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{"created":"2022-01-31T16:13:04.424607+00:00","id":"lit31080","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 21: 309-311","fulltext":[{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n309\nB. Sommes. Lehrbuch der psychopathologischen Untersuchungsmethodeu. 399 S.\n86 Abbildungen. Urban & Schwarzenberg. Berlin-Wien. 1899. 10 Mk*\nDer Satz, dafs es keine reine Wissenschaft giebt, wenn sie sich nicht auf die Anwendung bestimmter, exacter Methoden aufbaut, gilt auch f\u00fcr die Psychiatrie. Um so mehr ruufs es auffallen, dafs wir, wie uns ein Ueberblick \u00fcber die einschl\u00e4gige Literatur lehrt, zwar viele Monographien haben, welche uns die Ergebnisse der Forschung im Gebiete der Psychiatrie mittheilen, dafs aber die Lehre von den Methoden nur in einzelnen Aufs\u00e4tzen, aber nicht ersch\u00f6pfend und zusammenh\u00e4ngend besprochen wird. Das liegt vielleicht zum Theil daran, dafs hier die Methodenlehre noch nicht so ausgebildet und weniger einheitlich ist, als auf dem Gebiete der somatischen Pathologie; gegen diese Annahme spricht sicherlich nicht der Umstand, dafs die verschiedenen Autoren bei der Beurtheilung gleicher oder \u00e4hnlicher Zust\u00e4nde zu den verschiedensten Resultaten kommen.\nSommer hat sich die sicherlich lohnende Arbeit gestellt, diese L\u00fccke mit seinem vorliegenden Buche auszuf\u00fcllen; er war sich dabei von vornherein bewufst, dafs seine Arbeit bei der Lage der Sache auf Vollst\u00e4ndigkeit keinen Anspruch erheben kann; er begn\u00fcgt sich vielmehr mit dem Programm. \u201eDas Fundament festzulegen, auf welchem die einzelnen Beobachter weiter bauen k\u00f6nnen und auf dem sich eine Verst\u00e4ndigung \u00fcber die verwickelten Fragen der Psychopathologie erzielen l\u00e4fst.\u201c\nWenn schon der Stoff seiner Natur nach unser Interesse erweckt, so gilt das von der vorliegenden Arbeit in erh\u00f6htem Maafse, da auf jeder Seite Sommer uns mit der ganzen Eigenart seiner Pers\u00f6nlichkeit ent-gegentritt.\nDie ersten Capitel sind der Untersuchung der k\u00f6rperlichen Symptome bei den Geisteskranken gewidmet.\nWas man am Kranken sieht, seine Bewegungen und Haltungen, kann man beschreiben, besser noch photographisch fixiren ; der Natur am n\u00e4chsten kommt die Reproduction durch den stereoskopischen Kinematograph mif der M\u00f6glichkeit, die Zeiten zwischen den einzelnen Aufnahmen beliebig zu verl\u00e4ngern.\nWas man von Kranken h\u00f6rt, l\u00e4fst sich zwar auch w\u00f6rtlich nieder-schreiben ; eine einwandsfreie Wiedergabe erm\u00f6glicht indefs nur der Phonograph, dessen Verwendbarkeit durch weitere Vervollkommnung seiner Construction noch gesteigert werden kann.\nSommer betont die Wichtigkeit einer genauen Untersuchung der Patellarreflexe f\u00fcr psychophysiologische Zwecke, wobei er aber weniger Werth auf die H\u00f6he des Ausschlags als vielmehr auf die Art des Ablaufs legt. Der von Sommer construirte und fr\u00fcher bereits beschriebene Reflex-multiplicator erwdes sich ihm als zweckm\u00e4fsig und auch f\u00fcr die praktische Psychiatrie verwerthbar, wie er an der Hand von ausf\u00fchrlich mitgetheilten Krankengeschichten nachweist.