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{"created":"2022-01-31T15:14:16.627096+00:00","id":"lit31389","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schumann, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 1-32","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem Psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\nBeitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahrnehmungen.\nYon\nF. Sch\u00fcmann.\nErste Abhandlung.\nEinige Beobachtungen \u00fcber die Zusammenfassung von Gesichtseindr\u00fccken zu Einheiten.\n(Mit 23 Figuren.)\nEinleitung.\nAllgemein ist wohl jetzt die Ansicht verbreitet, dais es nur eine Erkenntnifsquelle f\u00fcr die Psychologie giebt: die Erfahrung. Und in erster Linie kommt nat\u00fcrlich die innere Erfahrung, die -Selbstbeobachtung in Frage. Bekanntlich zeigt aber die innere Wahrnehmung im Vergleich mit der \u00e4ufseren eine grofse Unsicherheit, so dafs nur wenige Daten durch sie wirklich sicher constat\u00e2t werden k\u00f6nnen. Sehen wir bei den verschiedenen modernen Forschern nach, hinsichtlich welcher Ergebnisse der inneren Wahrnehmung auch nur einigermaafsen Uebereinstimmung herrscht, so bleiben sehr wenige \u00fcbrig. Allein vermag daher -die Selbstbeobachtung der gew\u00f6hnlichen Art jedenfalls nicht ein gen\u00fcgendes Fundament f\u00fcr die psychologische Wissenschaft zu . bilden. Thats\u00e4chlich bedienen sich denn auch die Forscher, .welche in umfassenderer Weise die Gesetzm\u00e4fsigkeit des psychischen Geschehens darzustellen suchen, zahlreicher hypothetischer Voraussetzungen, wodurch nat\u00fcrlich die Sicherheit ihrer Aufstellungen erheblich leidet\nEin starker Antrieb zu einer exacteren Behandlung des Seelenlebens wurde dann in neuerer Zeit einerseits durch die pathologischen Erfahrungen (amnestische Aphasie, Wortblindheit\nZeitMkrift fttr Psyohologi\u00ab 18.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nF. Schumann.\nund Worttaubheit, Seelenblindheit u. s. w.) und andererseits durch die exacten sinnesphysiologischen Untersuchungen gegeben. Durch die grofsen Erfolge, welche auf diesen beiden Erfahrungsgebieten errungen wurden, entstand das Bestreben, eine experimentelle Psychologie zu gr\u00fcnden, die bei den Sinnesempfindungen anfangend, allm\u00e4hlich auch die h\u00f6heren geistigen Vorg\u00e4nge einer exacteren Behandlung, insbesondere dem Z\u00e4hlen und Messen zug\u00e4nglich zu machen sucht\nWenn nun die experimentelle Psychologie bisher noch keine so durchschlagenden Resultate erzielt hat, dafs auch diejenigen, welche unserer Wissenschaft ferner stehen, von ihrer grofsen Bedeutung sich h\u00e4tten \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, so liegt das haupts\u00e4chlich an zwei Factoren. Einmal ist zu bedenken, dafs der Aufbau der psychologischen Wissenschaft in gewisser Beziehung zu vergleichen ist mit der Errichtung eines grofsen Geb\u00e4udes auf sumpfigem Untergr\u00fcnde. Wie in einem solchen Falle der Untergrund erst gen\u00fcgend sichergestellt werden mufs durch Arbeiten (Einrammen von Pf\u00e4hlen etc.), von denen nachher das Auge des Beschauers nichts mehr sieht, so bedarf auch die experimentelle Psychologie einer umfangreichen Vorarbeit, ehe sie an ihre eigentlichen Probleme herangehen kann. Diese Vorarbeiten haben aber zur Zeit schon einen ganz aufserordentlichen Umfang erreicht Die Zahl der Detailuntersuchungen \u00fcber sinnesphysiologische Probleme, \u00fcber die Messung der Unterschiedsempfindlichkeit, \u00fcber die Dauer psychischer Vorg\u00e4nge,, \u00fcber die Vorstellungsreproduction und die Ged\u00e4chtnifsst\u00f6rungen ist so enorm angewachsen, dafs schon jetzt ein einzelner Forscher M\u00fche hat, sie alle mit der erforderlichen Sorgfalt, kritisch durchzuarbeiten. Denn viel Sorgfalt und sehr genaues Denken sind neben mannigfachen Kenntnissen und ausgedehnter experimenteller Erfahrung erforderlich, wenn man sich \u00fcber diese Untersuchungen nicht nur an der Hand irgend eines Lehrbuchs oberfl\u00e4chlich orientiren, sondern sie wirklich beherrschen will..\nNachdem nun aber die Vorarbeiten erheblich fortgeschritten sind, wird es Zeit, dafs sich die experimentelle Forschung ihrer Hauptaufgabe, dem Studium der psychischen Erscheinungen energischer zuwendet. Doch da tritt als zweites grofses Hindemifs wieder dieselbe Unvollkommenheit der inneren Wahrnehmung auf, die den Experimentator zun\u00e4chst noch in gleicher Weise st\u00f6rt wie den nichtexperimentirenden Psychologen. Entbehren.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4gt zur Analyse der Gesichtswahmehmungen. I.\ns\nkann er sie auch nicht, da die mess\u00ebhden Versuchsreih\u00e9n sich meistens auf nicht g\u00e8n\u00fcgend bekannte, complexe psychische Gr\u00f6feen beziehen, deren Analyse durch die erhaltenen Z\u00e4hlen mindestens nicht allein vollzogen werden kann. So ist z. B. die Verschmelzung consonanter T\u00f6ne eine fundamentale Thatsache, welche ohne die innere Wahrnehmung wohl kaum jemals h\u00e4tte constatirt werden k\u00f6nnen.\nDieses Beispiel zeigt zugleich, dafs unter Umst\u00e4nden der inneren Wahrnehmung eine grofse Sicherheit zukommen kann. Denn nachdem Stumpf erst einmal auf die lange \u00fcbersehene Thatsache der Ton Verschmelzung aufmerksam gemacht hat, ist sie bald ziemlich allgemein als richtig anerkannt worden. Es erhebt sich daher die Frage, ob vielleicht die relativ grofse Sicherheit in diesem Falle durch einen besonderen Umstand bedingt ist. Und ich glaube, dafs in der That ein einfacher Grund vorliegt Consonanzen und Dissonanzen kann man sich n\u00e4mlich bequem mit H\u00fclfe irgend eines musikalischen Instruments erzeugen, so dafs eine beliebig h\u00e4ufige Beobachtung von con-sonahten Intervallen und eine beliebig h\u00e4ufige Vergleichung derselben mit dissonanten Intervallen erm\u00f6glicht ist. Dadurch ist meiner Ansicht nach die gr\u00f6fsere Sicherheit bedingt Denn sonst haben sich meistens die Psychologen auf die Beobachtung von Vorg\u00e4ngen beschr\u00e4nkt, welche der g\u00e8w\u00f4hnliche Lauf des Lebens mit sich f\u00fchrt Dabei kann man aber zu keiner grofsen Sicherheit gelangen, da diese Vorg\u00e4nge meistens rasch vor\u00fcbergehen und da die Beobachtung der zur\u00fcckbleibenden abgeblafsten Erinnerungsbilder bekanntlich mit grofsen Fehlerquellen behaftet ist\nF\u00fcr meine Ansicht spricht dann weiter, dafs es in neuerer Zeit gerade durch eine oft wiederholte Beobachtung gelungen ist, noch in zwei anderen F\u00e4llen Bewuf\u00dftseinstbatsachen der inneren Wahrnehmung zug\u00e4nglich zu machen, welche f\u00fcr die Beschreibung der Gesetzm\u00e4fsigkeit des psychischen Geschehens wesentlich in Betracht kommen. Einmal hat n\u00e4mlich Stumpf gezeigt, dafs das Urtheil \u00fcber Reinheit bezw. Unreinheit von Intervallen durch Lustgef\u00fchle b\u00e8zw. Unlustgef\u00fchle bedingt ist Ferner habe ich selbst gezeigt, dafs bei Sch\u00e4tzung kleiner, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten neben den Schallempfindungen noch eigenartige Bewufstseinsinhalte auftreten,\nwelche bei der Sch\u00e4tzung eine wesentliche Rolle spielen.\nl*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"F. Schumann.