Open Access
{"created":"2022-01-31T15:32:00.244139+00:00","id":"lit30984","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Elsenhans, Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 13: 460-463","fulltext":[{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu Ebbinghaus\u2019 \u201eKombinationsmethode\u201c.\nVon\nTh. Elsenhans.\nZh dem von Prof. Ebbinghaus beim psychologischen Kon-grefs in M\u00fcnchen gehaltenen Vortrag \u201e\u00dcber eine neue Methode zur Pr\u00fcfung geistiger F\u00e4higkeiten und ihre Anwendung bei Schulkindern\u201c sei mir in Ausf\u00fchrung eines Gedankens, der sich mir w\u00e4hrend des Vortrages aufdr\u00e4ngte, ein kurzer Nachtrag, der vielleicht als Erg\u00e4nzung dienen kann, gestattet. Da der Vortrag noch nicht gedruckt vorliegt, so bin ich dabei aus-schliefslich auf eigene unvollst\u00e4ndige Aufzeichnungen w\u00e4hrend desselben angewiesen, die jedoch f\u00fcr die hier allein in Betracht kommenden Punkte gen\u00fcgen d\u00fcrften.\nJede der drei Methoden zur Pr\u00fcfung geistiger F\u00e4higkeiten, welche Ebbinghaus anf\u00fchrt: die Rechenmethode, die Ged\u00e4chtnismethode und die Kombinationsmethode,1 leidet immerhin an dem auch von ihm selbst angedeuteten \u00dcbelstand, dafs sie die geistige Th\u00e4tigkeit nur in mehr oder weniger einseitiger Weise in Anspruch nimmt. Auch die letzte, welche zweifellos einer Pr\u00fcfung dessen am n\u00e4chsten kommt, was der gew\u00f6hnliche Sprachgebrauch als \u201egeistige F\u00e4higkeit\u201c eines Menschen bezeichnet, entgeht diesem Bedenken nicht ganz.\nBetrachtet man den psychologischen Vorgang, der bei der Erg\u00e4nzung des durchl\u00f6cherten Textes sich abspielt, so ergiebt sich als der n\u00e4chste hierbei wirksame Faktor die Assoziationsreihe der Silben (oder Buchstaben) des Wortbildes. Es ist der Fall denkbar, dafs der die L\u00fccken umgebende Silbenkomplex f\u00fcr das Schulkind so charakteristisch oder selten ist, dafs ein Blick auf den durchl\u00f6cherten Text gen\u00fcgt, um mit H\u00fclfe der Ber\u00fchrungsassoziationen eine Reproduktion der fehlenden Silben hervorzurufen, ohne dafs die Wortbedeutung hierbei notwendig\n1 Die vielleicht zum Unterschied von anderen. m\u00f6glichen Kombinationsmethoden, z. B. der L\u00f6sung einer Schachaufgabe, genauer als \u201eErg\u00e4nzungsmethode\u201c bezeichnet werden k\u00f6nnte.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu Ebbinghaus\u2019 \u201eKombinationsmethode461\neine Rolle spielte \u2014 zumal wenn man mit Ebbinghaus* 1 eine Assoziation nicht blofs zwischen den unmittelbar aufeinanderfolgenden, sondern auch zwischen den weiter voneinander ent-fernten Silben annimmt. Der gew\u00f6hnliche Fall wird jedoch sein, dafs zur Ausf\u00fcllung der L\u00fccken sich verschiedene M\u00f6glichkeiten darbieten. Darunter werden oft solche sich finden, die nur durch oberfl\u00e4chliche Klang\u00e4hnlichkeit oder ungenaue Auffassung der Silben herbeigerufen wurden und schon aus sprachlichen Gr\u00fcnden zur\u00fcckgewiesen werden. Die Hauptentscheidung zwischen diesen m\u00f6glichen Erg\u00e4nzungen wird aber auf Grund eines Verst\u00e4ndnisses der umgebenden Worte, des ganzen Satzes, des inneren Zusammenhanges getroffen werden. Diejenigen werden gew\u00e4hlt, welche die Verbindung des