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{"created":"2022-01-31T16:28:04.244545+00:00","id":"lit31413","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Elsenhans, Theodor","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 194-217","fulltext":[{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\nVon\nTheodor Elsenhans.\nEs sei vorl\u00e4ufig gestattet, unter dem Ausdruck \u201eVerallgemeinerung der Gef\u00fchle\u201c die psychischen Vorg\u00e4nge im Gebiete des Gef\u00fchlslebens zusammenzufassen, welche im Folgenden zur Besprechung kommen sollen. Ob der Ausdruck gerechtfertigt ist und zur Einf\u00fchrung in die wissenschaftliche Terminologie sich eignet, kann sich erst aus der thats\u00e4chlichen Zergliederung und Beurtheilung der in Betracht kommenden Erscheinungen ergeben, zu welcher mit dieser Abhandlung ein Versuch gemacht werden soll.1\nF\u00fcr den Vorgang einer Verallgemeinerung der Gef\u00fchle lassen sich zwei M\u00f6glichkeiten denken. Entweder nehmen die Gef\u00fchle an dem Verallgemeinerungsprocefs der Vorstellungen theil, mit welchen sie durch Associationen von hinreichender Festigkeit verbunden sind; oder es bilden sich unmittelbar aus mehreren einzelnen Gef\u00fchlen Gef\u00fchle allgemeinerer Art, in welchen jene einzelnen Gef\u00fchle irgendwie zusammengefafst sind. Wir fassen zun\u00e4chst die erste der beiden M\u00f6glichkeiten ins Auge.\n1 Von Literatur \u00fcber diesen Gegenstand ist mir nur Th. Ribot, L\u2019abstraction des \u00e9motions (.L'ann\u00e9e 'psychologique 3, 1\u20149. 1897) bekannt geworden, nachdem Thema und Grundgedanken dieser Abhandlung mir bereits feststanden. Ribot, dessen Ausf\u00fchrungen ich leider nur aus einer Recension in dieser Zeitschrift, 1898, 16, 319 f., kenne, scheint jedoch von anderen Gesichtspunkten auszugehen und sich in etwas anderer Richtung zu bewegen. In entfernterer Beziehung zu dem vorliegenden Thema stehen die Bemerkungen von W. Witndt \u00fcber \u201eBegriffsgef\u00fchle\u201c (Grundrifs der Psychol. 3. Aufl., S. 315) und der Aufsatz von J. Cohn \u00fcber \u201eDie Gef\u00fchlswirkung der Begriffe\u201c {Philos. Studien 12, 297\u2014306).","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Ueher Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n195\nVorausgesetzt ist, dafs es Vorstellungen giebt, mit welchem Gef\u00fchle associativ verkn\u00fcpft sind, so dafs bei der Reproduction der betreffenden Vorstellungen auch die entsprechenden Gef\u00fchle reproducirt werden. Unter diesen Vorstellungen finden sich nun viele, die nicht einzelne Gegenst\u00e4nde, Eigenschaften, Zust\u00e4nde, Th\u00e4tigkeiten, Verh\u00e4ltnisse bezeichnen, sondern eine Vielheit von solchen und zwar eine Vielheit mit \u00e4hnlichen Merkmalen umfassen. Man hat sie \u201eallgemeine Vorstellungen\u201c, auch \u201eGemeinvorstellungen\u201c genannt und sie sind beim entwickelten Menschen stets durch W orte symbolisirt. Die Wortvorstellung selbst aber ist beim gebildeten Menschen unserer Culturepoche stets ein Complex von Vorstellungen aus verschiedenen Sinnesgebieten, die aus dem Sprechen, Lesen, Schreiben der W\u00f6rter entstanden sind. Diese akustischen, sensomotorischen, optischen, graphischen Wortbilder stehen in associativer Verbindung unter einander und sind mit der Bedeutungsvorstellung, auf welche sie sich gemeinsam beziehen, zu einem Associationsganzen verflochten.1 Wird die \u201eallgemeine Vorstellung\u201c, deren Symbol dieses Associationsganze ist, durch Hervorhebung ihrer Hauptmerkmale klar und scharf gegen andere abgegrenzt, so wird das Wort zum Ausdruck f\u00fcr einen Begriff.\nDoch ist auch auf dieser Stufe der Abstraction die Einzelvorstellung nicht etwa vollst\u00e4ndig verschwunden. Nicht blos ist das den Begriff symbolisirende Wort in dem Augenblick, in welchem es gebraucht wird, selbst eine Einzelvorstellung, sondern es dr\u00e4ngen sich auch bei dem Versuche, die Abstraction zu vollziehen, Einzelvorstellungen aus dem betreffenden Gebiete herzu mit der Tendenz, die Gattung zu repr\u00e4sentiren. Mit dem Worte \u201eDreieck\u201c verbindet sich weder die Vorstellung s\u00e4mmt-licher m\u00f6glicher Dreiecke, noch ein von Einzelbestimmungen v\u00f6llig freier Allgemeinbegriff, sondern ein verschwommenes allgemeines Bild des Dreiecks, in welchem \u2014 haupts\u00e4chlich bei l\u00e4ngerem Verweilen der Aufmerksamkeit \u2014 einzelne Dreiecksformen als Repr\u00e4sentanten der Gattung auftauchen. Je wreiter das Denken fortschreitet, je sch\u00e4rfer die Auffassung und je\n1 B. Erdmann. Die psychologischen Grundlagen der Beziehungen zwischen Sprechen und Denken. Archiv f\u00fcr systemat. Philos. 