\nIch betrachte es daher als einen Hauptvorzug der Anwendung des Experiments in der Psychologie, dafs dadurch erm\u00f6glicht wird, bestimmte Vorg\u00e4nge in uns beliebig oft zu erzeugen und sie beliebig oft mit anderen, mehr oder weniger verschiedenen Vorg\u00e4ngen zu vergleichen. Und ich bin \u00fcberzeugt, dafs sich zur Zeit durch eine systematische Uebung in der Selbstbeobachtung auf vielen Gebieten mehr erreichen lassen wird als durch messende Versuche. So habe ich speciell bei der Sch\u00e4tzung kleiner Zeiten gezeigt, dafs messende Versuchsreihen vielfach nur in zweckm\u00e4fsiger Weise angestellt werden k\u00f6nnen auf Grund der Ergebnisse der inneren Wahrnehmung \u00fcber den Sch\u00e4tzungsvorgang, und dafs nur auf Grund dieser Ergebnisse ein Verst\u00e4ndnifs f\u00fcr bestimmte durch Versuche festgestellte That-sachen zu erhalten ist\nAllerdings ist viel Uebung und viel kritische Sorgfalt erforderlich, wenn man die schwere Kunst der Selbstbeobachtung richtig erlernen will. Ist es doch vorgekommen, dafs ein Psychologe behauptet hat, eine gewisse Erscheinung aus dem Gebiete der Tonempfindungen lasse sich am Clavier leicht beobachten, und dafs er zwei Jahre darauf das Entgegengesetzte durch innere Wahrnehmung mit Leichtigkeit glaubte feststellen zu k\u00f6nnen. Um dem Ergebnifs der eigenen inneren Wahrnehmung gr\u00f6fsere Sicherheit zu verleihen, thut man daher gut, dasselbe erst noch anderen, m\u00f6glichst competenten Personen zur Pr\u00fcfung vorzulegen. Am besten w\u00fcrden sich hierzu nat\u00fcrlich Psychologen von Fach eignen, die \u00fcber eine langj\u00e4hrige Erfahrung verf\u00fcgen. Da diese aber aus naheliegenden Gr\u00fcnden nicht h\u00e4ufig zur Verf\u00fcgung stehen werden, so wird ein Lehrer der Psychologie in erster Linie auf seine Sch\u00fcler angewiesen sein Unter ihnen hat man aber eine sorgf\u00e4ltige Auswahl vorzunehmen, da sehr viele nur wenig Anlage zur Selbstbeobachtung zeigen. Die einen verm\u00f6gen \u00fcberhaupt sehr wenig zu con-statiren, weil f\u00fcr sie im Wesentlichen nur die Aufsenwelt Interesse besitzt, w\u00e4hrend andere der Selbstt\u00e4uschung sehr zug\u00e4nglich sind. Bei Gelegenheit von experimentellen Uebungen wird man jedoch verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig leicht erkennen k\u00f6nnen, ob Jemand ein guter und zuverl\u00e4ssiger Beobachter ist oder nicht Hat man einen guten Beobachter gefunden, der sich verschiedentlich beif\u00e4hrt hat, so ist er eine besonders werthvolle Versuchsperson fiIr weitere Untersuchungen. Leider wird die Zahl derselben","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahmehmungen. I.\n5\namer sehr gering bleiben \u00bb da die m\u00fchsamen experimentell-psychologischen Untersuchungen vielfach so hohe Anspr\u00fcche an die Ausdauer der Versuchspersonen stellen, dafs nur wenige sich dazu bereit finden.\nLassen sich dann endlich noch eine Reihe von Versuchs-thatsachen ohne Zuh\u00fclfenahme von Hypothesen durch die von Anderen gepr\u00fcften Ergebnisse der inneren Wahrnehmung erkl\u00e4ren, so wird die Sicherheit einen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig hohen Grad erreichen.\nNat\u00fcrlich ist nicht zu erwarten, dafs sich die Selbstbeobachtung gleich bei den complicirtesten psychischen Erscheinungen bew\u00e4hren wird ; es k\u00f6nnen vielmehr vorl\u00e4ufig nur die einfachsten Gebilde in Frage kommen. In erster Linie sind die Vorg\u00e4nge ins Auge zu fassen, welche sich unmittelbar an die Empfindungen anschliefsen : Auffassen, Vergleichen, Unterscheiden, Erkennen, Wiedererkennen, Urtheilen. Und ich hoffe durch eine Reihe von Abhandlungen zu zeigen, dafs sich thats\u00e4chlich vermittels einer sorgf\u00e4ltigen Selbstbeobachtung f\u00fcr die n\u00e4here Kenntnifs dieser Vorg\u00e4nge Vieles erreichen l\u00e4fst.\nSodann soll in den folgenden Beitr\u00e4gen auch das Problem der Raumwahmehmung eingehend ber\u00fccksichtigt werden. Es liegen zwar zahlreiche Untersuchungen der hervorragendsten Forscher \u00fcber dieses Problem vor, aber trotzdem harren noch eine grofse Zahl complicirter Fragen ihrer L\u00f6sung. So verm\u00f6gen wir die Wirkung der \u00e4ufseren Reize vorl\u00e4ufig nur bis zur Netzhaut zu verfolgen. Die weiteren physiologischen Vorg\u00e4nge, welche zwischen Netzhauterregung und Wahrnehmungsinhalt liegen, sind noch v\u00f6llig in Dunkel geh\u00fcllt und wir sind im Wesentlichen auf sehr luftige Hypothesen angewiesen \u2014 wenig-\u00bb stens hinsichtlich der Eigenschaften dieser Vorg\u00e4nge, welche in director Beziehung zu den r\u00e4umlichen Eigenschaften der Gesichtsempfindungen stehen. Auch gegen die Hypothese der Muskelempfindungen sprechen jetzt so viele Gr\u00fcnde, dafs mir eine wesentliche Mitwirkung solcher Empfindungen bei der Raumwahmehmung ausgeschlossen erscheint Es wird aber hohe Zeit, dafs wir einen energischen Versuch machen, in dieses dunkle Gebiet einzudringen, da ein exacter Aufbau einer Theorie der an die Gesichtsempfindungen sich anschliefsenden psychischen Vorg\u00e4nge wesentlich mit von dem Gelingen dieses Versuchs abh\u00e4ngig ist Auch liegt jetzt eine gr\u00f6fsere Reihe von auffallenden,","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nF. Schumann.\nnoch nicht erkl\u00e4rten Thatsachen vor, welche zu weiteren experimentellen Untersuchungen in hohem Grade antreiben. In einigen sp\u00e4ter folgenden Abhandlungen dieser Beitr\u00e4ge werde ich daher einen solchen Versuch machen. Doch erwarte ich nicht, gleich sofort die Vorg\u00e4nge, welche zwischen Netzhauterregung und Wahmehmungsinhalt hegen, vollst\u00e4ndig klar legen zu k\u00f6nnen, da sie wohl zu complicirt sein d\u00fcrften; viel-tnehr gedenke ich anfangs nur mit verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig groben Hypothesen vorzugehen und diese erst allm\u00e4hlich an der Hand weiterer experimenteller Untersuchungen zu vervollkommnen. Denn bekanntlich kann eine Hypothese, auch wenn sie nicht in allen Beziehungen der Wirklichkeit entspricht, doch Nutzen stiften, indem sie zu neuen Fragestellungen f\u00fcr das Experiment Veranlassung giebt\nL\n\u00a7 1. Beabsichtige ich die Anzahl der Zeilen einer Druckseite (z. B. der vorhegenden) zu z\u00e4hlen, so verfahre ich gew\u00f6hnlich in der Weise, dafs ich mir am Rande zuerst durch die Aufmerksamkeit die ersten drei Zeilenenden hera\u00fcshebe und den Zwischenraum zwischen der dritten und vierten Zeile etwa durch die aufgesetzte Spitze eines Bleistifts markire, sodann die n\u00e4chsten drei Zeilenenden heraushebe u. s. w. In \u00e4hnlicher Weise pflege ich vorzugehen, wenn ich Stimmgabelschwingungen, die auf berufstem Papier aufgeschrieben sind, z\u00e4hlen will. Mehr als drei Zeilenenden oder drei Schwingungen vermag ich nur schwer gleichzeitig herauszuheben.\nEbenso vermag ich aus einer Reihe kleiner, gleicher Figuren (Punkte, Linien, Kreisfl\u00e4chen, Quadrate etc.), die in gleichen Abst\u00e4nden angeordnet sind, ohne Anstrengung auch nur drei Elemente herauszuheben.\nDurch eine Umfrage bei einer gr\u00f6fseren Anzahl von Personen ergab sich, dafs viele noch mit Leichtigkeit vier oder f\u00fcnf Elemente durch die Aufmerksamkeit isoliren k\u00f6nnen.\nBei Linien tritt noch etwas Besonderes ein (vgl. Figur 1). Es schliefsen sich auffallend leicht je zwei Linien zu einer Gruppe zusammen und zwar so, dafs jede weifse Fl\u00e4che, welche zwischen den beiden Linien einer Gruppe liegt, mit diesen Linien ein einheitliches Ganzes bildet und im Bewufstsein hervortritt, w\u00e4hrend die weifsen Fl\u00e4chen zwischen den Gruppen","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Qesichtswahrnehmungen. I.\n7\nzur\u00fccktreten und ganz andersartig erscheinen. Man hat den Eindruck, als ob man etwa einen \u201eLattenzaun\u201c s\u00e4he. Auch kommt es viefaeh vor, dafs die Latten nicht nur im Bewufst-sein hervortreten (d. h. auffallen), sondern auch aus der Ebene des Papiers r\u00e4umlich heraustreten. Haben sich dann die Linien zu solchen Gruppen angeordnet, so vermag ich wieder bequem drei solche Gruppen von den \u00fcbrigen durch die Aufmerksamkeit zu isoliren, offenbar weil jede Gruppe gleichsam wieder ein Element bildet\nBei Punkten, Quadraten etc., die nur in einer Reihe neben einander angeordnet sind, vollzieht sich die Gruppirung weniger leicht; dagegen tritt sie sehr lebhaft auf, wenn mehrere Reihen in gleichen Abst\u00e4nden unter einander angeordnet sind. So sehe ich bei Betrachtung von Figur 2 vielfach ganz unwillk\u00fcrlich die schwarzen Quadrate in Gruppen zu je vier angeordnet; und !zwar sehe ich sogar zuweilen die ganze Tafel in solche Gruppen .eingetheilt, indem sich bei wanderndem Blick immer wieder ein\u00a9 neue Gruppe der Aufmerksamkeit darbietet. Willk\u00fcrlich kann -ich auch leicht ein gr\u00f6fseres Quadrat, bestehend aus dreimal drei kleinen quadratischen Fl\u00e4chen durch die Aufmerksamkeit herausheben und dabei sogar diese Gruppe wieder in mannig-","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nF. Schumann.