\nDie entsprechende Aufgabe stellt sich Sommer mit Hinsicht auf den Pupillarreflex ; auch hier ist weniger die Pupillenweite als vielmehr der Ablauf der Bewegung der Regenbogenbaut von Belang. So sinnreich auch sein Instrument erdacht und construirt ist, so birgt es doch noch Fehlerquellen und gen\u00fcgt nicht, die gestellte Aufgabe zu l\u00f6sen. Wie sehr","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nLitera turberi ch t.\n\u00dcbrigens Sommer Recht hat mit seiner Bemerkung, dafs abgesehen von der rein reflectorischen Pupillenbewegung und der accommodativen Mitbewegung gewisse psychisch-cerebrale Factoren bei der FupiUenbeschaffenheit mitmachen, wird durch die j\u00fcngsten Beobachtungen von Piltz erwiesen, welche den sog. Aufmerksamkeitsreflex der Pupillen betreffen.\nDie Analyse der directen Ausdrucksbewegungen an den H\u00e4nden oder Beinen, gleichg\u00fcltig ob sie willk\u00fcrlich oder unwillk\u00fcrlich erfolgen, kann an dieser Stelle nur kurz ber\u00fchrt werden, da der grundlegende Aufsatz im 16. Bande dieser Zeitschrift publicirt ist.\nDer gr\u00f6fsere, vielleicht auch der wichtigere und interessantere Abschnitt des Buches besch\u00e4ftigt sich mit der Untersuchung psychischer Zust\u00e4nde und Vorg\u00e4nge.\nMit Recht hebt Sommer hervor, dafs jeder, der naturwissenschaftliche Vorg\u00e4nge studirt \u2014 und das thut auch der Arzt, der den Geisteskranken studirt \u2014, sich bem\u00fchen mufs, seine Beobachtungen m\u00f6glichst objectiv wiederzugeben. Wie wenig das aber heute bei den vielen oder gar meisten Psychiatern zutrifft, wissen und f\u00fchlen gar manche leider nur zu genau. Man nehme doch irgend eine Krankengeschichte und man wird finden, dafs sie vorzugsweise aus den Urtheilen ihres Verf. besteht; welcher Spielraum hierbei den subjectiven Anschauungen, ganz abgesehen von der noch unsicheren Terminologie, einger\u00e4umt wird, darauf braucht nicht besonders hingewiesen zu werden.\nDas ist \u00fcberhaupt der rothe Faden, der sich durch das ganze Sommrr-sche Buch hinzieht, dafs er \u00fcberall bestrebt ist, mit seinen Methoden ein m\u00f6glichst objectives, von jeder pers\u00f6nlichen Beeinflussung des Beobachters freies Bild von dem Kranken zu entwerfen; nur ein auf solche Weise gewonnenes Bild kann einem anderen die zutreffende und in allen Punkten den Thatsachen entsprechende Vorstellung des geschilderten Krankheitsfalles verschaffen; so ist vor allem die M\u00f6glichkeit gegeben, eine nutzbringende und zweckentsprechende Vergleichung der von den verschiedenen Forschem an den verschiedenen Orten gewonnenen Bilder durchzuf\u00fchren, und damit besteht die Aussicht, dafs eine mehr einheitliche Anschauung unter den heutigen Psychiatern platzgreifen kann.\nSommer geht hierbei nun so vor, dafs er eine ganz bestimmte Reihe von Fragen, die sich ihm auf Grund seiner Ueberlegungen und w\u00e4hrend ihrer praktischen Anwendung als brauchbar erwiesen haben, dem Kranken vorlegt : seine Reaction auf diesen Fragebogen, ihre Beschaffenheit und die Schnelligkeit, mit der sie eintritt, wird einen Einblick in den Geisteszustand des Untersuchten gew\u00e4hren. Seine Anwendung bei einem und demselben Kranken zu verschiedenen Zeiten wird Aufschlufs geben \u00fcber den Verlauf der Psychose, und andererseits wird man, wenn man den gleichen Fragebogen durch die an den verschiedenen Geisteskrankheiten erkrankten Individuen beantworten l\u00e4fBt, \u00fcber die principiellen Unterschiede der verschiedenen Psychosen unterrichtet werden k\u00f6nnen.