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{"created":"2022-01-31T15:58:24.329597+00:00","id":"lit31066","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Groos, Karl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 21: 296-300","fulltext":[{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nLiteraturbericht\nPaul St\u00e4rk. linfttliag rtd Association in der neueres Aesthetik. lin B\u00abK trag xnr psychologischen Analyse der \u00e4sthetischen Ansehannng. Beitr\u00e4gt \u2022 zur Acfithetik, hrsg. v. Th. Lipps u. R. M. Wmkbr, 5. Hamburg u. Leipzig, L. Vofs, 1898. 82 S.\t\u25a0'!\nF\u00fcr einen grofisen Theil der deutschen Aesthetiker bildet deT Begriff der \u201eEinf\u00fchlung\u201c* den eigentlichen Kern des \u00e4sthetischen Geniefsens; dabei pflegt die Wirkung der Association nicht f\u00fcr gen\u00fcgend gehalten an werden; um die Einf\u00fchlung zu erkl\u00e4ren. Andererseits hat Fechner die Association an die Spitze seiner \u00e4sthetischen Theorien gestellt, dabei aber vers\u00e4umt, die unter dem Namen \u201eEinf\u00fchlung\u201c zusammengefafsten Bewufstseinsthat-sachen gen\u00fcgend zu ber\u00fccksichtigen. Die Arbeit Stern's er\u00f6rtert dieses \u201ebis heute noch nicht geschlichteten Gegensatz\u201c im Anschlufs an die Lipps\u2019sche Psychologie und Aesthetik.\nDas einleitende erste Capitel der Schrift behandelt in dankenswerter Weise den Einf\u00fchlungsbegriff in der Romantik (Novalis, Jean Patu A. W. v. Schlegel), wobei sich schon die Mehrdeutigkeit des Ausdruckes offenbart; vor Allem wird von St. unterschieden zwischen der Betrachtung des sich einf\u00fchlenden Subjectes (inneres Nacherleben, \u201eEinsf\u00fchlung\u201c) and des vom Subject beseelten und zum Symbol gemachten Objectes (\u201eEinf\u00fcllung\u201c unserer Gef\u00fchle in den Gegenstand). \u2014 Mit dem zweite\u00bb Capitel beginnt der erste Hauptabschnitt, der einen kritischen Ueberblicfc \u00fcber die neueren Vertreter der Einftihlungstheorie enth\u00e4lt. Fit. Vischeb gelangt vom Symbolbegriff aus zu dieser Theorie, indem er die Symboli-sirung als ein \u201eLeihen\u201c und \u201eSichhineinf\u00fchlen\u201c bezeichnet. Bei Lotzb wird die \u201emitlebende\u201c Hineinversetzung psychologisch erkl\u00e4rt, und zwar sowohl aus der Erinnerung an eigenes fr\u00fcheres Erleben als auch sub der Erinnerung an die Ausdrucksformen, die wir an anderen gewahrt haben. Der zuerst genannte Erkl\u00e4rungsgrund ist nat\u00fcrlich der wichtigere ; dagegen halte ich es f\u00fcr verkehrt, wenn St. den zweiten entschieden verurtheilt, denn es kann doch keinem Zweifel unterliegen, dafs die vorausgegangene Beobachtung anderer unentbehrlich ist, weil wir unsere eigenen optischen Ausdrucksformen zum gr\u00f6fsten Theil gar nicht wahrnehmen k\u00f6nnen. Robert Vischer (3. Cap.) geht in seiner Untersuchung \u00fcber das optische Formgef\u00fchl von dem bewegten \u201eSchauen\u201c aus, im Anschlufs an die Lotze-W\u00fcNDT\u2019schen Localisationstheorien. Indem dann zu den Augenbewegungen ein Ergriffensein des ganzen Leibmenschen hinzutritt, entstehen die entsprechenden Selbstvorstellungen, die, in das Object hin\u00fcberwandernd, zu dem Act der Einf\u00fchlung