355\u2014416. 1896.","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nTheodor Eisenkerns.\ntreuer das Ged\u00e4chtnifs f\u00fcr kleine Unterschiede wird, desto deutlicher treten diese repr\u00e4sentirenden Einzelvorstellungen an die Stelle der unbestimmt allgemeinen Vorstellung. Umsomehr tritt dann auch die Bedeutung des Wortes als des Mittels zur Zusammenfassung des Verschiedenen hervor.1 Da aber jener Specialisirungsprocefs sich niemals vollendet und das Erinnerungsbild nie jede Einzelheit des wahrgenommenen Gegenstandes mit absoluter Treue wiedergiebt, so treten die \u201eGemeinvorstellungen\u201c nie ganz zur\u00fcck. Auch sind jene Repr\u00e4sentanten des Begriffs stets begleitet von dem Bewufstsein, dafs sie nur stellvertretende Bedeutung haben und f\u00fcr sich allein den Umfang des Begriffs nicht ausf\u00fcllen.\nAn diesen Umstand kn\u00fcpft eine Theorie Wundt\u2019s an, welche zu der Frage einer \u201eVerallgemeinerung der Gef\u00fchle\u201c zun\u00e4chst in enger Beziehung zu stehen scheint. Nach Wundt 2 kommt jenes Bewufstsein der blos stellvertretenden Bedeutung der betreffenden Vorstellung in der Regel nur in der Form eines eigenth\u00fcmlichen Gef\u00fchls zum Ausdruck. Er nennt dieses Gef\u00fchl \u201eBegriffsgef\u00fchl\u201c und glaubt es darauf zur\u00fcckf\u00fchren zu sollen, dafs dunklere Vorstellungen, die s\u00e4mmtlich zur Vertretung des Begriffs geeignete Eigenschaften besitzen, sich in der Form wechselnder Erinnerungsbilder zur Auffassung dr\u00e4ngen. Hierf\u00fcr spreche besonders die Thatsache, dafs das Begriffsgef\u00fchl solange sehr intensiv sei, als irgend eine der concreten Verwirklichungen des allgemeinen Begriffs als repr\u00e4sentative Vorstellung gew\u00e4hlt werde, wie z. B. ein individueller Mensch f\u00fcr den Begriff des Menschen, wogegen es fast ganz verschwinde, sobald die repr\u00e4sentative Vorstellung ihrem Inhalte nach v\u00f6llig von den Objecten des Begriffs verschieden sei. Es ist aber wohl nicht richtig, dafs die blos stellvertretende Bedeutung der betreffenden Vorstellung in der Regel in der Form eines Gef\u00fchls besonderer Art zum Bewufstsein kommt. Dafs die einzelne repr\u00e4sentative Vorstellung mit dem durch das Wort ausgedr\u00fcckten Begriff sich nicht deckt, wird dem Bewufstsein durch den allgemeinen Charakter des dem Begriff symbolisirenden Wortes stets gegenw\u00e4rtig erhalten. Diese generalisirende Bedeutung des Wortes ist\n1\tSigwart, Logik I 2, S. 56 f.\n2\tGrundrifs der Psychologie, 3. Anfl., S. 315; Grundz. d. physiol. Psychol. II f S. 4771.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n197\nso selbstverst\u00e4ndlich geworden, dafs gerade die Einzahl : z. B. \u201eder Mensch\"' ohne Weiteres die Gattung als solche bezeichnet. Begleitende Gef\u00fchle sind allerdings zweifellos vorhanden, aber wohl nur Gef\u00fchle derselben Qualit\u00e4t, wie sie den richtigen Vollzug des Denkens \u00fcberhaupt begleiten, oder Gef\u00fchle, welche dem \u00e4sthetischen Gebiet angeh\u00f6ren. Wenn eine Vorstellung in besonders anschaulicher Weise den Typus der im Begriff zusammen-gefafsten Erscheinungen repr\u00e4sentirt, mag sich ein Gef\u00fchl intensiver intellectueller Lust einstellen. N\u00e4hert sich die anschauliche Vorstellung etwa einem gedachten Idealtypus, so verbinden sich damit \u00e4sthetische Gef\u00fchle. Eine besondere Gef\u00fchlsqualit\u00e4t d\u00fcrfte also f\u00fcr diese Erscheinungen kaum in Anspruch genommen werden. Damit erledigt sich auch die Beziehung des Wukdt\u2019sehen \u201eBegriffsgef\u00fchles\" zu dem vorliegenden Thema,\nHalten wir nun daran fest, dafs jedenfalls im Wort die Verallgemeinerung der Vorstellungen, die Zusammenfassung vieler Gegenst\u00e4nde derselben Gattung in einem Begriff ihren Ausdruck findet, so erhebt sich die Frage: Sind auch auf dieser Stufe der Generalisation die urspr\u00fcnglich mit der Einzel vor Stellung verbundenen Gef\u00fchlst\u00f6ne noch vorhanden? Sind sie vorhanden, so wird sich dies am deutlichsten darin \u00e4ufsern, dafs sie als regelm\u00e4fsige Begleiterscheinungen der betreffenden Worte auftreten. Die Selbstbeobachtung l\u00e4fst dar\u00fcber keinen Zweifel. Die Wortvorstellungen, welche als Symbole der Begriffe unser ganzes auf die Sprache sich gr\u00fcndendes Denken durchziehen und bedingen, stehen mindestens ihrer grofsen Mehrzahl nach mit Gef\u00fchlen in associativer Verbindung. Es sind theils st\u00e4rkere, theils schw\u00e4chere Gef\u00fchlst\u00f6ne verschiedener Qualit\u00e4t, welche ihnen unzertrennlich anhaften. Die blofse Reproduction von Wortvorstellungen wie Waldesrauschen, Fr\u00fchlingsl\u00fcfte, Giftmord, Verwesungsgeruch, abscheulich, hochherzig f\u00fchrt ganz deutliche Gef\u00fchlst\u00f6ne mit sich. Der Reiz einer Erz\u00e4hlung beruht zu einem grofsen Theile auf den wechselnden Gef\u00fchlen, welche durch das Medium der Wortvorstellungen des Textes in dem Leser erweckt werden.