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{"created":"2022-01-31T16:10:21.520388+00:00","id":"lit31312","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22: 287-289","fulltext":[{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n2$7\naas anderen Gr\u00fcnden, lockt die von ihnen ausgeschiedene Kohlens\u00e4ure andere herbei, so dafs bald eine gr\u00f6fsere Gruppe entsteht. Dabei suchen aber weder die Infusorien absichtlich die Kohlens\u00e4ure auf, noch \u00fcbt diese eine directe Anziehung auf jene aus. Die Paramaecien gelangen vielmehr immer nur zuf\u00e4llig dahin, wo sich ein Nahrungsstoff befindet, und werden dann an diesem Orte durch gewisse reflectorische, in der anatomisch-physiologischen Structur ihres K\u00f6rpers begr\u00fcndete Vorg\u00e4nge zur\u00fcckgehalten.\tScharfer (Grofs-Lichterfelde).\nPbobst. Ueber die Localisation des Tonvenn\u00dfgens. Archiv f\u00fcr Psychiatrie 32, 387\u2014446. 1899.\nDie Aphasielehre ist bereits soweit vorangeschritten, dafs man sich wenigstens zum Theil zur Annahme einer einzigen Sprachzone einigte, l\u00e4ngs der SYLVi\u2019schen Furche, die von der BaocA\u2019schen Windung bis zum Gyrus angularis reicht. Bei Zerst\u00f6rung der BaocA\u2019schen Windung entsteht motorische Aphasie, bei Zerst\u00f6rung der hinteren Abschnitte der ersten Temporalwindung sensorische A., und bei Zerst\u00f6rung des Gyrus angularis Wortblindheit. Weitere Beobachtungen sind allerdings noch sehr n\u00f6thigi \u2014 Noch fast gar nichts wissen wir bez\u00fcglich der St\u00f6rung des Tonverm\u00f6gens, der musikalischen Auffassung und der musikalischen Ausdrucksbewegungen. \u00cb8 ist bisher noch ganz unbekannt, ob eine und welche Bindenpartie sammt ihren Associationen dem musikalischen Verst\u00e4ndnisse vorsteht. \u2014 Die Bezeichnung Amusie stammt von Knoblauch. Probst nimmt, \u00e4hnlich wie bei der Aphasie, sensorielle und motorische Formen der Amusie an. Erstere enthalten die Tontaubheit und die Notenblindheit, letztere die vocalen motorischen Amusien, Unverm\u00f6gen zu singen, die instrumentalen motorischen Amusien, Unverm\u00f6gen ein Instrument zu spielen, und die musikalische Agraphie. Aphasie kann ohne Amusie, und Amusie ohne Aphasie bestehen. Das Verm\u00f6gen des musikalischen Ausdrucke kann unabh\u00e4ngig sein von den motorischen Sprachst\u00f6rungen, und ebenso das Verst\u00e4ndnis f\u00fcr Melodien unabh\u00e4ngig von der Worttaubheit. Diese Trennung ist klinisch richtig, mufs also auch pathologisch-anatomisch einen realen Grund haben.\nEs giebt Kinder, die im ersten Lebensjahre bereits T\u00f6ne richtig nachsingen, bevor sie sprechen k\u00f6nnen. Idioten, die nicht sprechen lernen, besitzen oft ein recht gutes musikalisches Geh\u00f6r und Ged\u00e4chtnis f\u00fcr Melodien. Betrunkene singen oft noch richtig, wenn sie nicht mehr sprechen k\u00f6nnen!\nDie Literatur bietet bisher nur wenige Obductionsf\u00e4lle, bei denen \u00fcberdas musikalische Verst\u00e4ndnifs und das Verm\u00f6gen des musikalischen Ausdrucks einige klinische Aufzeichnungen existiren. Probst hat sie gesammelt, um B\u00fcckschl\u00fcsse auf jenes Bindenfeld zu ziehen, welches den musikalischen F\u00e4higkeiten vorstehen k\u00f6nnte. Per analogiam mit der Localisation der verschiedenen Aphasieformen ist von vornherein f\u00fcr die Tontaubheit als Localisation besonders die Gegend der H\u00f6rzone, f\u00fcr die Notenblindheit die der Sehzone und f\u00fcr die motorischen Amusien die allgemeine motorische Zone vorzugsweise zu ber\u00fccksichtigen.