f\u00fchren. Da ich mich auf das Wesentlichste beschr\u00e4nken mufs, hebe ich nur noch hervor, dafs zwei Einw\u2019\u00e4nde Stern\u2019s mir anfechtbar erscheinen. Der eine bek\u00e4mpft (mit Lipps) den Einflufs der Augenbewegung auf das \u00e4sthetische Schauen. So gewifs nun Lipps darin Recht hat, dafs wir die Formen mit unserem Blick nicht eigentlich nach-fahren, so sehr bin ich doch davon \u00fcberzeugt, dafs den Augenbewegungen trotzdem eine nicht unbedeutende Rolle beim \u00e4sthetischen Geniefsen zuf\u00e4llt; eine gewisse Tendenz zum Nachfahren ist, wie mir scheint, deutlich zu beobachten, und ebenso deutlich glaube ich wahrnehmen zu k\u00f6nnen, dafB diese Tendenz bei manchen Formen eher befriedigt wird als bei anderen. (Allerdings w\u00fcrde die hiermit angedeutete Auffassung eine","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"L i te rti htrberick t.\n297\nwesentliche Umgestaltung der Augenbewegungstheorie mit sich f\u00fchren). Der andere Einwurf bezeichnet den Ausdruck \u201eEinf\u00fchlung\u201c als ungl\u00fccklich gew\u00e4hlt, weil das Ich sich in der 8elbstversetzung \u00e4ndert und \u201eerst in dem Einf\u00fchlungsacte selber zu demjenigen Ich wird, welches sich als das schliefs-lich hineingef\u00fchlte bezeichnen l\u00e4fst\u201c (22). Ich finde dagegen, dafs gerade das Wort Einf\u00fchlung diese Anschmiegungsf\u00e4higkeit vortrefflich zum Ausdruck bringt.\nDas vierte Capitel tr\u00e4gt die Ueberschrift : \u201eDie Gestaltung des Gewonnenen bei Gaoos, Siebeck, Fr. Vischer, Biese.\u201c Bie.se wird nur kurz erw\u00e4hnt. Bei Siebeck tadelt der Verf., dafs er unseren \u00e4ufseren Beobachtungen an anderen gegen\u00fcber unseren sonstigen Erfahrungen und den Erlebnissen an uns selber eine \u00fcber Geb\u00fchr wichtige Stelle einr\u00e4ume (35). Denselben Vorwurf erhebt er auch gegen Fr. Vischkr\u2019s Schrift \u00fcber das Symbol. Dafs St. in der Kritik hier nach meiner Ansicht zu weit geht, wurde schon oben angedeutet. Mit meiner \u201eEinleitung in die Aesthetik\u201c (1892) ist der Verf. gerade wie sein Lehrer sehr unzufrieden, wozu diese in vielen Punkten unreife Schrift ja gewifs mancherlei Anlafs bietet. Immerhin enth\u00e4lt sie den Versuch, das \u201einnere Miterleben\u201c einerseits mit den Erscheinungen des Spiels, andererseits mit den Aeufserungen des Nachahmungstriebes in Verbindung zu bringen und den so bereicherten Begriff durch die verschiedenen \u00e4sthetischen Modificationen durchzuf\u00fchren ; ich halte mich daher f\u00fcr berechtigt, die Beurtheilung durch Lipps und St. als etwas einseitig anzusehen. Was die einzelnen Einw\u00fcrfe Stern\u2019s betrifft, so h\u00e4tte ich da manches zu berichtigen; ich beschr\u00e4nke mich aber auf eine seiner Bemerkungen, weil sie von allgemeinerem Interesse ist. In Hinsicht auf das Th\u00e4tigkeitsgef\u00fchl beim inneren Miterleben sagt er: \u201eLeicht fliefsende, grazi\u00f6se Linien werden vielleicht von uns, wreil sie halb verl\u00f6scht sind, recht schwer, grobe, eckige, schwerf\u00e4llige Linien, weil sie derb und in heller Farbe heraustreten, sehr leicht und spielend aufgefafst oder ,innerlich nachgeahmt\u2018. Scheinen darum jene ihrem Charakter nach schwer, diese leicht ?