durchl\u00f6cherten Textes zu einem sinnvollen Ganzen erm\u00f6glichen. W\u00e4hrend aber die Reproduktion jener auf assoziativem Wege sich darbietenden Erg\u00e4nzungen der Silbenl\u00fccken dem Ged\u00e4chtnis zugeschrieben werden mufs, ist das letztere eine Funktion der \u00fcberlegenden und vergleichenden Intelligenz ; das Ganze aber als einheitlicher Akt eine Art schematischer Darstellung des Zusammenwirkens zweier Faktoren, die bei jeder nicht rein reproduktiven geistigen Th\u00e4tigkeit wirksam sind: des im Ged\u00e4chtnis oder in neuen Empfindungen oder in beiden gegebenen Materials und der Verbindung desselben z\u00fc. neuen Einheiten. F\u00fcr die Pr\u00fcfung dieser letzteren Funktion durch die Kombinations- oder Erg\u00e4nzungsmethode empfiehlt es sich vielleicht, den Text nicht so zu verst\u00fcmmeln, dafs jede Andeutung eines Sinnes und Zusammenhanges als Anhaltspunkt f\u00fcr die Erg\u00e4nzung daraus verschwindet. Je mehr dies geschieht, desto gr\u00f6fser ist die Rolle, welche der Zufall und auf \u00e4ufsere Merkmale gerichtete Kunstgriffe spielen m\u00fcssen, desto mehr n\u00e4hert sich die gestellte Aufgabe dem R\u00e4tsel, genauer dem Erg\u00e4nzungsr\u00e4tsel.2 Einer der H\u00f6rer des Vortrages\n1 \u00dcber das Ged\u00e4chtnis. S. 139, 147.\n8 Ein Beispiel eines solchen aus einer Zeitung, das mir gerade zur Hand ist, setze ich hier hei:\nErg\u00e4nzungs-R\u00e4tsel.\nS.l..td..s. L.b..s.o.t..es.\nI. . ei.e . H.r. .n.R.hm. .f.ss.n:\n.u.w..s..hs.l..tv.r.\u00e4..t,\nD...s..e..a..e.!","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nTh. Elsenhans.\nvon E. hat dieses Bedenken nach demselben geltend gemacht mit dem Hinweis darauf, dafs die L\u00f6sung von B\u00e4tseln kein Mafsstab der geistigen F\u00e4higkeit sei. Die Erg\u00e4nzungsaufgabe wird sich vielmehr dem Vorgang bei der den Unterricht beherrschenden Form von Frage und Antwort n\u00e4hern m\u00fcssen, wo zu eisern dargebotenen sinnvollen Zusammenhang ein erg\u00e4nzendes Glied oder mehrere solche gesucht werden m\u00fcssen.\nKehren wir zu der urspr\u00fcnglichen Frage nach dem Verh\u00e4ltnis der drei Methoden zur\u00fcck, so ergiebt sich aus dem Bisherigen, dafs zwar auch bei der Kombinationsmethode das Ged\u00e4chtnis beteiligt ist, jedoch nur in dem Mafse, als es die Voraussetzung jedes geistigen Vorganges ist, und ohne dafs sich ein Mafs seiner Beteiligung gewinnen liefse. F\u00fcr die Pr\u00fcfung des Ged\u00e4chtnisses als Mafs der geistigen F\u00e4higkeit haben sich besondere Methoden ausgebildet, welche Ebbinghaus als Ged\u00e4chtnismethoden von den beiden anderen unterscheidet.\nK\u00f6nnte man diese Pr\u00fcfung des Ged\u00e4chtnisses mit der Kombinationsmethode von E. ohne Beeintr\u00e4chtigung der Mefs-barkeit der Ergebnisse vereinigen, so liefse sich durch diese Messung eines Zusammenwirkens des Ged\u00e4chtnisses und der Kombinationsf\u00e4higkeit1 wohl ein ziemlich umfassendes Gesamtbild des augenblicklichen Standes der geistigen F\u00e4higkeit gewinnen. W\u00e4re dies nicht dadurch m\u00f6glich, dafs man den vollst\u00e4ndigen Prosatext, ohne die L\u00fccken, in angemessenem Zeitabstand vorher lesen lassen oder vorlesen w\u00fcrde? Die Kombinationsf\u00e4higkeit w\u00fcrde dann bei der Erg\u00e4nzung durch das Ged\u00e4chtnis unterst\u00fctzt, und zwar in einem Grade, der durch die Zahl der Wiederholungen des Lesest\u00fccks gemessen w\u00fcrde in \u00e4hnlicher Weise, wie Ebbinghaus in seiner Arbeit \u00fcber das Ged\u00e4chtnis das Behalten sinnloser Silben als Funktion der Anzahl der Wiederholungen nachgewiesen hat. Je mehr die Zahl der Wiederholungen w\u00e4chst, desto mehr tritt der Beitrag, welchen das Ged\u00e4chtnis zum Gesamtergebnis liefert, hervor und der Anspruch an die Kombinationsf\u00e4higkeit zur\u00fcck.