Open Access
{"created":"2022-01-31T12:41:31.243677+00:00","id":"lit31197","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22: 227-228","fulltext":[{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n227\nNach geringer Besserung trat 5 Wochen sp\u00e4ter der Tod unter Erscheinungen der Bauchfellentz\u00fcndung ein, welche wie die Section zeigte, durch Embolie der Mesenterial-Arterie bedingt war. Die Gehimunter-eachung ergab neben leichter allgemeiner Atrophie der Windungen vollkommene Zerst\u00f6rung (Erweichung) der BROCA\u2019schen Windung und des vorderen Endes der linken Insel, w\u00e4hrend die linke aufsteigende Stimwindung erhalten war. B. belegt dies durch eine Reihe wohlgelungener Photographien, sowohl vom ganzen Gehirn, wie von Horizontalschnitten. Im TJebrigen war das Gehirn angeblich intact.\nB. weist darauf hin, dafs zwar seltene F\u00e4lle berichtet worden sind, in denen eine anf\u00e4ngliche Sprachlosigkeit nach Zerst\u00f6rung der BaocA\u2019schen Windung sich sp\u00e4ter einigermaafsen zur\u00fcckbildete, dafs dies mit Wahrscheinlichkeit dadurch erkl\u00e4rt wurde, dafs die dritte Stimwindung der rechten Seite allm\u00e4hlich die Function der zerst\u00f6rten linksseitigen \u00dcbernommen habe, dafs aber ein Fall von sofortigem Eintreten der rechten f\u00fcr die linke Hemisph\u00e4re bisher nicht berichtet worden sei. Auf Grund seines Falles nimmt er nun an, dafs hier, wo fast sofort nach dem Insult gesprochen werden konnte, ganz ausnahmsweise die dritte rechte Stimwindung von vorn herein so \u201eerzogen\u201c war, dafs sie unmittelbar f\u00fcr die linke eintreten konnte, dafs es also in seltenen F\u00e4llen eine bilaterale Repr\u00e4sentation der \u00dfprachfunctionen g\u00e4be. W\u00e4hrend diese Erkl\u00e4rung als wahrscheinlich in Betracht kommt, sind die Erkl\u00e4rungsversuche f\u00fcr die vorhanden gewesenen St\u00f6rungen im Schreiben, Lesen und besonders der Namenfindung nicht voll befriedigend. Wenn die rechte Seite auf Grund bilateraler Repr\u00e4sentation der Sprachfunction f\u00fcr die linke eintreten konnte, warum that sie das nur f\u00fcr einen Theil der Functionen? Warum bestanden Nebenst\u00f6rungen (Schreib- und Lesest\u00f6rung) die man gemeinhin nur als Folgeerscheinung der Hauptst\u00f6rung (der Lautbildung) betrachtet, nachdem diese selbst ausgeglichen war? B. nimmt seine Zuflucht zu der Annahme einer indirecten functioneilen St\u00f6rung des anatomisch intacten visuellen Sprachzentrum^ durch den Herd im Stiralappen. Damit bleibt aber u. a. unerkl\u00e4rt, warum die Schreibst\u00f6rung soviel st\u00e4rker war, wie die Lesest\u00f6rung. F\u00fcr die St\u00f6rung in der Namenfindung fehlt eigentlich jede Erkl\u00e4rung. Es ist zuzugeben, dafs einerseits wohl einer befriedigenden Erkl\u00e4rung hierf\u00fcr noch un\u00fcberwindliche Schwierigkeiten entgegenstehen, dafs andererseits Brauwell ehrlich genug ist, die Schw\u00e4chen seiner Annahmen ^uzu-gestehen.\nDer Fall selbst bleibt ein aufserordentlich bemerkenswerther, und wird bei der weiteren Entwickelung unserer Vorstellungen vom Sprach-mechanismus durchaus ber\u00fccksichtigt werden m\u00fcssen.\nLiepmann (Dalldorf).\nBinswakgeb. Zur Cainisttk der Agraphle. Zeitschrift f. Hypnot. 9, 85\u201498. 1899.\nAuf dem Gebiete des aphasischen Symptomencomplexes ist die Frage \u00fcber die functioneile Bedeutung und anatomische Localisation der Schreib-\u00abt\u00f6rungen noch eine offenstehende. Manche Forscher behaupten, dafs die Scbreibbewegungen, soweit nicht sensorielle St\u00f6rungen in Frage kommen, mit den motorischen Sprachst\u00f6rungen eng Zusammenh\u00e4ngen. Allerdings\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nLiteraturbericht.