\nfache Unterabteilungen zerlegen. Entweder bilden dann immer je drei in einer horizontalen Reihe befindliche Quadrate eine Einheit (bezw. je drei vertical unter einander stehende), oder ich zerlege die \u201eNeun\u201c in eine \u201eF\u00fcnf\u201c und eine \u201eVier\u201c, indem ich etwa als \u201eF\u00fcnf\u201c die vier Eckquadrate mit dem in der Mitte liegenden Quadrate von den \u00fcbrigen vier kleinen Quadraten\nFig. 2.\nabsondere. Weiter kann ich auch eine gr\u00f6fsere Gruppe von viermal vier kleinen Fl\u00e4chen durch die Aufmerksamkeit isoliren, welche jedoch sehr leicht in vier Untergruppen zu je zweimal \u2022zwei Fl\u00e4chen zerf\u00e4llt. Ja ich kann mir sogar die ganze Figur, wenn ich den Blick auf die Mitte richte, in vier Untergruppen von je viermal vier kleinen Fl\u00e4chen zerlegt denken, wobei allerdings die einzelnen Elemente ziemlich undeutlich sind. Endlich vermag ioh noch manche andere Gruppe herauszuheben, z. B.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Qesichtstcahmehmungen. I.\n9\ndie Quadrate, welche auf den beiden Diagonalen der Figur liegen.\nBei den zuletzt beschriebenen Beobachtungen f\u00e4llt zuweilen noch eine besondere Erscheinung auf. Die weifsen Streifen, welche eine einheitliche Gruppe von den benachbarten schwarzen Fl\u00e4chen trennen, treten h\u00e4ufig lebhaft im Bewufstsein hervor, w\u00e4hrend die zwischen den Eilementen der Gruppe ausgebreitete weifse Fl\u00e4che mehr in den Hintergrund tritt. Zugleich erscheint dann ein hervortretender weifser Streifen breiter als die anderen, objectiv gleich breiten, aber mehr im Hintergr\u00fcnde befindlichen Streifen. Einige Versuchspersonen vermochten sogar bequem das weifse (aus dem mittleren verticalen und dem mittleren horizontalen Streifen zusammengesetzte) Kreuz, welches die vier gr\u00f6fseren Quadrate von je 16 Elementen von einander trennt, willk\u00fcrlich durch die Aufmerksamkeit im Bewufstsein, hervortreten zu lassen. Die beiden Streifen des Kreuzes schienen ihnen dann ebenfalls breiter zu sein als die \u00fcbrigen Streifen, und zwar war die T\u00e4uschung um so deutlicher, je lebhafter das Kreuz hervortrat\nSind die Elemente in ganz gleichen Abst\u00e4nden angeordnet, so h\u00e4ngt die Gruppirung ganz und gar von der Willk\u00fcr ab und wechselt aufserordentlich leicht Durch Abstufung der Gr\u00f6fse der Abst\u00e4nde erzielt man dagegen eine bestimmte Gruppirung, die sich zun\u00e4chst immer unwillk\u00fcrlich von selbst einstellt, und die durch willk\u00fcrliche Anstrengung nur schwer zu \u00e4ndern ist, wie dies Figur 3 zeigt Hier bilden zun\u00e4chst je vier kleine Fl\u00e4chen eine einheitliche Gruppe und dann bilden vier solche Gruppen wieder eine Einheit h\u00f6herer Ordnung. Ferner wird man leicht bemerken, dafe die breiteren weifsen Streifen im Bewufstsein hervortreten.\nStatt der schwarzen Kreisfl\u00e4chen kann man auch anders gef\u00e4rbte oder anders geformte Elemente (Punkte, Quadrate, Linien u. s. w.) nehmen : immer erzielt man durch Variation der Abst\u00e4nde eine bestimmte Gruppirung und immer treten die gr\u00f6fseren Abst\u00e4nde im Bewufstsein hervor. Als weiteres Beispiel m\u00f6ge noch Figur 4 dienen.\nJa es ist sogar nicht einmal nothwendig, dafs die Elemente unter sich vollst\u00e4ndig gleich sind. Man betrachte z. B. die vorliegende Druckseite : Die Buchstaben jedes Wortes sind zu einer Einheit verbunden und die Distanzen zwischen den Worten sind immer gr\u00f6fser als die Distanzen zwischen den Buchstaben.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nF. Schumann.\nFerner ist es sehr deutlich, dafs beim Lesen die kleineren Distanzen zwischen den Buchstaben ganz und gar f\u00fcr das Be--\nFig. 3.\nFig. 4.\nwufstsein zur\u00fccktreten, dafs dagegen die gr\u00f6fseren Distanzen zwischen den Worten auffallen.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahrnehmungen. I.\n11\nWenn ich im Vorstehenden davon gesprochen habe, dafs Linien, Distanzen u. s. w. im Bewufstsein hervortreten, so meine ich damit nat\u00fcrlich nicht, dafs sie r\u00e4umlich hervortreten, sondern nur dafs sie auffallen, im Vordergr\u00fcnde des Bewu\u00dftseins sich befinden. Zuweilen kommt es allerdings vor, dafs die Distanzen u. s. w. nebenbei auch noch r\u00e4umlich hervortreten (aus der Ebene des Papiers heraustreten), doch ist es keineswegs die Kegel.\n\u00a7 2. Aehnliche Erscheinungen k\u00f6nnen wir beobachten, wenn wir ein grofses Quadrat durch gerade Linien in kleine\nFig. 5.\nQuadrate eintheilen (vgl. Fig. 5). Hier kann man auch mit Leichtigkeit ein gr\u00f6fseres Quadrat bestehend aus dreimal drei","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nkleinen beraosheben. Dabei k\u00f6nnen die vier The\u00fcungslinien dieses gr\u00f6lseren Quadrats mit hervortreten, oder es treten einen Moment die beiden verticalen bezw. horizontalen Theilongslinien allein hervor. Im enteren Falle sind alle nenn kleinen Quadrate deutlich da nnd ich bin mir in jedem Augenblick bewubt, neun zu sehen Gehe ich nun weiter und hebe viermal vier kleine Quadrate als ein grobes Quadrat heraus, so zerf\u00e4llt dieses gew\u00f6hnlich in vier kleinere, von denen jedes wieder zweimal zwei Elemente enth\u00e4lt Versuche ich dann noch mehr kleine Quadrate zu einem gr\u00f6beren zusammenzufassen, so gelingt auch das nach einiger Uebung noch bei siebenmal sieben oder gar bei neunmal neun. W\u00e4hrend ich aber bei dreimal drei Quadraten alle deutlich vor mir haben kann, treten von f\u00fcnfmal f\u00fcnf Elementen an nur noch die Begrenzungslinien des Ganzen hervor und es ist im Innern dieser Begrenzungslinien alles undeutlich. Auch bin ich mir dann nicht mehr bewubt, wie viel Elemente in dem gr\u00f6beren Quadrate enthalten sind.\nStatt zu gr\u00f6beren Quadraten kann ich die Elemente auch zu gr\u00f6beren Rechtecken, Kreuzen etc. vereinigen.\nSucht man durch die innere Wahrnehmung festzustellen, wodurch sich die herausgehobenen Linien, Kreisfl\u00e4chen etc. von den anderen unterscheiden, so bemerkt man sofort, dab die ersteren schw\u00e4rzer und sch\u00e4rfer begrenzt erscheinen.\n\u00a7 3. Die Linien, welche bei den Erscheinungen des vor-stehenden Paragraphen in Frage kamen, waren nicht eigentliche Grenzlinien (d. h. Trennungslinien von Fl\u00e4chen, die verschieden gef\u00e4rbt sind), sondern nur sehr schmale schwarze Fl\u00e4chen auf weifsem Grunde. Es ist nun interessant, dafs sich ganz analoge Erscheinungen ergeben, wenn man statt der schwarzen Linien wirkliche Begrenzungslinien nimmt So wird man bei der Betrachtung von Figur 6 mit Leichtigkeit eine Anzahl der kleinen schwarzen und weifsen Fl\u00e4chen zu gr\u00f6fseren Dreiecken oder Vierecken zusammenfassen k\u00f6nnen und dabei bemerken, dafs die Grenzlinien, welche die zusammengefafste Gruppe von den \u00fcbrigen Elementen scheiden, im Bewufstsein hervortreten. Da demnach eine Grenzlinie ja relativ gesondert von den Fl\u00e4chen, zwischen denen sie besteht, im Bewufstsein hervortritt, und da sie sich mit anderen gleichartigen Elementen zu Einheiten verbindet, so ist sie ein relativ selbst\u00e4ndiges Bewufstseinselemenb","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahrnehmungen. 1.\n13\n\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\n\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\u2666\nmmmm\nFig. 6.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nF. Schumann.\nSolche Grenzlinien treten aber nicht nur dann auf, wenn zwei verschieden gef\u00e4rbte Fl\u00e4chen an einander stofsen, man kann sie vielmehr unter g\u00fcnstigen Bedingungen auch auf Fl\u00e4chen, die objectiv ganz gleichm\u00e4fsig gef\u00e4rbt sind, auftreten sehen. So wird man bei Betrachtung von Figur 7 bemerken, dais sieh in der Mitte ein weifses Rechteck mit scharfen Grenzlinien abhebt, die objectiv nicht vorhanden sind. Indessen ist es mir bisher nur gelungen unter g\u00fcnstigen Bedingungen gerade \u2022 Grenzlinien hervorzurufen, nie dagegen regelm\u00e4fsig gekr\u00fcmmte Linien.