\nDa aber die Wortbilder in ihrer Verkn\u00fcpfung mit den allgemeinen Verstellungen ein complicates Associationsganzes darstellen, so kn\u00fcpft sich daran die weitere Frage, welche Bestand theile dieses Ganzen genau genommen in associativer Verbindung mit den Gef\u00fchlst\u00f6nen stehen. Urspr\u00fcnglich ist es","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nTheodor Elsenhans.\noffenbar die allgemeine Vorstellung selbst, welche dieses eine Associationsglied bildet. Die in vielen einzelnen F\u00e4llen erlebte Freude am Anblick sch\u00f6ner Farben f\u00fchrt zur Uebertragung dieses Gef\u00fchls auf die Vorstellung sch\u00f6ner Farben \u00fcberhaupt. Nachdem aber das Wort zum feststehenden Symbol der allgemeinen Vorstellung geworden ist und die Association zwischen der Bedeutungsvorstellung und dem akustischen, optischen, senso-motorischen, graphischen Wortbild hinreichende Festigkeit erlangt hat, kann durch jeden dieser Bestandtheile des Associationsganzen die Reproduction des Gef\u00fchlstons vermittelt sein, da sie ihrerseits ohne Weiteres die Bedeutungsvorstellung hervorrufen. Bei weiterer Ein\u00fcbung kommt dieses Zwischenglied \u00fcberhaupt nicht mehr zum Bewufstsein und die begleitenden Gef\u00fchle scheinen sich unmittelbar an die Wortbilder zu kn\u00fcpfen. Ja das Wortbild selbst, besonders das akustische und sensomotorische kann durch Betonung, Stimmfarbe, Tonh\u00f6he die begleitenden Gef\u00fchle zum Ausdruck bringen. In dem Wort \u201eabscheulich\u201c z. B. kann durch besonders starke Betonung der Mittelsilbe verbunden mit bedeutender Erh\u00f6hung des Tones das begleitende Gef\u00fchl sittlicher Entr\u00fcstung unmittelbar seinen Ausdruck finden. Die an die Worte \u201eTod und Grab\u201c sich kn\u00fcpfenden Gef\u00fchlselemente verraten sich in der Tiefe und eigent\u00fcmlichen F\u00e4rbung des Tones. Trotzdem kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs die Reproduction dieser Gef\u00fchlselemente stets durch die Bedeutungsvorstellung vermittelt ist, auch wo diese nicht als besonderer Bestandtheil des Gesammtvorgangs zum Bewufstsein kommt. Jene sprachlichen Ausdrucksformen der begleitenden Gef\u00fchle treten gerade nur dann auf, wenn die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Wortes gerichtet ist. Handelt es sich allein um die Form des Wortes, so fehlen sie. So mufs \u00fcberhaupt angenommen werden, dafs bei der Reproduction der Gef\u00fchlst\u00f6ne der Wortvorstellungen die entsprechende Bedeutungsvorstellung stets mit im Spiele ist. Sie bleibt nur unbemerkt1 und ist ein Beispiel f\u00fcr das abgek\u00fcrzte Verfahren des entwickelten\n1 Auf die Frage der \u201emittelbaren Association\u201c kann hier nicht n\u00e4her eingegangen werden. Vgl. dazu : Smith, Zur Frage der mittelbaren Association, Leipzig 1894 (bespr. in dieser Zeitschrift 9, 141 ff.); W. Jerusalem, Ein Beispiel von Association durch unbewufste Mittelglieder, Phil. Studien 10, 323\u2014325; W. Wundt, Sind die Mittelglieder einer mittelbaren Association bewufst oder unbewulst? ebenda 326\u2014328.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n199\nGeisteslebens, bei welchem viele Mittelglieder f\u00fcr das Bewufstsein ausfallen. Dementsprechend wird auch jede Ver\u00e4nderung, welche die Gef\u00fchlst\u00f6ne in Folge ihrer Association mit den W\u00f6rtern als Symbolen der allgemeinen Vorstellungen erleiden, zuletzt ausschliefslich von ihrer associativen Verbindung mit den allgemeinen Vorstellungen selbst abzuleiten sein, durch die ihre Reproduction regelm\u00e4fsig vermittelt ist. Den thats\u00e4chlichen Ausgangspunkt aber mufs stets die unmittelbar wahrnehmbare Association zwischen Wortvorstellung und Gef\u00fchlston bilden.