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Die Wahrnehmung von Tonveränderungen: Zweite Mittheilung: Tonunterschiede und Tonänderungen (Paralleluntersuchung nach der Methode des Urtheilsganges)

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{"created":"2022-01-31T16:14:16.748850+00:00","id":"lit31092","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, L. William","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 21: 360-387","fulltext":[{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"(Au\u00ab dem psychologischen Laboratorium der Universit\u00e4t Breslau.)\nDie Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\nVon\nL. William Steen.\nZweite Mittheilung :\nTonunterschiede und Ton\u00e4nderungen.\n(Paralleluntersuchung nach der Methode des Urtheilsganges.)\n(Mit 5 Fig. im Text.)\nAls ich im Sommer 1896 die erste Mittheilung \u00fcber die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen ver\u00f6ffentlichte, hoffte ich, ihr bald weitere folgen lassen zu k\u00f6nnen. 1897 wurden im psychologischen Laboratorium der Breslauer Universit\u00e4t zwei VersuchBgruppen mit verbessertem Apparat, vervollkommneter Methode und zum Theil ganz anderer Problemstellung abgeschlossen, aber mannigfache \u00e4ufsere Umst\u00e4nde verz\u00f6gerten die Publication. Inzwischen habe ich an anderem Ort1 bereits das Verfahren in seinen Grundz\u00fcgen, sowie einige Hauptergebnisse kurz mitgetheilt und ihre psychologische Bedeutung besprochen; auf diese Darlegungen werde ich daher zum Theil zur\u00fcckgreifen k\u00f6nnen, wenn ich in Folgendem eine eingehendere Schilderung der Untersuchungen und eine Er\u00f6rterung ihrer verschiedenen Resultate geben werde.\nDie vorliegende Mittheilung soll nur \u00fcber die erste jener beiden Versuchsgruppen berichten.\nDie Frage, wie sich die Wahrnehmung discreter Reize (successiver Verschiedenheiten) zu der Wahrnehmung stetig sich \u00e4ndernder Reize verhalte, ist meines Wissens bisher\n1 Psychologie der Ver\u00e4nderungsauflassung, Breslau 1898.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n361\nnoch nicht in den Kreis der Untersuchung gezogen worden. Man studirte die Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr auf einander folgende Einzelreize unter den verschiedensten Bedingungen, z. B. unter Variation der dazwischen liegenden Zeit; man hat neuerdings auch die Wahrnehmungsschwelle f\u00fcr stetige Ver\u00e4nderungen, ebenfalls unter mannigfachen Bedingungen, namentlich in Abh\u00e4ngigkeit von der Aenderungsgeschwindigkeit, untersucht \u2014 aber in Beziehung hat man diese beiden, doch so analogen Ph\u00e4nomene, noch nicht gebracht. Suchte man einmal auf die Frage: wirf ein Reizunterschied besser bemerkt, wenn die Zwischenzeit zwischen Anfangs- und Endphase durch eine reiz-leere Pause oder wenn sie durch die continuirliche Ueberleitung des Reizes dargestellt wird? . . . eine provisorische Antwort zu geben, so lautete dieselbe wohl immer zu Gunsten des discreten Reizunterschiedes.1 Die im Folgenden beschriebenen Experimente zeigen, dafs diese Antwort falsch ist, wie sie auch eine andere \u201eselbstverst\u00e4ndliche\u201c Annahme der nat\u00fcrlichen Reflexion, dafs n\u00e4mlich schnellere Ver\u00e4nderungen stets besser bemerkt werden als langsamere desselben Umfangs, ad absurdum f\u00fchren.\nIch stellte mir die Aufgabe, die Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr discrete Tonh\u00f6henunterschiede und f\u00fcr continuirliche Tonh\u00f6henver\u00e4nderungen in durchgehender Parallele zu untersuchen, und zwar beide zugleich in ihrer Abh\u00e4ngigkeit, 1. von der Gr\u00f6fse der Tondifferenz, 2. von der Zeitdifferenz zwischen Anfangs- und Endphase, d. h. der Geschwindigkeit der Reiz\u00e4nderung, 3. von der Richtung der Ver\u00e4nderung.\nDer Apparat.\nDer benutzte Apparat glich in seinem Grundprincip dem fr\u00fcher benutzten, war aber durch eine Reihe von Verbesserungen in seinen Leistungen ungleich exakter, mannigfaltiger und zuverl\u00e4ssiger, in seiner Bedienung bequemer geworden (Fig. 1).\n\u201eDer Ton2 wird erzeugt durch Anblasen einer Flasche jF, die Tonver\u00e4nderung dadurch, dafs w\u00e4hrend des Anblasens in der Flasche Quecksilber nach einer bestimmten Gesetzm\u00e4fsigkeit zum Steigen oder Fallen gebracht wird. Unter der Flasche be-\n1 Auch ich Belbst habe dies fr\u00fcher geglaubt. Siehe : Wahm. v. Tonv. I, diese Zeitschr. 11, 2\u00f6.\n* Psychol, d. Verftnd. S. 82 f.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nX. William Stem.\nfindet sich ein mit Quecksilber gef\u00fcllter Cylinder C, auf der einen Seite abgeschlossen durch einen quecksilberdicht sehliefeen-\u2022den Kolben, welcher durch Kurbeldrehung vorw\u00e4rts oder r\u00fcckw\u00e4rts bewegt werden kann.\nDa in der Flasche der Ton sich in den h\u00f6heren Regionen, d. h., wenn sie mehr gef\u00fcllt ist, schneller \u00e4ndert als bei niederem Niveaustande, f\u00fcr uns aber die Gleichm\u00e4fsigkeit der Ton\u00e4nderung nothwendiges Erfordernifs ist, so mufs die Steigungsgeschwindigkeit in F regulirt werden. Diesem Zwecke dient der mit F communicirende \u201eVariator\u201c F, ein eigent\u00fcmlich geformtes Ge-f\u00e4fs, welches von unten nach oben an Weite stark zunimmt1\nDas aus dem Cylinder C nach oben geprefste Quecksilber vertheilt sich nun auf die beiden Gef\u00e4fse F und F, und zwar wird es, je h\u00f6her es steigt, zu einem um so gr\u00f6fseren Bruchteile von F absorbirt, d. h. es steigt in F mit abnehmender Geschwindigkeit. Das ist aber \u2014 nach obigem \u2014 n\u00f6tig, um eine gleichm\u00e4fsige Ton\u00e4nderung in F zu erzielen. Der in C laufende Kolben, welcher mit einer Schraubenspindel fest verbunden ist, wird durch Kurbeldrehung und Zahnrad\u00fcbertragung zur Verschiebung gebracht.\u201c In der Figur ist nur eine Kurbel dargestellt; der von mir verwandte Apparat besitzt deren zwei, eine gr\u00f6fsere, deren jedesmalige ganze Umdrehung eine Tonver\u00e4nderung von 3 V* Schwingungen bewirkt, eine kleinere, deren ganze Um*\n1 Die genaue Berechnung dieser Form siehe: diese Zeitschr. 11, 7ff. Dieselbe ergab den Satz: Um eine gleichm\u00e4fsige Tonftnderungs-geschwindigkeit zu erzielen, mufs man die Summe der Querschnitte (von F und V) proportional der dritten Potenz der Schwingungszahl steigen lassen.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n363\ndrehung den Ton nur um J/s Schwingung ver\u00e4ndert. Bei den \u2022folgenden Versuchen habe ich lediglich die kleinere Kurbel benutzt Rotation im Uhrzeigersinne f\u00fchrt Erh\u00f6hung, in entgegengesetzter Richtung Vertiefung des Tones herbei.