\nZeichnet man ferner zwei gleiche, horizontale, parallele Linien, welche nicht zu weit von einander entfernt sind, so wird\nman leicht Trennungslinien auftreten sehen, welche die unter einander liegenden Endpunkte der Parallelen* ........... mit einander verbinden. Die F\u00e4higkeit solche Grenzlinien zu sehen ist indessen nicht bei allen Personen gleichm\u00e4fsig entwickelt So verm\u00f6gen nicht alle bei dem Quadrate in Figur 8 die fehlende Seite durch eine Trennungslinie zu ersetzen. Die Ver-\u2014suchspersonen, denen dies gelang, Fig. 8.\tsahen dabei die weifse Fl\u00e4che im\nInnern des Quadrats etwas anders gef\u00e4rbt als die draufsen befindliche.\nIn diesem Zusammenh\u00e4nge mag dann auch noch eine \u00e4hnliche Erscheinung erw\u00e4hnt werden. Bei Betrachtung zweier kleiner horizontaler Linien (vgl. Figur 9), die nicht zu weit\nFig. 9.\nvon einander in einer Geraden liegen, sehen viele eine Verbindungslinie; und zwar erschien einem . Theil meiner Versuchspersonen diese subjective Linie als ein etwas verwaschener, sehr schmaler Streifen, der weifser war als der Grund, w\u00e4hrend bei anderen das reproducirte Vorstellungsbild einer schwarzen Linie auftrat Der hellere Streifen ist vielleicht nur ein Contrast-bild, welches dadurch entsteht, dafs das Auge von der einen Seite zur anderen wandert","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahmehmungen. I.\n15\nSubjective Linien machen sich a\u00fcoh leicht bei-Betrachtung der beiden Parallelen in Figur 10 geltend, die ich in doppelter Weise auffassen kann. Einmal habe ich den Eindruck eines Parallelogramms, wobei dann subjective Grenzlinien auftreten, welche einerseits die beiden unteren und andererseits die beiden oberen Endpunkte der Parallelen mit einander verbinden. Zweitens kann ich die Linien auch als eine Stufe auffassen, indem ich mir den unteren Endpunkt der h\u00f6her stehenden Linie mit dem oberen Endpunkte der anderen in Gedanken durch eine Linie verbinde.\nVerschiedene Versuchspersonen gaben\nmir an, dafs sie im letzteren Falle\nwirklich eine reproducirte Linie inner-\tFig. 10.\nlieh s\u00e4hen. Von mir kann ich nicht\nein Gleiches behaupten. Ich habe\nzwar deutlioh den Eindruck einer Stufe, vermag aber die hinzuzudenkende Linie nicht durch die innere Wahrnehmung sicher zu constatiren.\nEine Versuchsperson gab an, dafs sie einen Buchstaben, den sie mit einer Feder ohne Tinte auf Papier nur scheinbar aufzeichne, nachher noch kurze Zeit auf dem Papier wirklich zu sehen glaube und zwar mit Linien, die heller als der weifse Untergrund w\u00e4ren.\n\u00a7 4. Wir nehmen vier kleine Quadrate und ordnen sie so-an, dafs sie die Ecken eines (gedachten) Oblongums bilden, dessen l\u00e4ngere Seiten vertical stehen (vgl. Figur 11). Sie gruppiren sich dann beim ersten Blick zu je zwei, und die Zwischenr\u00e4ume, welche sich zwischen zwei unter einander befindlichen Quadraten befinden, treten mehr hervor, w\u00e4hrend die Distanzen zwischen je zwei neben einander befindlichen Quadraten mehr zur\u00fccktreten. Bilden dagegen die vier kleinen Quadrate die Ecken meiner gr\u00f6fseren quadratischen Fl\u00e4che, so ist jedes Quadrat mit idem unter (bezw. \u00fcber) ihm befindlichen ebenso innig verbunden,\n\u2022 wie mit dem neben ihm befindlichen; auch tritt kein Zwischenraum hervor. Allerdings macht man die horizontalen Distanzen","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nF. Schumann.\nbesser etwas gr\u00f6fser als die verticalen, da letztere im Allgemeinen etwas \u00fcbersch\u00e4tzt werden.\nFig. 11.\nIn \u00e4hnlicher Weise k\u00f6nnen wir nun auch Quadrat und Ob-Iongum charakteriBiren, wenn sie von Linien begrenzt sind. Sofort beim ersten Anblick eines Oblongums (vgl. Figur 12) vereinigen sich einerseits die beiden l\u00e4ngeren und andererseits die\nFig. 12.\nbeiden k\u00fcrzeren Seiten je zu einer Einheit Ferner sind die l\u00e4ngeren Linien inniger mit einander verbunden und sie treten, im Bewufstsein mehr hervor. Man kann wohl sogar sagen, d&fs sie in erster Linie f\u00fcr die Figur charakteristisch sind. Beim","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesteh tsxcaJirnehmungen. I.\n17\nQuadrate sind dagegen alle vier Seiten ganz gleichwerthig unter einander verbunden, vorausgesetzt allerdings, dafs wir auch den subjectiven Eindruck des Quadrats haben und die verticalen Seiten nicht \u00fcbersch\u00e4tzt werden.\nDafs bei Betrachtung eines Oblongums ein besonderer Vergleichungsvorgang stattfinden m\u00fcfste, welcher erst die Verschiedenheit der Seiten constatiren k\u00f6nnte, ist \u00f6fter angenommen worden. Thats\u00e4chlich weifs aber die innere Wahrnehmung nichts von einem solchen besonderen Vorg\u00e4nge, vielmehr erkennen wir das Oblongum auf den ersten Blick als ein solches. Und das Gleiche gilt f\u00fcr das Quadrat Dafs nun die angef\u00fchrten Eigenschaften der beiden Figuren (neben ihrer Eigenschaft, vier rechte Winkel zu besitzen) f\u00fcr ihre Beurtheilung wirklich mafsgebend sind, wird die n\u00e4chste Abhandlung noch ausf\u00fchrlicher beweisen.\nZu dem Hervortreten der l\u00e4ngeren Seiten kommt beim Oblongum vielfach noch etwas Anderes hinzu: wir durchlaufen h\u00e4ufig diese Seiten mit der Aufmerksamkeit, so dafs ihre Theile suceessiv hervortreten. Allerdings durchlaufe ich auch wohl die eine oder die andere Seite eines Quadrats mit dem Blick, aber dabei treten die einzelnen Theile \u2014 vorausgesetzt, dafs das Quadrat eine gewisse Gr\u00f6fse nicht \u00fcberschreitet \u2014 im Allgemeinen nicht suc-cessiv hervor, sondern die betreffende Linie ist eigentlich fortw\u00e4hrend als Ganzes von der Aufmerksamkeit erfafst, steht als Ganzes klar vor mir. In solchen F\u00e4llen redet man wohl auch von einem Wandern der Aufmerksamkeit, es ist aber eigentlich nur ein Wandern des Fixationspunktes. Hierbei zeigen zwar die in einem bestimmten Momente in der N\u00e4he des Fixationspunktes liegenden Theile auch etwas sch\u00e4rfere Contouren, aber der Grund ist wohl nur rein physiologischer Natur. Das successive Hervortreten der einzelnen Theile ist deutlicher zu beobachten bei der Auffassung zweier nicht zu kurzer Parallelen. Erst am Schlufs der Wanderung der Aufmerksamkeit steht hier das Ganze noch einen Moment als Ganzes klar vor mir. Die n\u00e4chste Abhandlung wird einige F\u00e4lle bringen, in denen dies successive Hervortreten besonders deutlich ist.\nDrehen wir ein Quadrat, dessen Seiten zun\u00e4chst horizontal und vertical stehen, um 45\u00b0, so sieht es jetzt ganz anders aus (vgL Figur 13). Mach hat zuerst auf diese Erscheinung ; hinge* wiesen (Beitr\u00e4ge zur Analyse der Empfindungen, S.'44). ^Qhnn\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 88.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nP. Schumann.\nmechanische und intellectuelle Operationen\u201c; meint er, w\u00fcrde man'die beiden Quadrate niemals als gleich erkennen.\nFig. 13.\nDie intellectuelle Operation, durch die man die beiden Figuren unmittelbar als gleich erkennt, ist sehr einfacher Natur. Richtet man bei Betrachtung des rechts befindlichen Quadrats die Aufmerksamkeit ganz auf eine Seite und isolirt man sie dadurch m\u00f6glichst, so wird dies Quadrat dem anderen \u00e4hnlicher. Unwillk\u00fcrlich dr\u00e4ngen sich zun\u00e4chst bei der Betrachtung je zwei symmetrisch zur senkrechten Diagonale liegende schr\u00e4ge Linien gleichzeitig der Aufmerksamkeit auf : sie bilden ein einheitliches Ganzes. Allerdings bilden ja auch die Seiten des links befindlichen Quadrats ein einheitliches Ganzes; aber diese sind unter sich mehr gleichwerthig verbunden, w\u00e4hrend von den vier Seiten des anderen Quadrats je zwei besonders innig mit einander verbunden sind. Umgekehrt kann man auch das links befindliche Quadrat so auffassen, dafs es dem anderen \u00e4hnlicher erscheint. Man braucht nur die Aufmerksamkeit auf eine ficke zu richten, dann vereinigen sich die in der Ecke zusammenstolsenden Linien von selbst zu einer Einheit\nDie innige Verbindung je zweier Linien zu einer Einheit ist jedoch nicht das einzige unterscheidende Merkmal des rechts\nZ7\nFig, U.