\nF\u00fcr uns handelt es sich nun um die Frage, ob und in wieweit diese Gef\u00fchlst\u00f6ne an dem Verallgemeinern ngsprocefs der mit ihnen verbundenen Vorstellungen theilnehmen, welcher in den durch die W\u00f6rter symbolisirten Begriffen eine Art H\u00f6hepunkt erreicht. Dafs sie dadurch irgend welche Ver\u00e4nderungen erfahren, kann keinem Zweifel unterliegen. Das lebhafte Gef\u00fchl, das an die einzelne Wahrnehmungsvorstellung sich kn\u00fcpft, ist jedenfalls verschieden von den unbestimmten Gef\u00fchlst\u00f6nen, welche f\u00fcr gew\u00f6hnlich mit der Wortvorstellung verbunden sind. Die schwachen Gef\u00fchlsregungen, welche die Worte: \u201eWaldesrauschen\u201c, \u201eFr\u00fchlingsl\u00fcfte\u201c in uns hervorrufen, sind nicht zu vergleichen mit den st\u00e4rkeren Gef\u00fchlen, welche durch die unmittelbare Empfindung und Wahrnehmung dieser Erscheinungen ausgel\u00f6st werden. Das starke Gef\u00fchl des Ekels, welches auf die Wahrnehmung eines Verwesungsgeruches folgt, ist etwas anderes, als das, wenn auch deutliche, so doch viel schw\u00e4chere Gef\u00fchl, das schon mit dem blofsen Worte sich verbindet. Dieser Unterschied besteht nicht etwa blos zwischen dem Gef\u00fchlston der Wahrnehmungsvorstellung und der Wortvorstellung, sondern auch zwischen demjenigen der Erinnerungsvorstellung und der Wortvorstellung. Die Vergegenw\u00e4rtigung eines bestimmten Eisenbahnungl\u00fccks, auch wenn sie durch die Erz\u00e4hlung anderer vermittelt ist, f\u00fchrt st\u00e4rkere und vielleicht andersartige Gef\u00fchle mit sich als die im blofsen Wort fixirte allgemeine Vorstellung eines solchen.\nDamit hat sich uns bereits ein erstes unterscheidendes Merkmal dieser \u201everallgemeinerten\u201c Gef\u00fchle ergeben : die geringere Intensit\u00e4t. Die Thatsache selbst bedarf wohl keiner weiteren Bekr\u00e4ftigung. Es fragt sich, ob sich daf\u00fcr eine tiefere Begr\u00fcndung finden i\u00e4fst.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nTheodor Eisenkerns.\nAm n\u00e4chsten l\u00e4ge die Annahme, dais die Intensit\u00e4t des Gef\u00fchls von der Intensit\u00e4t der Vorstellung, an welche es sich kn\u00fcpft, abh\u00e4ngig sei. Den allgemeinen Vorstellungen k\u00f6nnte geringere Intensit\u00e4t zugeschrieben und daraus die geringere Intensit\u00e4t des begleitenden Gef\u00fchls abgeleitet werden. Aber abgesehen davon, dafs die Annahme von Intensit\u00e4tsgraden bei solchen Vorstellungen psychologisch sehr anfechtbar ist, zeigt eine kurze Ueberlegung, dafs jenes Verh\u00e4ltnifs der Intensit\u00e4ten schon bei der Empfindung, wo es am deutlichsten hervortreten m\u00fcfste, nicht zutrifft. Eine Geruchsempfindung von sehr geringer Intensit\u00e4t kann sehr starke Unlustgef\u00fchle ausl\u00f6sen. Die Lustgef\u00fchle, welche mit dem Anh\u00f6ren eines Tonst\u00fcckes sich verbinden, haben nicht nothwendig beim Fortissimo, sondern vielleicht gerade beim Pianissimo die gr\u00f6fste Intensit\u00e4t.1\nEine weitere M\u00f6glichkeit w\u00e4re die Abh\u00e4ngigkeit der Gef\u00fchlsintensit\u00e4t von der Deutlichkeit der Vorstellung. Da die allgemeine Vorstellung das Gemeinschaftliche vieler Einzelvorstellungen umfafst, wobei die individuellen Merkmale vernachl\u00e4ssigt werden oder nur in der unbestimmten Form gelegentlich den Begriff repr\u00e4sentirender Einzeltypen hervortreten, so geh\u00f6rt ein gewisses Maafs von Undeutlichkeit geradezu zu ihrem Wesen. Dafs aber damit eine Abnahme der Intensit\u00e4t der begleitenden Gef\u00fchle verbunden sein m\u00fcfste, l\u00e4fst sich trotzdem nicht behaupten. Dies geht aus sonstigen psychologischen Beobachtungen zur Gen\u00fcge hervor. Auch die undeutlichste Empfindung oder Vorstellung, eine Geruchsempfindung von nicht n\u00e4her zu bestimmender Qualit\u00e4t, eine Gesichts Vorstellung mit verschwimmenden Umrissen kann Gef\u00fchle von hoher Intensit\u00e4t mit sich f\u00fchren. Auch die dunkle Erinnerung an ein schreckliches Erlebnifs kann einen Sturm von Gef\u00fchlen heraufbeschw\u00f6ren. Die Ursache der geringeren Intensit\u00e4t der mit den allgemeinen Vorstellungen verbundenen Gef\u00fchle ist also nach einer anderen Bichtung zu suchen.\nVielleicht ist es zweckm\u00e4fsig, auf den teleologischen Zusammenhang zwischen den Gef\u00fchlen und dem Zustande des psychophysischen Organismus des Menschen zur\u00fcckzugehen.\n1 Mit Recht hat daher v. Eheexfels in seiner Auseinandersetzung mit Brentano in dieser Zeitschrift 16, 49 ff. den Parallelismus zwischen der Intensit\u00e4t sinnlicher Gef\u00fchle und der Intensit\u00e4t des zugeh\u00f6rigen Inhaltes bestritten.