auch phylogenetisch die Thatsache wichtig, dafs die Vokalmusik der am tiefsten stehenden Naturv\u00f6lker keineswegs eine Verbindung von Musik und Poesie (Sprache), sondern lediglich Musik ist, bei der ganz bedeutungslose Laute zur Tonbildung gebraucht, also nur scheinbar gesprochen wird.\nAuch im normalen Zustand kommt ein Musikzwang im kleinen Mafsstab vor. Dafs uns Melodien im Kopf herumgehen, dafs wir auch ohne k\u00fcnstlerische Begabung und Veranlassung in manchen Situationen zu singen anfangen, ist eine bekannte Erscheinung ; nur tritt hier der dirigierende Wille regelnd und hemmend dazwischen, w\u00e4hrend in den angef\u00fchrten klinischen F\u00e4llen eine derartige Hemmung nicht m\u00f6glich yyar. , Der Wille erweist sich also in diesem Falle mehr, als passive","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n397\nFunktion, die den reflektorischen Ablauf zur\u00fcckh\u00e4lt. Diese Erscheinung erkl\u00e4rt De Sanctis dadurch, dafs er sagt: durch eine nat\u00fcrliche Disposition des leicht erregbaren G-ef\u00e4fssystems wird den musikalisch-motorischen Zentren des Kortex mehr Blut zugef\u00fchrt als den anderen. Da ferner die Ern\u00e4hrung eines Organes oder eines Teiles desselben der Funktion proportional ist, so folgt daraus, dafs diese Zentren \u00fcbernormal th\u00e4tig sind, w\u00e4hrend den anderen Blutzuflufs entzogen wird und sie deshalb unternormal funktionieren, daher eine Hemmung der auf die ersteren wirkenden Beize unm\u00f6glich wird. Wallaschek (Wien).\nSante de Sanctis. Negativismo vesanico e allucinazioni antagonistiche.\nBoll, della Soc. Landsiana degli ospedali di Borna. XVI. 1. 16 S. 1896;\nAn einem Falle yon Verfolgungswahn, auf dem Boden von Degeneration, bei einem 27j\u00e4hrigen Landmann aus einer erblich stark belasteten Familie (Alkoholismus, Epilepsie, Verbrechen) erl\u00e4utert Verfasser den Stufengang, den die psychische Entwickelung des Individuums aus den unscheinbaren Anf\u00e4ngen von Furchtsamkeit, Mifstrauen und Zweifelsucht bis zur H\u00f6he des unheilbaren Wahnsinns nimmt. Der einem Jeden mehr oder minder innewohnende Geist der Verneinung \u00fcberwuchert den Rest der Widerstandskraft des Ich, der sich in Kontrastempfindungen \u00e4ufsert \u2014 auf dem krankhaften, von Halluzinationen aller Sinnesorgane durch w\u00fchlten Boden, bis zur v\u00f6lligen Vernichtung der Pers\u00f6nlichkeit des Kranken, der unter dem Banne (obbedienza) einer anderen ihm feindlich gesinnten Macht zu stehen glaubt. Charakteristisch ist f\u00fcr den Zwiespalt, in dem er sich befindet, dafs die Stimmen und Befehle, die er zu h\u00f6ren glaubt, Ja und Nein zu gleicher Zeit sagen.\nVerfasser fafst den Vorgang in einen etwas derben kurzen Ausdruck \u201eHypertrophie der negativen Bilder\u201c zusammen, verwahrt sich indes gegen die etwaige Deutung desselben als eines metaphysischen Begriffes.\tFraenkel.\nC. Bougl\u00e9. Les sciences sociales en Allemagne. Les m\u00e9thodes actuelles.\nParis, F. Alcan. 1896. 172 S.\nC. Bougl\u00e9 hat Recht gethan, zu seiner Darstellung der sozialen Wissenschaften in Deutschland nicht diejenigen deutschen Schriftsteller zu w\u00e4hlen, die sich selbst Soziologen nennen, Lilienfeld. Sch\u00e4ffle, Gumplowicz. Denn gerade diese bieten nicht genug Eigent\u00fcmliches dar. Lilienfeld und Sch\u00e4ffle setzen die schon von Spencer ausgef\u00fchrte Analogie zwischen Gesellschaft und Organismus fort ; Gumplowicz bewegt sich immer nur in seiner unhaltbaren Theorie, dafs alles soziale Leben auf dem Kampfe verschiedener Rassen beruhe. B. hat vier Denker ausgew\u00e4hlt, die nicht das ganze Leben der Gesellschaft nach allen Seiten in ihren Betrachtungen ersch\u00f6pfen, aber eine gewisse Selbst\u00e4ndigkeit der Auffassung zeigen, n\u00e4mlich M. Lazarus, G. Simmel, A. Wagner und R. Ihering. Zu bedauern ist, dafs W. Dilthey, der die Soziologie als Wissenschaft leugnet, aber in seiner \u201eEinleitung in die Geisteswissenschaften\u201c","page":397}],"identifier":"lit30977","issued":"1897","language":"de","pages":"394-397","startpages":"394","title":"Sante de Sanctis: Ossessioni ed Impulsi Musicali. Bullettino della Societ\u00e0 Lancisiana degli Ospedali di Roma. XV, 2.  Sonderabdruck, Pogginbonsi 1896. S. 1-23","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:32:29.088730+00:00"}

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