\nbefindlichen Quadrate. Es kommt noch hinzu, dais die Distanzen det1 einander gegen\u00fcber liegenden Ecken (die Diagonalen) im Bo-","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zw. Analyse der Gesichtswahrnehmmgen. I.\n19\nwufstsein eine Rolle spielen, was bei dem anderen Quadrate im Allgemeinen nicht der Fall ist. Dieses Auffallen der Diagonalen zeigt sich vielleicht noch deutlicher, wenn wir statt des Quadrats ein gleichseitiges aber schiefwinkeliges Parallelogramm nehmen (vgl. Figur 14).\nIn derselben Weise wie die schwarzen Linien verhalten sich auch die richtigen Grenzlinien von Fl\u00e4chen, wie Figur 15 zeigt.\nFig. 15.\nRoch deutlicher lassen sich die erw\u00e4hnten Verh\u00e4ltnisse beobachten, wenn man etwa vier kleine durch Zwischenr\u00e4ume von einander getrennte Kreisfl\u00e4chen nimmt und sie so anordnet, dafs\nFig. 16.\nsie die Ecken einer quadratischen Fl\u00e4che bilden (vgl. Figur 16). Von den rechts stehenden vier Kreisfl\u00e4chen bilden je zwei auf derselben Diagonale liegende besonders leicht eine Einheit und ihre Distanzen fallen auf. Fassen wir dagegen willk\u00fcrlich zwei Kreisfl\u00e4chen zu einer Einheit zusammen, welche auf einer Seite des gedachten Quadrats liegen, so wird unmittelbar anschaulich, dafs die beiden Complexe genau congruent sind.\n\u2018 Zeichnen wir ferner ein gleichschenkeliges Kreuz aus entfachen Linien einerseits stehend und' andererseits liegend, so\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nF. Schumann.\nzeigt sich ein gleicher Unterschied in der Auffassung (Figur 17). Im ersteren Falle sind die beiden H\u00e4lften jedes Schenkels zu\nFig. 17.\neiner vollen Einheit verbunden, im anderen Falle bilden je zwei zur Verticalen bezw. Horizontalen symmetrisch liegende H\u00e4lften eine Einheit.\nWenden wir uns dann vom Quadrat zum Rhombus (Figur 14), so k\u00f6nnen wir ebenfalls sagen, dafs alle Seiten unter sich gleichwertig verbunden sind, wenn zwei parallele Seiten horizontal hegen, und dafs je zwei zur Verticalen symmetrisch hegende Linien besonders innig mit einander verbunden sind, wenn eine Diagonale mit der Verticalen zusammenf\u00e4llt. Auch spielen, wie schon erw\u00e4hnt, im letzteren F\u00e4he die Diagonalen eine Rohe im Bewufstsein und zwar tritt die gr\u00f6fsere vor der kleineren deutlich hervor. Ferner unterscheidet sich das ungleichseitige Parallelogramm vom Rhombus in gleicher Weise wie das Oblongum vom Quadrat\nDas ungleichseitige Dreieck bietet bei wechselnder Qrientirung in der Ebene drei verschiedene Auffassungen. Man erh\u00e4lt sie,\nwenn man die Figur 18 allm\u00e4hlich dreht und zwar immer in derselben Richtung, bis sie wieder die urspr\u00fcngliche Lage ein-","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahmehmungen. I.\n21\nnimmt. Dabei bemerkt man leicht, dafs immer die horizontal liegende Seite relativ isolirt ist, w\u00e4hrend die anderen beiden unter sich enger verbunden und eigentlich f\u00fcr das Dreieck charakteristisch sind. Auch bei constanter Lage vermag ich die drei Auffassungen willk\u00fcrlich zu erzielen, wenn ich die Aufmerksamkeit abwechselnd auf je zwei in einer Ecke zusammen-stofsende Linien zu concentriren suche.\nWeiter f\u00fchrt dann auch die Zusammenfassung verschiedener Linien zu Einheiten zu verschiedenen Auffassungen des regel-m\u00e4fsigen Sechsecks. Figur 19 kann ich mir aus einer oberen und einer unteren H\u00e4lfte zusammengesetzt denken; dann sind die drei oberen Linien unter sich besonders verbunden und ebenso die drei unteren. Andererseits kann ich die sechs Linien mir auch in drei Einheiten zerlegt denken, indem ich die obere und die untere Horizontale, die beiden links liegenden und die beiden rechts liegenden schr\u00e4gen Linien zusammenfasse. Die letzte Auffassung ist die n\u00e4chstliegende, wenn die Figur um 90\u00b0 gedreht wird.\nFig. 20.\nFig. 19.\nBetrachtet man das nebenstehende regelm\u00e4fsige Achteck, so tritt leicht eine sehr charakteristische Gruppirung der acht Linien auf. Denkt man sich die Linien in einer bestimmten Reihenfolge mit den Ziffern 1 bis 8 bezeichnet, so k\u00f6nnen sich einerseits 13 5 7 und andererseits 2 4 6 8 zu Gruppen vereinigen. W\u00e4hrend dann die eine Gruppe im Bewufstsein hervortritt, tritt die andere zur\u00fcck. Aufserdem lassen sich willk\u00fcrlich noch andere Gruppirungen erzielen.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"F. Schumann.\nNimmt die Seitenzahl noch weiter zu, so w\u00e9rden die Figuren zu Un\u00fcbersichtlich.\nEndlich l\u00e4fst sich noeh der Unterschied zwischen Kreis und Ellipse in \u00e4hnlicher Weise charakterisiren wie der Unterschied Zwischen Quadrat und Oblongum. Wie bei dem auf der. Seite stehenden Quadrat keine Linie und bei dem auf der Spitze stehenden keine von den beiden Diagonalen vor der anderen\nFig. 21.\nbevorzugt ist, so tritt beim Kreise auch kein Durchmesser (keine Richtung) hervor, w\u00e4hrend die Ellipse eine Hauptrichtung hat, ebenso wie das Oblongum und der auf der Spitze stehende Rhombus.\n\u00a7 5. Zwei gleiche, in einem Punkte zusammenstofsende Linien, die zur Senkrechten symmetrisch liegen, verbindet! sich besonders innig, wie wir dies soeben bei dem auf der Spitze stehenden Quadrate und bei anderen Figuren (Rhombus, Sechseck, Achteck u. s. w.) gesehen haben, und wie wir es auch leicht bei zwei : isolirt gegebenen Linien beobachten .k\u00f6nnen; Das ;Gleiche gilt, wenn die geraden Linien durch gekr\u00fcmmte, ersetzt iwerden.\nNehmen wir ferner eine aus einem gr\u00f6fseren Complex von Linien bestehende Figur, welche die Verticale zur Symmetrieaxe hat, so k\u00f6nnen wir allgemein sagen,- dafs je zwei Linien, die zur Verticalen symmetrisch liegen, unter sich besonders verbunden sind. In Folge dessen sind die beiden H\u00e4lften der. Figur","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahrnehmungen. I.\n23\nzu einem besonders einheitliehen Ganzen verbunden, wie wir dies z. B. leicht beobachten, wenn wir die beiden Sechsecke in Figur 22 betrachten. Das symmetrisch zur Verticalen aufgebaute Sechseck ist ein \u201ein sich geschlossenes Ganzes\u201c, w\u00e4hrend das andere in zwei H\u00e4lften zerf\u00e4llt, von denen die ausgedehntere linke H\u00e4lfte auff\u00e4llt. Das letztere= Sechseck kann man jedoch noch ,in einer besonderen Weise auffassen und dadurch den\nFig. 22.\nZwiespalt der beiden H\u00e4lften vermeiden. Man braucht n\u00e4mlich nur die Aufmerksamkeit auf die drei links befindlichen l\u00e4ngeren Seiten zu richten und diese f\u00fcr sich zu einer Einheit zu verbinden, so tritt eine Auffassung ein, die sich auch von selbst auf dr\u00e4ngt, sobald man die Figur in der Weise um 90\u00b0 dreht, dafs die drei l\u00e4ngeren Seiten die untere H\u00e4lfte, der Figur ausmachen.\nII.\n\u00a7 6. Wie wir oben gesehen haben,, unterscheiden sich die herausgehobenen schwarzen Linien, Kreisfl\u00e4chen u. s. w. von den im Hintergr\u00fcnde befindlichen dadurch, dafs sie schw\u00e4rzer und sch\u00e4rfer begrenzt erscheinen. Solche Unterschiede sind' vielfach dadurch bedingt, dafs das Auge f\u00fcr gewisse Linien genauer accommodirt ist als f\u00fcr andere. Hebt man sich jedoch aus der grofsen Gruppe von Quadraten in Figur 5 ein Gebilde wie das untenstehende (vgl. Figur 23) heraus, so kann die gr\u00f6fsere Sch\u00e4rfe eines solchen Complexes von Linien jedenfalls nicht von der Accommodation herr\u00fchren. Da ferner auch die Undeutlichkeit","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nF. Schumann.\ndes indirecten Sehens nicht in wesentlichem Maafse zur Erkl\u00e4rung herangezogen werden kann, weil indirect gesehene Linien vielfach hervortreten, w\u00e4hrend gleichzeitig die direct gesehenen zur\u00fccktreten, so m\u00fcssen wir die Hauptursache in centralen Bedingungen suchen.\nDie herausgehobenen Linien, Fl\u00e4chen u. s. w. unterscheiden sich aber, wie ich glaube, von den anderen nicht nur dadurch, dafs sie\nschw\u00e4rzer und sch\u00e4rfer begrenzt sind, son-\u25a0\u25a0\u25a0\t\u25a0\u25a0\tdem auch noch durch\nein weiteres eigen-\n_______\t_____ artiges, specifisches\n.