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{"created":"2022-01-31T16:10:52.141731+00:00","id":"lit31107","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Simon, Richard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 21: 433-442","fulltext":[{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"(Aas der physikalischen Abtheilung des physiologischen Instituts zu Berlin.)\nUeber die Wahrnehmung von Helligkeitsunterschieden.\nVon\nRichard Simon.\n(Mit 1 Fig.)\nSchirmer 1 hat, im Gegensatz zu vielen anderen Untersuchen^ gefunden, dafs das Weber\u2019sehe Gesetz auch f\u00fcr den Lichtsinn in weiten Grenzen g\u00fcltig sei, wenn nur die Adaptation gen\u00fcgend ber\u00fccksichtigt w\u00fcrde. Auf Herrn Professor Arthur K\u00f6niges Veranlassung begann ich vor mehreren Jahren, die Schirmeb-schen Versuche nachzupr\u00fcfen. Wenngleich das erhaltene Resultat aus sp\u00e4ter zu er\u00f6rternden Gr\u00fcnden mancher Erg\u00e4nzung bedarf, so erscheint es mir doch gerechtfertigt, kurz \u00fcber die Versuche zu berichten, da sich dabei eine Abh\u00e4ngigkeit der Unterschiedsempfindlichkeit (U.E.) von mehreren Bedingungen ergab, die deren Gr\u00f6fse nicht unbetr\u00e4chtlich beeinflussen, bisher aber, soviel ich sehe, nicht gen\u00fcgend ber\u00fccksichtigt worden sind. F\u00fcr die Mehrzahl der Versuche wurden die MASSON\u2019schen Scheiben verwandt.\nI. Einflufs der Uebung.\nWenngleich schon von vielen Seiten auf den Einflufs der Uebung hingewiesen worden ist, so scheint es doch noch wenig bekannt und ber\u00fccksichtigt worden zu sein, nach wie langer Zeit sie sich noch bemerklich macht. So giebt z. B. Schirmer an, dafs er nach 8 t\u00e4giger Uebung bereits das Maximum seiner\n1 Ueber die G\u00fcltigkeit des WEBEB\u2019schen Gesetzes f\u00fcr den Lichtsinn, v. Gbaepe\u2019s Arch. f. Ophthalmol. 36 (4), 121.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologe XXI.\n28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nRichard Simon.\nU.E. C/'tn) erlangt habe. Meine eigene U.E. war nach wochenlangen Versuchen auf Va 20 gestiegen. Ich benutzte mm zu den definitiven Versuchen Scheiben, deren kleinster Helligkeitsunterschied Va so betrug. Nach monatelanger Pr\u00fcfung war ich zum Zweck anderer Versuche einmal gen\u00f6thigt, Scheiben mit noch geringerem Unterschied zu benutzen und bemerkte zu meinem Erstaunen, dais jetzt meine U.E. eine weit bessere geworden war, dafs ich bei guter Beleuchtung selbst V\u00ab 50 meistens erkennen konnte. Die Resultate bez\u00fcglich des WEBEB\u2019schen Gesetzes wurden dadurch stark gesch\u00e4digt Leider zu sp\u00e4t fand ich, dafs M\u00fcller-Lyeb dieselbe Beobachtung gemacht hatte.1\nJedenfalls erscheint es nach diesen Erfahrungen dringend geboten, sich vor Anstellung definitiver Versuche viel l\u00e4nger zu \u00fcben als es z. B. Schirmer gethan hat, der seine nach 8 Tagen erlangte U.E. als das Maximum der \u00fcberhaupt erreichbaren betrachtete. Ueber weitere Erfahrungen bez\u00fcglich der Uebung werde ich weiter unten berichten.\nII. Einflufs der Gr\u00f6fse des beleuchteten\nGesichtsfeldes.