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Eine Anpassung

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{"created":"2022-01-31T16:16:48.626285+00:00","id":"lit31161","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Reddingius","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22: 96-100","fulltext":[{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Anpassung.\nVon\nDr. Reddlngius,\nAugenarzt im Haag.\nDie nachfolgende Untersuchung hat Bezug auf eine T\u00e4uschung, welche Helmholtz in seinem H. d. phys. Optik, 1. Aufl. S. 601 u.\u00a3, 2. Aufl. S. 745 u. f., folgendermaafsen beschreibt :\n\u201eMan setze sich zwei Glasprismen von 16 bis 18 Grad brechenden Winkels in ein Brillengestell zusammen, so dafs die brechenden Winkel beider nach links gekehrt sind. Die Gegenst\u00e4nde des Gesichtsfeldes erscheinen durch diese Prismen alle nach links von ihrem wirklichen Orte abgelenkt. Man vermeide es zun\u00e4chst, die Hand in das Gesichtsfeld zu bringen, betrachte sich irgend ein bestimmtes erreichbares Object genau, schlie\u00dfe dann die Augen und versuche mit geschlossenen Augen das Object mit dem Zeigefinger zu treffen; man wird nat\u00fcrlich links daneben vorbeifahren. Wenn man aber diese Versuche eine Weile fortgesetzt hat, oder noch schneller, wenn man die Hand in das Gesichtsfeld bringt und mit ihr kurze Zeit hindurch unter Leitung des Auges die Objecte betastet, so wird man finden, dafs man bei Wiederholung des erst beschriebenen Versuchs nicht mehr vorbeif\u00e4hrt, sondern die Objecte richtig trifft; ebenso auch neue Objecte, die man an Stelle der schon bekannten bringt. Hat man dies erreicht und versucht man nun, nachdem man die Hand aus dem Gesichtsfelde entfernt, die Prismen weggenommen und irgend ein Object angeblickt hat, dies bei geschlossenen Augen zu greifen, so wird man finden, dafs man jetzt mit der Hand rechts vorbeif\u00e4hrt, bis durch mehrere vergebliche Versuche die Beurtheilung der Richtung, in der die Augen stehen, wieder berichtigt ist.\u201c\nMir gelingt der Versuch auch bei ge\u00f6ffneten Augen, wenn ich nur die Hand schnell von aufserhalb des Gesichtsfeldes zu-greifen lasse. Auch wird man sich leicht davon \u00fcberzeugen, dafs obenstehender Versuch ebenso leicht gelingt, wenn man stets das eine Auge, zum Beispiel das linke, geschlossen h\u00e4lt; ob die rechte oder die linke Hand zum Treffen der Objecte ge*","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Anpassung.\n97\nbraucht wird, macht auch dann keinen Unterschied. Man hat dabei den Vortheil, dafs jetzt im unocularen Sehen besser mit st\u00e4rkeren Prismen experimentirt werden kann, womit die Ergebnisse schlagender werden. N\u00f6thig scheint mir das, weil ich bei dem im folgenden Abschnitt erw\u00e4hnten Versuch ein ganz anderes Resultat als Helmholtz bekomme. Es heifst da:\n\u201eDafs hierbei nicht etwa das Muskelgef\u00fchl der Hand und die Beurtheilung von deren Ort, sondern die Beurtheilung der Blickrichtung gef\u00e4lscht wird, ergiebt sich daraus, dafs, wenn man, durch die Prismen blickend, sich gew\u00f6hnt hat, mit der rechten Hand die gesehenen Objecte zu treffen, und man die mit der rechten Hand ber\u00fchrten Objecte nun bei geschlossenen Augen mit der linken, vorher gar nicht benutzten und nicht im Gesichtsfelde gewesenen Hand zu treffen sucht, man sie ganz sicher und richtig trifft. Man bestimmt also in einem solchen Falle durch das Tastgef\u00fchl den Ort vollkommen richtig, und weifs ihn nach dieser Angabe durch ein anderes tastendes Organ sicher zu finden.\nDie Meinung in diesem zweiten Versuch ist doch offenbar, dafs die Prismen nicht weggenommen werden. Meine Erfahrung, bei Verschlufs des einen, zum Beispiel des linken, Auges und Vorhaltung eines Prismas von 36\u00b0 vor das andere, ist diese, dafs wenn ich den richtigen Gebrauch meiner rechten Hand gelernt habe, so dafs ich damit nicht mehr fehle, die noch nicht ge\u00fcbte linke Hand sehr grofse Mifs-griffe macht; und, wenn ich nur die linke Hand gebraucht hatte, umgekehrt.