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n201\nZeigt das Lustgef\u00fchl eine F\u00f6rderung, das Unlustgef\u00fchl eine Hemmung der Funktionen des Organismus oder seiner einzelnen Theile an, sind Schmerz und Lust die \u201eW\u00e4chter des Lebens innerhalb der bewufsten Welt\u201c \\ so werden sie dieses W\u00e4chteramt um so nachdr\u00fccklicher aus\u00fcben, so wird ihre Intensit\u00e4t um so gr\u00f6fser sein, je unmittelbarer die Selbsterhaltung des Organismus beg\u00fcnstigt oder bedroht ist. Das Unlustgef\u00fchl, welches uns vor dem Genufs einer in Verwesung \u00fcbergehenden Speise warnt, ist ein sehr intensives. Die Erinnerung an einen bestimmten Fall dieser Art kann immer noch ein verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig starkes Unlustgef\u00fchl hervorrufen, das jedoch bereits eine wesentlich geringere Intensit\u00e4t aufweist. Auch die nur in Worten angedeutete allgemeine Vorstellung eines solchen Falles bewirkt noch ein der Selbstbeobachtung sich deutlich darbietendes Unlustgef\u00fchl , abei dieses Gef\u00fchl hat an Intensit\u00e4t noch mehr verloren. Eine \u00e4hnliche Stufenleiter der Intensit\u00e4tsgrade w\u00fcrden etwa die eine Gebirgswanderung begleitenden Gef\u00fchle, die Erinnerung daran und der Gef\u00fchlston des blofsen Wortes darstellen. Je v eitei die im Gef\u00fchl sich reflectirende Gefahr einer Hemmung oder Aussicht einer F\u00f6rderung des leiblich-geistigen Organismus zur\u00fccktritt, desto mehr verblafst das Gef\u00fchl selbst. Die den Wortschatz der Sprache begleitenden Gef\u00fchlst\u00f6ne sind daher, losgel\u00f6st von ihrer unmittelbaren Beziehung auf das Wohl und Wehe des Individuums, nur d\u00fcrftige Beste der lebhaften Gef\u00fchle, welche im einzelnen Fall mit der Einzelvorstellung sich verbanden.\nSo k\u00f6nnte in dem teleologischen Hintergr\u00fcnde des Gef\u00fchls-lebens die Ursache f\u00fcr die Abnahme der Gef\u00fchlsintensit\u00e4ten bei zunehmender Verallgemeinerung der mit ihnen verkn\u00fcpften Vor-Stellungen gefunden werden.\nWie verh\u00e4lt es sich nun mit der Qualit\u00e4t der Gef\u00fchle im Verlaufe dieses Verallgemeinerungsprocesses? Es ist im Allgemeinen anzunehmen, dafs sie dieselbe bleibt. Denn der Inhalt dei \\ orstellungen, auf welchen sich die Gef\u00fchle beziehen und durch welchen ihre Qualit\u00e4t bestimmt wird, erf\u00e4hrt nur eine Ver\u00e4nderung seiner Form, indem er dem Procefs der Verallgemeinerung unterworfen wird. Vor Allem verliert er dadurch an Bestimmtheit. Es fragt sich, ob diese Abnahme der Be-\n1 F. Jodl, Lehrbuch der Psychologie, S. 383. 1896. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\n14","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nTheodor Elsenhans.\nstimmtheit nicht auch f\u00fcr die Qualit\u00e4t der begleitenden Gef\u00fchle zutrifft, In der That ist der Gef\u00fchlston, welcher etwa unsere WortvorStellung Concert\u201c begleiten, weniger bestimmt als die Gef\u00fchle, welche wir haben, wenn wir ein einzelnes Concert zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Orte h\u00f6ren.\nUnd doch darf diese Unbestimmtheit des Gef\u00fchlstones nicht ohne Weiteres auf die Unbestimmtheit der allgemeinen Vorstellung, an welche er sich kn\u00fcpft, zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Denn sie tritt auch bei voller Bestimmtheit der zu Grunde liegenden Vorstellungen auf. Die \u201eStimmung\u201c, deren wechselnde und ineinander verschwimmende Gef\u00fchlsqualit\u00e4ten meist jeder Bestimmtheit entbehren, kann an durchaus bestimmte Vorstellungen ankn\u00fcpfen. Das v\u00f6llig bestimmte Wahrnehmungsbild eines Menschen kann ein ganz unbestimmtes Gef\u00fchl der Antipathie hervorrufen. Andere Wahrnehmungen f\u00fchren zu unbestimmten Gef\u00fchlen, die als \u201eAhnungen\u201c bezeichnet werden. Die Bestimmtheit des Gef\u00fchls variirt also unabh\u00e4ngig von der Bestimmtheit der Vorstellungen.\nWie aber ist es dann zu erkl\u00e4ren, dafs trotzdem mit dem Unbestimmtwerden der Vorstellung beim Abstractionsprocefs das Unbestimmtwerden des begleitenden Gef\u00fchls Hand in Hand geht? Vielleicht ist auch hier die Erkl\u00e4rung in jener teleologischen Betrachtungsweise des Gef\u00fchlslebens zu suchen. Die qualitative Bestimmtheit des Gef\u00fchls h\u00e4ngt von der Art der F\u00f6rderung oder Hemmung ab, welche der in den Bereich des Bewufstseins eintretende Gegenstand oder Vorgang f\u00fcr das Individuum mit sich f\u00fchrt. L\u00f6st sich dieses Object der Gef\u00fchlserregung aus dem Zusammenhang mit einem bestimmten Organismus ab, um als allgemeine Vorstellung auf viele Einzelf\u00e4lle anwendbar zu sein, so fehlt es dem begleitenden Gef\u00fchlston an dem richtunggebenden Element des bestimmten Zustandes des einzelnen Organismus zu einer bestimmten Zeit. Mit dem Unbestimmtwerden des teleologischen Verh\u00e4ltnisses, dessen st\u00e4ndiger Reflex das Gef\u00fchl ist, mufs auch die Gef\u00fchlsqualit\u00e4t selbst unbestimmt werden.