\nDie Gr\u00f6fse der Unterschiedsempfindlichkeit h\u00e4ngt nicht nur von der Gr\u00f6fse des Objectes, d. h. dem zugeh\u00f6rigen Gesichtswinkel ab, sondern auch von der Ausdehnung des beleuchteten Gesichtsfeldes, und zwar ist die U.E. umso gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser der belichtete Netzhautbezirk ist\nBetrachte ich z. B. eine Masson\u2019sehe Scheibe, die 4 cm vom Mittelpunkt entfernt einen schwarzen Sectorabschnitt von 2 mm H\u00f6he tr\u00e4gt, in 50 cm Entfernung und eine gleichgrofse Scheibe* mit einem Sectorabschnitt von 20 mm H\u00f6he, gleich weit vom\n1 Psychophysische Untersuchungen. Arch, f\u00fcr Anatomie w. Physiologie 1889, Physiolog. Abth., Supplementband, S. 96: \u201eDie Versuche, die ich in dieser Richtung angestellt, sind zeitlich von den bisher mitgetheilten getrennt ; dieselben wurden mehrere Monate nach jenen angestellt und dieses Intervall war durch beinahe t\u00e4gliche anderweitige Untersuchungen \u00fcber optische Unterschiedsempfindlichkeit ausgef\u00fcllt. Es zeigte sich sofort bei Beginn dieser Versuche, dafs die Unterschiedsempfindlichkeit jetzt betr\u00e4chtlich h\u00f6here Werthe erreichte, als in den anf\u00e4nglichen Versuchen. Da die Versuchsbedingungen in keiner Weise ge\u00e4ndert worden waren, so kann die Ver\u00e4nderung nur auf die unterdessen erlangte gr\u00f6fsere Uebung bezogen werden.\u201c","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung von Helligkei tsun ter schieden.\n435\nCentrum entfernt, aus einer Distanz von 5 m, wobei also der Gesichtswinkel des Objectes der gleiche ist, so ist in letzterem Falle die U.E. deutlich vermindert, d. h. die Breite des Sector-abschnittes mufs im letzteren Falle gr\u00f6fser sein als in ersterem.\nSicherer erschien es mir, die Untersuchung nicht aus verschiedener Entfernung, wobei vielleicht noch andere Momente mitspielen, anzustellen, sondern stets aus der gleichen Distanz. Aus diesem Grunde bediente ich mich der von M\u00fclleb-Lyeb1 angegebenen Untersuchungsmethode. An dem einen Ende einer Rutschbahn, auf der eine sehr gleichm\u00e4fsig brennende Petroleumlampe angen\u00e4hert und entfernt werden konnte, wurde ein weifser Carton aufgestellt, der von vorn durch 2 seitlich vom Untersucher befindliche Gaslampen erleuchtet und aus 60 cm Entfernung durch eine schwarze R\u00f6hre betrachtet wurde. Am Ende der R\u00f6hre wurden verschiedengrofse Diaphragmen angebracht, so dafs ein gr\u00f6fseres oder kleineres Gesichtsfeld herausgeschnitten wurde. Die Untersuchung fand in einem Raum mit schwarzen W\u00e4nden statt, aufserdem wurde durch ein \u00fcber den Kopf gezogenes schwarzes Tuch alles seitliche Licht vom Auge des Untersuchers abgehalten. Sollten dunkle Objecte auf hellerem Grunde gepr\u00fcft werden, so wurden unmittelbar hinter den Carton schwarze Scheiben von verschiedener Gr\u00f6fse an ganz d\u00fcnnen unsichtbaren F\u00e4den geh\u00e4ngt. Helle Objecte auf dunklerem Grunde wurden so erzielt, dafs dicht hinter dem Carton, also zwischen ihr und der Petroleumlampe, eine schwarze Scheibe aus Metall aufgestellt wurde, die in ihrer Mitte runde Ausschnitte von verschiedener Gr\u00f6fse hatte. Auf Adaptation wurde nat\u00fcrlich sorgf\u00e4ltig geachtet. Es ergaben nun zahlreiche Untersuchungen bei gleicher Gr\u00f6fse des Objectes \u2014 und zwar sowohl eines dunklen auf hellerem Grunde wie eines hellen auf dunklerem \u2014 