\nUm nun eine gleichm\u00e4fsige Tonver\u00e4nderung zu erzielen, mufs die Kurbel gleichm\u00e4fsig gedreht werden, und hierin liegt die haupts\u00e4chlichste, ja die einzige Schwierigkeit in der Handhabung des Apparates. Da mir keine mechanischen Kr\u00e4fte zum Betrieb der Kurbel zur Verf\u00fcgung standen1, so mufsten die Kurbeldrehungen mit der Hand vorgenommen werden. Hierbei hat man nun erstens darauf zu achten, dafs jede Einzeldrehung in der gleichen Zeitspanne vollf\u00fchrt wird wie jede andere; um dies zu erm\u00f6glichen bediente ich mich eines \u201estummen Metronoms\u201c, nach dessem Tact ich die Drehung vollf\u00fchrte. Das stumme Metronom stellte ich mir her durch Aufh\u00e4ngung eines Metallst\u00fcckes an einem Faden ; einmal angestofsen, pendelte dasselbe sehr lange v\u00f6llig ger\u00e4uschlos hin und her. Durch Benutzung verschiedener Fadenl\u00e4ngen konnte ich die Tactdauer beliebig abstufen; die verschiedenen von mir gebrauchten Tact-zeiten wurden durch eine F\u00fcnftelsecundenuhr bestimmt und durch Zeichen am Faden markirt. Das zweite Erfordernifs ist aber, dafs innerhalb der Einzeldrehung das Gleichmaafs der Bewegung gewahrt bleibe. Um hier gen\u00fcgende Constanz zu erreichen, ist einige Uebung n\u00f6thig; denn im Allgemeinen hat man die Neigung, die abw\u00e4rts gehenden Phasen der Drehung schneller zu vollziehen als die aufw\u00e4rts gehenden. Diese Tendenz glaube ich durch Umgew\u00f6hnung \u00fcberwunden zu haben; da ich aufserdem mit ziemlich langsamen Geschwindigkeiten arbeitete, so war ich meist in der Lage, eine Drehung auf mehrere Pendelschl\u00e4ge zu vertheilen und hierbei darauf zu achten, dafs in den Einzeltacten gleich grofse Bruchst\u00fccke der Drehungsperipherie zur\u00fcckgelegt wurden. Bedenkt man endlich, dafs eine ganze Drehung der Kurbel den Ton erst um eine halbe Schwingung ver\u00e4ndert, so wird man wohl die Zuversicht haben, dafs die trotz alledem unvermeidlichen Schwankungen der Geschwindigkeit\ninnerhalb der einzelnen Tour jedenfalls weit unterhalb der\n__ \u2022\n1 Es wird \u00fcberhaupt schwer halten, einen Motor ausfindig zu machen, der v\u00f6llig gleichm\u00e4fsige langsame Rotationen erm\u00f6glicht und aufserdem so ger\u00e4uschlos l\u00e4uft, dafs er nicht die gleichzeitigen akustischen Versuche empfindlich st\u00f6rt.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\tL. William Stern.\nSchwelle liegen. Es ist mithin das f\u00fcr die Versuche n\u00f6thige Gleichmaafs der Tonver\u00e4nderung zur vollen Gen\u00fcge gew\u00e4hrleistet Der als Luftquelle dienende Blasebalg wurde vor jedem Versuch bis oben mit Luft gef\u00fcllt, w\u00e4hrend de\u00df Versuches aber nicht bedient, da jeder Tritt nicht nur Ger\u00e4usch, sondern auch kleine Tonschwankungen herbeif\u00fchrte, die das Experiment illusorisch machten. Der einzelne Versuch konnte daher im besten Falle \u00fcber 20 Secunden ausgedehnt werden, da die im Blasebalg nach einmaliger F\u00fcllung vorhandene Luft nicht l\u00e4nger reichte. Hierdurch war den anzuwendenden Geschwindigkeiten leider eine untere Grenze gesetzt Der Tonver\u00e4nderungsapparat gestattet die Anwendung beliebig langsamer Geschwindigkeiten.\nMethode und Technik der Versuche.\nDie Herren Dr. med. Kalmus und cand. phil. Reichel stellten sich mir als Reagenten freundlichst zur Verf\u00fcgung; ihnen sei an dieser Stelle f\u00fcr ihre Bereitwilligkeit mein herzlichster Dank ausgesprochen. Dafs die an nur zwei Personen gefundenen Resultate keine absolute Allgemeing\u00fcltigkeit beanspruchen d\u00fcrfen, ist gewifs. Da aber die Resultate nach derselben Richtung hin Hegen, wie die der fr\u00fcher pubhcirten Versuchsreihen, da ferner, wie die Versuche selbst zeigen werden, K. und R. zwei ziemHch verschiedene Typen repr\u00e4sentiren und dennoch zahlreiche Ueberein-stimmungen aufweisen, so ist eine gewisse Generalisation des Befundes wohl immerhin gestattet.\nDas Tongebiet, f\u00fcr welches die Untersuchungen angestellt wurden, war stets die Gegend um 240 Schwingungen (etwa b der kleinen Octave).\nVon den beiden f\u00fcr Ver\u00e4nderungsversuche anwendbaren Verfahrungsweisen, dem Beurthe\u00fcungsverfahren und dem Be-actionsverfahren1 stand f\u00fcr eine solche Fragestellung lediglich das erstere zur Verf\u00fcgung, da ein Reactionsact der Versuchsperson im Momente der Wahrnehmung nur da m\u00f6glich ist, wo der Reiz dauernd in allm\u00e4hlicher Wandlung dargeboten wird, nicht aber dort, wo nur zwei Reizetappen mit dazwischen Hegender Trennungspause vorhanden sind. Um die ParaUeHt\u00e4t zu wahren, mufste daher ein vom Experimentator bestimmter und\n1 Psychol, d. Ver\u00e4nd. S. \u2018JO ff.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Dit Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n365\nbegrenzter Reiz dem Beobachter zur Beurtheilung vorgelegt werden. \u201eDie schematische Grundform der Reize war die folgende :\nContinuirlicher Reiz\tDiscreter Reiz\n(oder C-Reiz)\t(oder D-Reiz)\nd. h. sie bestanden aus einem in sich constanten Anfangstone, einem in sich constanten Endtone und dem Uebergang dazwischen; der Unterschied zwischen beiden Reizarten bestand lediglich darin, dafs w\u00e4hrend der Ueberf\u00fchrung aus der Anfangs- zur Endphase das eine Mal der Ton weiter t\u00f6nte, das andere Mal unterbrochen wurde.\u201c1 Die Unterbrechung konnte mit Leichtigkeit dadurch geschehen, dafs der zur Flasche str\u00f6mende Anblaseluftstrom vermittelst eines Schiebers momentan abgesperrt und ebenso momentan wieder freigegeben werden konnte. In jede Reihe wurden auch einige Gleichheiten eingeschaltet, d. h. Versuche, bei welchen der Ton von Anfang bis zu Ende constant blieb. Nach jedem Versuche hatte der Beobachter dann ein Urtheil abzugeben, ob er Erh\u00f6hung, Vertiefung oder Gleichheit geh\u00f6rt habe.\nEs ist klar, dafs bei einer solchen Versuchsanordnung die Parallelit\u00e4t zwischen C- und D-Reihen sowohl in Bezug auf die Gr\u00f6fse der Ton Verschiedenheit wie auf die Ver\u00e4nderungsdauer mit v\u00f6lliger Consequenz durchgef\u00fchrt werden konnte. Der Ton-unterschied wird durch die Anzahl, beziehungsweise Bruchtheile der hinzugef\u00fcgten oder fortgenommenen Schwingungen gemessen ; unter Ver\u00e4nderungsdauer verstehe ich lediglich die Zeit, die zwischen den beiden Grenzphasen liegt, ohne diese mitzurechnen. Jede Anfangsphase, sowie jede Endphase dauerte durch-gehends je 1 Secunde.\nDie zur Anwendung kommenden Zeitdistanzen betrugen 2, 4, 6 und 8 Secunden, die angewandten Tondistanzen bei Versuchsperson K. 1/a, 1 und 2 Schwingungen, bei R., der eine feinere Empfindlichkeit besafs, 1/4, 1/2, 1 und 1% Schwingungen. Jede Zeitdistanz wurde mit jeder Tondistanz combinirt Die\n1 Psychol, d. Verftnd. S. 188\u2014189.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nL. William Stern.\netwas complicirten Verh\u00e4ltnisse werd\u00e9n sofort durch das folgende Schema der bei K. angewandten Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fsen klar.\nSecunxLen*\nFig. 2.\nSchema der angewandten Reizformen.\nJede Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fse wurde nun in genau gleicher H\u00e4ufigkeit und in vorher bestimmtem Wechsel dargeboten; Erh\u00f6hung, Vertiefung und Constanz kamen ebenfalls in v\u00f6llig \u00fcbereinstimmender Zahl vor. Durch Xnnehaltung dieser von vornherein festgestellten systematischen Anordnung war es am Schlufs der Versuche m\u00f6glich, die Ergebnisse nach den verschiedensten Gesichtspunkten zu verarbeiten. Der Umfang: 1 Schwingung war (bei D- sowohl wie bei C-Reizen) ebenso h\u00e4ufig dargeboten, wie die Umf\u00e4nge V2 und 2, die Ver\u00e4nderungsdauer 4 Sec. ebenso oft wie 2, 6, 8 Sec., Erh\u00f6hung ebenso oft wie Vertiefung und Gleichheit, D-Versuche ebenso oft wie C-Versuche. Im Einzelnen gestaltete sich die Anordnung der Experimente folgendermaafsen :\nAn jedem einzelnen Versuchstage wurde nur ein bestimmter Tonumfang, z. B. 1 Schwingung, vorgenommen. Jeder Versuchstag brachte 4 Doppelreihen, deren jede eine C- und die entsprechende J>-Reihe enthielt. In jeder Doppelreihe war die Zeitdistanz eine andere.\nDie Serie eines Tages hatte also z. B. folgende Gestalt:\nI.\tDoppelreihe\nVer\u00e4nderungs-\ndauer\n4 Secunden\nD C 9 Vers. 9 Vers.\nErster Versuchstag.\nTonumfang:\nII.\tDoppelreihe\nVer\u00e4nderungs-\ndauer\n6 Secunden\nD C 9 Vers. 9 Vers.\n1 Schwingung.\nIII.\tDoppelreihe\nVer\u00e4nderungs-\ndauer\n2 Secunden\nD C 9 Vers. 9 Vers.\nIV.\tDoppelreihe\nVer\u00e4nderungs-\ndauer\n8 Secunden\nD C 9 Vers. 9 Vers.