\u201c Hierauf darf man doch wohl mit der Gegenfrage antworten, ob nicht die St\u00e4rke dieses Einwurfes recht wesentlich von einem etwas bedenklichen Gebrauch von Homonymen abh\u00e4nge, indem \u201eschwer\u201c und \u201eleicht\u201c einmal auf die aufgewandte M\u00fche, das andere Mal auf den Eindruck des Gewichts und der Masse abzielen?\nDas f\u00fcnfte Capitel (zugleich der zweite Abschnitt) enth\u00e4lt, abgesehen von Er\u00f6rterungen der FECHNKR\u2019schen Aesthetik und des Associationsbegriffes, die drei Einw\u00e4nde, die der Verf. von Volkelt und Anderen gegen die Associations-Psychologie erheben sieht: 1. Die Association involvire stets ein bewufstes Nebeneinanderstehen der associirten Vorstellungen. t. Sie k\u00f6nne nicht als Vermittlerin von Gef\u00fchlen fungiren. 3. Sie bedeute stets einen rein zuf\u00e4lligen Zusammenhang.\nDer dritte Abschnitt (6.\u20148. Cap.) sucht diese Einw\u00e4nde vom Standpunkt der Lipps\u2019schen Associationstheorie aus zur\u00fcckzuweisen. Die Association braucht erstens kein bewufsteB Neben ein anderstehen der Vorstellungen zu involviren. Denn bei der Begrenztheit der seelischen Kraft giebt es auch unbewufste Vorstellungen, die Bich nicht mit gen\u00fcgender St\u00e4rke \u201edurchzusetzen\u201c verm\u00f6gen, um in einen gesonderten Bewufstseins-","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nLitcraturbericht.\ninhalt \u00fcberzugehen, die aber doch durch ihr \u201eAufstreben\u201c den thate\u00e4chlichen Bewusstseinsinhalt modificiren. \u2014 Wenn diese Lehre richtig ist, so ist damit ohne Zweifel der erste Einwand widerlegt. Ich mufs aber bekennen, dafs ich sie nicht gen\u00fcgend zu verstehen vermag, um ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit beurtheilen zu k\u00f6nnen. W\u00e4ren dabei die Vorstellungen in wohlbekannter Weise als selbstst\u00e4ndige Wesenheiten zu denken, die sich bald \u00fcber, bald unter der Schwelle des Bewusstseins herumtreiben, so w\u00fcrde man dem zwar kaum mehr zustimmen, aber man w\u00fcfste doch wenigstens, woran man ist. So ist es aber keineswegs gemeint. Da heilst es z. B. 8. 57 : \u201eVorstellungen k\u00f6nnen bei ihrem Aufstreben zum Bewufstsein F\u00f6rderung oder Hemmung finden entweder durch gleichzeitige oder vorangehende Vorstellungen, oder durch die Gunst oder Ungunst, welche ihnen das seelische WeBen von Hause aus und als Ganzes entgegenbringt. . . . Freilich ist auch, wenn wir, dem ersten Falle gem\u00e4fs, von der gegenseitigen F\u00f6rderung oder Hemmung von Vorstellungen durch Vorstellungen sprechen, dies nur ein bequemerer Ausdruck f\u00fcr die Leichtigkeit oder Schwierigkeit, mit der die Seele als Ganzes jene Vorstellungen gleichzeitig resp. in unmittelbarer Folge hervorbringt.\u201c Da ich mir nun nicht klar dar\u00fcber bin, wieviel nach diesem charakteristischen Zur\u00fccknehmen von der zuerst gemachten Unterscheidung (\u201eentweder \u2014 oder\u201c) noch bestehen bleibt, so bewirkt die doch immer wieder angewendete \u201ebequemere\" AusdrucksweiBe, dafs ich nicht recht verstehe, was mit dem Aufstreben, Sich-hemmen und Sich-f\u00f6rdern der unbewufsten Vorstellungen eigentlich gemeint ist.