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A. Rollett: Beiträge zur Physiologie des Geruchs, des Geschmacks, der Hautsinne und der Sinne im Allgemeinen. Mit 1 Textfigur. Pflüg. Arch. 74, 383-465. 1899

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{"created":"2022-01-31T16:16:59.670329+00:00","id":"lit31187","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22: 201-207","fulltext":[{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\nA. Bollbtt. Beitr\u00e4ge sur Physiologie des Geruchs, des Geschmacks, der Haut-staue und der Sinne im Allgemeinen. Mit 1 Textfigur. Pfl\u00fcg. Arch. 74, 383\u2014465. 1899.\nDie vorliegende umfangreiche Abhandlung enthalt eine F\u00fclle werthvoller Mittheilungen, durch welche manche der vielen noch offenen Fragen auf den Gebieten der sogenannten niederen Sinne ihrer Entscheidung um ein Betr\u00e4chtliches n\u00e4her gef\u00fchrt sein d\u00fcrften, w\u00e4hrend f\u00fcr die L\u00f6sung anderer neue Gesichtspunkte er\u00f6ffnet werden.\nDer Verfasser behandelt zun\u00e4chst die Wirkung von Chloroform und Aether als peripherischer Sinnesreize auf den Geruch, den Geschmack und die Hautsinnesnerven. Den Ausgang der Untersuchungen bot die gelegentlich gemachte Beobachtung des \u201eolfacto rischen oder nasalen Schmeckens\u201c von Chloroform bei totaler, durch Schnupfen erworbener oder k\u00fcnstlich erzeugter Anosmie. \u201eBei normaler Function des Riechorgans wird beim Einziehen von Chloroform . . . gleichzeitig der \u00e4therische Geruch und der s\u00fcfse Geschmack des Chloroforms . . . wahrgenommen. Im Falle von Anosmie dagegen nur der s\u00fcfse.\u201c Die Versuche wurden sp\u00e4ter auch mit reinem Aether vorgenommen und ergaben, dals bei Anosmie nur der bittere Geschmack des Aethers hervortritt, w\u00e4hrend bei normalem Geruchsorgan gleichzeitig eine Geruchsempfindung entsteht.\n\u201eMan kann aber auch unter normalen Verh\u00e4ltnissen den Geruch des Chloroforms oder des Aethers isolirt zur Wahrnehmung bringen. Aufiser auf den Geruch und Geschmack wirken aber das Chloroform und der Aether auch in mehrfacher Weise auf Hautsinnesnerven, und verdient ihre K\u00e4lte-empfindung erzeugende Wirkung namentlich im Vergleiche mit der von Goldschkideb studirten Wirkung des Menthols und ebenso ihre brennende 8chmerz erzeugende Wirkung eine genauere Beachtung, als diese Wirkungen bisher gefunden haben.\n1. Chloroform. DerVerf. erinnert zun\u00e4chst an die \u00e4lteren Versuche Stich\u2019s und Vixtschgau'b, sowie an die Mittheilungen von Beauxis, Zwaabdk-makkb, Ellbnbebgeb, Goldscheideb und theilt dann den folgenden eigenen einfachen Versuch mit: \u201eBewegt man, w\u00e4hrend der Mund vollst\u00e4ndig geschlossen ist, ein rundes, etwa 4,5 cm weites und 2,5 cm hohes, mit etwas Chloroform gef\u00fclltes Glassch\u00e4lchen rasch von rechts nach links und umgekehrt unter dem vordersten Theil der Nase vorbei, etwa so, dafs der zugekehrte Rand des Sch\u00e4lchens mit der vordersten Grenze des Nasenloches mtsammenf\u00e4llt, und zieht dabei nur ganz leicht die Luft in die Nase ein,","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nBesprechungen.\nso nimmt man den \u00e4therischen Geruch des Chloroforms sehr bald ganz deutlich wahr und hat, ich sage kaum, eine andere Empfindung dabei, wenn man das Sch\u00e4lchen dann alsbald wieder entfernt.