\tMoment. Von anderer\nSeite ist behauptet (vgl. z. B. K\u00fciiPE, Zur Lehre von der Aufmerksamkeit, Zeit sehr, f. Philos. Bd. 110, S. 31), dafs die Deutlichkeit \"\t(bez. Klarheit), welche\nmit der Aufmerksam*\n....\tI\u2014J\tkeit einhergeht, und\nFig. 23.\tdie Undeutlichkeit,\nwelche eine Folge der\nUnaufmerksamkeit ist, zwei entgegengesetzte Zust\u00e4nde des Bewu\u00dftseins darstellen. Oh diese Ansicht genau der Wirklichkeit entspricht, will ich hier dahingestellt sein lassen. Jedenfalls scheint sie mir aber der Wahrheit nahe zu kommen.\nFerner ist zu erw\u00e4hnen, dafs die herausgehobenen Elemente sich von den anderen iso\u00fcren und gew\u00f6hnlich ein einheitliches Ganzes bilden. Hieraus d\u00fcrfen wir aber nicht schliefsen, dafs die Zusammenfassung zu Einheiten eine Function ist, welche mit der Function des Heraushebens einfach zusammenf\u00e4llt. Denn wie wir oben gesehen haben * l\u00e4fst sich eine herausgehobene Gruppe von Elementen wieder in verschiedene Untergruppen zerlegen (z. B. die \u201eNeun\u201c in eine \u201eF\u00fcnf\u201c und eine \u201eVier\u201c).\n\u00a7 7. Im Vorstehenden habe ich mit dem Begriff der \u201eEinheit\u201c operirt, ohne ihn n\u00e4her zu erl\u00e4utern. Nun ist aber dieser","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Oesichtswahmehmungen. I.\n25\nBegriff, wie j\u00fcngst Lipps mit Recht betont hat (TonVerwandtschaft und Tonverschmelzung, Ze\u00fcschr. f. Psych. 19, S. 3f.), ein so vieldeutiger, dafs man gut thut stets hinzuzuf\u00fcgen, was damit gemeint ist\nSehen wir uns zun\u00e4chst nach Analogien auf anderen Sinnesgebieten um, so finden wir, dafs auch T\u00f6ne sich mehr oder weniger innig zu Einheiten verbinden k\u00f6nnen. Stumpf hat ja \u00fcberzeugend nachgewiesen, dafs zwei gleichzeitige, consonante T\u00f6ne eine Einheit bilden, und dafs der Complex um so einheitlicher ist, je gr\u00f6fser die Consonanz. Gemeint ist, dafs die beiden T\u00f6ne mehr wie ein einziger (Jeh\u00f6rseindruck erscheinen, sich f\u00fcr das Bewufstsein einem solchen n\u00e4hern.\nIn ganz analoger Weise k\u00f6nnen wir nun auch von der Einheitlichkeit der Gesichtseindr\u00fccke sprechen. Denn betrachten wir einerseits Figur 2 (oben S. 8) und andererseits Figur 3 (oben S. 10), so bietet sich uns im ersteren Falle \u2014 vorausgesetzt, dafs nicht willk\u00fcrlich oder unwillk\u00fcrlich eine Zerlegung in Untergruppen stattfindet \u2014 ein einziger Haufen von Elementen dar, im zweiten Falle dagegen vier kleinere Haufen, von denen jeder wieder in vier noch kleinere Haufen zerf\u00e4llt Auch k\u00f6nnen wir sagen; dafs der Anblick, den die erste Figur bietet, mehr dem Eindruck gleicht, den wir von einer einzigen grofsen quadratischen Fl\u00e4che erhalten, welche die s\u00e4mmtlichen kleinen Quadrate mit ihren Zwischenr\u00e4umen umfafst; dafs dagegen die zweite Figur mehr einer Figur \u00e4hnlich ist, die aus 16 kleineren isolirten quadratischen Fl\u00e4chen besteht, von denen dann je vier wieder einen Complex bilden, der einem einzigen schwarzen Quadrate \u00e4hnlich ist\nOder zeichnen wir eine l\u00e4ngere Reihe von gleichen Punkten neben einander in einer geraden Linie und zwar einmal so, dafe alle Abst\u00e4nde gleich sind, w\u00e4hrend in einem zweiten Falle immer Gruppen von beispielsweise je f\u00fcnf Punkten durch einen gr\u00f6fse-ren Abstand getrennt werden, so k\u00f6nnen wir auch sagen, dafs wir im ersteren Falle einen Anblick haben, der mehr demjenigen einer einzigen geraden Linie gleicht\nFerner k\u00f6nnen wir noch in einer zweiten Bedeutung von Einheitlichkeit sprechen. Wendet man n\u00e4mlich einem Elemente eines einheitlichen Ganzen die Aufmerksamkeit zu, so dr\u00e4ngen sich die anderen Elemente gleichzeitig der Aufmerksamkeit mit auf. In der That, betrachtet man Figur 4 (oben S. 10), so mufs","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nF. Schumann.\nman sich besondere M\u00fche geben, um eine einzelne Linie aus einer Gruppe zu isoliren. Hat man ferner bei dieser Figur die Aufmerksamkeit einer Gruppe von zwei Linien zugewandt, so dr\u00e4ngt sich auch die zugeh\u00f6rige zweite Gruppe des Complexes h\u00f6herer Ordnung mit auf (wenn auch in weniger starkem Maafse). Dieselbe Erscheinung zeigt sich bei Betrachtung der kleinen Kreisfl\u00e4chen in Figur 3. Ja auch bei dem gtofsen einheitlichen Complex von Quadraten, den Figur 2 zeigt, dr\u00e4ngen sieh mir im Allgemeinen alle kleinen Quadrate gleichzeitig auf,, und eine unwillk\u00fcrliche Gr\u00fcppirung tritt, in der Regel bei mir erst dann auf, wenn ich mich' Vorher erst einige Zeit bem\u00fcht habe,, willk\u00fcrlich Gruppi-rungen vorzunehmen. Betrachte ich dagegen eine\u2018Tafel, auf der sich m\u00f6glichst verschieden gef\u00e4rbte -quadratische Fl\u00e4chen (oder aueh verschieden geformte Fl\u00e4chen); befinden, . so- verhalten sich die einzelnen Elemente der Aufmerksamkeit gegen\u00fcber'.nicht mehr gleichwertig, Es tritt vielmehr eine Unruhe ein, und bald dr\u00e4ngt sich dieses bald jenes Element der Aufmerksamkeit auf. .\t.\t'.\t;\nEndlich k\u00f6nnen wir noch in einem dritten Sinne von Einheitlichkeit sprechen: Jede Gruppe wirkt als ein Ganzes ; auf die Vorstellungsreproduction. Drei kleine schwarze Kreisfl\u00e4chen in gleichen Abst\u00e4nden neben, einander angeordnet rufen sofort beim ersten Anblick das Zahlwort \u201edrei\u201c in mir hervor. Sehe ich zwei derartige Reihen unter einander angeordnet,., so wird das Zahlwort \u201esechs\u201c reproducirt u: s. w. Bei Complexen, die aus mehr als 16 Elementen bestehen, tritt jedoch bei mir keine unmittelbare Reproduction mehr ein. , -\t\u25a0 ,\nWenden wir uns nun zu dem auf der Seite stehenden Quadrate\u00bb so k\u00f6nnen wir sowohl sagen,* dafs es eine numerische Einheit ist (einem Eindruck gleicht), als auch dafs es als Ganges wirkt. Denn ich bin mir beim ernten Blick bewufst, ein Quadrat zu sehen, ohne dafs erst ein besonderer VergleichungsVorgang eintritt, der die Gleichheit der Seiten .feststellt Indessen in diesen beiden Beziehungen kann man auch von jedem anderen Viereck sagen, dafs es ein einheitliches Ganzes bildet Quadrat und Rhombus sind insofern ausgezeichnet, als sich die vier Seiten ganz gleichm\u00e4fsig der Aufmerksamkeit aufdr\u00e4ngen. Sie . unterscheiden sich von einem Viereck, dessen Seiten verschieden lang, sind, in \u00e4hnlicher Weise wie sich eine Fl\u00e4che , auf der gleiche","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahrnehmungen. I.\n27\nElemente in regelm\u00e4fsiger Weise angeordnet sind, von einer zweiten Fl\u00e4che mit ungleichen Elementen unterscheidet.\nBei dem auf der Spitze stehenden Quadrate sind je zwei symmetrisch zur Medianebene hegende Seiten besonders innig mit einander verbunden. Hier k\u00f6nnen wir sagen, dafs sich.die beiden Linien eines Paares immer gleichzeitig der Aufmerksamkeit aufdr\u00e4ngen. Betrachte ich aber das auf der Seite stehende Quadrat und fasse ich dann willk\u00fcrlich zwei in einer Ecke zu-sammenstofsende Seiten zur Einheit zusammen, so kann keine Rede davon sein, dafs sich die beiden Seiten gleichzeitig der Aufmerksamkeit aufdr\u00e2ngt\u00e9n, und doch habe ich jetzt von diesem Quadrat den gleichen Eindruck wie von dem auf der Spitze st\u00e9henden Quadrate. Der Umstand, dafs sich zwei Seiten gleichzeitig der Aufmerksamkeit auf dr\u00e4ngen, kann demnach nicht maafsgebend sein f\u00fcr den Eindruck der Einheitlichkeit, den ich von ihnen habe. Dagegen kann man sagen, dafs diese Figur in eine ob\u00e8re und eine untere. H\u00e4lfte zerfallt. Jede H\u00e4lfte erinnert daher mehr an den Eindruck, den. sie is\u00f6lirt gezeichnet macht, iind das Ganze ist mehr die einfache Summe dieser beiden Th\u00e9ile. Je zwei inniger verbundene Linien wirken also als ein Ganzes.\nDiese Erl\u00e4uterungen zu dem Begriff der. Einheitlichkeit werden. sich wohl hei fortschreitender Erfahrung erg\u00e4nzen lassem Wahrscheinlich liegt aber ein nicht weiter definirbares sinnliches Moment, eine letzte Bewufstseinsthatsache vor, welche wir uns im Wesentlichen wohl nur durch Beispiele klar machen k\u00f6nnen.