\nInnerhalb dieser abgeblafsten Gef\u00fchlsqualit\u00e4t der allgemeinen Vorstellung tauchen aber entsprechend den zur Repr\u00e4sentation der Gattung sich dr\u00e4ngenden Einzelvorstellungen einzelne qualitativ bestimmtere Gef\u00fchle auf, die je nach der Eigenart und dem augenblicklichen Bewufstseinsstande des Individuums der","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fceber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n203\nallgemeinen Gef\u00fchlsrichtung eine bestimmtere F\u00e4rbung geben. Der unbestimmte und schwache Gef\u00fchlston der Gemeinvorstellung : ..Kunstgenufs\u201c wird etwa lebhafter und bestimmter repr\u00e4sentirt durch die Freude an derjenigen Kunstgattung, welche dem Vorstellenden am n\u00e4chsten liegt. Das bestimmtere Gef\u00fchl wird dann maafsgebend f\u00fcr die Schattirung der die allgemeine Vorstellung begleitenden Gef\u00fchle. Die Repr\u00e4sentation des Allgemeinen durch das Besondere nimmt auf dem Gebiete des Gef\u00fchlslebens eine etwas andere Gestalt an, als auf dem der Vorstellungen, indem die einzelnen Gef\u00fchle auf dem Wege\neiner Art ^ Irradiation einen weiteren Kreis des Gef\u00fchlslebens qualitativ bestimmen.\nAls Hauptmerkmale der durch Association mit allgemeinen Vorstellungen \u2014- und mittelbar deren Symbolen, den Wortvorstellungen \u2014 \u201everallgemeinerten\u201c Gef\u00fchle k\u00f6nnen wir also feststellen: 1. wesentlich verminderte Intensit\u00e4t; 2. geringere oder gr\u00f6fsere Unbestimmtheit der Qualit\u00e4t unter gelegentlichem Hervortreten einzelner bestimmterer die Gattung repr\u00e4sentirender und ihre Qualit\u00e4t beherrschender Gef\u00fchle.\n2.\nV\tir gehen nunmehr zu der zweiten M\u00f6glichkeit einer \u201eVerallgemeinerung\u201c der Gef\u00fchle \u00fcber, bei welcher es sich um die unmittelbare Zusammenfassung einzelner Gef\u00fchle m einem Gef\u00fchl allgemeineren Charakters handelt.\nV\th kn\u00fcpfen hierbei am besten an eine Erscheinung des Gef\u00fchlslebens an, bei welcher schon der sprachliche Ausdruck auf ein \\ erh\u00e4ltnifs dieser Art hinzuweisen scheint. Es ist das gew\u00f6hnlich sogenannte \u201e G e m e i n g e f \u00fc h 1\u201c. In der Bestimmung der Grundz\u00fcge dieser psychischen Erscheinung ist im Allgemeinen Lebereinstimmung vorhanden. Das Gemeingef\u00fchl wird bezeichnet als die \u201eGrundstimmung, die durch den gesammten Zustand des Organismus, durch den normalen oder abnormen Gang der Lebensbewegungen, besonders der vegetativen Functionen entsteht .1 2 Es ist die \u201eResultante der sinnlichen Gef\u00fchle , das \u201eTotalgef\u00fchl, in welchem der gesammte Zustand unseies sinnlichen Wohl- oder Uebelbefuidens zum Ausdruck\n1\tH\u00f6ffding, Psychologie in Umrissen. 2. deutsche Ausg. 1893, S. 126.\n2\tW- Wundt, Grundz. d. physiol. Psych. II f S. 499.\n14*","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nTheodor Elsenhans.\nkommt\u201c.1 2 3 Seine wichtigsten Bestandtheile sind neben den deutlicher localisirten Muskel- und Organempfindungen \u201edie v\u00f6llig unbestimmten Totalempfindungen, ein Conglom\u00e9rat von betonten, aber meist nicht sehr starken Gef\u00fchlen, welche ihren Ursprung in inneren Ver\u00e4nderungen unserer Organe haben\u201c. -\nDas Gemeingef\u00fchl wird ferner in besondere Beziehung zum Selbstbewufstsein, zum Selbstgef\u00fchl, zur individuellen psychischen Grundstimmung, zum Temperament gebracht. Es bildet den \u201eoft \u00fcbersehenen, aber darum nicht weniger wichtigen Hintergrund, der f\u00fcr unser reales Selbstbewufstsein gr\u00f6fsere Bedeutung hat, als irgend eine Vorstellung oder irgend ein Gedanke\u201c. \u201eAlle jene Gef\u00fchle, die zum Gemeingef\u00fchl vereinigt auf unseren eigenen Zustand bezogen werden, bilden in dem Selbstbewufstsein einen mehr oder minder deutlichen Hintergrund der Stimmung.\u201c4 5 * Es beherrscht \u201emit gr\u00f6fserer oder geringerer Bewufstseinsintensit\u00e4t jeden Augenblick unseres Daseins\u201c. \u00b0 Es bildet \u201eeinen Hauptfactor f\u00fcr die Disposition der Temperamente\u201d.\nGemeinsam ist diesen Erkl\u00e4rungen erstens die Anschauung, dafs im Gemeingef\u00fchl mehrere Gef\u00fchle einen mehr oder weniger einheitlichen Ausdruck finden, zweitens die Beziehung desselben auf die physische Seite des psychophysischen Organismus. Beide Punkte bed\u00fcrfen einer genaueren Er\u00f6rterung.\nEs ist wohl nicht richtig, um der Thatsache willen, dafs in dem Gemeingef\u00fchl mehrere einzelne Gef\u00fchle ihren Ausdruck finden, das Ganze als eine Summe von Einzelerscheinungen, als ein \u201eSummationsph\u00e4nomen\u201c 7 zu bezeichnen. Es kommt dabei zu wenig die Einheitlichkeit der Gesammterscheinung zu ihrem Recht. Das Gemeingef\u00fchl selbst ist nicht die blofse Summe der in ihm zusammengefafsten einzelnen Gef\u00fchle, sondern es ist das einheitliche Ergebnifs eines Processes, bei welchem diese ihre Selbst\u00e4ndigkeit verlierend zusammenfliefsen. Es ist ein Totalgef\u00fchl, das aus einer Vielheit von Partialgef\u00fchlen\n1\tW. Wundt, Grundrifs der Psych., 3. Aufl., S. 191. 