\nAm folgenden Tage wurde dann etwa durchgehends mit Va Schwingung gearbeitet, am dritten mit 2 Schwingungen. Dann begann die Anordnung wieder von vorn, um schliefslich noch ein drittes Mal durchgemacht zu werden. In Folge dessen dauerten die Versuche f\u00fcr K., bei dem ich nur 3 verschiedene Tonumf\u00e4nge benutzte, 9 Tage, f\u00fcr R., mit 4 Tonumf\u00e4ngen, 12 Tage. Die Reihenfolge der Zeiten innerhalb des Versuchstages und die","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonvcr\u00e4n derungen.\n367\nReihenfolge von D und C innerhalb der Doppelreihe wechselten von Tag zu Tag.\nJede Einzelreihe bestand aus 9 Versuchen, indem in unregelm\u00e4\u00dfiger Mischung 3 Erh\u00f6hungen, 3 Vertiefungen und 3 Gleichheiten dargeboten wurden. Von dieser gleichen Zahl innerhalb der Reihe, sowie von der Art der Reihenfolge der 4 Versuche, wufste der Reagent nichts, so dafs das Verfahren als unwissentliches zu bezeichnen ist. Er wufste bei jedem Versuch nur, da\u00df er zu einer Reihe geh\u00f6rte, bei der ein bestimmter Tonumfang in einer bestimmten Zeit durchmessen wird; dagegen mu\u00dfte er dar\u00fcber ohne jedes Vorwissen entscheiden, ob er im Einzelfalle \u00fcberhaupt eine Ver\u00e4nderung oder eine Constanz (bezw. bei dem D-Versueh : Verschiedenheit oder Gleichheit) geh\u00f6rt habe, ferner ob die eventuell geh\u00f6rte Ver\u00e4nderung (Ungleichheit) ein \u201eh\u00f6her\u201c oder \u201etiefer\u201c bedeutet. Duroh diese Unwissentlichkeit unterscheiden sich die Versuche vortheil-haft von denen meiner fr\u00fcheren Experimente, bei welchen ich in Folge der Unvollkommenheit des Apparates stets nur Tonerh\u00f6hung vorf\u00fchren konnte.\nDa in jeder Reihe Erh\u00f6hung, Vertiefung und Gleichheit schon dreifach vorkamen und au\u00dferdem die Versuche jedes Tages noch 3 Mal wiederholt wurden, so ist im Ganzen f\u00fcr jede nach Umfang und Dauer bestimmte Ver\u00e4nderungsform, jede Ver\u00e4nderungsrichtung bei den C- wie bei den D-Versuchen 9 Mal dargeboten worden. Da nun im Ganzen solcher Ver\u00e4nderungsformen bei K. 12 vorhanden sind, so sind innerhalb jeder Gruppe 12 X 9 = 108 Erh\u00f6hungen, 108 Vertiefungen und 1(B Gleichheiten vorgef\u00fchrt worden, die sich auf die 3 Umf\u00e4nge oder 4 angewandten Dauern gleichm\u00e4\u00dfig vertheilen. Nimmt man die C- und -D-Versuche zusammen, ho ergiebt sich f\u00fcr K. eine Gesammtsumme von 2 X B X 108 = 648 Versuchen; f\u00fcr R., bei welchem 16 Ver\u00e4nderungsformen zur Anwendung gelangten, steigt diese Zahl auf 2 X 3 X 144 = 864 Versuche.\nDie Versuche eines Versuchstages w\u00e4hrten etwa B/1 Stunden; die einzelnen Reihen wurden durch gen\u00fcgende Pausen getrennt ; eine gr\u00f6\u00dfere Pause fand nach der zweiten Doppelreihe statt.\nJeder Einzelversuch wurde, nachdem der Blasebalg gef\u00fcllt war, durch ein Signal eingeleitet. Eine Secunde sp\u00e4ter \u00f6ffnete der Experimentator die Luftzufuhr zur Flasche durch Zug an einem Knopf mit der linken Hand: der Ton erklang. Nachdem er eine Secunde constant get\u00f6nt hatte, begann der Experimentator die Kurbel nach dem Tact des stummen Metronoms mit der rechten Hand so zu drehen, da\u00df bei gleichm\u00e4\u00dfiger Rotation der gew\u00fcnschte Umfang in der gew\u00fcnschten Zeit erreicht wurde. Sodann lie\u00df er die Endphase eine Secunde bestehen, um schlie\u00dflich durch Absperrung des Tones den Versuch zu beenden : der Reagent hatte nun Bein Urtheil niederzuschreiben. Bei den D-Versuchen wurde nat\u00fcrlich in dem Augenblick, wo die Drehung begann, der Ton abgesperrt und erst wieder freigegeben in dem Moment, da die Drehung abgeschlossen war.\nBei beiden Versuchspersonen war eine mehrt\u00e4gige Vor\u00fcbung den eigentlichen Versuchen y orangegangen.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nLr William Stern.\nDie verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig complicirte Fragestellung: Haben Sie Erh\u00f6hung oder Vertiefung oder Gleichheit bemerkt? hatte natur-gem\u00e4fs auch eine verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig grofse Mannigfaltigkeit der Urtheils\u00e4ufserungen zur Folge. \u201eIst eine Ver\u00e4nderung von bestimmter Dauer an dem Beobachter vorbeigezogen, und soll er dann seine Wahrnehmung formuliren, so ist es nicht etwa jedesmal mit einer der drei Antworten \u201eja\u201c, \u201eunbestimmt\u201c, \u201enein\u201c gethan. Bei gew\u00f6hnlichen Versuchen \u00fcber Unterschiedsempfindlichkeit kann man meist mit Leichtigkeit eine Beschr\u00e4nkung der Urtheile auf jene Dreizahl herbeif\u00fchren; bei Ver\u00e4nderungen, namentlich bei allm\u00e4hlichen, liegt die Sache viel complicirter. Man bedenke, dafs die Beobachtung eine Zeit hindurch w\u00e4hrt, und daTs w\u00e4hrend dieser Zeit der Beobachter die mannigfaltigsten Erlebnisse haben kann und auch meistens hat. Jetzt glaubt er eine Ver\u00e4nderung wahrzunehmen, im n\u00e4chsten Moment wird er wieder zweifelhaft, bald, ob er Ver\u00e4nderung oder Constanz, bald, ob er Ver\u00e4nderung der einen oder der anderen Richtung wahrgenommen hat u. s. w.; wenn dann das Schlufssignal kommt und er ein Facit aus seinen Beobachtungen ziehen soll, so ist es nat\u00fcrlich, dafs seine Antworten eine ganze Stufenreihe von Sicherheitsgraden enthalten k\u00f6nnen. Es ist ferner verst\u00e4ndlich, dafs zwei in Dauer, Geschwindigkeit und Richtung \u00fcbereinstimmende Ver\u00e4nderungsprocesse das eine Mal so und das andere Mal anders beurtheilt werden k\u00f6nnen.\u201c 1 Und so wurden denn auch durch unsere Versuche nicht weniger als 10 Urtheilskate-gorien provocirt, die folgendermaafsen lauteten (die daneben stehenden Zeichen dr\u00fccken die Symbole aus, welche bei der Protokollirung der Urtheile benutzt wurden):\nErh\u00f6hung deutlich /!\tVertiefung\tdeutlich\tV\nErh\u00f6hung\t/\tVertiefung\t\\\nErh\u00f6hung fraglich /?\tVertiefung\tfraglich\t\\?\nErh\u00f6hung oder Vertiefung /\\\nErh\u00f6hung oder Gleichheit /\tVertiefung oder Gleichheit\nGleichheit deutlich \u2014 !\nGleichheit\t\u2014\nGleichheit fraglich \u2014 ?\nWas liefs sich mit diesen vielgestaltigen Urtheilen, die zudem noch in buntester Weise \u00fcber die verschiedenen Ver\u00e4nderungs-Gr\u00f6fsen und -Formen zerstreut waren, anfangen?\n1 Psychol, d. Verftnd. S. 91.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tom'er\u00e4nderungen.\n369\nDafs bei der schon oben erw\u00e4hnten starken Streuung der Urtheile die Bezeichnung einer einzelnen Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fse als Schwellenwerth unm\u00f6glich sei, war von vornherein klar; daf\u00fcr aber war etwas Anderes m\u00f6glich, was vielleicht mindestens ebenso werthvoll wie die Constatirung des Schwellenpunktes ist: f\u00fcr jede einzelne Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fse liefs sich feststellen, wie sich die gef\u00e4llten Urtheile zu den dargebotene\u00fc Reizen verhielten, d. h. wie h\u00e4ufig und mit welcher Sicherheit richtig geurtheilt worden war. Und so liefs sich, da nach der Art der Versuchsanordnung die Ergebnisse f\u00fcr die einzelnen Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fsen ohne Weiteres vergleichbar waren, der Gang der Urtheilsrichtigkeit und Urtheilssicherheit von Stufe zu Stufe verfolgen.\nDa ich eine eingehendere Begr\u00fcndung dieses neuartigen Darstellungsverfahrens, dasich als \u201eMethode des Urtheils-g an g es\u201c bezeichne, in dem mehrfach erw\u00e4hnten Buche gebe1, so bleibt nur \u00fcbrig, an dieser Stelle zu berichten, wie ich f\u00fcr unsere vorliegenden Versuche die Berechnung angestellt habe.