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nLiteraturbericht.\nProbst findet in der Literatur sieben F\u00e4lle von sensorieller Amusie, wo also vorgespielte Melodien nicht mehr erkannt werden; Musik klingt meist nur wie ein Ger\u00e4usch, die Marseillaise ruft z. B. bei einer Kranken eine and\u00e4chtige Stellung hervor. Dann folgen vier F\u00e4lle von motorischer Amusie, das Verst\u00e4ndnis f\u00fcr Musik und Melodien ist mehr oder weniger erhalten, Melodien werden aber nicht mehr richtig oder gar nicht mehr vorgebracht. Dann kommen vier F\u00e4lle von Notenblindheit, wo die Kranken noch mehr oder weniger richtig singen und spielen, aus dem Ged\u00e4chtnifs, auch wenn ihnen vorgespielt wird \u2014 aber Noten nicht mehr lesen k\u00f6nnen. In einem Fall von totaler Amusie sang der Betreffende nicht nach, hatte auch kein Verst\u00e4ndnifs mehr f\u00fcr Melodien, w\u00e4hrend er fr\u00fcher gut singen konnte.\nln 14 weiteren F\u00e4llen fanden sich Herdl\u00e4sionen ohne Beeintr\u00e4chtigung des musikalischen Verm\u00f6gens ; die Kranken, die im Uebrigen nicht mehr sprechen konnten, vermochten ganz gut zu singen und in vielen F\u00e4llen auch den Text zu den Liedern deutlich auszusprechen. Den letzten Fall hat Probst selbst beobachtet: Eine 55j\u00e4hrige Kranke erleidet einen Schlaganfall mit rechtsseitiger L\u00e4hmung. Die Kranke, die total aphasisch war, vermochte Lieder mit Text deutlich und articulirt sowohl nachzusingen als auch allein fortzusetzen. Sie erkannte unter den vorgesungenen Liedern die ihr bekannten, sang dieselben nach, vermochte aber auch ihr fremde Lieder nachzusingen, die letzteren jedoch ohne Text. Die Melodie, welche die Kranke sang, war stets richtig. Die Affectsprache war ebenso wie die Spontansprache gut erhalten. Die Kranke verstand im Uebrigen das zu ihr Gesprochene nicht. Das Musikverst\u00e4ndnifs ist also nicht an das Sprachverst\u00e4ndnifs gebunden, ebensowenig das willk\u00fcrliche Singen an das spontane Sprachverm\u00f6gen. Das musikalische Verm\u00f6gen mufs also anderswo localisirt sein als das Sprachverm\u00f6gen. Die Localisation des Musik-, Gesang- oder Ton Verm\u00f6gens mufs von der Localisation des Sprachverm\u00f6gens r\u00e4umlich getrennt sein.\nDer pathologisch-anatomische Befund in den F\u00e4llen von sensorischer Amusie lehrt mit grofser Wahrscheinlichkeit, dafs die Lokalisation des Musikverm\u00f6gens nahe dem Wortklangcentrum, und zwar in den vorderen Theilen der ersten und zweiten Schl\u00e4fewindung zu suchen ist. Amusien k\u00f6nnen, wie Aphasie, auch durch rechtsseitige Herde entstehen, und scheinen hier betreffs der Localisation des Tonverm\u00f6gens auf der linken oder rechten Hemisph\u00e4re individuelle Schwankungen zu bestehen, so dafs die Localisation f\u00fcr das Musikverst\u00e4ndnifs auch rechts sein kann. Das Musikverst\u00e4ndnifs kann bei einseitiger L\u00e4sion ohne Wiederersatz verloren gehen.\nBei den F\u00e4llen von motorischer Amusie, wo das Musikverst\u00e4ndnifs gut erhalten war, waren auch die Schl\u00e4fewindungen intact in den vorderen Partien. Nach den bisherigen Befunden, schliefst Probst, ist mit grofser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dafs das Musikverst\u00e4ndnis in einer Hemisph\u00e4re, und zw\u2019ar zumeist in der linken zu localisiren ist, und dafs bisher ein Eintreten der anderen Hemisph\u00e4re f\u00fcr die l\u00e4dirte nicht beobachtet wurde ; zweitens : mit gr\u00f6fster Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dafs die Localisation des Musikverst\u00e4ndnisses in den vordersten Partien der ersten Schl\u00e4fewindungen zu suchen ist.