\nOb die Einheitlichkeit, welche sich bei consonanten T\u00f6nen zeigt, mit der hier besprochenen Einheitlichkeit identisch ist; oder ob die beiden Ph\u00e4nomene nur \u00e4hnlich sind, ist nicht ganz einfach definitiv zu entscheiden, wenn auch viel f\u00fcr die erstere Annahme spricht. . Jedenfalls besteht eine weitere Analogie zwischen den beiden Ph\u00e4nomenen noch insofern, als sie Beide\n\u00ab\t_ j \u25a0 *\nzur Wohlgef\u00e4lligkeit in n\u00e4herer Beziehung stehen. Denn ein Quadrat erscheint wohlgef\u00e4lliger als ein ungleichseitiges Viereck, und das Entsprechende gilt f\u00fcr alle gleichseitigen Figuren. Theilt man ein Quadrat einerseits durch eine senkrechte und eine horizontale Mittellinie in vier kleinere Quadrate, und andererseits in vier Rechtecke von verschiedener Gr\u00f6fse, so wirkt die erstere einheitlichere Figur entschieden angenehmer. Zeichnen wir auf einem Untergr\u00fcnde gleich\u00e8 schwarze Quadrate in regelm\u00e4fsiger","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nF. Schumann.\nAnordnung, so wirken sie entschieden angenehmer als eine Tafel mit m\u00f6glichst verschieden gef\u00e4rbten Quadraten. Diese Beispiel\u00a9 lassen sich erheblich vermehren. Ich will jedoch an dieser Stell\u00a9 nur noch darauf hinweisen, dafs auch die Linien der als besonders wohlgef\u00e4llig bekannten symmetrischen Figuren sich einheitlich verbinden, wie wir oben gesehen haben.\n\u00a7 8. Die Ausf\u00fchrungen des vorigen Paragraphen zeigen* dafs die Bedenken ganz gerechtfertigt sind, welche ich gegen einen Beweis von angeblich \u201eunausweichlicher Stringenz\u201c geltend gemacht habe, durch den v. Ehrenfels (lieber Gestaltqualit\u00e4ten, Vierteljahrsschrift f. wiss. Philos. 14, 1890, S. 269 ff.) di\u00a9 Existenz eigenartiger Vorstellungsinhalte festgestellt zu haben glaubt, welche den \u201eRaumgestalten\u201c zukommen sollen.\nEhrenfels geht aus von der Anschauung, dafs eine Fl\u00e4ch\u00a9 aus unendlich vielen Punkten (\u201e\u00f6rtlichen Bestimmtheiten\u201c) zusammengesetzt sei, und schliefst dann folgendermaafsen : Wenn eine Raumgestalt z. B. eine quadratische Fl\u00e4che nichts anderes w\u00e4re als eine Summe \u201e\u00f6rtlicher Bestimmtheiten\u201c, so m\u00fcfsten verschiedene Raumgestalten einander um so \u00e4hnlicher sein, j\u00a9 \u00e4hnlicher ihre einzelnen Elemente unter einander w\u00e4ren. Da nun aber die \u201e\u00f6rtlichen Bestimmtheiten\u201c von der Lage im Gesichtsfelde abhingen, also einander um so \u00e4hnlicher w\u00e4ren, j\u00a9 n\u00e4her sie aneinandergelagert w\u00e4ren, so liefse sich nicht einsehen* weshalb zwei Quadrate einander gleich \u00e4hnlich blieben, einerlei wie weit man sie im Gesichtsfelde von einander entfernte, und weshalb nicht etwa eine andere in der N\u00e4he eines Quadrats gelegene Raumgestalt diesem viel \u00e4hnlicher zu sein schiene als ein entfernteres Quadrat. Die Aehnlichkeit von Raumgestalten mufs also, so schliefst v. Ehrenfels weiter, auf etwas Anderem beruhen, als auf der Aehnlichkeit der Elemente, bei deren Zusammenfassung im Bewufstsein sie erscheinen; und er glaubt annehmen zu k\u00f6nnen, dafs bei der Zusammenfassung der Elemente ein neues Vorstellungselement hinzukomme, welches den Eindruck der Aehnlichkeit erst vermittle. Das Neue nun, was bei der Zusammenfassung der Elemente hinzukommt, bezeichnet v. Ehrenfels als \u201eGestaltqualit\u00e4t\u201c, und er versteht darunter \u201esolche positive Vorstellungsinhalte, welche an das Vorhandensein von Vorstellungscomplexen im Bewufstsein gebunden sind, die ihrerseits aus von einander trennbaren (d. h. ohne einander vorstellbaren) Elementen bestehen.\u201c","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahi'nehmungen. I.\n29\nEs ist ja unzweifelhaft richtig, dafs die Aehnlichkeit der Raumgestalten nicht auf der Aehnlichkeit der rein fingirten Elemente beruht. Die angef\u00fchrten Beobachtungen \u00fcber die Eigenschaften des Quadrats, des Oblongums u. s. w. zeigen aber deutlich, dafs auch nicht ein neu hinzukommender Vorstellungsinhalt f\u00fcr das Aehnhehkeitsbewufstsein maafsgebend ist, sondern etwas ganz Anderes. Quadrat und Oblongum unterscheiden sich dadurch von einander, dafs beim ersteren alle vier Seiten gleich-werthig und gleichinnig mit einander verbunden sind, w\u00e4hrend beim Oblongum die l\u00e4ngeren Seiten st\u00e4rker verbunden sind und hervortreten.1 Ferner unterscheidet sich das Quadrat vom Rhombus, mit dem es die gleiehm\u00e4fsige Verbindung der vier Seiten gemein hat, durch seine rechten Winkel. Also die Eigenschaften, durch die wir das Quadrat \u2014 wenigstens das auf der Seite stehende Quadrat \u2014 bei den verschiedensten Lagen im Gesichts? felde wiedererkennen, sind die gleiehm\u00e4fsige Verbindung der vier Seiten und die Rechtwinkligkeit Die Gleichm\u00e4fsigkeit der Verbindung ist aber nicht ein neues Vorstellungselement neben -den vier Linien ; denn ein solches w\u00e4re zun\u00e4chst nur ein weiteres Glied einer Summe von Vorstellungsinhalten, so dafs f\u00fcnf Vorstellungsinhalte statt vier gegeben w\u00e4ren. H\u00f6chstens k\u00f6nnte man sagen, dafs der f\u00fcnfte hinzukommende Vorstellungsinhalt noch die besondere Eigenschaft h\u00e4tte, die anderen zu einer gleichm\u00e4fsigen Verbindung zusammenzufassen. Wesentlich einfacher ist es aber doch, wenn man gleich den vier Grenzlinien, sobald sie unter einander gleich sind, die Eigenschaft, sich gleichm\u00e4fsig unter einander zu verbinden, zuschreibt.\t'\nDie Verh\u00e4ltnisse liegen eben in den angef\u00fchrten F\u00e4llen ganz \u00c4hnlich wie bei den consonanten T\u00f6nen. Habe ich einerseits zwei tiefe T\u00f6ne, die im Verh\u00e4ltnis der Octave stehen, und Andererseits zwei h\u00f6he im gleichen Verh\u00e4ltnis stehende T\u00f6ne, so beruht die Aehnlichkeit zwischen den beiden Complexen weder auf der Aehnlichkeit der Elemente, noch auf einem besonderer! zu den Elementen hinzukommenden Vorstellungsinhalte, sondern auf dem starken Verschmelzungsgrade, der alle Complex\u00ae von zwei gleichzeitigen T\u00f6nen auszeichnet, di\u00a9 im Verh\u00e4ltnis dfer Octave zu einander stehen.\n---\u00ab------- *\t' \u25a0 \u00bb .\t\u25a0 *\tj: .\n,\t.1 Eme zweite Abhandlung wird noch ausf\u00fchrlicher zeigen, dafs die\nangef\u00fchrten Merkmale wirklich f\u00fcr Quadrat und Oblongum charakteristisch\nV","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nF. Schumann.\nWir haben eben aufser mit Vorstellungsinhalten noch mit einer mehr oder weniger innigen Verbindung von Vorstellungsinhalten zu Einheiten als einer besonderen Bewufstseinsthatsache zu rechnen.\nv. Ehbenfels hat die Existenz von \u201eGestaltqualit\u00e4ten\u201c noch f\u00fcr zahlreiche andere Complexe von Yorstellungsinhalten, die eigenartige Ganze bilden, behauptet und den Beweis immer in analoger Weise gef\u00fchrt. Da er seinem Beweise \u201eeine unausweichliche\u201c Stringenz zuschrieb, so sah ich mich in einer fr\u00fcheren Arbeit [Zcitschr.f. Psych. 17, 8.128 ff.), in der ich mich mit einigen solchen Complexen besch\u00e4ftigte, gen\u00f6thigt zu untersuchen, ob die Existenz der Gestaltqualit\u00e4ten wirklich so absolut sicher bewiesen sei. Ich kam zu dem Schlufs, dafs vorl\u00e4ufig doch noch vorsichtige Zur\u00fcckhaltunggeboten sei.\nGegen meine damaligen Argumente hat sich nun Meinong, der schon in einer fr\u00fcheren Arbeit die EHEENFELs\u2019schen Ausf\u00fchrungen noch weiter zu st\u00fctzen gesucht hatte, in einer neueren, sehr ausf\u00fchrlichen Abhandlung (Zeitschr. f. Psych. 21, 183 ff.) gewandt. Es w\u00fcrde mich zu weit f\u00fchren, wollte ich hier auf alle Differenzpunkte n\u00e4her eingehen. Auch habe ich wenig Hoffnung auf Herbeif\u00fchrung einer Verst\u00e4ndigung, da unsere Grundanschauungen zu verschieden sind. Indessen kann ich nicht umhin, wenigstens einige Punkte seiner Ausf\u00fchrungen hier zu ber\u00fchren.