\nDer zweite Einwand lautet, die Association k\u00f6nne nicht als Vermittlerin von Gef\u00fchlen fungiren (eigentlich handelt es sich zun\u00e4chst nar um Volkblt\u2019s Behauptung, wonach blofse Vorstellungsbeziehungen f\u00fcr Bich allein nicht zu jenem dunklen Vitalgef\u00fchle werden k\u00f6nnen, das wir \u201eStimmung\u201c nennen). Diesem Einwand wird durch die Erkl\u00e4rung begegnet, dafs das Gef\u00fchl selbst gar nichts anderes sei als der Bewufstseinsrefiex \u201eaufstrebender\u201c Vorstellungscomplexe (es bildet \u201egewissermaafsen ihren Vorgeschmack\u201c) und dafs es bei der richtig verstandenen Aehnlichkeits-Asso-ciation eine wichtige Rolle spiele. \u201eDanach,\u201c heifst es S. 59, \u201emufs jedes Gef\u00fchl, seine thats\u00e4chliche Herrschaft im Bewufstsein vorausgesetzt, noth-wendig verbunden sein mit dem Anklingen aller m\u00f6glichen Vorstellungscomplexe, die dem, an welchen es sich urspr\u00fcnglich heftete, \u00e4hnlich sind und zwar \u00e4hnlich hinsichtlich deB in ihnen verwirklichten allgemeinen Rhythmus des seelischen Geschehens.\u201c Wenn diese psychische Resonanz an Dauer gewinnt, so entsteht das, was wir als \u201eStimmung\u201c bezeichnen. \u2014 Auch ich glaube, dafs die Nachwirkung fr\u00fcherer Erfahrungen in das Gef\u00fchlsleben eingreifen kann, ohne darum mit den Ansichten des Verf. \u00fcber die Entstehung des Gef\u00fchls und der Aehnlichkeits-Association \u00fcbereinzustimmen.\nDer dritte Einwand, wonach die Association nur zuf\u00e4llige Zusammenh\u00e4nge schaffe, wird am treffendsten durch ein Cit\u00e2t aus Fechnbb\u2019s Aesthetik widerlegt: \u201eDie wichtigsten Associationen werden dem Menschen durch die allgemeine Natur der menschlichen, irdischen und kosmischen Verh\u00e4ltnisse auch allgemein aufgedrungen, wonach z. B. Niemand den Ausdruck der","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n299\nGebrechlichkeit mit dem der Kraft und Gesundheit, Niemand den Ausdruck der G\u00fcte oder geistigen Begabtheit mit dem der B\u00f6sartigkeit oder Dummheit verwechseln kann\u201c Die Allgemeing\u00fcltigkeit solcher Beziehungen sichert dem \u00e4sthetischen Urtheil selbst seine Allgemeing\u00fcltigkeit, gestattet es, von richtigen und falschen Gef\u00fchlen zu sprechen und macht es auch m\u00f6glich, die Fehlerquellen aufzudecken, die \u00e4sthetische Urtheile minder-werthig machen.\nDer Yerf. hat aber nicht nur den Versuch gemacht, gegen die geschilderten Einw\u00e4nde anzuk\u00e4mpfen, sondern er will auch positiv nach-weisen, wie die Erscheinungen der Einf\u00fchlung durch die Lipps\u2019sche Associationstheorie erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Das Wichtigste hier\u00fcber findet sich in dem siebenten Capitel, wo sowohl das \u201einnere Nacherleben\u201c als auch die \u201eGef\u00fchls\u00fcbertragung\u201c er\u00f6rtert wird. Zun\u00e4chst das innere Nacherleben. Aue der Uebereinstimmung und dem Gegensatz der Vorstellungen entsteht Lust und Unlust. Uebereinstimmung und Gegensatz ist aber nicht m\u00f6glich ohne ein Streben und Widerstreben. Sofern sich dieses im Gef\u00fchl geltend macht, reden wir von Willensgef\u00fchlen. Auch das \u00e4sthetische Gef\u00fchl, das mit der Resonanz