1898.\n2\tTh. Zieglek, Das Gef\u00fchl, 2. Aufl., S. 87. 1843.\n3\tH\u00f6feding, Psychologie, S. 186.\n4\tWundt, Grundz\u00fcge I, S. 581.\n5\tF. Jodl, Lehrbuch der Psychologie, S. 398.\t1896.\n0 Wundt, Grundz\u00fcge I, S. 581 f. ; \u00e4hnlich H\u00f6ffbing, Psychologie, S. 476.\n7 Jodl, Lehrb. \u201ed. Psych., S. 396.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n205\nentspringt3, selbst aber einfacher Art ist. Dar\u00fcber l\u00e4fst die Selbstbeobachtung keinen Zweifel.\nEs fragt sich nun, welcher Art diese einheitliche Zusammenfassung der einzelnen Gef\u00fchle im Gemeingef\u00fchl ist. Handelt es sich wirklich um einen Procefs, der analog den Vorg\u00e4ngen des abstrahirenden Denkens als \u201eVerallgemeinerung\u201c bezeichnet werden k\u00f6nnte?\nZwischen der Zusammenfassung der Einzelvorstellungen im Begriff und der Einzelgef\u00fchle im Gemeingef\u00fchl besteht jedenfalls ein nicht zu \u00fcbersehender Unterschied. In dem Begriff ist die einzelne Vorstellung so enthalten, dafs sie, auch wo der Begriff als logische Einheit gedacht wird, stets als besonderer Bestandtheil zum Bewufstsein kommt. Dagegen gehen im Gemeingef\u00fchl die darin zusammentreffenden einzelnen Gef\u00fchle vollst\u00e4ndig auf. Wohl k\u00f6nnen bestimmte Gef\u00fchle, wie z. B. das Hungergef\u00fchl, dem Gemeingef\u00fchl seinen Charakter aufpr\u00e4gen. Dieser \"Vorgang ist aber nicht dem logischen Vorgang analog, bei welchem eine einzelne Vorstellung zur Repr\u00e4sentation des Begriffs sich darbietet. Die Vorstellung bleibt dabei, was sie ist. Das Organgef\u00fchl bleibt nicht in demselben Sinne, was es ist. Es hat vielmehr die Tendenz, von dem Punkte des Organismus aus, an welchem es seinen Sitz hat, \u00fcber den ganzen \u00fcbrigen Organismus auszustrahlen.1 2 Es liefert seinen Beitrag zu dem umfassenderen Gemeingef\u00fchl, indem es diesem eine bestimmte F\u00e4rbung giebt, in diesem Procefs aber zugleich seine Selbst\u00e4ndigkeit verliert. Doch wird es nicht als Regel betrachtet werden d\u00fcrfen, dafs ein einzelnes Partialgef\u00fchl das Gemeingef\u00fchl v\u00f6llig beherrscht. Jene Irradiation der Organgef\u00fchle wird im normalen Zustand des Organismus gew\u00f6hnlich von verschiedenen Seiten aus erfolgen, so dafs der seelische Vorgang nicht der einfachen Wellenbewegung zu vergleichen ist, die im Weiher durch einen auf einer Seite hineingeworfenen Stein erzeugt wird, sondern der complicirteren Bewegungsform, welche aus mehreren von verschiedenen Seiten her zusammentreffenden Wellenringen entsteht. Die vollst\u00e4ndige Beherrschung des ganzen Gemeingef\u00fchls durch ein bestimmtes Organgef\u00fchl ist genau genommen\n1\tWundt, Grundrifs d. Psych., S. 19*2.\n2\tJodl, Lehrbuch der Psych., S. 396 f.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nTheodor Eisenkerns.\nein Grenzfall, an welchen auch bei hoher Intensit\u00e4t der einzelnen Gef\u00fchle nur eine Ann\u00e4herung stattfindet.\nDer psychologische Vorgang d\u00fcrfte daher am zutreffendsten als Verschmelzung bezeichnet werden. Das Gemeingef\u00fchl ist nicht ein Summations-, sondern ein Verschmelzungsph\u00e4nomen. Doch ist die Verwerthung desselben f\u00fcr unsere Frage nicht von der Art abh\u00e4ngig, wie im einzelnen das gegenseitige Verh\u00e4ltnifs der Gef\u00fchle gefafst wird. Ob man nun dabei den Begriff der Verschmelzung, der Mischung oder der Irradiation in den Vordergrund stellt: die f\u00fcr uns in Betracht kommende Thatsache liegt unabh\u00e4ngig davon vor, die Thatsache, dafs eine Anzahl einzelner Gef\u00fchle ihren gemeinsamen Ausdruck in einem einheitlichen Gemeingef\u00fchl findet, in welchem sie selbst als Bestandtheile auf gehen.\nL\u00e4fst sich nun trotz dieses Unterschieds in dem Verh\u00e4ltnifs des \u201eGemeingef\u00fchls\u201c und der \u201eGemeinVorstellung\u201c zu den in sie eingehenden Bestandtheilen behaupten, dafs die Analogie, welche der Sprachgebrauch andeutet, einen tieferen Grund in den Thatsachen hat ? In der That finden sich Merkmale, welche diese Annahme nahelegen, theils unmittelbar im Vergleich mit der Verallgemeinerung der Vorstellungen selbst, theils mittelbar durch ihre Uebereinstimmung mit den bei der ersten Classe der Gef\u00fchls Verallgemeinerung gefundenen Merkmalen der Gef\u00fchlst\u00f6ne der Wortvorstellungen.