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n289\nWir haben in der H\u00f6rzone bisher drei Arten von H\u00f6rverst\u00e4ndnifs zu verzeichnen, zun\u00e4chst das Verst\u00e4ndnifs f\u00fcr Ger\u00e4usche und Kl\u00e4nge das einfache H\u00f6ren, dann das Verstehen von Musik und das Verstehen der Sprache.\nDie motorische Amusie scheint nach Pbobst\u2019s Zusammenstellung in der zweiten Frontal Windung und deren Umgebung localisirt zu sein, doch scheint dies individuellen Schwankungen zu unterliegen; die Localisation scheint bald in der linken, bald in der rechten Hemisph\u00e4re gelegen zu sein. \u2014 Was die Notenblindheit anbetrifft, so ist zu bemerken, dafs Noten\u00ab blindheit auch isolirt von Wortblindheit vorkommt. Die Localisation der Notenblindheit ist aber in der n\u00e4chsten N\u00e4he der Localisationsstelle f\u00fcr Wortblindheit anzunehmen. Wahrscheinlich kommt das untere Scheitell\u00e4ppchen dabei in Betracht. Aufserdem l\u00e4fst sich schliefsen, dafs tiefere linksseitige Herde allein Notenblindheit hervorbringen k\u00f6nnen. Amusie\u00ab formen und Aphasieformen sind nicht aneinander gebunden, sind aber nahe localisirt, daher treten sie leicht zusammen auf. Umffbkbach.\nA. Necsch\u00fcler. Sn dl an riflezxo persistente dopo la seltene compl\u00e9ta del trlgemino. Annal, di Ottalmologia 28 (3). 1839.\nGelegentlich einer experimentellen Arbeit im Berliner physiologischen Institute hat Verf. nach totaler Ausschneidung des Trigeminus in der Sch\u00e4delh\u00f6hle von Kaninchen die Wahrnehmung gemacht, dafs bei manchen Thieren ein Tastreflex stattfindet, wenn man das innere und obere Drittel des Lides an der operirten Seite leicht ber\u00fchrt. Dieses nicht constante Ph\u00e4nomen ist manchmal begleitet von einer verminderten Empfindlichkeit an der correspondirenden Zone der entgegengesetzten Seite.\nTh. Heller (Wien).\nV. Henri. Effets de la destruction da labyrinthe chez les serpents. Compt,\nrend, de la Soci\u00e9t\u00e9 de Biologie 1899, (4), 94\u201495.\nZu den vivisectorischen Versuchen \u00fcber die statischen Functionen des Ohrlabyrinthes der Wirbelthiere wurden bisher fast nur Fr\u00f6sche, Tauben und S\u00e4ugethiere verwendet. Verf. constatirt nun, dafs auch Nattern, denen man das eine Labyrinth zerst\u00f6rt hat, dieselben Anomalien des Muskel tonus und der Kopfhaltung zeigen wie andere ebenso operirte Vertebraten. (Ref. hat schon vor Jahren gezeigt, dafs auch auf der Drehscheibe die Nattern sich ebenso verhalten wie die \u00fcbrigen Wirbelthiere.)\nSchaefer (Grofs-Lichterfelde).\nLuigi Agliardi. Ricerche interno al sooso della temperatara. Commumcazione fatta alla Reale Accademia di Medicina di Torino (5). 1899.\nVerf. hat auf Anregung F. Kiesow\u2019s den Versuch gemacht, die W\u00e4rme\u00ab und K\u00e4ltepunkte der Zahl nach zu bestimmen. Bei Verwendung eines erhitzten Conus fand der Verf. beinahe an jedem Punkte der Haut diffuse W\u00e4rmeempfindungen und es erschien daher nahezu unm\u00f6glich, die W\u00e4rme-punkte thats\u00e4chlich zu bezeichnen. Bei Verwendung eines erhitzten Platindrahtes ergaben sich hingegen an einzelnen Stellen sehr deutliche und\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 22.\t19","page":289}],"identifier":"lit31312","issued":"1900","language":"de","pages":"287-289","startpages":"287","title":"Probst: Ueber die Localisation des Tonverm\u00f6gens. Archiv f\u00fcr Psychiatrie 32, 387-446. 1899","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:21.520394+00:00"}