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{"created":"2022-01-31T15:41:11.063491+00:00","id":"lit31042","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Dittes, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 21: 277-279","fulltext":[{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n277\njet nach B. die einzige Wissenschaft, welche diese Theilung wieder aufgehoben hat.\tL. Agliabdi (Turin).\n0. Gramzow. Friedrich Eduard Benekos Leben and Philosophie. Auf Grand neuer duellen kritisch dargestellt. Bern, Steiger & Cie., 1899. [Berner Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte 13.] VII u. 284 S. Preis 1.75.\nDiese von grofsem Fleifs, gr\u00fcndlicher Sachkenntnis und bemerkenB-werthem psychologischen Scharfblick zeugende Arbeit bildet einen sch\u00e4tzbaren Beitrag zur Geschichte der Philosophie und ist zugleich geeignet, in weiteren Kreisen Interesse und Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die Pers\u00f6nlichkeit und die unsterblichen Werke eines hochverdienten, aber bisher von Mit- und Nachwelt mit wenigen Ausnahmen in nahezu unbegreiflicher Weise ignorirten deutschen Denkers zu erwecken. Indessen handelt es sich keineswegs um die Werbeschrift eines in blinder Verehrung f\u00fcr seinen Meister befangenen J\u00fcngers, sondern um das Ergebnis streng wissenschaftlicher, vorurtheil8loser Forschung, denn bei aller liebevollen Versenkung in das Wesen Beneke\u2019b steht der Herr Verf. diesem und seiner Lehre doch v\u00f6llig objectiv gegen\u00fcber und l\u00e4fst es an gelegentlichen kriti: sehen Bemerkungen nicht fehlen.\nWas nun die Anordnung und Darstellung des Stoffes betrifft, so f\u00e4llt zun\u00e4chst auf, dafs in dem Buche keine scharfe Trennung und durchg\u00e4ngige r\u00e4umliche Sonderung des rein biographischen Inhalts von dem spe-cifisch philosophischen vorgenommen wurde. Wir k\u00f6nnen dies jedoch nicht als Mangel bezeichnen, sondern m\u00fcssen es vielmehr entschieden billigen, da ja unseres Erachtens die Lebensgeschichte eines Deukers vor Allem eine Darstellung seines innerlichen Werdens und Wachsens, dessen wesentlichste Marksteine eben seine Werke bilden, sein mufs. Letztere hinwiederum, beziehungsweise die nach einander zu Tage tretenden und in ihrer Gesammtheit das System bildenden Gedanken und Theoreme, sind als geistige Erlebnisse in chronologischer Ordnung und in genetischem Zusammenh\u00e4nge mit dem, wodurch sie veranlafst wurden, zu entwickeln, w\u00e4hrend die \u00e4ufseren Daseinsverh\u00e4ltnisse, die gewissermaafsen als Rahmen des ganzen Bildes dienen, streng genommen nur deshalb Wichtigkeit haben, weil sie, sei es als Ursachen, sei es als Folgen, im Causalnexus mit jenen rein seelischen Geschehnissen stehen. Von diesem Standpunkte aus findet wir es durchaus naturgem\u00e4fs, dafs der Verf. einerseits seine Geschichte von Beneke\u2019s Leben \u201eals eine angewandte Psychologie\u201c gestaltet, andererseits bei der Darstellung von dessen Philosophie \u201edas biographische Moment in den Vordergrund ger\u00fcckt\u201c hat. Da es ihm nun aber die vorhandene einschl\u00e4gige Literatur wegen ihrer L\u00fcckenhaftigkeit nicht erm\u00f6glicht h\u00e4tte, \u201eden seelischen Regungen und Beweggr\u00fcnden im Leben Beneke\u2019s\u201c \u00fcberall nachzugehen, so suchte Gramzow nach neuen Quellen, aus denen ein anschaulicheres und genaueres Bild der Individualit\u00e4t des Philosophen zu gewinnen w\u00e4re, und er fand sie in dem umfangreichen, sich \u00fcber 14 Jahre erstreckenden Beneke-DREssLER\u2019schen Briefwechsel, dessen gewissenhafte Durchforschung ihn in den Stand setzte, nicht nur sehr vieles v\u00f6llig Neue zu bringen, sondern auch gar manche fr\u00fcher zwar schon bekannte, aber unzul\u00e4nglich gew\u00fcrdigte oder falsch beurtheilte Thatsache in das richtige","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nLiteraturbericht.