\u201c Um den Versuch zu verbessern und auf ein einziges Nasenloch zu beschr\u00e4nken, construirte der Verf. einen einfachen Apparat, der im wesentlichen aus einem zweckm\u00e4lsig gebogenen Glasrohr besteht, welches an einem Ende in einen Trichter abergeht, der in ein mit wenig Chloroform gef\u00fclltes Sch\u00e4lchen taucht (Von dem Apparat ist eine Zeichnung beigegeben.) Die Trennung des Chloroformgeruchs von seinen sonstigen Wirkungen schreibt der Verf. der sehr niedrigen Reizschwelle des Chloroforms f\u00fcr das Geruchsorgan zu. Die Bestimmung des Olfactienwerthes des Chlorforms mit Zwaakdk-m am kb,1\"a Olfactometer scheiderte an dem Umstande, dafs f\u00fcr das Chloroform kein geruchloses Verd\u00fcnnungsmittel gefunden werden konnte. Bei tieferem Einziehen des Chloroforms in die Nase entstanden der Reihe nach folgende Empfindungen: Geruch, vor\u00fcbergehend leichte K\u00e4lte, eine alle anderen Empfindungen verdr\u00e4ngende S\u00fcfsempfindung, wiederum K\u00e4lte und gleichzeitiges Brennen, das schliefslich dominirt. Die K\u00e4lte glaubt der Verf. in den hinteren Theilen der Nase, im Rachen und an der hinteren Fl\u00e4che des weichen Gaumens zu localisiren, die S\u00fcfsempfindung an den letzteren Orten, das Brennen in den vorderen Nasentheilen im Naseneingang, im Rachen und dem hinteren Theile des weichen Gaumens. Werden die Versuche bei Anosmie angestellt, so bleibt nur die Geruchsempfindung aus, die \u00fcbrigen Empfindungen treten in der gleichen Reihenfolge und in derselben Intensit\u00e4t auf. Zieht man bei zugehaltener Nase die Chloroformd\u00e4mpfe direct durch den Mund ein, so tritt nach einem leisen K\u00e4ltegef\u00fchl eine von vorn nach hinten fortschreitende und an Intensit\u00e4t zunehmende S\u00fcfsempfindung (intensiver als bei den fr\u00fcheren Versuchen) im ganzen Mundraum auf, zu der sich beim Abklingen ein leises Brennen gesellt, das schliefslich die S\u00fcfsempfindung \u00fcberdauert Die Reactionszeiten der erw\u00e4hnten Empfindungen ordnen eich (ohne dafs jedoch der numerische Werth der einzelnen Zeiten exact bestimmt wurde) vom kleinsten bis zum gr\u00f6fsten Werthe so: \u201ea) f\u00fcr GeruchBempfindung, b) f\u00fcr K\u00e4lteempfindung, c) f\u00fcr Geschmacksempfindung, d) f\u00fcr Schmerzempfindung.\u201c Verf. fand, dafs sich die Geschmacksempfindung \u00e4hnlich entwickelt, wie dies \u00d6hbwall beschrieben hat. Ebenso wurde die Reactionszeit f\u00fcr Empfindungen von Hautsinnesnerven, f\u00fcr die tactile Empfindung und die K\u00e4lteempfindung; \u00fcbereinstimmend mit \u00d6hbwall, k\u00fcrzer als die f\u00fcr die Geschmacksempfindung gefunden. Die Reactionszeit f\u00fcr die Geschmacksempfindung ist \u201eihrem Werthe nach eingeschaltet zwischen den Reactionszeiten f\u00fcr die tactile Empfindung und die K\u00e4lteempfindung einerseits und der viel gr\u00f6fseren Reactionszeit einer anderen Hautsinnesempfindung, der des Brennens, andererseits\u201c. Unter tactiler Empfindung versteht der Verf. die beim Aufsetzen eines mit Chloroform getr\u00e4nkten Haarpinsels entstehende Ber\u00fchrungsempfindung. Die Pinselversuche wurden auf verschiedene andere K\u00f6rper-theile (Zungenspitze, Roth der Unterlippe, Haut der unteren Augenlider, Conjunctiva derselben, Haut der Stirn, K\u00f6pfchen der Mittelhandknochen, Handteller ausgedehnt. An allen diesen Stellen ruft das Chloroform nahezu die gleiche K\u00e4lteempfindung, aber eine sehr verschiedene Schmerzwirkung","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n203\nhervor. \u201eDiese Wirkung des Chloroforms ist nur zu verstehen, wenn wir voraussetzen, dafs es sich dabei um die Erregung von zweierlei verschiedenen Nerven durch zweierlei verschiedene Reize handelt.