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{"created":"2022-01-31T14:04:07.308283+00:00","id":"lit31337","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22: 320","fulltext":[{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nLiteraturbericht.\nFranz von Liszt. Du Verbrechen als social-pathologische Erscheinug. Vortrag.\nDresden, v. Zahn & Jaensch. 1899.\nDie Betrachtung des Verbrechens vom technisch-juristischen Standpunkte aus stellt die Anwendung eines gegebenen Rechtssatzes auf einen gegebenen Thatbestand dar; vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus ist sie die Untersuchung der Ursachen des Verbrechens. Hierbei kann man zwei verschiedene Wege einschlagen, den biologischen oder den sociologischen. Da im ersteren Falle das Verbrechen aus der Eigenart, der Individualit\u00e4t des einzelnen Menschen, im letzteren Falle aus den gesellschaftlichen Verh\u00e4ltnissen heraus erkl\u00e4rt werden soll, so ergiebt sich, dafs beide Methodeh sich einander nicht nur nicht widersprechen, sondern sich vielmehr einander erg\u00e4nzen. Das Verbrechen ist eben \u201edas Product aus der Eigenart des Verbrechers einerseits und den den Verbrecher im Augenblick der That umgebenden Verh\u00e4ltnissen andererseits\u201c.\nDie gesellschaftlichen Factoren sind unendlich wichtiger ih ihrer Bedeutung, und ihre Untersuchung erheischt um so mehr Beachtung, als auf diesem Wege das Verbrechen erfolgreich an seiner Wurzel, in seinen Ursachen bek\u00e4mpft werden kann.\nDa die Kriminalit\u00e4t des Deutschen Reiches seit 1882 unerwartet rasch und anhaltend zugenommen hat, so ist man berechtigt, in dem Verbrechen eine social - pathologische Erscheinung zu sehen. Insbesondere hat die Zahl der Verbrechen gegen Staat, Religion und \u00f6ffentliche Ordnung sowie der gegen die Person eine erhebliche Vergr\u00f6fserung erfahren. Bedenklicher ist das Wachsen der R\u00fcckfallziffer, was den Schlufs nahelegt, dafs unsere Strafen nicht bessernd, nicht pr\u00e4ventiv wirken, sondern eher die Antriebe zum Verbrechen geradezu best\u00e4rken. Am bedenklichsten ist aber die immer mehr zunehmende Betheiligung der Jugend an den Verbrechen.\nIn lesenswerther, anziehender Weise bespricht L. oder deutet vielmehr nur an die Ursachen der Criminalit\u00e4t, die im gesellschaftlichen Leben und vor Allem in der wirtschaftlichen Lage d. i. der Gesammtlage der arbeitenden Klassen begr\u00fcndet sind. Einige dieser Factoren lassen sich beeinflussen und \u00e4ndern. Ausdr\u00fccklich hebt L. hervor die Umgestaltung unseres Strafsystems und die Verh\u00fctung der sittlichen, geistigen und k\u00f6rperlichen Verwahrlosung der heranwachsenden Kinder. Der Staat hat die Pflicht der Erziehung zu erf\u00fcllen, schon bevor das Kind die Laufbahn des Verbrechers betreten hat, auch dann, wenn die Eltern kein Verschulden trifft. Gerade hiervon verspricht sich L. in dem Kampf der Gesellschaft mit dem Verbrechen viel. Mit einem warmen Appell an seine Zuh\u00f6rer schliefst L. seinen Vortrag in dem Wunsche, dafs sie nicht m\u00fcde werden, an die Gesetzgebung des Deutschen Reiches die Forderung zu richten : Schutz f\u00fcr die verwahrlosende Jugend unserer arbeitenden Klassen.\nE. Schtjltze (Andernach.)","page":320}],"identifier":"lit31337","issued":"1900","language":"de","pages":"320","startpages":"320","title":"Franz von Liszt: Das Verbrechen als social-pathologische Erscheinung. Vortrag. Dresden, v. Zahn & Jaensch. 1899","type":"Journal Article","volume":"22"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:04:07.308289+00:00"}