der Aehnlichkeitsassociationen entsteht, ist ein Willensgef\u00fchl. Ein solches Gef\u00fchl setzt einen Willen und dieser wieder eine ihn tragende Pers\u00f6nlichkeit voraus. Wo wir daher ein Gef\u00fchl oder gef\u00fchlsm\u00e4fsige Regungen zu sehen glauben, da denken wir auch an eine Pers\u00f6nlichkeit, die diese Gef\u00fchle hat. Mit dem Willensgef\u00fchl kommen wir ferner auf den Begriff des Activit\u00e4tsgef\u00fchls. Wenn z. B. ein Gedanke zu meinem Bewufstsein dr\u00e4ngt und zugleich von einer \u00e4ufseren St\u00f6rung bedroht wird, so kann ich ihn entweder trotzdem zu Ende denken, oder ich k\u00e4mpfe erfolglos gegen die St\u00f6rung, oder ich werde einfach \u201ewie mit Einem Schlage\u201c aus dem Gedanken herausgerissen. Im ersteren Falle habe ich vorwiegend ein befriedigtes Activit\u00e4tsgef\u00fchl, im zweiten ein unbefriedigtes Kraftgef\u00fchl, im dritten f\u00fchle ich mich rein passiv und unbefriedigt (ist letzteres nothwendig ?). Das Activit\u00e4tsgef\u00fchl aber ist weiterhin identisch mit einem ethischen Selbstwerthgef\u00fchl. Auch das \u00e4sthetische Gef\u00fchl ist ein Selbstwerth- resp. Selbstunwerthgef\u00fchl. So wird in unmittelbarem Zusammenhang mit dem besonderen Charakter jener psychischen Resonanz f\u00fcr unser gesammtes geistiges Dasein ein Gef\u00fchl der Activit\u00e4t oder Passivit\u00e4t oder beider in irgend welcher specifisch bestimmten Mischung gegeben, eine durchgreifende Modification unseres Ge-Bammtbewufstseinszustandes, der Art unseres Selbstgef\u00fchls: damit haben wir das, was der Ausdruck \u201einneres Nacherleben\u201c zusammenfassen will, psychologisch entstehen sehen. \u2014 Ich weifs nicht, ob es mir gelungen ist, das Wesentliche dieses Gedankengangs durchaus richtig wiederzugeben; denn trotz h\u00e4ufiger, aufmerksamer Lect\u00fcre habe ich kein v\u00f6llig klares Bild davon gewonnen, wie sich hier die einzelnen Aufstellungen zu einem zusammenh\u00e4ngenden Ganzen f\u00fcgen. Dafs bei dem \u00e4sthetischen Betrachten eine \u201epsychische Resonanz\u201c vorhanden ist, die ohne Nachwirkung fr\u00fcherer Erlebnisse (dies ist der vorsichtigste Ausdruck f\u00fcr die Thatsache) unm\u00f6glich w\u00e4re, ist wohl selbstverst\u00e4ndlich ; ebenso leuchtet es ein, dafs diese Resonanz nicht in einem bewufsten Nebeneinander von Vorstellungen, sondern in Gef\u00fchlen und Stimmungen besteht, die mit dem Wahrge-","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nLiteraturberich t.\nnommenen verschmelzen; endlich begreife ich, wie durch solche Einwirkungen dae Object den Eindruck des Activen und Werthvollen machen kann (obwohl mir der Uebergang zum ethisch Werthvollen dabei als ein Sprung erscheint). Woher aber dabei im betrachtenden Subject das Gef\u00fchl seiner eigenen Activit\u00e4t, d. h. sein 8e 1 bstwerthgef\u00fchl kommt, ist, soviel ich sehe, nicht mit gen\u00fcgender Deutlichkeit aufgezeigt, und doch n\u00e4hern wir uns erst damit dem Begriff des inneren Nacherlebens.