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{"created":"2022-01-31T15:40:08.662101+00:00","id":"lit31190","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Heymans","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22: 221-223","fulltext":[{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n221\ngegen\u00fcber dagegen sich unempfindlich zeigen, kommt doch oft genug vor; auch w\u00e4re es keineswegs eine besonders schwierige Aufgabe, einen Apparat zu construiren, welcher beim Niederdr\u00fccken bestimmter (etwa durch Buchstaben, welche ein beliebiges Wort bilden, ausgezeichneter) Tasten eine furchtbare Explosion, beim Niederdr\u00fccken anderer Tasten dagegen andere, oder auch \u00fcberhaupt keine Wirkungen hervorbrftchte. Von diesem Fall aber w\u00fcrde sich, rein naturwissenschaftlich betrachtet, der vorliegende blos graduell unterscheiden; in dem Gehirn eines Menschen, der Sprechen und Lesen gelernt hat, hat ja die Erfahrung zahllose Verbindungen gestiftet, welche es keineswegs undenkbar erscheinen lassen, dafs die sensorischen Erregungen, welche verschiedenen Bnchstabencombinationen entsprechen, sehr ungleiche motorische Entladungen veranlassen k\u00f6nnen. \u2014 Stellt man sich schliefslich auf den Standpunkt des idealistischen Parallelismus, so fefet sich die 8ache ohne Schwierigkeit noch etwas weiter aufkl\u00e4ren. Nach diesem idealistischen Parallelismus sind n\u00e4mlich die gesetzm\u00e4fsig zusammenh\u00e4ngenden physischen Erscheinungen nichts weiter als unter bestimmten Bedingungen auftretende Wirkungen causal verbundener realer Processe, zu welchen auch die Bewufstseinsthatsachen geh\u00f6ren; sie verhalten sich also zu den realen Processen \u00e4hnlich wie Schattenbilder zu den entsprechenden materiellen Vorg\u00e4ngen nach naturwissenschaftlicher Auffassung. Nehmen wir nun etwa an, dafs einmal zwei in entgegengesetzter Richtung an einander vor\u00fcberfahrende Eisenbahnz\u00fcge, ein anderes Mal zwei auf einem Geleise sich begegnende und in Collision gerathende Z\u00fcge auf einen Riesenschirm ihre Schatten werfen, so werden die Schattenbilder vor der Ber\u00fchrung in dem einen Falle denjenigen in dem anderen Falle fast vollkommen gleich sein; im Momente der Ber\u00fchrung dagegen werden sie sich durchaus verschieden verhalten. Diese Incongruenz w\u00e4re deshalb begreiflich, weil sie nicht das Wesen der Sache, sondern nur eine relativ zuf\u00e4llige Abspiegelung derselben betr\u00e4fe; in gleicher Weise verstehen wir aber \u00e4hnliche Incon-gruenzen in der Natur, wenn wir dieselbe nach idealistischen Grunds\u00e4tzen als Erscheinung einer zum allergr\u00f6fsten Theil nicht erfahrbaren Realit\u00e4t erkannt haben.\nDie oben an zweiter Stelle erw\u00e4hnte Arbeit Paulsen\u2019s bezieht sich auf die B\u00fcsss\u2019sche Abhandlung, und vermag derselben, ebensowenig wie der KeL, irgendwelche Beweiskraft zuzuerkennen.\nHeyman8 (Groningen).\nTh. Ziehen. Psychophysiologische Erkeintiifitheorie. Jena, Fischer, 1898.\n106 8.\nDer Verf. versucht eine immanente Weltbetrachtung auf den Grund folgender Erfahrungsthatsachen aufzubauen: 1. Tast- bezw. Gesichtsempfin-dungen \u00e4ndern sich mit bestimmten anderen Tast- bezw. Gesichtsempfin-dungen ; 2. gleichzeitig und gleichr\u00e4umlich mit beliebigen Tastempfindungen treten oft bestimmte Gesichtsempfindungen auf und umgekehrt; 3. mit Ver\u00e4nderungen in den Tast- oder Gesichtsempfindungen, welche sich auf das Tast- bezw. Gesichtsorgan beziehet (\u00ab'-Empfindungen) gehen Ver\u00e4nderungen in den Tast- bezw. Gesichtsempfindungen \u00fcberhaupt einher;","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLiteraturberich t.