\n-Licht zu stellen. So entstand denn ein bis in die kleinsten Einzelheiten ausgef\u00fchrtes Gem\u00e4lde von \u00fcberzeugender Naturwahrheit. Wo noch irgend etwas zweifelhaft blieb, wurden die zur Gewinnung einer bestimmten Vej; muthung sich darbietenden Anhaltspunkte gewissenhaft gepr\u00fcft und schlie\u00fca-lich die, stets wohlbegr\u00fcndete, eigene Ansicht des Verfassers ausgesprochen. Aufserordentlich wahrscheinlich erscheint uns namentlich dessen Hypothese in der viel er\u00f6rterten Frage nach der Todesart Bkneke\u2019s.\nEs ist schon angedeutet worden, wie Gramzow die specifisch philosophische Seite seines Themas bearbeitete. Er verfolgt Schritt f\u00fcr Schritt die Genesis des BENEKE\u2019schen Systems, verf\u00e4hrt also zun\u00e4chst chronologisch. In der Beihenfolge ihres Erscheinens werden die einzelnen Werke ihrem Hauptinhalte nach skizzirt, wobei die Ausf\u00fchrlichkeit der Analysen im allgemeinen im richtigen Verh\u00e4ltnisse zu der Wichtigkeit der besprochenen Schriften steht. Da Bkneke s\u00e4mmtliche philosophischen Discipline mit bewundernswerther Folgerichtigkeit auf seine Psychologie baut, mufsten nat\u00fcrlich die Grundlehren der letzteren \u201eimmer wieder ber\u00fchrt und von anderen Gesichtspunkten aus beleuchtet\u201c werden; im Uebrigen aber sind Wiederholungen m\u00f6glichst vermieden. Eine sehr dankenswerthe Erg\u00e4nzung erfahren nun aber diese Referate einmal durch die denselben beigef\u00fcgten, allerdings meist recht knappen, kritischen Andeutungen, sodann aber namentlich durch die ziemlich ausf\u00fchrlichen Er\u00f6rterungen \u00fcber die Beziehungen der BENEKE\u2019schen Philosophie zu den theilweise verwandten Ansichten anderer Denker. Diese vergleichenden Betrachtungen w\u00e4ren unseres Erachtens am besten alle in einen besonderen Hauptabschnitt zum Schl\u00fcsse des Buches zusammengefafst worden, doch geben wir gerne zu, dafs auch die Stoffanordnung des Herrn Verf. manches f\u00fcr sich hat. Derselbe bespricht gleich nach Darstellung der Berliner Wirksamkeit von 1827\u20141840 S. 145\u2014169 die Stellung unseres Philosophen zu Kant, Humk, der \u00e4lteren und neueren Atomistik (Demokrit, Fechner) und zur Monadologie Leibxizens, w\u00e4hrend im 3. Theile der Arbeit, S. 196\u2014216, \u201edas Ver-h\u00e4ltnifs zu Herbart und den Herbartianern\u201c eingehend behandelt wird. Die g\u00e4nzliche Hinf\u00e4lligkeit der Behauptung dieser letzteren, Bkneke habe seine Grundgedanken ihrem Meister entlehnt, wird hier, nachdem sie schon fr\u00fcher mehrfach in K\u00fcrze dargethan worden, ausf\u00fchrlich, und zwar erst historisch, dann, durch klare Hervorhebung der fundamentalen Unterschiede zwischen den Anschauungen der zwei Philosophen, auch sachlich bewiesen. Ueber einzelne Ber\u00fchrungspunkte mit Whewell und Hamilton (Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats im Urtheile) findet sich das N\u00f6thige S. 232 bis 241 unter dem Titel \u201eBriefwechsel und Bekanntschaft mit englischen und schottischen Gelehrten\u201c. Der Antagonismus zwischen Beneke und den rein speculativen Systemen ist ein so vollst\u00e4ndiger, dafs ein n\u00e4heres Eingehen auf diese nicht n\u00f6thig war. Mit Recht wurde indessen der Polemik gegen die beiden Fichte (S. 78\u201483) sowie der Fehde mit Schovenhausb (S. 39\u201448), deren letzte werthvolle Z\u00fcge zur pers\u00f6nlichen Charakteristik der beiden Gegner liefert, gr\u00f6fsere Bedeutung beigemessen.\nEs sei uns nun gestattet, kurz die haupts\u00e4chlichsten Einwendungen Gramzow's gegen die BENEKE\u2019sche Psychologie anzuf\u00fchren. Er findet, dafs der Philosoph der inneren Erfahrung, der bei anderen jegliche Specu-","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberich t.