\nDie Frage der Gef\u00fchls\u00fcbertragung endlich wird kurz dahin beantwortet, dafs es sich hierbei um denselben reflectionslosen Vorgang handle, der auch da zu beobachten ist, wo wir sonst mit den K\u00f6rpern lebender Wesen die Vorstellung ihres geistigen Lebens verbinden. Zu dieser \u201edurchgreifenden Gleichartigkeit, die zwischen der \u00e4sthetischen Beseelung beliebiger Objecte und der ethisch-praktischen Beseelung unserer Mitmenschen obwaltet\u201c, ist zu bemerken, dafs als ersteB Glied der Gleichung eigentlich die mytho* logische Beseelung zu setzen ist, die an das Leben im Objecte glaubt, w\u00e4hrend bei der \u00e4sthetischen Beseelung das Problem der \u201ebewufsten Selbstt\u00e4uschung\u201c auf tritt, das nach meiner Meinung nur durch den Begriff des Spiels befriedigend gel\u00f6st werden kann.\nDa ich mich in dieser Besprechung vielfach nicht mit dem Verf. einverstanden erkl\u00e4ren konnte, m\u00f6chte ich zum Schlufs ausdr\u00fccklich betonen, dafs ich seine fleifsige und scharfsinnige Arbeit f\u00fcr einen werthvollen Beitrag zur Aesthetik halte, der auf die weitere Entwickelung ihrer centralen Probleme vermuthlich sehr anregend einwirken wird.\nKahl Groos (Basel).\nVernon Lee and Anstruther-Thouson. Beauty and Ugliness. Contemporary Review (282), 544-569; (283), 669\u2014688. 1897.\nDiese vielfach fremdartig ber\u00fchrende, aber sehr interessante Studie \u00fcber die motorischen Elemente in der Formenwahrnehmung geht von der LxNOE-jAMEs'schen Gef\u00fchlstheorie aus. Wenn bei allen unseren Emotionen die durch motorische Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper verursachten Empfindungen einen wesentlichen Antheil an dem Gesammtcharakter der Emotion selbst besitzen, so ist auch bei den \u00e4sthetischen Lust- und Unlust-gef\u00fchlen, die das Wahrnehmen optischer (und wohl auch akustischer) Formen begleiten, ein \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnis zu erwarten. Von diesem Gedanken ausgehend haben die beiden Verf. in methodischer Weise Versuche angestellt und dabei einen grofsen Reichthum von motorischen Vorg\u00e4ngen w\u00e4hrend der Formenwahrnehmung aufgedeckt, die dem naiv Geniefsenden gar nicht oder doch nur sehr unvollst\u00e4ndig zum Bewufstsein kommen. Nicht nur die Augen bewegen sich bei der vollst\u00e4ndigen und intensiven Auffassung (\u201eRealisirung\u201c) der Form. Wenn wir z. B. im Innern eines Domes vom Schiff aus unter die Kuppel gelangen, so geht in unserem Ge-niefsen eine auffallende Wandlung vor sich: wir f\u00fchlen uns pl\u00f6tzlich wie von einer unsichtbaren Gewalt umgeben, eingeh\u00fcllt, besch\u00fctzt. \u201eDies kommt von der ,Realisirung* der Kuppelform durch Spannungen auf der Scheitel- und R\u00fcckseite des Kopfes und durch eine Muskelerregung der Kopfhaut, speciell der Muskeln zwischen Auge und Ohr, einem Theil des Kopfes, den wir dabei ganz besonders lebendig f\u00fchlen.\u201c Hierzu kommen","page":300}],"identifier":"lit31066","issued":"1899","language":"de","pages":"296-300","startpages":"296","title":"Paul Stern: Einf\u00fchlung und Association in der neueren Aesthetik. Ein Beitrag zur psychologischen Analyse der \u00e4sthetischen Anschauung. Beitr\u00e4ge zur Aesthetik, hrsg. v. Th. Lipps u. R. M. Werner, 5. Hamburg u. Leipzig, L. Vo\u00df, 1898. 82 S.","type":"Journal Article","volume":"21"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:58:24.329603+00:00"}