stets eine bessere Unterschiedsempfindlichkeit bei grofsem als bei kleinem Gesichtsfeld. So wurde z. B. bei einem Durchmesser des Gesichtsfeldes von etwas \u00fcber 3\u00b0 das Object bei einem Abstand der Petroleumlampe vom Carton von ca. 130 cm nur noch undeutlich, bei 150 cm \u00fcberhaupt nicht mehr gesehen, w\u00e4hrend unter sonst genau den gleichen Bedingungen, aber bei einem Gesichtsfeld von ca 190 Durchmesser das Object bei einem Ab-\n1 Experimentelle Untersuchungen zur Amblyopiefrage. Arch. f. Anat. \u00ab. Physiol. (Physiol. Abth.) Jahrg. 1887, 8. 400.\n28*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nRichard Simon.\nstand der Petroleumlampe von 235 cm noch undeutlich zu sehen war. Die Unterschiedsempfindlichkeit w\u00e4chst also recht betr\u00e4chtlich bei Gr\u00f6fserwerden des beleuchteten Gesichtsfeldes.\nEs geh\u00f6rt diese Thatsache wohl in jene Reihe von Erscheinungen, die zuerst Urbantschitsch 1 fand, der nachwies, dafs die Sehsch\u00e4rfe eines Auges zunahm nicht nur, wenn das andere Auge beleuchtet wurde, sondern auch, wenn in das lesende Auge noch directe Strahlen gelangten. Sewall * und sp\u00e4ter Schmldt-Rimpler 3 best\u00e4tigten die Zunahme der Sehsch\u00e4rfe bei einem gewissen Grad skleraler Beleuchtung. Auch M\u00fcller-Lyeh4 * * * 8 9 eonstatirte eine bessere Unterschiedsempfindlichkeit, wenn nicht alles seitliche Licht abgehalten wurde. Vielleicht geh\u00f6rt hierher auch eine Beobachtung Wertfieim\u2019s. 8 Zur Pr\u00fcfung der indirecten Sehsch\u00e4rfe benutzte er kreisrunde Gitter von parallelen schwarzen Dr\u00e4hten, deren Entfernung von einander gleich dem Durchmesser der Dr\u00e4hte war. Blieb nun der Durchmesser der ganzen Gitter gleich und wurde nur die Drahtst\u00e4rke ge\u00e4ndert, so war die Sehsch\u00e4rfe f\u00fcr die Ferne schlechter als f\u00fcr die N\u00e4he. Wurde aber das ganze Gitter, nicht nur die einzelnen St\u00e4be, auf gleiche relative Gr\u00f6fse gebracht, so war die Sehsch\u00e4rfe stets dieselbe. Die Sehsch\u00e4rfe hing also nicht allein von dem gegenseitigen Abstand der Gitterst\u00e4be, sondern auch von der Gesammtgr\u00f6fse des Gitters ab. Je gr\u00f6fser das Pr\u00fcfungsobject und damit die Netzhautfl\u00e4che war, deren Sehsch\u00e4rfe bestimmt wurde, desto gr\u00f6fser wurde die letztere gefunden.\nIII. Einflufs des Gesichtswinkels.\nAubebt 6 hatte bei Untersuchung mit MASsoN\u2019schen Scheiben gefunden, dafs die Unterschiedsempfindlichkeit mit kleiner werdendem Gesichtswinkel sehr schnell abnimmt. Er stellte die\n1 Ueber die Wechselwirkung der innerhalb eines Sinnesgebietes ge-\nsetzten Erregungen. Arch. f. d. ges. Physiol. 31, 280. 1883.\n* On the Physiological Effect of Light which enters the Eye through\nthe Sclerotic Coat. Journ. of Physiol. 5, 182.\n8\tUeber den Einflufs peripherer Netzhautreizung auf das centrale Sehen. Bericht d. XIX. Vers, der ophth. Gesellsch. zu Heidelberg 76.\n4 1. c. 105.\n6 Ueber die indirecte Sehsch\u00e4rfe. Zeitschr. f. Psychol, und Physiol, der Sinnc8org. 7, 172.\n9\tPhysiologie der Netzhaut, 85.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Ueher die Wahrnehmung von HelUgkeitmnterschieden.