\nW\u00e4re die Erg\u00e4nzungsaufgabe auch nach nur einmaliger Lesung des vollst\u00e4ndigen Textes zu leicht, so m\u00fcfste dieselbe\n1 Wenn es gestattet ist, diese beiden Ausdr\u00fccke nicht als scharf fixierte psychologische Gr\u00f6fsen, sondern als ungef\u00e4hre Bezeichnung zweifellos verschiedener Geistesth\u00e4tigkeiten zu gebrauchen.","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu Ebbinghaus\u2019 \u201eKombinationsmethode.\u201c.\n463\ndurch vermehrte Auslassungen erschwert werden. Je nach der Art, wie das vollst\u00e4ndige Lesest\u00fcck zur Kenntnis des Sch\u00fclers gebracht wird, w\u00e4re die Art der Beih\u00fclfe des Ged\u00e4chtnisses eine verschiedene. Wird ihm das Lesest\u00fcck nur vorgelesen, so ist vorwiegend das Klangbild des Wortes wirksam, wird es ihm zugleich vorgelegt, so verbindet sich mit dem akustischen das optische Ged\u00e4chtnis, und beim eigenen Lautlesen treten aufserdem noch die Innervationsempfindungen des Sprachorgans unterst\u00fctzend hinzu. Der Prozefs der kombinierenden Erg\u00e4nzung w\u00fcrde bei dieser ged\u00e4chtnism\u00e4fsigen Er-g\u00e4nzungs- oder Komplikationsmethode, wie man sie nennen k\u00f6nnte, wenn sie durchf\u00fchrbar ist, immerhin ein Bild des Zusammenspiels der wichtigsten F\u00e4higkeiten des Sch\u00fclers und damit vielleicht der geistigen F\u00e4higkeit \u00fcberhaupt gew\u00e4hren. Dabei ist freilich nicht zu \u00fcbersehen, dafs bei dieser Vereinigung beider Methoden auch ihre nicht geringen Fehlerquellen zusammenfliefsen w\u00fcrden.\nM\u00f6glicherweise k\u00f6nnte man weiter aus dem Ergebnis dieser Komplikationsmethode den Anteil des Ged\u00e4chtnisses durch Vergleichung mit den Ergebnissen der einfachen Kombinationsmethode ausschalten. Stellt man die ohne Kenntnis des Lesest\u00fccks sich ergebende Leistung des Sch\u00fclers mit den durch eine Anzahl von wiederholten Lesungen, also durch das Ged\u00e4chtnis, unterst\u00fctzten zusammen, so k\u00f6nnte ein Mafs dieser Unterst\u00fctzung gefunden werden. Durch entsprechende Variation der Versuche liefse sich vielleicht weiter bestimmen, in welchem Verh\u00e4ltnis die einander unterst\u00fctzenden F\u00e4higkeiten beim einzelnen Sch\u00fcler stehen, ob und in welchem Mafse bei seinen individuellen Leistungen das Ged\u00e4chtnis oder die Kombinationsf\u00e4higkeit \u00fcber wiegt.","page":463}],"identifier":"lit30984","issued":"1897","language":"de","pages":"460-463","startpages":"460","title":"Nachtrag zu Ebbinghaus' \"Kombinationsmethode\" [s. Ebbingshaus' Artikel \"\u00dcber eine neue Methode zur Pr\u00fcfung geistiger F\u00e4higkeiten und ihre Anwendung bei Schulkindern\", Zeitschr. f. Psych. u. Physiol. d. Sinnesorgane, Bd. 13, S. 401-459]","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:32:00.244144+00:00"}