\n279\ntation bek\u00e4mpft, selbst seine Hypothesen nicht \u201eauf das Minimum beschr\u00e4nkt\u201c, dafs er sich einer theilweise verfehlten und allzu bildlichen Terminologie bedient, dafs er die von ihm unterschiedenen Entwickelungsstufen des Bewufstseins nicht hinreichend durch Thatsachen aus der kindlichen Seelenentwickelung gest\u00fctzt, endlich dafs er \u201edas psychische Geschehen der pers\u00f6nlichen'Willk\u00fcr zu sehr entzogen\u201c habe, so dafs es nach seiner Darstellung \u201egleichsam ein mechanisches sei\u201c. Der letzterw\u00e4hnte Vorwurf ist uns als solcher unverst\u00e4ndlich, da wir gerade in dem Nachweise der durchg\u00e4ngigen, jeden Zufall ausschliefsenden Gesetzm\u00e4fsigkeit des psychischen Lebens, in dessen Zur\u00fcckf\u00fchrung auf unab\u00e4nderliche Naturgesetze ein HauptverdienBt des genialen Denkers erblicken. Selbst die scheinbar freiesten seelischen Acte, die wir mit dem Ausdrucke \u201eWillen\u201c zu bezeichnen pflegen, unterliegen doch dem Walten der Causalit\u00e4t, wenn uns dasselbe auch h\u00e4ufig verborgen bleibt. Und w\u00e4re denn \u00fcberhaupt eine Wissenschaft von der menschlichen Psyche m\u00f6glich, wenn diese der \u201epers\u00f6nlichen Willk\u00fcr\u201c gehorchte?\nN\u00e4her auf den reichen, durchwegs gediegenen Inhalt des Buches einzugehen, m\u00fcssen wir uns leider versagen. Es sei nur noch ausdr\u00fccklich bemerkt, dafs auch die p\u00e4dagogischen Bestrebungen Beneke's, dessen \u201eErziehungs- und Unterrichtslehre\u201c Gramzow \u201eeins der allergr\u00f6fsten und vorz\u00fcglichsten Werke, die jemals auf diesem Gebiete hervorgebracht worden Sind\u201c, nennt, volle W\u00fcrdigung und eingehende Ber\u00fccksichtigung fanden, was abgesehen von ihrem sachlichen Werth auch wegen der pers\u00f6nlichen Beziehungen, in welche sie den Philosophen brachten, und wegen ihrer Bedeutung f\u00fcr die Ausbreitung seiner sonstigen Ideen unerl\u00e4fslich war. \u00dfchliefslich glauben wir nicht verschweigen zu sollen, dafs der Herr Verf. bei voller Wahrung jener ruhigen Unparteilichkeit, die ihn in hervorragender Weise zum Historiker bef\u00e4higt, im Verlaufe seiner Arbeit sich wiederholt als warmen Freund naturgem\u00e4fsen Fortschritts und als Gegner jeder kulturfeindlichen Beaction zu erkennen giebt.\nDer \u201eAnhang\u201c enth\u00e4lt eine, soweit wir sehen k\u00f6nnen, vollst\u00e4ndige BEKEKE-Bibliographie, welche allen denjenigen willkommen sein wird, die sich durch die GRAMZow\u2019sche Monographie zum Selbststudium angeregt f\u00fchlen.\nDie Ausstattung des Buches ist eine recht w\u00fcrdige, doch fiel uns beim Durchlesen desselben eine ziemlich betr\u00e4chtliche Anzahl Druckfehler auf, von denen wir nur einige hier angeben: S. 3, Z. 13 \u201eLebenslust\u201c (statt Lebensluft) ; S. 163, Z. 29 \u201esubstances-simple ou des huit\u00e9s\u201c (statt substances simples ou des unit\u00e9s); S. 166, letzte Zeile \u201eniedere\u201c (statt niedrigere); 8. 223, Z. 8 \u201e\u00e4iaoal-tct (statt (irapa\u00a3ia) ; S. 240, Z. 2 v. u. \u201e30\u00bb\u201c (statt 3rd oder 3d); 8. 243, Z. 17 \u201edem Entw\u00fcrfe\u201c (statt den Entwurf); S. 273, Z. 13 v. u. \u201erekognosziert\u201c (statt agnosciert); S. 276, Z. 21 \u201egenommen\u201c (statt gewonnen).\tR. Dittes (Budweis).\nBernhard Frbnzbl. Der AttOCi\u00e4tloUbegrifT bei Leiboix. Inaugural-Dissertation.\nLeipzig, F. Peter, 1898. 108 S.\nLeibniz hat zwar auf die Entwickelung der Psychologie keinen weitergreifenden Einflufs ge\u00fcbt. Trotzdem verlohnt es sich, seine psychologischen","page":279}],"identifier":"lit31042","issued":"1899","language":"de","pages":"277-279","startpages":"277","title":"O. Gramzow: Friedrich Eduard Beneke's Leben und Philosophie. Auf Grund neuer Quellen kritisch dargestellt. Bern, Steiger & Cie., 1899. (Berner Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte 13.) VII u. 284 S.","type":"Journal Article","volume":"21"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:41:11.063497+00:00"}