\u201c Im ersten Falle werden die K\u00e4ltenerven gereizt. Die Wirkung ist eine hier dynamische. Insofern das an der Haut verdunstende Chloroform derselben W\u00e4rme ent zieht und so die Temperatur sinkt, wird die hierdurch entstehende K\u00e4lteempfindung durch einen wirklich calorischen Reiz erzeugt. Im zweiten Falle werden andere, von den K\u00e4ltenerven verschiedene Nerven gereizt und die Wirkung des Chloroforms ist hier eine substantielle, insofern dasselbe von der Haut absorbirt zu einem chemischen Reize wird. \u201eDiese zweite Wirkung ist in hohem Grade abh\u00e4ngig von der Besonderheit der Nervenendigungen, ihrer Vertheilung und den \u00fcber denselben liegenden Deckgebilden, welche an verschiedenen Stellen der Haut wieder verschieden sind.\u201c Hervorzuheben ist noch, dafs an manchen Stellen der K\u00e4lteempfln-dung eine leise W\u00e4rmeempfindung folgte, die der Verfasser aber nicht als eigentliche W\u00e4rmeempfindung ansieht. \u201eWir kommen hier auf einen sehr schwierigen Gegenstand. Leises Brennen, also eine Empfindung, die durch immer mehr und mehr herabgesetzte Erregung derjenigen Hautsinnes nerven, die nur auf der H\u00f6he der Erregung schmerzhaftes Brennen verur Sachen, entstehenden gedacht werden mufs, fliefst im Inhalte unserer Em pfindungen zusammen mit W\u00e4rmeempfindung und ist von der letzteren kaum mehr zu unterscheiden.\u201c Erinnert wird an von Frey\u2019s Angaben \u00fcber calorische Empfindungen {Leipziger Berichte 1895, S. 171). Verf. verweist auf verschiedene Qualit\u00e4ten der Schmerzempfindung (Temperatur-, W\u00e4rmeschmerz) und f\u00e4hrt fort: \u201eLeichte, brennende Empfindung, durch W\u00e4rmereiz auf Hautstellen hervorgerufen, die keine W\u00e4rme empfinden, h\u00e4tte die Bedeutung, dafs der durch diesen Reiz hervorgerufene Schmerz ohne eine neben derselben vorhandene W\u00e4rmeempfindung in einer qualitativ besonderen Weise, n\u00e4mlich als brennender Schmerz, wahrgenommen wird. Unsere Beobachtungen \u00fcber die Wirkung des Chloroforms zeigen, dafs durch dieses Mittel, welches gleichfalls keine W\u00e4rmeempfindung hervor-ruft\u00bb. .. eine ganz \u00e4hnliche Schmerzqualit\u00e4t hervorgerufen wird. Das sind sehr bemerkenswerthe Thatsachen.\u201c\n(Ref. erlaubt sich hier die Bemerkung, ob nicht die zuweilen der K\u00e4lteempfindung folgende fragliche W\u00e4rmeempfindung vielleicht durch die substantielle Wirkung des Chloroforms auf ein f\u00fcr den Angriff des Reizes besonders g\u00fcnstig gelegenes W\u00e4rmeorgan ausgel\u00f6st werden d\u00fcrfte. Der Reiz w\u00e4re dann ein inad\u00e4quater chemischer und der Effect, ohne dafs die Vorg\u00e4nge als gleich aufgefafst werden, doch \u00e4hnlich dem, den man bei sonst inad\u00e4quater Reizung beobachtet; denn wir werden wohl in allen diesen F\u00e4llen an eine moleculare Ver\u00e4nderung \u00e4hnlicher Art denken d\u00fcrfen. Im Uebrigen erkennt der Ref. durchaus die vom Verfasser hervor* gehobenen Schwierigkeiten an, Schwierigkeiten, auf die gar nicht (genug aufmerksam gemacht werden kann.)\nDer Verf. stellte ferner Versuche \u00fcber die Localisation der Geschmacksempfindung und die Ausdehnung des Geschmacksfeldes mittels Chloroform an und konnte die von Urbantschitsch und Kiesow angegebene Ausdehnung der Schmeckfl\u00e4chen innerhalb des Mundraums best\u00e4tigen. Die Versuche","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nBesprechungen.