\n437\nPr\u00fcfung in folgender Weise an: \u201eEine Masson\u2019sehe Scheibe wird von einer Stearinkerze beleuchtet, welche 2300 mm von ihr entfernt ist, und deren Licht durch einen Schirm von dem Beobachter abgeblendet wird. Der Beobachter befindet sich zuerst in gr\u00f6fster N\u00e4he der Scheibe und stellt dieselbe so ein, dafs er in dieser N\u00e4he d. h. bei gr\u00f6fstem Gesichtswinkel eben noch einen Kranz unterscheiden kann. W\u00e4hrend ein Geh\u00fclfe die Scheibe dreht, entfernt sich der Beobachter allm\u00e4hlich, bis er den Kranz nicht mehr unterscheiden kann; dann wird ein gr\u00f6fserer Sector eingestellt, und f\u00fcr diesen die Entfernung bestimmt, in welcher der Beobachter eben noch den Kranz unterscheiden kann u. s. w. Bei der Berechnung des Gesichtswinkels wurde die Breite des Kranzes oder der Radiustheil des Sector-abschnittes = 25 mm zu Grunde gelegt, welcher dividirt durch die Entfernung die Tangente des Gesichtswinkels giebt.\u201c\nBei weifsen Scheiben mit schwarzem Sectorabschnitt betrug die Unterschiedsempfindlichkeit\nbei einer Entfernung von 200 mm (= 7\u00b0 Gesichtswinkel) 1/72 \u201e\t,,\t\u201e\t\u00bb\t2000 \u201e\t(= 0\u00b0 43'\t*\t) Vss\n\u00bb\t\u00bb\t\u201e\t\u00bb\t\u00d6000 \u201e\t(= 0'17' 10\"\t\u201e\t) Vas\n\u201e\t*\t\u201e\t13500 \u201e (=0\u00ab 6' 22\u2019' \u201e )Vii-\nDie Unterschiedsempfindlichkeit hatte also bei einer 10 fachen Verkleinerung um die H\u00e4lfte, bei einer 25 fachen um das 3 fache, bei einer ca. 60 fachen um das 6 fache abgenommen.\nM\u00fcller-Lyer hat nach der oben beschriebenen Methode untersucht und ebenfalls eine Zunahme der Unterschiedsempfindlichkeit mit Gr\u00f6fserwerden des Gesichtswinkels constatirt. \u2014\nDie Versuchsanordnung Aubert\u2019s unterliegt verschiedenen Bedenken. Erstens hat er bei aufserordentlich geringer Helligkeit untersucht und das Ergebnifs l\u00e4fst sich nicht ohne Weiteres auf gute Beleuchtung \u00fcbertragen. Vor Allem aber waren bei den verschiedenen Gr\u00f6fsen des Gesichtswinkels die sonstigen Bedingungen nicht die gleichen. Die Fl\u00e4chenhelligkeit blieb zwar gleich, die Gr\u00f6fse des Gesichtsfeldes nahm aber in gleichem Maafse wie die des Gesichtswinkels ab, und wir haben oben gesehen, dafs schon bei Gesichtsfeldern, deren Durchmesser sich ungef\u00e4hr wie 1: 6 verhalten, die Unterschiedsempfindlichkeit bedeutend differirt; bei Aubert\u2019s Versuchen aber betrug das Ver-h\u00e4ltnifs des Durchmessers des gr\u00f6fsten Gesichtsfeldes zu den","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nRichard Simon.\nanderen 10:1, 25 : 1 und 67,5 : 1. Angenommen, Aubeet's Scheiben hatten 20 cm im Durchmesser, so h\u00e4tte dies in der gr\u00f6fsten Distanz einem Winkel von 51' entsprochen, das Bild der ganzen Scheibe h\u00e4tte also noch nicht einmal die Fovea bedeckt. Und dabei wurde auf Adaptation an die ge\u00e4nderten Verh\u00e4ltnisse nicht die geringste R\u00fccksicht genommen.