\ni *\nEs sei\nX die Anzahl der dargebotenen F\u00e4lle irgend einer Ver\u00e4nderungsform,\nr die Anzahl der richtigen Urtheile.\nEs bedeute ferner\n(r)d die Anzahl der richtigen \u201eDeutlich\u201c-Urtheile,\n(\u25a0r)b die Anzahl der richtigen pr\u00e4dicatlosen \u201eBemerkt\u201c-Urtheile,\n(r)u die Anzahl der richtig tendenzirten \u201eUnsicher\u201c-Urtheile.\nT\nSo giebt der f\u00fcr jede Ver\u00e4nderungsform berechenbare Quotient -y an, in welcher relativen H\u00e4ufigkeit richtige Urtheile vorgekommen sind.\nV\n-Ich bezeichne daher ,r als den Quotienten der Urtheilsrichtigkeit.\nA\nBei dieser einfachen Berechnung kommt aber gar nicht die Thatsache zum -Ausdruck, dafs die Urtheile mit sehr verschiedener Sicherheit gef\u00e4llt worden\nV\nsind; der Quotient ist der gleiche, wenn unter 9 F\u00e4llen 6 Mal \u201eErh\u00f6hung fraglich\u201c, wie wenn 6 Mal \u201eErh\u00f6hung deutlich\u201c geurtheilt worden ist. Um nun auch das verschiedene Gewicht der Urtheile bei der Berechnung zur Geltung kommen zu lassen, berechnete ich noch einen anderen Quotienten, in welchem die Deutlich-Urtheile den Werth des Z\u00e4hlers heraufdr\u00fcckten, die Unsicherheits-Urtheile ihn verminderten. Dies war nur m\u00f6glich durch verschiedene Bezifferung der Urtlieilsgewichte: ich z\u00e4hlte nicht einfach jedes richtige Urtheil = 1, sondern die richtigen\n1 S. 95 ff.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XXI.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nL. William Stem.\nDeutlich-Urtheile = 17a> die einfachen pr\u00e4dicatloaen richtigen Urtheile = 1, die unsicheren Urtheile, so weit sie noch eine richtige Tendenz hatten (also nicht einfach /\\ oder unbestimmt lauteten), = 7t- Der so entstehende\nQuotient: * ^\t^ ^** giebt nun in der That nicht nur ein\nBild von der durchschnittlichen Richtigkeit der Urtheile far eine bestimmte Ver\u00e4nderungsform, sondern darf als Maafs dienen fflr den durchschnittlichen Sicherheitsgrad, mit welchem jede Ver\u00e4nderungsform erkannt wird.1 * 3\nIm Allgemeinen habe ich die Feststellung der Urtheils* Sicherheit vorgezogen, in manchen F\u00e4llen aber mich mit der Urtheilsrichtigkeit begn\u00fcgt\nf\nDie Urtheilsrichtigkeit hat einen oberen Grenzwerth = 1, welcher\nbedeutet, dafs alle dargebotenen F\u00e4lle einer Ver\u00e4nderungsform richtig be-urtheilt worden sind. Der untere Grenzwerth liegt dort vor, wo r mit der Wahrscheinlichkeitszahl zusammenf\u00e4llt, welche besagt, wie viel Urtheile schon durch blofsen Zufall richtig sein k\u00f6nnen.*\n\u201eDie Urtheilssicherheits hat drei Hauptwerthe:\nden Deutlichkeitswerth = 1,5 ; d. h. : s\u00e4mmtliche dargebotenen F\u00e4lle einer\nVer\u00e4nderungsform sind richtig und deutlich bemerkt worden;\nden Vollwerth\t= 1; d. h. : im Durchschnitt sind alle F\u00e4lle richtig\nbemerkt worden;\nden Unsicherheitswerth = 0,5; d. h.: im Durchschnitt sind alle F\u00e4lle mit\nUnsicherheit richtig bemerkt worden.\nDie Sicherheitswerthe sind selbstverst\u00e4ndlich nur dann zu benutzen,\nf\nwenn f\u00fcr dasselbe Versuchsmaterial die Formel -=r oberhalb des Wahr-\niV\n8cheinlichkeitswerthes liegt.\u201c\nDurch diese Werthe ist die Bedeutung der dazwischen liegenden Zahlen bestimmt, welche sich bei den Berechnungen ergeben. Doch sei hier sofort betont, dafs nicht in diesen absoluten Zahlen-\n1 Ich bin mir dessen voll bewufst, dafs jede derartige Bezifferung eine gewisse Willk\u00fcr einschliefst. Dennoch bin ich der festen Ueber-zeugung, dafs sie nicht werthlos ist; auch die Resultate sprechen daf\u00fcr. Das N\u00e4here zur Rechtfertigung dieses Verfahrens siehe Psychol d. Ver\u00e4nd. S. 100. Auch in meiner ersten Mittheilung \u00fcber Tonver\u00e4nderung habe ich bereits durch eine \u00e4hnliche Bezifferung den Grad der Urtheilssicherheit festzustellen gesucht.\n* Psychol, d. Ver\u00e4nd. S. 104.\n3 Ebda. S. 105.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n371\nwerten die eigentliche Bedeutung der Methode liegt, sondern in den Beziehungen, welche zwischen den f\u00fcr verschiedene Tondistanzen oder Ver\u00e4nderungsdauem oder Ver\u00e4nderungsrichtungen u. s. w. gefundenen Quotienten bestehen. Hierdurch werden wir in den Stand gesetzt, die Urteilsf\u00e4higkeit hier und dort zu vergleichen, den Gang derselben festzustellen, eventuelle Maxima und Minima aufzuzeigen u. s. w. Deswegen wird auch oft die graphische Veranschaulichung der gefundenen Werthe n\u00fctzlich sein, wobei die Resultate der C-Reihe durch continuir-liche, die der Z)-Reihe durch punktierte Linien dargestellt sein werden.\nErgebnisse.\nIch formulire und belege zun\u00e4chst s\u00e4mmtliche Ergebnisse, um sie dann zu discutiren.\nAuf Grund unserer Versuche lautet die Antwort auf die im Anfang aufgeworfene Frage:\nL Continuirlic he Ton Ver\u00e4nderungen werden besser bemerkt als die entsprechenden Tonunterschiede.\nBeide Versuchspersonen zusammen haben bei 756 C-Versuchen 457 richtige Urtheile gef\u00e4llt, bei gleich viel und durchaus gleich angelegten Z)-Versuchen nur 407. Die Urtheilssicherheit beider Beobachter hatte die Werthe (die Z)-Zahlen sind zur besseren Unterscheidung hier und im Folgenden stets cursiv gedruckt) :\nTabelle 1.\nUrtheilssicherheit f\u00fcr Ton\u00e4nderungen und Tonunterschiede.\nK.\tR.\nC-Reize\tD-Reize\tC-Reize\tD-Reize\n0,707\t0,508\t0,740\t0,676\nDie gelieferten Urtheile liefsen sich nun nach verschiedenen Gesichtspunkten fractioniren, so dafs in jeder Fraction stets gleich viel und entsprechende Reizformen vorhanden sind, die\neine Vergleichung der Werthe ohne Weiteres erlauben. Die\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nL. William Stern.\nGruppirung nach Tondistanzen ergibt die folgenden Siche\u00bb heitswerthe, deren jeder aus 108 Urtheilen abgeleitet ist:\nTabelle 2.\nUrtheilssicherheit, abh\u00e4ngig von der Tondistanz.\nK.\tR.\nReizumfang\tUrtheilssicherheit\t\t\u00ef Keizumfang\tUrtheilssicherheit\t\ni. Sehwingg.\tC-Reize\tD-Reize\ti. Schwingg. (\tC-Reize\tD-Reize\n\t\t\ti 4\t0,421\t0.495\nii it\t0,477\t0,440\t\u2018i*\tt\t0,651\t0,588\n1\t0,597\t0,481\t1 1,\t0,741\t0,708\n2\t1,046\t0,626\t1\u2018Ii\t1,162\t0,921\nDie Zahlen lassen sich graphisch darstellen:\n/;\nFig. B. Urtheilssicherheit, abh\u00e4ngig von der Tondistanz.\nII. Die Urtheilsf\u00e4higkeit steigt mit zunehmendem Tonumfang; doch istdiese Zunahme eine viel geringere bei discreten Reizen als bei continuirlichen.\nF\u00fcr ganz kleine Tonumf\u00e4nge ist die Sicherheit im Urtheilen ziemlich gleich und zwar gleich gering, m\u00f6gen dieselben in conti-nuirlicher oder in discreter Form wahrgenommen werden ; w\u00e4chst aber die Tondistanz, so erreicht die Beurtheilung von Ver\u00e4nderungen mit Geschwindigkeit die h\u00f6chste Stufe der Sicherheit, w\u00e4hrend die Beurtheilung von getrennten Reizen nur langsam ein mittleres Niveau erklimmt.\nWir fractioniren weiter, und zwar indem wir die Resultate f\u00fcr Erh\u00f6hungen, Vertiefungen und Gleichheiten gesondert wiedergeben. Hierbei wird es von Interesse sein, sowohl die Urtheils-richtigkeit, wie die Urtheilssicherheit kennen zu lernen. Tabelle 3 giebt die erstere, Tabelle 4 die letztere an. Jede Zahl","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n373\nbasirt hier auf 36 Versuchen. Dafs auch die \u201eGleichheiten\u201c nach Tondistanzen geordnet auftreten, ist, denke ich, verst\u00e4ndlich; unter \u2019;4 Schwingung stehen die Urtheile \u00fcber diejenigen Gleichheiten, welche in Ver\u00e4nderungsversuche von 1/4 Schwingung Umfang eingestreut waren, u. s. w.\nTabelle 3.