\nwurden mittels eines Hornl\u00f6ffels angestellt, in dem ein mit Chloroform getr\u00e4nktes St\u00fcck Lampendocht befestigt war. Der L\u00f6ffel wurde in den Mundraum gef\u00fchrt, ohne Zunge und Gaumen zu ber\u00fchren. Weitere Versuche ergaben, \u201edafs das nasale Schmecken von Chloroform auf der hinteren Fl\u00e4che des weichen Gaumens zu Stande kommt und nicht in der Mundh\u00f6hle\u201c. Dieser Befund wurde weiter best\u00e4tigt bei Anwendung der zuerst von Edgewobth erkannten, von Hooper, Shore und Kirsow n\u00e4her untersuchten Wirkung der Gymnemas\u00e4ure.\nII.\tAether. Unter gleichen Bedingungen mit Aether angestellte Versuche ergaben, dafs der Aether neben der Geruchsempfindung gleichzeitig einen bitteren Geschmack erzeugt. F\u00fcr die Localisation dieses bitteren Geschmacks gilt dasselbe, was f\u00fcr die S\u00fcfsempfindung bei Chloroform gefunden wurde. Verf. discutirt die Arbeiten Zwaardemakeb\u2019s , Stich's, Valentin\u2019s, Goldschkider\u2019s, Unna\u2019s. Controlversuche mit Cocain (V. Aducco u. U. Mosso, Kiesow) f\u00fchrten zu demselben Ergebnifs. \u201eDas Ber\u00fchrungs-gef\u00fchl ist nicht aufgehoben, und auch das K\u00e4ltegef\u00fchl, welches der Aether hervorbringt, ist anscheinend ganz unbeeintr\u00e4chtigt. Diese letztere Beobachtung stimmt mit den Angaben von Kiesow \u00fcberein, nicht aber mit jenen von Goldscheider, der eine v\u00f6llige An\u00e4sthesie f\u00fcr kalt als Cocainwirkung auf die Mundh\u00f6hle angiebt. Dagegen finde ich, dafs das zuerst durch Aether hervorgerufene Brennen nicht oder nur sehr schwach zu f\u00fchlen ist.\u201c \u201eDie Reactionszeiten f\u00fcr die durch Aether hervorgerufenen Geruchs-, K\u00e4lte-, Geschmacks- und Schmerzempfindungen verhalten sich so wie bei den durch Chloroform hervorgerufen Empfindungen.\u201c Auch der Aether wirkt dynamisch und substantiell, er leistet ebenso wie das Chloroform gute Dienste f\u00fcr die Localisation der Geschmacksempfindungen und die Ausdehnung der Geschmacksfelder.\nIII.\tBeobachtungen \u00fcber und nach Anosmieen. Der Verf. beschreibt eine an sich durch zu grofsen Zusatz von Kaliumpermanganat zu 0,76% NaCl-L\u00f6sung (ABONSOHN\u2019scher Versuch) hervorgerufene Anosmie. Dieser Versuch wurde Ende Februar 1897 an gestellt. Vollst\u00e4ndig wiedergekehrt war die bis dahin normale Geruchssch\u00e4rfe des Verfassers noch nicht am 11. Januar 1899. Interessant sind die w\u00e4hrend dieser Zeit ange-stellten Beobachtungen und die hieraus gezogenen Schlu\u00dffolgerungen, die der Verf. zur \u201esogenannten\u201c specifischen Energie des Geruchsorg&ns in Beziehung setzt. Er kommt zu dem Resultat, dafs seine Befunde zu Gunsten der Anschauung sprechen, welche auch f\u00fcr die Geruchsnerven specifisch verschiedene Endorgane annimmt.\nIV.\tUeber die Wirkung des Menthols auf die Hautnerven. Der Verf. findet die Angaben Goldscheideb\u2019s best\u00e4tigt. Das Menthol bewirkt eine Empfindung der K\u00fchle und eine solche des Brennens. Die K\u00e4ltewirkung des Menthols ist eine andere als die des Chloroforms und Aethers. Verf. stimmt Goldscheidkb\u2019b Behauptung zu, nach welcher dieselbe nicht auf Abk\u00fchlung der Haut durch Verdunstung der Substanz zu-r\u00fcckgef\u00fchrt werden kann.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n205\nV. Einige theoretische Betrachtungen zur Sinnesphysio* logie. (Idiotropie der Neuren.l) In diesem \u00f6. Abschnitte der Arbeit entwickelt der Verfasser seine Anschauungen \u00fcber die peripheren Endigungen specifisch functionirender Nerven, \u00fcber die functioneile Verschiedenheit der Nerven und die specifische Energie der Sinnesnerven.