\nIch selbst kam bei Pr\u00fcfung dieser Frage mit H\u00fclfe der MASsoN\u2019schen Scheiben zu anderen Ergebnissen. Vor Allem war es wichtig, die Untersuchung stets unter sonst den gleichen Be-\ndingungen anzustellen und nur die Gr\u00f6fse des Objectes, also die H\u00f6he des Seetorabschnittes, zu variiren. Es war dies leicht m\u00f6glich durch Anwendung doppelter Scheiben. Auf die eine (siehe obenstehende Figur) wurden mit einem Zirkel mit Tusche Sectorabschnitte von 1/8 bis 20 mm H\u00f6he mit dem centralen Rande in gleicher Entfernung vom Mittelpunkt gezogen, die andere Scheibe hatte einen seetorf\u00f6rmigen Ausschnitt (in der Figur punktirt eingezeichnet). Je nachdem dieser breit oder schmal genommen wurde, nahm der Helligkeitsunterschied zwischen Grund und dem grauen Ring zu oder ab. Indem ein h\u00f6herer oder niedrigerer Sectorabschnitt der unteren Scheibe","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung von Helligkei tmn ter schieden.\n439\n\"vor den Ausschnitt der oberen geschoben wurde, wechselte die Gr\u00f6fse des Gesichtswinkels ohne Aenderung der Helligkeitsdifferenz. Da auf diese Weise stets aus derselben Entfernung untersucht ^werden konnte, blieben alle \u00fcbrigen Versuchshe-dingungen genau die gleichen.\nDie Herren Professor K\u00f6nig, Dr. Ginsberg und Dr. Salomon-sohn sowie der Diener des physiologischen Institutes, der in solchen Untersuchungen nat\u00fcrlich nicht ge\u00fcbt war, fanden gleich mir die beste Unterschiedsempfindlichkeit bei einem Gesichtswinkel von ca. 15' bis 30', dar\u00fcber und darunter nahm sie ab. Bei sehr starker Herabsetzung der Beleuchtung scheint allerdings eine Aenderung einzutreten. Wurden die Scheiben in einem vollkommen dunkeln Raum durch eine Normalkerze aus ca. 4 bis 6 m Entfernung beleuchtet, so fand ich meine Unterschiedsempfindlichkeit am besten bei einer einem Gesichtswinkel von ca. 2 0 entsprechenden H\u00f6he des Ringes, was bei guter Beleuchtung schon eine deutliche Verminderung der Unterschiedsempfindlichkeit ergab. Doch konnte ich auch bei so geringer Helligkeit Aubert\u2019s Angaben nicht best\u00e4tigen, dafs die Unterschiedsempfindlichkeit mit zunehmendem Gesichtswinkel st\u00e4ndig w\u00e4chst.\nDiese Ergebnisse gelten zun\u00e4chst nur f\u00fcr MASsoN\u2019sche Scheiben und zwar weifse Scheiben mit dunklerem Objecte. Bei umgekehrter Anordnung, hellere Objecte auf dunklen Scheiben, konnte ich nicht untersuchen, da es mir nicht gelang, derartige Scheiben in w\u00fcnschenswerter Vollkomnenheit herzustellen.\nDie M\u00fcller - LvER\u2019schen Angaben konnte ich nicht mehr nachpr\u00fcfen, vermag daher auch nicht zu sagen, woher die differenten Resultate kommen.\nIV. Einflufs monocularer und binocularer\nBeobachtung.\nNachdem ich mich schon Monate lang mit Untersuchungen der Unterschiedsempfindlichkeit besch\u00e4ftigt hatte, pr\u00fcfte ich diese einmal f\u00fcr das rechte und das linke Auge allein. Ich hatte ent-weder keine oder, entsprechend der geringen Abnahme der Seh-sch\u00e4rfe bei monocularem Sehen, eine nur ganz unbedeutende Verringerung der Unterschiedsempfindlichkeit erwartet; sie erwies sich aber als recht betr\u00e4chtlich. Sowohl mit dem rechten","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nRichard Simon.\nwie mit dem linken Auge allein betrug sie nur ca. V18\u00fc. Erst nach vier w\u00f6chentlicher, allerdings nicht t\u00e4glicher Uebung mit dem linken Auge allein war sie auf ca \\U04 gestiegen, also immer noch geringer als bei binocularer Beobachtung. Die Unterschiedsempfindlichkeit des nicht ge\u00fcbten rechten Auges war in gleichem Maafse gestiegen.