\nUrtheilsrichtigkeit f\u00fcr Erh\u00f6hung, Vertiefung und Gleichheit, abh\u00e4ngig von der Tondistanz.\nK.\nReiz- umfang i. Schwingg.\t\tT Urtheilsrichtigkeit -y-\t\t\t\t\n\tErh\u00f6hungen\t\tVertiefungen\t\tGleichheiten\t\n\tC\tD\tC\tD\tC\tD\nVf\t0,30 J\t0,36\t0,58\t0,47\t0,39\t;\t0,44\n1\t0,01 1\t0.44\t0,56\t0,61 1\t0,53\t0,42\n2\t0.80 1 1\t0,07\t0,75\t0.67\t0,81 | !\t0,44\nR.\nReiz-\t\t\tV Urtheilsrichtigkeit - v ^ V\t\t\t\numfang i. Schwingg.\tErh\u00f6hungen\t\t1 Vertiefungen\t1\t\tGleichheiten \u2018\t\n\tC\t1)\tC\tD\tC\tD\nh 4\t0,53\t0,64\t0,44\t0,56\t0,22\t0,19\nV*\t0,72\t0.47\t0,47\t0,72\t0,58\t0,33\n1\t0,69\t0,56\t0,64\t0,83\t0,67\t0,47\nlr2\t1,00\t0,78\t0,81\t0,89\t0,81\t0,36\nMultiplicirt man die Richtigkeitszahlen in Tabelle 3 mit 100, so erh\u00e4lt man den Prozentsatz der richtigen Urtheile. Da in den Versuchen stets die drei Reizformen, Erh\u00f6hung, Vertiefung, Gleichheit in gleicher Anzahl vorkamen, so ist die Wahrscheinlichkeit, schon aus blolsem Zufall richtig zu urtheilen 1'8 = 0,33. Diese Zahl wird (mit zwei Ausnahmen) \u00fcberall \u00fcberschritten. Wir d\u00fcrfen somit von einer positiven Richtigkeit der Urtheile sprechen, bewegen uns nicht mehr auf dem Gebiet des absolut Untermerklichen. R. ist im Stande, Ver\u00e4nderungen und Unter-","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nL. William Stern.\nschiede von dem ausserordentlich geringen Umfange einer Viertelschwingung ziemlich h\u00e4ufig richtig zu erkennen; er besitzt somit eine sehr feine Empfindlichkeit f\u00fcr Tonh\u00f6hen. K. steht bei l/* Schwingung (wenigstens f\u00fcr Erh\u00f6hung) noch ziemlich nahe der unteren Richtigkeitsgrenze; seine Empfindlichkeit ist geringer, wenn auch absolut genommen immer noch recht gut. Die obere Grenze 1 (Richtigkeit aller Urtheile) wird von R. bei continuir-lichen Erh\u00f6hungen von l1/\u00ab, Schwingungen erreicht; seine anderen Werthe f\u00fcr denselben Umfang kommen ihr ziemlich nahe. Dagegen ist K. bei 2 Schwingungen noch weiter von der v\u00f6lligen Richtigkeit entfernt. Wir k\u00f6nnen hiernach sagen, dafs die ganzen gew\u00e4hlten Reizgr\u00f6fsen bei beiden Versuchspersonen innerhalb des ziemlich breiten Schwellengebietes liegen.\nDie Urtheilsrichtigkeit zeigt \u00fcbrigens einen durchaus proportionalen Gang zu der Urtheilssicherheit, die in Tabelle 4 numerisch und zugleich in Figur 4 graphisch dargestellt ist\nTabelle 4. K.\nReiz-\numfang\nI-.\u2014*.\t17. (r)a + l(r)\u00bb+V.(r).\nUrtheilssicherheit------------------------\ni\\\nErh\u00f6hungen\nVertiefungen\nGleichheiten\nl. \u00f6cttwmgg.\tc\tD !\t\u2014 c\tD\t|\tC\tD\ni;\t0,44\t0,32\t0,61\t0,56\t0,37\t0,44\n1\t0,69\tOM\t0,61\t0,64\t0,49\t0,36\n2\t1,19\t0,68 I\t0,90\t0,69\t1,04\t0,40\n\t\t\tR.\t\t\t\n\t\tTTrfhoilaai ohorhoit 1 ^\t1\t\t\t+ V.(r),\tI\nReiz-\t\t\t\tN\t\t\numfang i. Schwingg.\tErh\u00f6hungen\tj\t\tVertiefungen\t\tGleichheiten\t\n\tC\tD 1\tC\tD 1'\tC\t*\nil U\t0,58\t0,68\t0,47\t0,64\t!\t0,21\t0,17\n7.\t0,83\t0,57\t,\t0,53\t0,85\t0,58\t035\ni\t0,85\t0,62 ,\t0,74\t1,04\t0,64\t0.46\ni1!.\t1,43\t1.07 j\t1,04\t1,22\t1,01\t0,44","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n375\nErh\u00f6hung Vertiefung\nFig. 4. Urtheilsaicherheit f\u00fcr Erh\u00f6hung, Vertiefung und Gleichheit,\nabh\u00e4ngig von der Tondiatanz.\nIn den K.\u2019schen Curven ist die verschiedenartige Steilheit der Linien mit grofser Anschaulichkeit ausgepr\u00e4gt Man sollte es in der That kaum erwarten, dafs die Beurtheilung discreter Tonunterschiede von 1 zu 2 Schwingungen so wenig an Sicherheit gewinnt, und doch ist es so. Bei R. bewegen sich die Sicherheitswerthe f\u00fcr discrete Erh\u00f6hungen um 1/4, J/2 und 1 Schwingung in fast demselben Niveau.\nEigenth\u00fcmliche Ergebnisse zeigt die Vergleichung der Ur-theils-Sicherheit f\u00fcr die drei Reizformen. Die Erh\u00f6hungen und Vertiefungen verhalten sich n\u00e4mlich in gewisser Hinsicht ganz entgegengesetzt. Aus den Curven l\u00e4fst sich dies ohne Weiteres ablesen.\nIIL Bei continuirlichen Ver\u00e4nderungen wird Erh\u00f6hung sicherer beurtheilt als Vertiefung (die Erh\u00f6hungscurven liegen","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"$76\tL, William Stern,\nh\u00f6her und sind steiler) w\u00e4hrend Vertiefungen besonders gut bei discreten Reizen erkannt werden.1\nDiese g\u00fcnstigere Stellung der D-Vertiefung f\u00fchrt bei EL dazu, sie den Sicherheitswerthen der C-Vertiefung stark zu n\u00e4hern, w\u00e4hrend sie bei R. sogar einen betr\u00e4chtlichen Vorsprung vor jenen erh\u00e4lt.\nAm meisten divergiren die C- und D-Curven bei den Gleichheiten.\nIV. Die Wahrnehmungsf\u00e4higkeit f\u00fcr die Gleichheit zweier successiver T\u00f6ne ist aufserordentlich gering, weit geringer als die f\u00fcr das Gleichbleiben eines anhaltenden Tones, ferner geringer als die Wahrnehmungsf\u00e4higkeit f\u00fcr discrete Verschiedenheiten.\nSehr bemerkenswerth ist das steile Aufsteigen der Curve f\u00fcr C-Gleichheiten : es bedeutet Zunahme der Sicherheit in der Be-urtheilung der Gleichheiten mit Zunahme der Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fsen, zwischen welchen sie eingestreut worden waren. Je gr\u00f6fser die Ver\u00e4nderungen sind, um so mehr heben sich die Constanzen von ihnen ab. Diese ja eigentlich von vornherein zu erwartende Contrastwirkung ist vor Allem deswegen von Interesse, weil sie sich nur bei continuirlichen Reizen findet. \u201eDie durchweg sehr geringe Sicherheit in der Beurtheilung zweier getrennten gleichen T\u00f6ne scheint gar nicht oder wenig davon abh\u00e4ngig zu sein, ob unmittelbar vor und nach jenen Gleichheiten grofse oder geringe Tonunterschiede geh\u00f6rt wurden.\u201c 2 Die Curve l\u00e4uft so gut wie horizontal. Wir formuliren :\nV. Die Wahrnehmung continuirlicher Constanzen ist wesentlich abh\u00e4ngig von dem Contrast, in dem sie zu unmittel-\n1 Berechnet man die Urtheilssicherheiten f\u00fcr die drei Reizformen ohne Fra.ctionirung nach Tondistanzen, so ergiebt sich:\n\tUrtheilssicherheit\t\t\t\t\t\nVersuchs- person i '\ti\tErh\u00f6hungen\t\tjl\tVertiefungen\t.\t\tGleichheiten\t\n\tC\tD\tc ;\til D 1\tC\tD\n\t0,78\t0,48\t1\t0,71\t;\t0,69\t0,63\t0,39\nR.\t0,92\t0,74\t0.69 I\t0,93\t0,61\t0,36\nr. 2 Psychol, d. Ver\u00e4nd. S. 194.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"I>ic Wahrnehmung von Tonver\u00e4ndernngan.\n377\nbar vorher und nachher vorkommenden Ver\u00e4nderungen stehen. Bei discontinuirlichen Gleiohheiten fehlt diese Contrastwirkung v\u00f6llig.\nDie Fractionirung der Urtheile nach den angewandten Zeitdistanzen liefert uns eine fernere Gruppe von Ergebnissen. Vereinigen wir zun\u00e4chst beide Versuchspersonen, so erhalten wir folgende Sicherheitswerthe, deren jeder aus 189 Urtheilen abgeleitet ist :\nTabelle 5.\nUrtheilssicherheit, abh\u00e4ngig von der Zeitdiatanz.\nZeitdistanz\tUrtheilssieherheit\n(Ver\u00e4nderungsdauer ______\t____________\nin Secunden)\tc\tD\n2\t0.69\t0.59\n4\t0,71\tOf, 2\n6\t0,83\tOf 3\n8\t0,67\t0.53\nDie Tabelle widerlegt auf das B\u00fcndigste die scheinbar \u00fcber jeden Zweifel erhabene Annahme, dafs bei gleicher Ver\u00e4n-derungs- bezw. Unterschieds-Gr\u00f6fsen deren Wahrnehmbarkeit mit wachsender Zeitdistanz abnehme. Zwischen zwei und sechs Sekundenist das Gegentheil der Fall: Tonver\u00e4nderungen werden besser gemerkt, wenn sie zur Erreichung eines bestimmten Umfanges 6, als wenn sie daf\u00fcr 2 oder 4 Secunden brauchen; zwei getrennte Einzelt\u00f6ne werden besser unterschieden, wenn ihre Trennungszeit 6, als wenn sie nur 2 oder 4 Secunden betr\u00e4gt Von 6 zu 8 Secunden tritt dann eine Abnahme der Urtheils-sicherheit ein, die bei weiter wachsender Zeitdauer wahrscheinlich anhalten wr\u00fcrde. Es stellt also die Zeit von 6 Secunden einen optimalen Zeitwerth f\u00fcr die Wahrnehmung von Ver\u00e4nderungen und Verschiedenheiten dar.