\nUnter Hinweis auf die einschl\u00e4gige Literatur (Golgi, Ramon y Cajal, K\u00f6lliker, Retzids, Walde yer, Lenhosskk, van Gehdchten, Bechterew, Deiters, Nissl, Engklmann etc.) f\u00fchrt der Verf. aus, dafs die allgemeine Nerven-phyeiologie vor der Kenntnifs der durch jene Forscher aufgedeckten Verh\u00e4ltnisse auf Versuche gebaut war, die an normaler Weise einsinnig leitenden motorischen Nerven, mit verschiedenen Scheiden versehenen Axonenb\u00fcndeln, angestellt waren, deren Ergebnisse man dann auf entgegengesetzt leitende Axonenb\u00fcndel, die sensiblen Nerven zu \u00fcbertragen suchte. Man ist hierbei von zu einfachen morphologischen Vorstellungen geleitet worden. Der Verf. sucht sodann auf Grund der phylogenetisch-ontogenetischen Entwickelung eine Anschauung zu entwickeln, bei der alle zu einem Sinnesorgan geh\u00f6rigen Theile, der peripherische Aufnahmeapparat, die Neuren-leitung von diesem zum Centrum und das Centralorgan selbst ber\u00fccksichtigt werden. \u201eDas Protoplasma\u201c (das in einer stabilen und in einer sich aufserordentlich leicht variirenden Form auftritt) \u201eist der Generator aller der mannigfachen organisirten lebendigen Elementartheile der verschiedenartigen Gewebe des K\u00f6rpers.\u201c Die F\u00e4higkeit auf Reize zu reagiren verdankt das Protoplasma seiner Erregbarkeit. Dieser Vorgang ist so zu definiren, \u201edafs qualitativ und quantitativ bestimmte Energien, die k\u00fcnstlich gesetzten Reize, qualitativ und quantitativ andere Energien der lebendigen Substanz ausl\u00f6sen\u201c. Als Beispiel f\u00fcr die weitere Entwickelung seiner Lehre f\u00fchrt der Verf. das von von Lenhossek untersuchte Nervensystem des Regenwurms und die von Retzi\u00fcs studirten oligoch\u00e4ten und polych\u00e4ten W\u00fcrmer und Mollusken an. Hier ist eine bipolare Zelle als erstes Neuron. \u201eWelchen besonderen Reizen sich die Sinneszellen (das erste Neuron) bei diesen niedrig stehenden Thieren angepafst haben m\u00f6gen, k\u00f6nnen wir nur vennuthen; aber als sehr wahrscheinlich m\u00fcssen wir annehmen, dafs die fr\u00fcher angef\u00fchrten sogenannten allgemeinen Reize f\u00fcr das Protoplasma, wenn auch nicht auf alle, so doch auf die meisten Theile des Neurons wirksam geblieben sind, weswegen sie nun auch als allgemeine Nervenreize za bezeichnen sind.\u201c In der Anlage h\u00f6herer Sinnesorgane kehren in das Epithel der Oberfl\u00e4che bipolare Zellen als erstes Neuron wieder. Die Anschauungen werden am Geruchsorgan entwickelt, des weiteren dann am 8eh-, Geh\u00f6rs- und Geschmacksorgan. Beim Geruchssinn sind die Max ScHULZE\u2019schen bipolaren Nervenzellen das erste Neuron. \u201eDas Endb\u00e4umchen dieses Neurons bildet zusammen mit dem Endb\u00e4umchen eines absteigenden Fortsatzes einer Mitralzelle den Glomerulus, in welchem diese zweierlei Endb\u00e4umchen, ohne eine directe Verbindung einzugehen, in einander geschoben, dicht beisammen liegen. Ein aufsteigender Fortsatz der Mitralzelle (zweites Neuron) bildet dann wieder ein Endb\u00e4umchen, welches mit dem eines weiteren Neurons vergesellschaftet ist, und so fort\n1 Neuren wird stets als Plural von Neuron gebraucht.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nBesprech ungen.\nbis zu f\u00fcnf Neuren, von deren physiologischen Bedeutung hier nur erw\u00e4hnt werden soll, dafs darunter auch die psychoneuronischen Zellen des Riechcentrums sich befinden.