\nbeeintr\u00e4chtigen die gesammten intensiven St\u00f6rungen in der Bildung des inneren Wortes die schriftliche Ausdrucksf\u00e4higkeit. Der Culturmensch erwirbt den schriftlichen Ausdruck des Wortes erst bei bestehendem Besitz von Wortklangbildern, Wortlautbildern und optischen Buchstabenbildern. Aber bald erringen die Schreibbewegungen eine immer gr\u00f6fsere Selbst\u00e4ndigkeit, sie emancipiren sich von den Sprachbewegungen. Gebildete Patienten mit motorischer Aphasie k\u00f6nnen sich leichter schriftlich als m\u00fcndlich ausdr\u00fccken, auch wenn sie rechtsseitig gel\u00e4hmt sind und mit der linken Hand schreiben m\u00fcssen. Die Gegner eines graphischen Centrums erkl\u00e4ren dies durch die Benutzung der optischen Erinnerungsbilder f\u00fcr die Buchstaben, die mit Wortlauten und Wortkl\u00e4ngen associirt sind, Es giebt aber auch F\u00e4lle von totaler Agraphie, wo die motorische Aphasie relativ unbedeutend ist und sensorielle Sprachst\u00f6rungen fehlen. Monakow behauptet bei Agraphie sei der Kern der St\u00f6rung immer in der Beeintr\u00e4chtigung der inneren Wortbildung zu suchen, die Schreibst\u00f6rung beruhe also in einer gest\u00f6rten Umsetzung von Wortkl\u00e4ngen, resp. Wortlauten in die Schreibbewegungsbilder. Die Fehler beim Schreiben seien in letzter Linie entweder Laut- oder Klangfehler. Dies kann nur stimmen, wenn die agraphischen St\u00f6rungen Begleiterscheinungen ausgepr\u00e4gter oder pr\u00e4valirender St\u00f6rungen der Wortklang, resp. Wortlautbildung sind. Ist Agraphie vorherrschend, oder allein vorhanden, so ist sie als eigentliche Bewegungsst\u00f6rung aufzufassen, welche aus dem Verlust der kin\u00e4sthetischen Empfindungen f\u00fcr die Schreibbewegungen, resp. die Schreibbewegungsvorstellungen resultirt. Verf. hat hierbei nur die functioneile Bedeutung des Schreibens im Auge. Er verlangt ein functionelles Centrum der Schreibbewegungen, das innerhalb der grofsen Gruppe der Finger- resp. Handbewegungen ganz bestimmte, zum Zweck des Schreibens coordinirte Innervationen umfafst. Das Centrum umschliefst ganz bestimmte Associationen von Bewegungsimpulsen.\nB. giebt dann einen Fall von wahrer transcorticaler, sensorieller aphasi-scher St\u00f6rung in Folge von Gliosarcom im Marklager des Stirnlappens, wo das wesentlichste, fast ausschliefsliche stabile Ausfallssymptom die Schreibst\u00f6rung war. Die beobachteten St\u00f6rungen des sprachlichen Ausdrucks waren vorzugsweise als Erm\u00fcdungserscheinungen aufzufassen.\nUmpfenbach.\nG. Zimmermann. Zar Physiologie des Geh\u00f6rorgans. M\u00fcnchener medic. Boc/ien-schr. (19), 626-628; (22), 726\u2014727. 1899.\nDie Abhandlung ist der Abdruck eines in der Gesellschaft f\u00fcr Natur-und Heilkunde in Dresden am 25. M\u00e4rz 1899 gehaltenen Vortrages, in welchem Z. folgende Thesen zu begr\u00fcnden versucht. \u201e1. Das Trommelfell mit-sammt der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchenkette macht bei der Schallleitung nur mole-culare Schwingungen. 2. Das Trommelfell mitsammt der Kn\u00f6chelchenkette ist ein durch ein pr\u00e4cises Muskelspiel ausgezeichneter reflectorischer Regulirapparat; das runde Fenster wirkt als automatisches Ventil. 8. Es giebt nur eine Schallleitung zum Labyrinth: die Knochenleitung; sie kann eine directe sein von der Schallquelle selbst (z. B. Stimmgabel) oder eine indirecte durch ein noch eingeschobenes Medium hindurch (z. B. Lufts\u00e4ule).\u201c-","page":228}],"identifier":"lit31197","issued":"1900","language":"de","pages":"227-228","startpages":"227","title":"Binswanger: Zur Casuistik der Agraphie. Zeitschrift f. Hypnot. 9, 85-98. 1899","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:41:31.243682+00:00"}