\nDie Frageb\u00f6gen sind nat\u00fcrlich ganz verschieden zusammengestellt, je nach der psychischen Function, die gerade untersucht werden soll; eingehend ber\u00fccksichtigt Sommer von diesem Gesichtspunkte aus die Unter-","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n311\nBuchung auf Orientirtheit, Schulkenntnisse, Rechenverm\u00f6gen und den Ablauf der Association.\nEs m\u00f6ge gen\u00fcgen, zum n\u00e4heren Verst\u00e4ndnisse den Fragebogen hier w\u00f6rtlich mitzutheilen, den Sommes anwendet, wenn er sich \u00fcber die Orientirtheit einer Person Rechenschaft abgeben will, eine Frage, deren Untersuchung einen sehr grofsen Raum seines Buches einnimmt. Der Fragebogen lautet :\n1.\tWie heifsen Sie?\n2.\tWas sind Sie?\n3.\tWie alt sind Sie?\n4.\tWb sind Sie zu Hause?\n5.\tWelches Jahr haben wir jetzt?\n6.\tWelchen Monat haben wir jetzt?\n7.\tWelches Datum im Monat haben wir?\n8.\tWelchen Wochentag haben wir heute?\n9.\tWie lange sind Sie hier?\n10.\tIn welcher Stadt sind Sie?\n11.\tIn was f\u00fcr einem Hause sind Sie?\n12.\tWer hat Sie hierhergebracht?\n13.\tWrer sind die Leute Ihrer Umgebung?\n14.\tWo waren Sie vor acht Tagen?\n15.\tWo waren Sie vor einem Monat?\n16.\tWo waren Sie vorige Weihnachten?\nAn einer F\u00fclle von mitgetheilten eigenen Beobachtungen lehrt S., wie viel mit H\u00fclfe dieses einfachen Fragebogens, dem noch einige wenige auf Btimmungsanomalien, Wahnideen, Hallucinationen bezugnehmende Fragen angef\u00fcgt sind, erreicht werden kann.\nDas Buch ist naturgem\u00e4fs in erster Linie f\u00fcr den Psychiater geschrieben: es wird aber sicherlich alle die interessiren, welche sich auf dem Gebiete der physiologischen Psychologie besch\u00e4ftigen. F\u00fcr beide, die physiologische sowohl wie die pathologische Psychologie, gilt eine gleiche oder doch \u00e4hnliche Methodik; hier den Versuch gemacht zu haben, uns eine zusammenfassende Darstellung des bereits Bekannten zu geben, um neue Methoden zu schaffen, das ist das Verdienst Sommer\u2019s.\nE. Sch\u00fcltze (Bonn).\nSamte de Sanctis. Stil rapport! etiologlci tra SOglll 0 pailla. Delir! e PslCOl! da SOgni. Rivista quindicinale di Fsicologia, Frichiatria e Neuropatologia 1. 16 S.\nWenn Traumerlebnisse einen vor\u00fcbergehenden oder permanenten psychopathischen Zustand erzeugen, so ist dies nur eine krankhafte Steigerung des Einflusses, den das Traumleben auch normalerweise auf den wachen Zustand aus\u00fcben kann. Dafs Tr\u00e4ume im Stande sind, einen psychopathischen Zustand hervorzurufen, wird von Psychiatern jetzt allgemein angenommen. Zweck der vorliegenden Arbeit ist es, die Art und Weise zu zeigen, wie dies geschehen kann.\nDas Traumleben (oder die \u201eAttivitj\u00e0 onirica\u201c, wie der Verf. dies genannt hat) sch\u00f6pft sein Material aus vererbten Anlagen der Species und","page":311}],"identifier":"lit31080","issued":"1899","language":"de","pages":"309-311","startpages":"309","title":"R. Sommer: Lehrbuch der psychopathologischen Untersuchungsmethoden. 399 S. 86 Abbildungen. Urban & Schwarzenberg. Berlin-Wien. 1899","type":"Journal Article","volume":"21"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:13:04.424613+00:00"}