\u201c Stark angefochten wird die Lehre von der dynamischen Polarisation der Nervenelemente und die Bedeutung der Axen-cylinder und Dentriten klar zu legen versucht. \u201eDas Neuron hat die F\u00e4higkeit sich gegebenen Bedingungen sowohl mit Reiz empfangenden als auch mit Reiz \u00fcbertragenden Forts\u00e4tzen anzupassen. Es geschieht das je nach den durch die Entwickelung des Organismus bedingten r\u00e4umlichen Anordnungen mit bald k\u00fcrzeren, bald l\u00e4ngeren,. bald sehr langen Forts\u00e4tzen, welche sich in Nervenfasern umbilden und dadurch eine von den Dentriten abweichende Beschaffenheit erwerben ; das Ende dieser Forts\u00e4tze bildet gew\u00f6hnlich ein Telodendrion, aber nicht immer, es k\u00f6nnen namentlich die Reiz empfangenden Forts\u00e4tze einfach und in besonderer Weise weiter differenzirt auftreten.\u201c In diesem doppelten Anpassungsverm\u00f6gen der Neuren erkennt der Verf. einen Hinweis darauf, dafs das doppelsinnige Leitungsverm\u00f6gen schon im Neuron vorhanden und von da auf den Nerven-fortsatz \u00fcbergegangen ist.\nDer Verf. behandelt sodann die Anpassung der Neuren an den ad\u00e4quaten Reiz und die Ausbildung der Idiotropie der Neuren (zun\u00e4chst wieder an der Hand des Geruchsorgans). Der erste Anstofs zur Differenzirung geht stets von der Aufsenwelt aus. \u201eDie ad\u00e4quaten Reize f\u00fcr das Geruchsorgan sind die Riechstoffe, sie wirken durch ihre chemischen Affinit\u00e4ten.\u201c Geruchs- und Geschmackssinn sind chemische Sinne. \u201eIn dem ersten Neuron des Geruchsorgans hat sich ein specifisches Gewebeelement von bestimmter Idiotropie ausgebildet.\u201c \u201eDie Anpassung hat beim Geruchsorgan anf\u00e4nglich an gewisse Nahrungs- und Zersetzungsger\u00fcche stattgefunden, und es ist sehr wahrscheinlich, dafs dabei allm\u00e4hlich eine Auswahl und Sonderung der, gewissen Qualit\u00e4ten angepafsten, Apparate stattfand, so dafs nur die zahlreichen Ger\u00fcche gruppenweise gesondert erscheinen, so viel als noth-wendig ist, um uns \u00fcber m\u00f6glichst viele verschiedene Ger\u00fcche zu orien-tiren.\u201c Die bestimmte Energieform der ad\u00e4quaten Reize steht aber zu den in den Endapparaten auftretenden Energien nur im Verh\u00e4ltnifs einer ausl\u00f6sen-den zur ausgel\u00f6sten Energie. Die Form der letzteren mufs dem die Erregung fortleitenden Theil des Neurons zug\u00e4nglich bleiben. Eine neue Ausl\u00f6sung mufs sich stets an der Grenze zweier Neuren wiederholen. Dei eigenartige idiotrope Vorgang im Endorgan ruft nun im ganzen Neuron eine derartige idiotropische Umbildung hervor, dafs nicht nur der nichl prim\u00e4r dem ad\u00e4quaten Reize angepafste Theil desselben bestimmte Eigen arten erwirbt und in eigenartiger Weise die Vorg\u00e4nge an der Grenze zweiei und in neuen Neuren bestimmt, sondern dafs schliefslich auch nicht ad \u00e4quate Reize den der Idiotropie des specifisch entwickelten Gewebeelementei entsprechenden Vorgang ausl\u00f6sen. \u201eMit der Annahme einer Idiotropie de; erregbaren Substanzen w\u00e4re aber eine materielle Grundlage f\u00fcr die speci fische Energie der Sinnesnerven gewonnen. Und dasselbe genetisch\u00ab Princip w\u00fcrde dann sowohl die Modalit\u00e4ten der verschiedenen Sinne, &li auch die Qualit\u00e4ten des einzelnen Sinnes umfassen/'\nEs folgen weitere allgemeine Erw\u00e4gungen \u00fcber den Geschmackssinn sowie \u00fcber das Gesicht, das Geh\u00f6r und die Hautsinne. \u201eAuch die Endet","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n207\nder Geschmacksnerven haben sich chemischen Beizen in besonderer Weise sngepafst.