\nDie Thatsache ist recht bemerkenswerth, dafs monoculare Uebung und binoculare Uebung zwei nicht parallel gehende Vorg\u00e4nge sind, so dafs jede einzeln erst erworben werden mufs.\nV. Einflufs der Untersuchungsmethode.\nSowohl K\u00f6nig und Brodh\u00fcn 1 wie Dreseb 2 hatten mit einer anderen Untersuchungsmethode, bei der polarisirtes Licht zur Verwendung kam, ihre Unterschiedsempfindlichkeit betr\u00e4chtlich geringer gefunden, als es nach den meisten fr\u00fcheren Angaben zu erwarten war, und zwar K\u00f6nig und Bboduhn \u2014 Veo- Ich selbst stellte ungef\u00e4hr 14 Tage lang Untersuchungen mit dem von K\u00f6nig und Brodhtjn benutzten Apparat an und fand dann meine Unterschiedsempfindlichkeit gleich V\u2122 gegen ungef\u00e4hr J/250 an der MASsoN\u2019schen Scheibe. Worauf diese grofsen Differenzen beruhen, ist noch ganz unklar. Zum Theil m\u00f6gen sie von der verschiedenen Gr\u00f6fse des beleuchteten Gesichtsfeldes herr\u00fchren. Aber allein scheint mir dieser Umstand zur Erkl\u00e4rung nicht gen\u00fcgend. Der nahehegende und von Dreseb auch ausgesprochene Hinweis auf die Polarisation des Lichtes, \u201edafs es vielleicht eine Eigen-th\u00fcmlichkeit des Auges sei, dafs es bei der Reizung mittels polarisirten Lichtes gr\u00f6fserer Unterschiede in den Reizst\u00e4rken bedarf, damit ein eben merklicher Unterschied in der Empfindung auftritt\u201c, ist nicht zutreffend. Wenn ich bei der oben erw\u00e4hnten Versuchsanordnung nach M\u00fclleb-Lyer den Carton mit blofsem Auge oder durch einen Nicol betrachtete, so war in beiden F\u00e4llen die Unterschiedsempfindlichkeit die gleiche.\nAuch hier zeigt sich \u00fcbrigens wieder der aufserordentliehe Einflufs der Uebung. W\u00e4hrend meine Unterschiedsempfindlicb-keit an den MASsoN\u2019schen Scheiben betr\u00e4chtlich gr\u00f6fser war als\n1 Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die psychophysische Fundamentalformel in Bezug auf den Gesichtssinn. Sitzgs.-Ber. d. Berl. Acad. d. TFiw. '1889. S. 641\u2014644.\n* Ueber die Beeinflussung des Lichtsinnes durch Strychnin. Arch. f. experim. Pathol, u. Phannakol. 33, 251.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung von HeUigkeiisutiterschieden.\n441\ndie von Herrn Professor K\u00f6nig, erreichte ich an dem K\u00f6NiG\u2019schen Apparate dessen Unterschiedsempfindlichkeit nicht vollkommen. Der Grund daf\u00fcr kann wohl nur darin gefunden werden, dafs ich mich an den Masson\u2019sehen Scheiben viele Monate, an dem anderen Apparate nur 14 Tage ge\u00fcbt hatte, w\u00e4hrend Professor K\u00f6nig keine besondere Uebung an MASsoN\u2019schen Scheiben hatte.\nVI. Ueber die G\u00fcltigkeit des WEBER schen Gesetzes f\u00fcr den Lichtsinn.\nZur Pr\u00fcfung dieser Frage wurden, um den Einflufs des Gesichtswinkels g\u00e4nzlich auszuschliefsen, weifse Masson\u2019sehe Scheiben benutzt mit schwarzen Sectorabschnitten, die bis zum Rande reichten, so dafs also nur die Grenzlinie zwischen dem grauen Ring und der weifsen Scheibe zur Beobachtung kam. Es wurde stets w\u00e4hrend der Mittagsstunden und nur an solchen Tagen untersucht, an denen ein Wechsel der Beleuchtung durch Wolken ausgeschlossen war. Auf Adaptation wurde sorgf\u00e4ltig geachtet und mindestens 20\u201430 Minuten vor Beginn der definitiven