\nIch hatte unter Anderem gegen die EHKBNFELs\u2019sche Beweisf\u00fchrung geltend gemacht, dafs das Gebiet des Ton- und Kaumsinnes psychologisch, noch wenig durchforscht sei, so dafs die weitere Entwickelung der Wissenschaft leicht Ueberraschungen bringen k\u00f6nne, indem sie die Aehnlichkeit der Complexe in einer Weise erkl\u00e4re, die nicht vorauszusehen sei. Hier: gegen schreibt Meinong: \u201eSchumann findet die Thatsachen auf dem Gebiete des Ton- und Kaumsinnes noch nicht psychologisch durchforscht genug, um die Empirie dieser Gebiete heranzuziehen. Aber wo h\u00e4tte Ehbenfel\u00bb. ein durchforschteres Gebiet gefunden ? Folgerichtig verlangt also Schumann eigentlich, man solle sich aller Gedanken \u00fcber die von ihm selbst als solche erkannten \u201eschwierigen Fragen\u201c enthalten, bis \u2014 ja bis wann eigentlich? Die Gewissenhaftigkeit, der solche Zur\u00fcckhaltung entstammen m\u00f6chte, in allen Ehren; aber h\u00e4tte sich der menschliche Forschungstrieb jederzeit durch sie meistern lassen, dann h\u00e4tten wir, f\u00fcrchte ich, eine. be-, denklich kurze Geschichte der Wissenschaften, falls wir n\u00e4mlich \u00fcberhaupt eine h\u00e4tten.\u201c\nDiese Ausf\u00fchrungen w\u00e4ren ja durchaus berechtigt, wenn ich wirklich verlangt h\u00e4tte, dafs man sich \u201ealler Gedanken enthalten\u201c solle \u00fcber die betreffenden schwierigen Fragen. Das habe ich aber gar nicht ge than.-Ich habe vielmehr nur verlangt, dafs man vorl\u00e4ufig die Existenz von Gestaltqualit\u00e4ten noch nicht als sicher bewiesen betrachten solle. Um ein solches Verhalten zu begr\u00fcnden, durfte ich doch wohl darauf hin weisen, dafs auf einem wenig durchforschten Gebiete der Fortschritt der Wissenschaft Ueberraschungen bringen k\u00f6nne. H\u00e4tte v. Ehrenfels die'Existenz von Gestaltqualit\u00e4ten nur als wahrscheinlich betrachtet, so w\u00fcrde ich in","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahmehm ungen. I.\n31\nmeiner fr\u00fcheren Abhandlung kaum n\u00e4her darauf' eingegangen sein. Denn Ich unternahm dort den Versuch, die Gesetzm\u00e4fsigkeit des psychischen -Geschehens zu beschreiben, indem ich alle hypothetischen Bewusstseinsinhalte wegliefs und mich zun\u00e4chst nur auf die durch die innere Wahrnehmung sicher zu constatirenden Inhalte st\u00fctzte. Da nun von den \u201eGestaltqualit\u00e4ten\u201c behauptet war, dafs sie auch sicher zu constatiren seien, so sah ich mich gen\u00f6thigt zu zeigen, dafs ein Beweis von \u201eunausweichlicher Stringenz\u201c denn doch nicht erbracht sei.\nZweitens m\u00f6chte ich noch ein Mifsverst\u00e4ndnifs aufkl\u00e4ren. Meinong schreibt: \u201eWenn daher Schumann meint, die innere Wahrnehmung lasse ein Eingeschlossensein des Beurtheilten in das Urtheil nicht erkennen, sondern zeige nur, dafs die Vorstellung des Beurtheilten das Urtheil, jene \u201eunbekannte Gr\u00f6fse\u201c causire (f), so mufB ich bestreiten, dafs damit der der inneren Wahrnehmung vorliegende Thatbestand richtig beschrieben ist. Die Beschreibung enth\u00e4lt neben dem Zuwenig in betreff des \u201eEinschlusses\u201c noch ein Zuviel in betreff der Causation, von der bereits Hume meines Erachtens endg\u00fcltig dargethan hat, dafs sie \u00fcberhaupt nicht wahrgenommen werden kann, weder ftufserlich noch innerlich.\u201c \u2014 Als ich diese Stelle zum ersten Male las, war ich \u00e4ufserst \u00fcberrascht, denn bisher habe ich auch nicht einmal fl\u00fcchtig geglaubt, durch innere Wahrnehmung fest-steilen zu k\u00f6nnen, dafs die Vorstellung des Beurtheilten das Urtheil causire. In der That finde ich auch weder an der von Meinong citirten (Zeitschr. f. Psych. 17, 118) noch an einer anderen Stelle- meiner fr\u00fcheren Abhandlung eine Aeufserung, welche eine derartige Ansicht bei mir vorauszusetzen gestatten w\u00fcrde.\nKurz vor Abschl\u00fcfs dieser Studie ist noch eine Abhandlung von H. Cornelius (Ueber Gestaltqualit\u00e4ten, Zeitschr. f. Psych. 22, 101 fl.) erschienen, in welcher der Autor die Existenz der Gestaltqualit\u00e4ten ebenfalls gegen meinen Angriff vertheidigt. Er schreibt:\n\u201eDiese Aehnlichkeiten der Complexe sind nun aber keineswegs \u00fcberall durch die Aehnlichkeiten ihrer entsprechenden Theilinhalte bedingt. Vielmehr finden sich Aehnlichkeiten zwischen Complexen auch bei weitgehendster Verschiedenheit der entsprechenden Theilinhalte. Wir haben es also hier mit neuen und von den Aehnlichkeiten der Theilinhalte unabh\u00e4ngigen Arten der Aehnlichkeit von Complexen zu thun. Entsprechend diesen Aehnlichkeiten kommen den Complexen neue Merkmale zu, durch die sich der Complex von der blofsen Summe seiner Theilinhalte unterscheidet.\u201c\n\u201eDie Merkmale, die wir von den Complexen auf Grund dieser neuen, nur den Complexen eigenth\u00fcmlichen Arten der Aehnlichkeit aus-sagen, nennen wir Gestaltqualit\u00e4ten der Complexe.\u201c\nWerden unter \u201eGestaltqualit\u00e4ten\u201c nur Merkmale verstanden, welche den Complex von Elementen auszeichnen, so betrachte ich ihre Existenz auch als gesichert, denn als ein \u201eMerkmal\u201c kann man auch die gr\u00f6fsere Einheitlichkeit eines Complexes betrachten. Aber Ehrbnfels hatte nicht von neu hinzukommenden \u201eMerkmalen\u201c, sondern von \u201epositiven Vorstellungsinhalten\u201c gesprochen. Cornelius glaubt allerdings, dafs hier","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nF. Schumann.\nnur ein terminologischer Unterschied vorliege. Er schreibt: \u201eEhrenfels bezeichnet die Gestaltqualit\u00e4ten nicht als Merkmale, sondern als positive Vorstellungsinhalte, die zu den Elementen der betreffenden Complexe hinzutreten. Allein jene Vorstellungsinhalte sind nach ihm \u00bban das Dasein dieser Complexe gebunden\u00ab \u2014 was doch wohl zu verstehen ist, dafs sie nichts von diesen Complexen Trennbares, sondern etwas nur mit und in ihnen Auftretendes sind, in derselben Weise, wie die Merkmale eines einfachen Inhaltes (Tonh\u00f6he, Intensit\u00e4t u. s. w.) nicht von diesem getrennt, sondern nur in und mit ihm vorstellbar sind. Auch diese Merkmale werden vielfach als Inhalte bezeichnet; entsprechend dieser Terminologie w\u00e4re nat\u00fcrlich auch den Gestaltqualit\u00e4ten der Name \u00bbpositiver Vorstellungsinhalte\u00ab nicht zu versagen. Aber die einen wie die anderen sind nicht concrete, sondern abstracto Inhalte.\u201c \u2014 Dieser Ausf\u00fchrung kann ich jedoch nicht zustimmen. Einmal schliefst Cornelius zuviel aus der Bemerkung, dafs die Gestaltqualit\u00e4ten \u201ean das Dasein dieser Complexe gebunden\u201c sein sollen. Hieraus geht noch keineswegs hervor, dafs abstracto Inhalte gemeint sind, da ja auch concrete Inhalte \u201ean das Dasein der Complexe gebunden\u201c sein k\u00f6nnten. Zweitens kann ich mich auf eine Abhandlung Meinong's berufen (Zeitschr. f. Psych. 2, 245 ff.), welche gleich nach der bekannten EHRXNTBLs\u2019schen Abhandlung erschienen ist, und welche speciell die Frage untersucht, ob die Gestaltqualit\u00e4t nothwendig \u201eein positiver Vorstellungsinhalt\u201c sein m\u00fcsse, oder ob noch andere M\u00f6glichr keiten vorhanden seien. Aus dieser Abhandlung geht klar hervor, dafs Meinoko unter den Gestaltqualit\u00e4ten ebenfalls nicht abstracto Inhalte verstanden hat. Denn wenn er z. B. (a. a. O. 8. 259) bemerkt, man m\u00fcsse darauf gefafst sein, dafs zwischen den Elementen eines Complexes und der Gestaltqualit\u00e4t Verschmelzung oder ein derselben \u00e4hnliches Verh\u00e4itnifs bestehe, so ist klar, dafs er an einen concreten Inhalt gedacht hat. Da nun v. Ehbenpels keinen Einspruch erhoben hat und da nahe wissenschaftliche Beziehungen zwischen Meinono und v. Ehrenfels bestehen, kann ich nicht annehmen, dafs Meinono falsch interpretirt hat.\n(Eingegangen am 15. Februar 1900.)\n!\tt \u201d\t1\n\u2022\t'\"\t\u25a0'\t\u2022!\u25a0.\u00ab>\t,'\u2022!\t:,i\n\"\u2022\t\u25a0\t. -i * \u2019 \u201d\tr; /","page":32}],"identifier":"lit31389","issued":"1900","language":"de","pages":"1-32","startpages":"1","title":"Beitr\u00e4ge zur Analyse der Gesichtswahrnehmungen. Erste Abhandlung: Einige Beobachtungen \u00fcber die Zusammenfassung von Gesichtseindr\u00fccken zu Einheiten","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:14:16.627101+00:00"}