\u201c (Bef. hofft dies nach einer noch nicht abgeschlossenen Untersuchung demn\u00e4chst zeigen zu k\u00f6nnen.) Die Lage etc. der Geschmackszellen sch\u00fctzt die Enden der Nerven vor mechanischen Beizen. (Dafs die Geschmacksorgane auf mechanische Beize nicht ad\u00e4quat reagiren, wurde k\u00fcrzlich vom Bef. wahrscheinlich gemacht.) Die Annahme von besonderen Schmerznerven h\u00e4lt der Verf. nach von Fbey\u2019s Forderungen f\u00fcr geboten: Nachweis zweier Beizschwellen f\u00fcr Druck- und Schmerzpunkte, schmerzfreie Stellen (Kiesow, von Fbey) bei erhaltener Druckempfindlichkeit, zahlreiche pathologische Beobachtungen etc.\nVI. Ueber die chemische Erregung der Hautnerven, besonders durch Chloroform, Aether und Menthol. Chloroform and Aether treffen wie andere chemische Beize die Schmerznerven. Ebenso reizt Menthol die Schmerznerven und nicht die Temperaturnerven. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Temperaturschmerz gewidmet. Der durch K\u00e4lte erzeugte Schmerz ist qualitativ verschieden von dem durch W\u00e4rme hervorgerufenen. \u201eDie Entscheidung der Frage, ob es qualitativ verschiedene Schmerznerven gebe, wof\u00fcr die duale Wirkung des Menthols und die besondere Zug\u00e4nglichkeit verschiedener Hautstellen einmal f\u00fcr die eine, das andere Mal f\u00fcr die andere Mentholwirkung sehr zu sprechen scheint, mufs ich mir f\u00fcr sp\u00e4ter aufbehalten.\u201c\nBef. erlaubt sich noch hinzuzuf\u00fcgen, dafs er im Begriffe war, eine Arbeit \u00fcber das nasale Schmecken niederzuschreiben, als ihm die Arbeit von Herrn Bollett in die H\u00e4nde kam. Er unterliefe die Niederschrift, weil er in seinen Besultaten einen Zusammenhang zu den von Disse in der Nasenschleimhaut einiger S\u00e4uger entdeckten Gebilden zu sehen glaubte und die Entstehung des nasalen Schmeckens daher abweichend von Herrn Bollett entweder in der Nasenschleimhaut selbst oder im oberen, Bachenraum ver-mnthete. Die Versuche konnten, da der Bef. vom Laboratorium abwesend war, nicht nochmals durchgepr\u00fcft werden. Sie waren aufser auf Chloroform und Aether auch auf S\u00e4uren und Mischungen von Substanzen ausgedehnt und werden nach der B\u00fcckkehr ins Labaratorium wieder aufgenommen und danach publicirt werden. Der Verf. sagt gelegentlich des nasalen Schmeckens selbst: \u201eEs ist mir durch vergleichende Versuche mit Chloroform und Aether zweifelhaft geworden, ob nicht auch dem bei sehr leichtem Einziehen der Luft doroinirenden \u00e4therischen Geruch beider Substanzen schon eine an sich kaum merkliche S\u00fcfs- oder Bitterempfindung beigemischt ist, die mitbestimmend auf unser Urtheil \u00fcber das, was wir wahrnehmen, wirkt.\u201c Diese S\u00fcfsempfindung ist viel intensiver bei vielen Bl\u00fcthen (Lindenbl\u00fcthen, s\u00fcfsen Erbsen etc.). Sehr deutlich tritt diese Erscheinung bei S\u00e4uren auf. (Vergl. einen k\u00fcrzlich in dieser Zeitschr. vom Bef. mitgetheilten Bericht \u00fcber die Arbeit Zwaardkma\u00e4er\u2019s : \u201eTast- en smaakgewaarwordingen bij het ruiken\u201c). Einer vom Verf. ver-heifsenen Ver\u00f6ffentlichung einer histologischen Untersuchung des weichen Gaumens sehen wir mit dem allergr\u00f6fsten Interesse entgegen.\nKiesow (Turin).","page":207}],"identifier":"lit31187","issued":"1900","language":"de","pages":"201-207","startpages":"201","title":"A. Rollett: Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Geruchs, des Geschmacks, der Hautsinne und der Sinne im Allgemeinen. Mit 1 Textfigur. Pfl\u00fcg. Arch. 74, 383-465. 1899","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:16:59.670335+00:00"}

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