\nDies Ergebnifs deckt sich durchaus mit jenen, welche ich in Bezug auf continuirliche Ver\u00e4nderungen in meiner ersten Mittheilung \u00fcber Tonver\u00e4nderung ver\u00f6ffentlichen konnte. Das Be-urtheilungsverfahren f\u00fchrte mich zu dem Satze : ,,Bei gleichem","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nL. William Stern.\nUmfange der Ver\u00e4nderung ist das Urtheil um so sicherer, je geringer die Geschwindigkeit (oder je l\u00e4nger die Dauer) ist\u201c.1 Und das Reactionsverfahren hatte gelehrt : \u201eEs giebt eine gewisse Zeitgegend, innerhalb welcher die Tendenz zur F\u00e4llung des Ver-\u00e4nderungsurtheils am gr\u00f6fsten ist.\u201c2 * 4 * Ein gleiches ergeben die in der dritten Mittheilung zu ver\u00f6ffentlichenden Versuche, so dafs heute die Existenz der Optimalzeit auf unserem Wahrnehmungsgebiet als ein durchaus gesichertes Factum gelten kann.\nEin specielles Beispiel veranschauliche diese Verh\u00e4ltnisse: K. hatte continuirliche Tonerh\u00f6hung von einer Schwingung 6 mal (unter 9 F\u00e4llen) richtig erkannt, wenn die Erh\u00f6hung binnen 2 Secunden sich vollzog, dagegen 5 mal bei 4 Secunden, 7 mal bei 6 Secunden, 4 mal bei 8 Secunden Dauer. Die entsprechende Zahlen f\u00fcr Vertiefung sind : 4, 4, 8, 4.\nDas Ph\u00e4nomen der Optimalzeit ist bei Untersuchungen \u00fcber Unterschiedsempfindlichkeit bisher noch wenig bemerkt worden. Das liegt wohl zum gr\u00f6fsten Theile daran, dafs man continuirliche Reiz\u00e4nderung noch selten zum Gegenst\u00e4nde des Versuchs gemacht hatte. Denn in der That scheinen stetige Aenderungen eine ganz besonders g\u00fcnstige Vorbedingung f\u00fcr die auff\u00e4llige Bevorzugung eines bestimmten Zeitwerthes zu sein.\nSoweit man fr\u00fcher die Wahrnehmbarkeit discreter Reize bei verschiedenen Zeitdistanzen untersucht hatte, ergab sich nie eine scharfe Culmination zu einer bestimmten Zeit, wohl aber fand man, dafs innerhalb eines gewissen Zeitgebietes die Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr discrete Reize nicht abnahm. W\u00f6lpe\u00ae, der ebenfalls Tonh\u00f6henunterscheidung pr\u00fcfte, fand, dafs zwischen 4 und 7 Secunden der Procentsatz der richtigen F\u00e4lle gleich blieb ; Lewy 4 constatirte bei der Gleichheitsbeurtheilung successiv gesehener Linien zwischen 3\" und 7\" Constanz des mittleren Fehlers, und Lehmann 6 fand bei Untersuchung der Empfindlich-keit f\u00fcr Tonst\u00e4rken ein schwaches Ansteigen der Urtheilssicher-heit zwischen 4\u201c und 6\".6\n1\tDiese Zeitschr. 11, 19.\n2\tDiese Zeitschr. 11, 24.\n*\tPhilos. Stud. 3, 534.\n4 Diese Zeitschr. 8, 231.\n6 Philos. Stud. 7, 207.\n*\tZusammengestellt in: Psych, d. Ver\u00e4nd. 197.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n379\nHiermit aber stimmen meine Resultate durchaus \u00fcberein. Denn die D-Versuche haben, wie obige Tabelle zeigt, keine mit den C-Versuchen irgendwie vergleichbaren Culminationen der Urtheilssicherheit bei 6 Secunden Zeitdistanz zu Tage gef\u00f6rdert, vielmehr bleibt f\u00fcr discrete Reize die Sicherheit des Urtheils zwischen 2 und 6 Secunden nahezu constant\nDie Ergebnisse betreffs der Zeitdistanz lassen sich somit folgendermaafsen zusammenfassen :\nVI. Wenn ceteris paribus die Zeitdistanz zwischen den beiden Grenzphasen w\u00e4chst, so findet zwischen 2\" und 6\" weder bei continuirlichen Ver\u00e4nderungen noch bei discreten Unterschieden eine Abnahme der Wahmehmungsf\u00e4hig-VIa. keit statt. Vielmehr zeigt sie f\u00fcr Ver\u00e4nderungen bei 6\" eine starke Culmination, f\u00fcr discrete VIb. Unterschiede bleibt sie innerhalb der angegebenen Zeit ziemlich constant. Von 6\"\u20148\" stellt sich bei beiden Reizformen eine Abnahme der Urtheilssicherheit ein.\nDiese allgemeinen Verh\u00e4ltnisse sind nun aber noch einer Specification f\u00e4hig, zu welchem Zweck wir die Urtheilssicher-heiten der beiden Versuchspersonen in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Ver\u00e4nderungsdauer gesondert geben und hierbei noch die drei Ver\u00e4nderungsformen scheiden. Jede Zahl beruht bei K. auf 56, bei R. auf 72 Urtheilen.\nTabelle 6.\nUrtheilssicherheit f\u00fcr Erh\u00f6hung, Vertiefung und Gleichheit, abh\u00e4ngig von\nder Zeitdistanz.\nK.\nZeitdistanz\n(Ver-\n- \u00e4nderungs-\nU rtheilssicherheit\nIVe (')rf+ !(\u2019% +7* (r)u\nErh\u00f6hungen\nVertiefungen\nGleichheiten\nin Secunden\tC\tD il\tC\tD\tC\tD\n2\t0,81\t[i 0,46\t0,57\t0,65\t1\t0,70\t0,39\n4\t0,70\t0,51\t0,70\t0,68 ;\t0,67\t0,46\n6\t0,94\t0,48\t0,83\t0.72 j\t0,68\t0,35\n\t0,65\t0,46 l!\t0,72\t0,46\t1\t0,48\t0,41","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nL. Wittum Stern.\nR.\nZeitdistanz (Ver-\t\t1\\.2\\ TTrthpil\u00f6amhorhpit _\t\tr\\i + 1 (r)6 + 1 a (\t\tHu\n\t\t\t\tN\t\t\n\u00e4nderungs- dauer)\tErh\u00f6hungen\t\tVertiefungen i\t\tGleichheiten\t\nin Secunden\tC\ti D\ti! ! c I\tD\tC\t1\tD I\n2\t0,87\t0,08\t'\t0,65\t!\t0.89\t\u2018\t0,54\t0,47\n4\t0,8\u00f6\t0,75\t0,62\t0,93\t0,72\t0,36\n(i\t1,06\t0,S1\t0,75\t1,03\t0,69\t0,35\n8\t0,92\t0.71 1\t0,75\t0,90\t0.49\t0,24\nDa sehen wir zun\u00e4chst, dafs die Gleichheitswahrnehmung sich nicht der Optimalzeit f\u00fcgt. Die C-Gleichheiten zeigen wenigstens zwischen 2\" und 6\" keine Abnahme der Urtheils-sicherheit, die I)- Gleichheiten, die \u00fcberhaupt, wie wir schon fr\u00fcher erw\u00e4hnten, mit besonderer Unsicherheit beurtheilt wrurden, weisen v\u00f6llige Regellosigkeit auf. Um so wichtiger sind die Versuche, in denen der Ton nicht gleich blieb.\nFig. \u00f6. Urtheilssicherheit f\u00fcr Ver\u00e4nderungen und Unterschiede, abh\u00e4ngig\nvon der Zeitdistanz.\nFigur 5 giebt f\u00fcr jede Person die Yer\u00e4nderungs- (d. h. die vereinigten Erh\u00f6hungs- und Vertiefungs- ) Werthe wieder ; sie l\u00e4fst einesehr charakterische Verschiedenheit beider Beobachter anschaulich hervortreten. In Bezug auf die stetige Ver\u00e4nderung stimmen sie \u00fcberein; beide zeigen ziemliche Constanz zwischen 2\" und 4\u201c, starkes Anschwellen der Urtheilssicherheit von 4\" bis 6\" und sodann mehr oder minder starken Abfall von 6\" bis 8\". Die (punctirte ! D-Curve zeigt von 2U bis 4\" ebenfalls noch Uebereinstimmung: schwaches Ansteigen der Urtheilssicherheit, ebenso von 6\" bis 8\" beide Mal Abfall ; in der kritischen","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n381\nZeit aber, von 4\" bis 6\", strebt bei R. die Urtheilssicherheit schnell einem Optimalwerth zu, w\u00e4hrend bei K. die F\u00e4higkeit der Beurtheilung sich auf gleichem Niveau erh\u00e4lt. Wir werden weiter unten sehen, dafs dies verschiedene Verhalten f\u00fcr die differentielle Charakterisirung beider Versuchspersonen von Bedeutung ist.\nDiscussion der Ergebnisse.\nWie ist zun\u00e4chst das erste Hauptergebnis (I), dafs continuir-liche Reiz\u00e4nderungen besser wahrgenommen werden als die entsprechenden discontinuirlichen Reizunterschiede, zu erkl\u00e4ren ? Aus einer grobk\u00f6rnigen Vorstellungsmechanik heraus m\u00fcfste das Gegentheil erwartet \"werden; \u201edenn das Erinnerungsbild der Anfangsphasen kann bei den D-Versuchen, soweit es nicht von selbst verblafst, ungest\u00f6rt verharren, bis der zweite Reiz eintritt ; bei den C-Versuchen dagegen wird es durch den anhaltenden und allm\u00e4hlich sich \u00e4ndernden Eindruck \u00fcberdeckt und unterdr\u00fcckt\u201c.1 In Wirklichkeit aber str\u00e4ubt sich das psychische Leben an allen Ecken und Enden gegen solche, nicht nur zu Hekbart\u2019s Zeiten beliebten Mechanisirung ; so auch in unserem Falle.