\nEs ist daher ganz gewifs bei mir nicht die Beurtheilung der Blickrichtung, die gef\u00e4lscht (das heifst: ver\u00e4ndert und dem Sehen mit dem Prisma angepafst) wird. Hinsichtlich dessen erw\u00e4hne ich noch folgende drei Versuche:\nVor meinem Schreibtisch sitzend, blicke ich ohne mich zu r\u00fchren w\u00e4hrend einer Viertelstunde verschiedene Objecte, die ich sehe, an, indem ich das eine Auge geschlossen halte und vor das andere ein Prisma von 36 0 gestellt habe. Nachdem ich das Brillengestell abgelegt habe, kann ich dann nichts Besonderes an meinen Augen oder an meiner Orientirung wahrnehmen: beide H\u00e4nde greifen normal.\nAendere ich den Versuch in der Art, dafs ich beim Sehen\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 22.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\njUeddingius.\nmit dem Prisma immer die rechte Hand nach Objecten ins Blickfeld greifen lasse, so zeigt es sich nach dem Ablegen des, Prismas, dafs nur die rechte Hand fehlgreift, die linke dagegen normal geblieben ist.\nWiederhole ich den Versuch, mit den H\u00e4nden auf dem R\u00fccken vor einem Stuhl stehend, und versuche ich die Stuhlbeine immer mit dem rechten Fufse zu treffen, so zeigt es sich nachher, dafs nur dieser Fufs fehltritt, und dagegen der andere und auch die H\u00e4nde normal func-tioniren.\nWenn es nicht die \u201eBeurtheilung der Blickrichtung\u201c ist, die in diesen Versuchen gef\u00e4lscht wird, ist es dann \u201edas Muskelgef\u00fchl der gebrauchten Hand und die Beurtheilung von deren Ort\u201c, die gef\u00e4lscht sind ? Dar\u00fcber machte ich folgende Versuche:\nNachdem ich auf obengenannte Weise eine bedeutende Fehlweisung meines rechten Zeigefingers nach erblickten Objecten erhalten hatte, schlofs ich die Augen und versuchte \u00f6fters mit jenem Finger ziemlich schnell meine Nasenspitze zu ber\u00fchren. Das gelang mir jedesmal, wie sonst. Als ich meine Augen darauf wieder \u00f6ffnete, zeigte es sich, dafs die Fehlweisung nach erblickten Objecten noch immer bestand.\nNach gen\u00fcgender Uebung meines rechten Fufses beim Sehen durch das Prisma von 36 \u00b0, schlofs ich die Augen und versuchte zu gehen. Es machte sich nicht die geringste Gleichgewichtsst\u00f6rung merkbar. Nach Oeffnung der Augen bestand noch immer ein bedeutendes Fehltreten des einge\u00fcbten Fufses nach erblickten Objecten.\nDie Erkl\u00e4rung der in Frage stehenden Anpassung liegt somit in einer anderen Richtung.\nWenn ich nach Ablegen des Prismas ein Object ins Auge fasse, und dann schnell die gebrauchte Hand zugreifen lassen will, so tritt ein Innervationsi'mpuls ein.\nWie gew\u00f6hnlich f\u00fchle ich die psychische Wirkung jenes Impulses als die Gewifsheit, dafs meine Hand in demselben Momente das Object erreicht. Die psychische Wirkung des Impulses ist also normal geblieben.\nDennoch erreicht die Hand das Object nicht. Ein dem Zweck nicht entsprechender Contractionsgrad der gebrauchten","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Anpassung.\n99\nMuskeln zeigt an, dafs eine Abnormalit\u00e4t in der motorischen Wirkung des Impulses besteht.\nMeine zwei letztgenannten Versuche zeigen auch noch, dafs diese Abnormalit\u00e4t nur besteht in der motorischen Wirkung der Impulse, insofern diese in Beziehung auf optische Vorstellungen entstanden sind.\nIn welcher Zeit kann eine solche Aenderung in der motorischen Wirkung eines Impulses erzielt werden, und wie lange kann dieselbe bestehen bleiben?\nWenn ich mit der linken Hand experimentire, finde ich, dafs schon eine Uebung mit einem Prisma yon 36\u00b0 w\u00e4hrend einer Minute im Stande ist, eine kurz dauernde Anpassung zu bewirken. Nach Ablegen des Prismas brauche ich alsdann ungef\u00e4hr dieselbe Zeit, um, immer nach Objecten greifend, die Ver\u00e4nderung wieder ganz schwinden zu sehen.