\n4. jeder Ver\u00e4nderung einer Tast- bezw. Gesichtsempfindung entspricht eine Ver\u00e4nderung in den auf das betreffende Organ sich beziehenden \u00bb'\u25a0Empfindungen ; 5. den nach 4 auf Tastemfindungen zur\u00fcckfahrbaren Ver\u00e4nderungen in den auf das Tastorgan sich beziehenden Empfindungen entsprechen specielle Ver\u00e4nderungen der Tastempfindungen (Bewegungsempfindungen). Von diesen Thatsachen acceptire das nat\u00fcrliche Denken die 1. blofs approximativ; es gelange auf Grund der 2. zur Annahme von Dingen (Empfindungscomplexen), kenne die 3. und 4. \u00fcberhaupt nicht, und von der 5. nur die einfachsten F\u00e4lle. Das naturwissenschaftliche Denken gehe darauf aus, den in 1 angedeuteten, empirisch zahlreiche Ausnahmen erleidenden gesetzm\u00e4\u00dfigen Zusammenhang der Erscheinungen dadurch zu verallgemeinern, da\u00df es f\u00fcr die nicht darin passenden Empfindungen Dingvorstellungen substituirt; indem es aber diese Vorstellungen zu einer extrapsychischen Materie hypo-stasirt, und aufserdem die 3. Thatsache vollst\u00e4ndig vernachl\u00e4ssigt, sei es n\u00f6thig seine Ergebnisse einer Revision zu unterziehen. Dabei m\u00fcsse vor Allem die Alleinherrschaft der Gausalformel auf gegeben werden; neben derselben seien zwei andere, die Parallelformel und die Abstractionsformd, als gleichberechtigte Principien anzuerkennen. Der Causalformel ordnen sich nur die \u201ereducirten Empfindungen\u201c oder \u201eReductionsbestandtheile 4er Empfindung\u201c unter, welche dadurch gewonnen werden, dafs aus dem Weltbilde alle von v-Empflndungen abh\u00e4ngige Ver\u00e4nderungen eliminirt werden; diese reducirten Empfindungen, welche der \u201eWirklichkeit\u201c der naiven und naturwissenschaftlichen Auffassung entsprechen, seien aber noch immer psychischer Natur, nicht unbewufste Empfindungen sondern bewufste Bestandteile der bewufsten Empfindungen, wenn auch dem individuellen Ich niemals ohne die \u00ab'-components (den von den \u00bb'\u2022Empfindungen abh\u00e4ngigen Inhalt) gegeben. Indem nun des weiteren die reducirten Objectempfindungen auf die reducirten \u00bb\u2019-Empfindungen nach der Causalformel einwirken, erfahren sie von diesen nach der Parallelformel eine R\u00fcckwirkung, durch welche sie zu den gegebenen Objectempfindungen werden (\u2666'-Ver\u00e4nderung oder Individualisation); die gegebenen Objectempfindungen ihrerseits erzeugen endlich nach der AbBtractionsformel die zugeh\u00f6rigen einfachen Vorstellungen. Mit H\u00fclfe dieser drei Principien, deren Vielheit nicht weiter zu erkl\u00e4ren, sondern als gegeben hinzunehmen sei, versucht dann der Verf. s\u00e4mmtliche im Be-wufstseinsleben sich vorfindende Zusammenh\u00e4nge und Gesetzm\u00e4fsigkeiten zu ordnen. Er verwahrt sich dabei ausdr\u00fccklich gegen die naheliegende Auffassung seiner Lehre als Solipsismus; indem sowohl das eigene (durch die \u2666'-Empfindungen gegebene) wie das fremde Ich als Vorstellungen unter anderen Vorstellungen erkannt werden, komme beiden in gleichem Sinne Wirklichkeit zu. Die Bedeutung aber der Reductionsvorstellupgen liege aus-schliefslich darin, dafs sie die allgemeinsten Vorstellungen der Empfin* d\u00fcngen und Empfindungsbeziehungen sind, Abstractions- und Associations* producte, welche dem Gegebenen angepa\u00dft worden sind, denen aber in keinem anderen als diesem Sinne ein Reales entspricht: \u201eihre Bedeutung liegt in dem, was sie sind, und darin, dafs sie sind.