\nDie Wahrnehmung continuirlicher Reize vollzieht sich nicht so einfach, dafs die verschiedenen Etappen successiv mit der Reproduction der Anfangsphase verglichen werden. Eine solche Zersplitterung des Wahrnehmungsinhaltes in isolirte Phasen, die mit einander confrontirt werden, ist zun\u00e4chst nicht vorhanden; vielmehr bildet f\u00fcr den Beobachter eine mehr oder minder grofse Strecke des zeitlichen Ablaufs einen durchaus ungetrennten Be-wufstseinsinhalt, den er als ein einheitliches Ganzes auffafst und gleichsam mit einem Blicke \u00fcberschaut. Die Gegenwart ist f\u00fcr ihn kein Punkt, sondern eine kleine Zeitspanne, die ich als \u201epsychische Pr\u00e4senzzeit\u201c bezeichnet habe.'2 Der diese Zeit hindurch w\u00e4hrende Reizablauf ist dem Beobachter durchaus An-schauungsthatsache, genau wie eine simultane Helligkeitsseala f\u00fcr ihn Ansehauungsthatsaehe ist ; und er bedarf gar keiner wirklichen Reproduction, um \u00fcber sie ein Urtheil zu f\u00e4llen. Freilich ist die Dauer der Zeit, die so zum Gegenstand eines Anschauungsactes gemacht werden kann, nur kurz, sie wird wohl zwei\n1 Psychol, d. Ver\u00e4nd. S. 190.\n- Diese Zeitsehr. 13, 325.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"3B2\nL. William Stern.\nSecunden kaum \u00fcberschreiten. Ist nun also der Beobachter diesem continuirlichen Reiz ausgesetzt, so zerf\u00e4llt der Act nicht sowohl in lauter zu vergleichende momentane Phasen, als vielmehr in einige wenige in sich zusammenh\u00e4ngende Stadien, deren jedes f\u00fcr sich schon ein evidentes Urtheil \u00fcber die Reizform zu extrahiren vermag. Es ist n\u00e4mlich entweder innerhalb des einzelnen Stadiums die Ver\u00e4nderung schon als Anschauungsdatum gegeben; oder sie ist nicht gegeben; d. h. es wird constantes Anhalten des Reizes anschaulich wahrgenommen. Hat ein einzelnes Stadium Constanz ergeben, so kann nunmehr noch weitere Beobachtung controllirend und modificirend eingreifen; es kann jetzt eine reale Vergleichung sp\u00e4terer Etappen mit den Erinnerungsbildern fr\u00fcherer hinzukommen und entweder dazu f\u00fchren, das provisorische Constanzurtheil zu best\u00e4tigen, oder dazu, es aufzuheben. Wir sehen also : bei den C- Versuchen beruhen die Constanzurtheile stets auf wirklichen Anschauungsdaten. Die Ver\u00e4nderungsurtheile beruhen zuweilen, n\u00e4mlich wenn schon das einzelne Pr\u00e4senzstadium sie zum Bewufstsein brachte, d. h. bei gr\u00f6fseren Tonumf\u00e4ngen, ebenfalls auf director Anschauung; es wird, wie meine Versuchspersonen mehrmals spontan aussagten, ein wirkliches \u201eGleiten\u201c des Tones geh\u00f6rt, zuweilen aber bed\u00fcrfen auch sie der unanschaulichen Vergleichung einer gegenw\u00e4rtigen Phase mit einer fr\u00fcheren; das gilt da, wo der Umfang der Ver\u00e4nderung so gering ist, dafs innerhalb des einzelnen Anschauungsactes die Schwelle noch nicht \u00fcberschritten wird.\nDie Urtheile \u00fcber successive getrennte Reize dagegen k\u00f6nnen immer und immer nur durch unanschauliche Vergleichung zu Stande kommen; aufser-dem fehlt bei ihnen die Gelegenheit, schon w\u00e4hrend des Versuchs selbst ein vorl\u00e4ufiges Urtheil mehrmals zu controlliren und zu revidiren.\nDer Vorzug der Ver\u00e4nderungsversuche beruht also auf zwei Factoren : auf der M\u00f6glichkeit mehrfacher Controlle des Urtheils, ehe man es definitiv f\u00e4llt, und auf der M\u00f6glichkeit, die Reizformen nicht durch blofse Vergleichung, sondern durch Anschauung aufzufassen, eine M\u00f6glichkeit, die namentlich bei Constanzen und bei den gr\u00f6fseren Ver\u00e4nderungen gew\u00e4hrleistet ist. Und was lehren nun unsere Tabellen und Curven? Man vergleiche Ergebnifs II. Gerade bei gr\u00f6fseren Tonumf\u00e4ngen","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n383\n\u00fcbertrifft die Urtheilssicherheit f\u00fcr Ver\u00e4nderungen die f\u00fcr Verschiedenheiten so betr\u00e4chtlich. Ergebnifs IV : die anschaulich wahrnehmbaren Constanzen werden unvergleichlich viel besser erkannt, als die unanschaulich aufzufassenden successiven Gleichheiten. Endlich Ergebnifs V : sind Constanzen in Ver\u00e4nderungen grofsen Umfanges eingestreut, so werden sie durch den Contrast gehoben, weil hier Anschauung gegen Anschauung steht; bei den discreten Reizen, wo die Anschauung fehlt, fehlt auch der Contrast\nDas eben geschilderte Verh\u00e4ltnifs der C-Wahrnehmung zur D-Wahmehmung ist freilich nicht ohne Weiteres \u00fcber die von mir angewandten Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fsen und Zeitdauern hinaus auszu-dehnen; bei Anwendung noch langsamerer Ver\u00e4nderungen und noch l\u00e4ngerer Zeiten halte ich vielmehr eine Umkehrung der Beziehung f\u00fcr wahrscheinlich. Wird z. B. eine Reiz\u00e4nderung um 1 Schwingung so langsam vollzogen, dafs sie erst nach 10 Secunden erreicht ist, so hat, glaube ich, die discrete Wahrnehmung der beiden Grenzphasen gr\u00f6fsere Aussicht auf Erfolg als die continuirende Wahrnehmung des ganzen Processes. Denn hier ist von einer Anschauung der Ver\u00e4nderung innerhalb des einzelnen Pr\u00e4senzstadiums keine Rede mehr; die blofse Vergleichung der Endphase wird aber sicherlich durch das unaufh\u00f6rliche T\u00f6nen des Uebergangs erschwert; aufserdem erm\u00fcdet die Aufmerksamkeit, welche ununterbrochen auf der Wacht sein mufs, w\u00e4hrend sie bei discreten T\u00f6nen sich ausruhen kann.\nWenn ich \u00fcbrigens oben immer davon sprach, dafs die D-Urtheile auf Grund von Vergleichung zu Stande kommen, so darf man nicht glauben, dafs hierzu stets der erste Reiz b e w u f s t reproducirt und mit dem zweiten confrontirt werden m\u00fcfste. Meine beiden Versuchspersonen suchten freilich, wie ihre Selbstaussagen ergeben, den ersten Ton so lange wie m\u00f6glich im Ged\u00e4chtnis fest zu halten ; doch gelang dies nicht immer, namentlich nicht bei den l\u00e4ngeren Zwischenpausen. Trat dann der zweite Ton ein, so \u201eurtheile ich direct. Es f\u00e4llt mir der Ton von vorhin gar nicht mehr ein, ich rufe ihn mir nicht etwa mehr ins Ged\u00e4chtnis. Aber ich habe die Empfindung, als ob er noch unbewufst in mir w\u00e4re\u201c. (R.) Hier liegt dasjenige Ph\u00e4nomen vor, welches ich in meinem Buche als \u201elatente Reproduction\u201c beschrieben habe.1 Die Nachwirkung des fr\u00fcheren Eindrucks\n1 Psychol, d. Ver\u00e4nd. S. 52.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nL. William Stern.