Versuche dazu verwandt. Da die Dauer der Versuche mindestens 1/4 Stunde betrug, so k\u00f6nnen 3/4 Stunden auf die Adaptation gerechnet werden. W\u00e4hrend ein Geh\u00fclfe die Scheiben wechselte und das Uhrwerk in Gang setzte, wurde auf eine gleich helle Scheibe gesehen, bis die n\u00f6thige Rotationsgeschwindigkeit der MASsoN\u2019schen Scheiben erreicht war, so dafs auch dabei: eine St\u00f6rung der Adaptation nicht eintreten konnte. Eine gen\u00fcgende Umdrehungsgeschwindigkeit ist, worauf auch Helmholtz1 auf merkr sam macht, von gr\u00f6fster Bedeutung. Nach vielen Versuchen glaube ich, dafs dieselbe nicht unter 60 in der Secunde sinken darf. Es wurden deshalb Scheiben nur von solchem Durchmesser benutzt, dafs ihnen mit dem zu Gebote stehenden Uhrwerk eine Geschwindigkeit von mindestens 70 Umdrehungen in der Minute ertheilt werden konnte, was um so nothwendiger ist, als sich Augenbewegungen, in Folge deren leichter Flimmern der Scheiben entsteht, bei dieser Art der Untersuchung nicht ausschliefsen lassen.\nDie zu diesen Versuchen benutzten Scheiben trugen Sector-abschnitte, die bei Rotation einen Unterschied zwischen dem\n1 Physiolog. Optik. Zweite Auflage, S. 391.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nRichard Simon.\nhellen Grund und dem dunkleren Rand von xj9b\u20147t*o aufwiesen. Es ergab sich, dafs meine Unterschiedsempfindlichkeit von ca. 700 Meterkerzen als gr\u00f6fster Helligkeit, bei der ich untersuchte, bis gegen 40 Meterkerzen scheinbar gleich blieb; dann machte sich schon eine allerdings ganz geringe Abnahme be-merklich, indem */\u00abo nur noch unsicher erkannt wurde. Bei 12 Meterkerzen wurde ljii0 \u00fcberhaupt nicht mehr, 1/S04 dagegen deutlich unterschieden. Bei 1 Meterkerze wurde auch l/a04 undeutlich und nicht immer erkannt. Wie bereits oben bemerkt, beging ich den Fehler, den schon viele fr\u00fchere Untersucher gemacht hatten, mit Scheiben zu operiren, die nicht meiner h\u00f6chsten Unterschiedsempfindlichkeit entsprachen. Da aber die Versuche bei den niedrigeren Helligkeitsstufen am Schlufs der ganzen, sich \u00fcber viele Wochen erstreckenden Untersuchungsreihe angestellt wurden, darf ich die Besultate, die von ca. 40 Meterkerzen an erhalten wurden, wohl als richtig betrachten. Es ergab sich also, dafs das WEBEa\u2019sche Gesetz f\u00fcr den Lichtsinn entweder \u00fcberhaupt nur eine angen\u00e4herte G\u00fcltigkeit hat oder wenigstens in viel engeren Grenzen g\u00fcltig ist, als es Schirmer behauptet. Da er aber mit der nach nur 8 t\u00e4giger Uebung erzielten UJS. gerechnet hat, so ist es mir sehr wahrscheinlich, dafs Schirmer denselben Fehler wie ich gemacht hat, die Unterschiedsempfindlichkeit geringer anzunehmen, als sie im Verlauf der Versuche that8\u00e4chlich geworden war.\nIch m\u00f6chte nicht verfehlen, Herrn Professor A. K\u00f6nig f\u00fcr sein andauerndes Interesse an den Untersuchungen meinen Dank auch an dieser Stelle auszusprechen.\n(Eingegangen am 24. Juli 1899.)","page":442}],"identifier":"lit31107","issued":"1899","language":"de","pages":"433-442","startpages":"433","title":"Ueber die Wahrnehmung von Helligkeitsunterschieden","type":"Journal Article","volume":"21"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:52.141736+00:00"}