\nAls ich nach einem solchen Prismenyersuch, der zehn Minuten gedauert hatte, jetzt ohne die Anpassung zu constatiren, sofort den betreffenden linken Arm in eine Binde legte, und ihn eine Stunde sp\u00e4ter untersuchte, zeigte es sich, dafs die erworbene Anpassung noch immer bestand. Sie war jedoch schw\u00e4cher als eine frisch erhaltene. Ein Schlaf von acht Stunden nahm sie nicht fort, und sogar nach 36 Stunden, w\u00e4hrend ich die linke Hand sehr wenig gebraucht hatte, war noch ein Theil der Fehlweisung \u00fcbrig geblieben.\nEs k\u00f6nnte noch sein, dafs obengenannte Resultate nur durch Autosuggestion erhalten w\u00e4ren. Die Versuche sind jedoch so leicht ausf\u00fchrbar, dafs es mir nicht erw\u00fcnscht scheint, eine lange Reihe von Versuchen an anderen Personen anzustellen und hier mitzutheilen.\nIch k\u00f6nnte nur noch erw\u00e4hnen, dafs in einer Zeit yon zehn Minuten die Anpassung nicht immer in zureichendem Maafse erhalten werden kann. Bei einer anderen Person, die von den zu erwartenden Resultaten nichts wufste, und die mit dem Prisma von 36\u00b0 nur w\u00e4hrend zehn Minuten ihre linke Hand ge\u00fcbt hatte^ war, nach zwei Stunden Ruhe in einer Binde, eine deutliche Fehlweisung dieser Hand nicht wahrzunehmen. In einem zweiten Versuch, wobei das Prisma fast eine halbe Stunde lang getragen war, war jedoch nach zwei Stunden das Fehlgreifen uoch sehr deutlich. Drei Stunden sp\u00e4ter, w\u00e4hrend dessen die\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nReddingius.\nHand wieder normal gebraucht worden war, zeigte es sich, dafa die Abnormalit\u00e4t theilweise noch immer bestand. Die rechte Hand hatte sich stets als normal gezeigt.\nAufserdem stellte ich noch folgenden resumirenden Versuch an. W\u00e4hrend einer Stunde machte ich, mit meinem rechten Auge durch das Prisma blickend, die Uebungen mit H\u00e4nden und F\u00fcfsen. In der ersten Viertelstunde stand das Prisma mit seinem brechenden Winkel nasalw\u00e4rts gekehrt, in der zweiten stand der Winkel oben, in der dritten temporalw\u00e4rts, und in der vierten unten. In jenen vier Zeitabschnitten wurden respective der rechte Fufs, die rechte Hand, der linke Fufs und die linke Hand ge\u00fcbt. So wie zu erwarten war, zeigte es sich nachher, dafe gleichzeitig meine rechte Hand zuviel nach unten, meine linke zuviel nach oben, mein rechter Fufs zuviel nach rechts, mein linker Fufs zuviel nach links von den angeblickten Objecten, nach denen gezielt wurde, vorbei gingen.\nEs besteht also eine Potenz, welche die w\u00e4hrend einiger Zeit unzweckm\u00e4fsig sich \u00e4ufsernde Wirkung eines bestimmten Impulses, in zweckm\u00e4fsi-gen Sinn, allm\u00e4hlich und auf eine gewisse Zeit, \u00e4ndern kann.\nAuf eine solche Aenderung (Verst\u00e4rkung oder Herabsetzung) in der Divergenzbewegung unserer Augen f\u00fchrte ich (Das sensu-motorische Sehwerkzeug, Engelmann, Leipzig 1898) einige merkw\u00fcrdige Erscheinungen zur\u00fcck.\nEine solche Anpassung scheint mir auch die zu sein, welche das Gef\u00fchl der Erm\u00fcdung hintan halten kann. Wenn ich in kurzer Zeit die Muskelkraft meines rechten Arms sogenannt st\u00e4rke, und es mir gelingt, einen Eisenstab, den ich Anfangs nur 7 mal rasch hinter einander heben konnte, nach 14 t\u00e4giger Uebung 75 mal zu heben, dann habe ich nicht den Umfang meiner Armmuskeln in dem entsprechenden Maafse vergr\u00f6fsert, auch hat nicht mein Wille die F\u00e4higkeit bekommen zehnmal mehr Impulse zu geben, sondern die Wirkung der Impulse ist vergr\u00f6ssert worden. Jeder der ben\u00f6thigten einzelnen Impulse kann jetzt schw\u00e4cher sein als fr\u00fcher, und das Eintreten der Erm\u00fcdung kann weiter hinausgeschoben werden. Die Ersch\u00f6pfung nach starken Impulsen, nicht die starken Con-tractionsgrade der Muskeln geben das Gef\u00fchl der Erm\u00fcdung.\n(Eingegangen am 4. October 1899.)","page":100}],"identifier":"lit31161","issued":"1900","language":"de","pages":"96-100","startpages":"96","title":"Eine Anpassung","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:16:48.626291+00:00"}

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