\nhat nicht mehr Energie genug, um als selbst\u00e4ndiges Bewnfst-seinsgebilde sich neben dem neuen Eindruck zu behaupten, zeigt aber darin noch ihre psychische Valenz, dafs sie der neuen Wahrnehmung eine bestimmte eigenartige N\u00fcance verleiht Diese N\u00fcance, auf Grund deren wir dann sagen : der zweite Ton erscheint mir h\u00f6her oder tiefer, beruht wahrscheinlich zum gr\u00f6fsten Theil auf Gef\u00fchlsmomenten. Die auf latente Reproductionen gegr\u00fcndete Vergleichung spielt eine weit gr\u00f6fsere Rolle, als man gemeiniglich annimmt; ihr Vorzug liegt vor Allem darin, dafs sie \u00fcber Zeitstrecken hin, \u00fcber welche ein klares und bewufstes Ged\u00e4chtnifsbild nicht mehr existenzf\u00e4hig ist, doch noch Urtheile \u00fcber Verschiedenheiten und Gleichheiten erm\u00f6glicht\nF\u00fcr die Thatsache, dafs die Urtheilssicherheit f\u00fcr Erh\u00f6hung und Vertiefung bei C sich gerade umgekehrt verh\u00e4lt wie bei D (Ergebnifs III. ), vermochte ich keine befriedigende Erkl\u00e4rung zu finden.1\nDas die Zeit betreffende Hauptergebnifs (Via) lautete: es stellt die Dauer von 6 Secunden einen optimalen Werth f\u00fcr die Wahrnehmung von Ver\u00e4nderungen dar, so dafs eine Ver\u00e4nderung bestimmter Gr\u00f6fse, die 6 Secunden w\u00e4hrt, besser erkannt wird, als eine Ver\u00e4nderung, welche ein gleich grofses Reizgebiet in 4 Secunden durchmifst. Die Thatsache der Optimalzeit, die uns eigent\u00fcmliche Einblicke thun l\u00e4fst in die Dynamik des seelischen Bestehens, wird uns in einem n\u00e4chsten Artikel so ausf\u00fchrlich zu besch\u00e4ftigen haben, dafs hier eine kurze Besprechung gen\u00fcgen mufs. Sie zeigt, dafs das geistige Leben nicht einem glatt und tr\u00e4ge dahin fliefsenden Strom gleicht, sondern eher einer Kaskade, welche in schneller Periodik zwischen Stellen ruhigeren Ablaufs und solchen starker Energieentfaltung wechselt. Dafs im Grofsen \u2014 z. B. im Verlaufe eines Tages oder noch l\u00e4ngerer Frist \u2014 ein solches Auf und Nieder der geistigen Frische und Energie besteht, ist allbekannt, minder bekannt sind die kleineren Oscil-lationen, die nur wenige Secunden w\u00e4hren. Und doch beherrscht diese psychische Rhythmik alles seelische Geschehen; \u201ediese innerpsychische Periodik macht sich nun besonders dort bemerk-\n1 In meiner ,,Psychol, d. Ver\u00e4nd.\u201c S. 193 Anm. erw\u00e4hne ich eine Ver-muthung, die eine kleine Unvollkommenheit des Apparates als mitwirkende Ursache obiger Erscheinungen hinstellt. Doch scheint mir die Bedeutung jenes Factors nur sehr secund\u00e4rer Natur zu sein.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n385\nlieh, wo \u00e4\u00fcfserlich zu einer solchen gar kein Anlafe gegeben ist ; hier schafft sich eben erst die Psyche aus eigener Machtvolle kommenheit, aber auch aus eigenem Drange und Zwange zeit* liehe Abgrenzungen, rhythmische Gliederungen, inhaltliche Diffe-renzirungen.\u201c * 1\nIch sprach vorhin von \u201ePr\u00e4senzzeiten\u201c, d. h. jenen Beob* acht\u00fcngsstadien, die zu einem anschaulichen Bewufstseinsganzen zusammengefafst werden; die Optimalzeit scheint dann einen Culminationspunkt eines solchen Beobachtungsstadiums darzu-stellen. Wenn wir erw\u00e4gen, dafs die Zahl \u201e6 Secunden\u201c die Zeit d\u00e8s Uebergangs zwischen Anfangs- und End-Phase bedeutet, dafs aber jede dieser beiden Phasen selbst je eine Secunde dauert, so ergiebt sich, dafs eine Dauer des Gesammtversuchs von 8 Se* cunden die beste Bedingung f\u00fcr die F\u00e4llung des Urtheils liefert Da nun das einzelne Pr\u00e4senzstadium nicht ann\u00e4hernd so lange dauert, so d\u00fcrfen wir annehmen, dafs wir es hier mit der Culmination einer zweiten Pr\u00e4senzzeit zu thun haben; das erste Beobachtungsstadium diente dann vor Allem dazu, den Anfang des Reizes entgegenzunehmen, der zweite f\u00fchrte das Urtheil herbei2\n.< Uns hat hier vor Allem die Frage zu interessiren, aus welchem Grunde die scharfe Culmination der Optimalzeit bei Vergleichung successiver Unterschiede so viel weniger in die Erscheinung tritt, als bei der Beobachtung continuierlicher Ver\u00e4nderungen (Ergebnifs VI b). Wir citirten oben eine Reihe von Versuchen anderer Forscher, welche zeigen, dafs die Urtheils-sicherheit sich ungef\u00e4hr gleich bleibt, wenn die Pause zwischen zwei successiven Reizen von 4\u20146 Secunden variirte; und ihnen schliefst sich unsere Versuchsperson K. durchaus an. (Siehe die punktirte Curve von K. in Figur 5.) Zur Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung m\u00fcssen wir annehmen, dafs das oben ge-, schilderte periodische Auf- und Nieder-Schwellen der psychischen Energie in gewissem Maafse durch Willk\u00fcr geleitet und modificirt werden kann, dafs aber diese souver\u00e4ne Verf\u00fcgungsf\u00e4higkeit nur dort sich geltend machen kann, wo der Bewufstseins-\n1 Psychol, d. Ver\u00e4nd. 8. 235.\n.\ti\n1 Die in der n\u00e4chsten Mittheilung zu ver\u00f6ffentlichenden Versuche haben ebenfalls einen Optimalwerth von 8 Secunden und zwar dort ausge-sprochenermaa\u00fcsen als zweiten Culminationspunkt ergeben.\nZ< \u2018-\u2018schrift f\u00fcr Psychologie XXI.\t26","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"388\nL. William Stern.\ninhalt selbst nicht ununterbrochen die Seele in An* spruch nimmt. Bei der Ver\u00e4nderung ist der Zwang zu eineil stetigen Beobachtung vorhanden ; und gerade unter diesem Zwange folgt die Aufmerksamkeit gleichsam mechanisch ihrer inneren Funktionsnorm des Auf- und Nieder-Schwingens ; sie hat ja gar keine Gelegenheit, sich selbst einen Zeitmoment auszusuchen, in welchem ihr Nachlassen den relativ geringsten Nachtheil bietet \u201eAnders bei discreten Unterschieden. Hier ist nicht die Aufmerksamkeit dauernd in Anspruch genommen; sie hat in der Pause Zeit, sich zu entspannen, und vermag dann mit einer gewissen Willk\u00fcr auf den zweiten Reiz die Entfaltung maximaler Energie einzustellen. So kommt es, dafs innerhalb weiter Grenzen die L\u00e4nge der Pause von wenig merklichem Einflufs ist\u201c.1\nSo ist denn die Wahrnehmung continuirlicher Ver\u00e4nderungen psychologisch auch deswegen so interessant, weil bei ihr die Wirkung der Optimal-zeit in einer Reinheit und einer St\u00e4rke, wie vielleicht bei keinem anderen Ph\u00e4nomen zum Ausdruck kommt.\nSchliefslich noch ein Wort \u00fcber die Abweichung, welche meine beiden Versuchspersonen gerade in den eben besprochenen Punkten zeigen, eine Abweichung, die von typischer Bedeutung ist. K. zeigt, wie gesagt, bei discreten Reizen keine eigentliche Optimalzeit, sondern nur eine l\u00e4ngere Constanz der Urtheilssicherheit; bei R. dagegen culminirt die Optimal-zeit in D-Versuchen mit ziemlich derselben Sch\u00e4rfe wie in C-Versuchen. (Siehe Figur 4.) Nach unserer obigen Erkl\u00e4rung ist R. somit nicht, wie KL, in der Lage, die zeitliche Periodik seiner Aufmerksamkeit den dargebotenen Verh\u00e4ltnissen entsprechend willk\u00fcrlich zu beeinflussen. Vielmehr wird er von jenen Oscillationen selbst beherrscht, daher er aufeinanderfolgende Reize, wenn der zweite gerade in ein Optimum der psychischen Energie f\u00e4llt, gut, und wenn nicht, weniger gut be* urtheilt. Sein psychischer Habitus \u00e4hnelt sich gegen\u00fcber C- und D-Reizen stark, was auch darin zum Ausdruck kommt, dafs er beide mit ziemlich gleicher Sicherheit erkennt. Man k\u00f6nnte hier somit von zwei Typen des Urtheilens, einem inhaltlichen und einem zeitlichen sprechen. K. geh\u00f6rt dem ersteren an, er sucht\n1 Psychol, d. Ver\u00e4nd. S. 196.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen.\n387\n\u00abich in der Dynamik seines Urtheilens dem zur Beurtheilung stehenden Inhalt m\u00f6glichst anzupassen. R. reprftsentirt den letzteren : er wird in seinen Urtheilen stark durch die zeitliche Periodik seiner eigenen Psyche bestimmt Unsere n\u00e4chste Mit-theilung wird auf Grund anderer Versuche diese differentiellpsychologische Erforschung der Urtheilstypen weiter f\u00fchren; sie wird die hier gefundene Unterscheidung von K. und R. aufs Genaueste best\u00e4tigen, zugleich aber noch die individuellen Aspecte beider Personen um wichtige Z\u00fcge vermehren.\n(Eingegangen am 31. Juni 1899.)\n26*","page":387}],"identifier":"lit31092","issued":"1899","language":"de","pages":"360-387","startpages":"360","title":"Die Wahrnehmung von Tonver\u00e4nderungen: Zweite Mittheilung: Tonunterschiede und Ton\u00e4nderungen (Paralleluntersuchung nach der Methode des Urtheilsganges)","type":"Journal Article","volume":"21"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:14:16.748856+00:00"}

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