\u201c Wie sich diese Auffassung der reducirten Empfindungen als blofse Abstractionen aus den concreten Wahrnehmungen mit dem fr\u00fcher behaupteten Zusammenwirken","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n223\nvon reducirten Object- und \u00bb'-Empfindungen vor der concreten Wahrnehmung vereinbaren lasse, ist dem Kef., trotz redlicher M\u00fche, nicht ganz klar geworden.\tHeymans (Groningen).\n\u00c2. Giahblu. Silit eredlt\u00e4 di alcuni fenomeii oiirici. Riv. Sper. di Freniatr.\n25 (2), 341\u2014362. 1899.\nIn den zahlreichen Schriften \u00fcber erbliche Uebertragung psychischer Eigent\u00fcmlichkeiten finden sich nur 3 vereinzelte Beobachtungen, die von dem Einfiufs der Vererbung auf das Traumleben handeln. Um so verwunderlicher ist es, dafs sich innerhalb zweier Jahre ein reichliches, derartiges Material bei dem Verf. eingestellt hat, von dem er nur 12 der bemerkenswertesten Beobachtungen heranzieht und mit den 3 fremden\u00bb Galton\u2019s, Giro\u00bb de Buzareingue\u2019s und eines Ungenannten vergleicht.\nIn den meisten F\u00e4llen handelt es sich um motorische Erscheinungen\u00bb von denen die Betreffenden nach dem Erwachen nichts mehr wissen; in wenigen F\u00e4llen um Sensationen, Visionen so lebhafter Art, dafs sie nach dem Erwachen noch eine Weile fortbestehen. \u2014 Fall 4, in welchem, wie bei Fall 15, die Wiegebewegungen der Kinder das Auff\u00e4lligste sind, ist darum besonders hervorzuheben, weil sie von dem willk\u00fcrlichen Akt des Vaters ausgehen, der das schreiende Kind damit beruhigen wollte. \u2014 Fall 2 spricht beim Vater von einer grofsen schwarzen Figur, die zum Fu&ende des Bettes schreitet und ihn mit gl\u00fchenden Augen anblickt; dieselbe Erscheinung hat sein 6j\u00e4hriger Knabe w\u00e4hrend und nach einem Typhus. \u2014 Fall 3. Ein 27 j\u00e4hriger Beamter erz\u00e4hlt, dafs er als Kind h\u00e4ufig von einem schwarzen Kater mit feurigen Augen getr\u00e4umt habe wie sein Vater, der (Alkoholist) im 48. Jahre an Apoplexie verstorben ist.\nWie in Fall 2 Schreck, so war in Fall 7 ein Sturz auf den Kopf die einmalige Veranlassung zu den abnormen Traumerscheinungen, die sich auf die Nachkommen \u00fcbertrugen. Uebrigens gesteht Verf., nicht ermitteln *u k\u00f6nnen, welches die Bedingungen seien, in Folge deren der Traum die F\u00e4higkeit gewinnt, sich fortzuflanzen. Bisweilen sind Fieberzust\u00e4nde, Ersch\u00f6pfung u. dgl. die Erreger, manche F\u00e4lle zeigen sich aber bei bestem Wohlsein der betheiligten Familien.\nDie Hypothese (Chabaneix), dafs alle Traumerscheinungen und krank* haften Aeufserungen des Unbewufsten auf Intoxication beruhen, ist mindestens zweifelhaft. Im Allgemeinen l\u00e4fst sich nur sagen, was von der Erblichkeit \u00fcberhaupt gilt, die organische Arbeit, vermittelst deren die verschiedenen psychischen Zust\u00e4nde sich dem Gehirn einpr\u00e4gen, bewirkt eine dauernde Modification des Gehirngewebes, die eine Uebertragung m\u00f6glich macht.\tFbaenkel (Dessau).\nW. V. Bechterew. Bewifstsftil nid HirnlOC\u00e4liMtiOA. Deutsch von R. Weinberg. Leipzig, A. Georgi, 1898. 60 S.\nAuf Grund der Beobachtungen von Fajonzyn (Das psychische Leben der einfachsten Gesch\u00f6pfe 1890, russisch) und Romanes glaubt B. annehmen zu k\u00f6nnen, dafs Anf\u00e4nge einer bewufsten Seelenth\u00e4tigkeit in dem Thier-; reich schon auf Stufen vorhanden sind, welche weit hinter den ersten,","page":223}],"identifier":"lit31190","issued":"1900","language":"de","pages":"221-223","startpages":"221","title":"Th. Ziehen: Psychophysiologische Erkenntni\u00dftheorie. Jena, Fischer, 1898. 105 S.","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:40:08.662107+00:00"}