\nHierher geh\u00f6rt zun\u00e4chst die Unm\u00f6glichkeit der Localisation. Wie die allgemeinen Vorstellungen von der Beziehung auf einen bestimmten Ort losgel\u00f6st sind, wie die Gef\u00fchlst\u00f6ne der Wortvorstellungen auf keinen bestimmten im Raume befindlichen Gegenstand sich beziehen, so hat auch das Gemeingef\u00fchl keine bestimmte r\u00e4umliche Beziehung zur Vorstellungswelt. Wohl k\u00f6nnen Organgef\u00fchle bis zu einem gewissen Grade localisirt werden. Wir werden aber von einem durch diese Organgef\u00fchle bedingten \u201eGemeingef\u00fchl\u201c nur in so weit reden k\u00f6nnen, als dasselbe eine von dem Zustand des einzelnen Organs bereits abgel\u00f6ste Grundstimmung darstellt. Allerdings mufs hierbei der Uebergang aus dem einzelnen Organgef\u00fchl in das Gemeingef\u00fchl als ein fliefsender betrachtet werden.\nMit der Unm\u00f6glichkeit der Localisation h\u00e4ngt das zweite Merkmal des Gemeingef\u00fchls zusammen: dasjenige der Unbestimmtheit der Qualit\u00e4t. Es lassen sich zwar gewisse","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"ZTeber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n207\nallgemeine Grundformen desselben angeben. Die Grundstimmung wird etwa als \u201egehobene\" oder \u201egedr\u00fcckte\u201c bezeichnet1; oder man spricht von einem Gegensatz zwischen dem Gef\u00fchl der Kraft, der Freiheit, der Sicherheit und dem Gef\u00fchl der Mattigkeit, der Angst, der unruhigen Beweglichkeit.2 Die im krankhaften Lebensgef\u00fchl sich darstellende St\u00f6rung wird dem Gef\u00fchl der Leichtigkeit und Freiheit gegen\u00fcbergestellt, das mit der normalen Aus\u00fcbung der organischen Functionen sich verbindet und z. B. beim Kinde im Lachen seinen Ausdruck findet.3 Aber gerade die Allgemeinheit und Unsicherheit der sprachlichen Bezeichnung ist eine Best\u00e4tigung der qualitativen Unbestimmtheit, welche dem Gemeingef\u00fchl anhaftet.\nEs fragt sich, ob auch eine Verminderung der Intensit\u00e4t wahrzunehmen ist, wie sie bei den Gef\u00fchlst\u00f6nen der Wortvorstellungen festgestellt wurde. Der Grund, welcher dort die in Folge des Verallgemeinerungsprocesses eintretende Abnahme der Intensit\u00e4t erkl\u00e4rlich machte : die zunehmende Entfernung und zuletzt stattfindende Losl\u00f6sung von der eigentlichen Ursache des Gef\u00fchls f\u00e4llt hier weg, da das Gemeingef\u00fchl zu dem augenblicklichen Zustande des Organismus fortlaufend in Beziehung steht. Auch die Selbstbeobachtung best\u00e4tigt es, dafs von einer Abnahme der Intensit\u00e4t beim Uebergang der Einzelgef\u00fchle in das Gemeingef\u00fchl nicht geredet werden kann.\nVielmehr ist der Fall nicht selten, dass die Intensit\u00e4t des Gemeingef\u00fchls h\u00f6her ist als diejenige mancher Einzelgef\u00fchle, welche in demselben verschmolzen sind. Durchschnittlich wird sich etwa sagen lassen, dafs das Gemeingef\u00fchl ungef\u00e4hr denjenigen St\u00e4rkegrad erh\u00e4lt, welchen das intensivste der darin enthaltenen Einzelgef\u00fchle besitzt.\nDann w\u00fcrde der im Gemeingef\u00fchl sich darstellende Verall-gemeinerungsprocefs drei Hauptmerkmale aufweisen: mangelnde Localisation, qualitative Unbestimmtheit und durchschnittliche Abh\u00e4ngigkeit der Intensit\u00e4t vom Intensit\u00e4tsmaximum der Einzelgef\u00fchle.\nIn den bisherigen Ausf\u00fchrungen ist stets die ausschliefsliche Beziehung des Gemeingef\u00fchls auf die k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nde\n1\tJodl, Lehrb. d. Psych., S. 397.\n2\tWundt, Grundz\u00fcge d. physiol. Psych. II, S. 581 f. ; H\u00f6feding, Psych., S. 310 f.\n:i H\u00f6ffding, Psych., S. 395, 402.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nTheodor Eisenbaus.\ndes menschlichen Organismus vorausgesetzt. Fassen wir jedoch diesen Punkt noch n\u00e4her ins Auge, so mufs die Berechtigung dieser Beschr\u00e4nkung zweifelhaft erscheinen. Nicht blos das nur die Verallgemeinerung als solche andeutende Wort selbst, sondern auch die \u00fcbrigen Ausdr\u00fccke, welche zur Charakteristik des Gemeingef\u00fchls gebraucht werden, weisen darauf hin. Die \u201eGrundstimmung\u201c wird nicht blos von k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nden beein-flufst, sondern sie unterliegt ebensosehr den Einfl\u00fcssen der psychischen Zust\u00e4nde. Ein psychischer Schmerz, die Trauer um einen verstorbenen Freund, eine herbe Entt\u00e4uschung modi-ficieren die \u201eGrundstimmung\u201c in der empfindlichsten Weise. Nicht blos die \u201eperipherisch erregten\u201c, sondern auch die \u201ecentral erregten Empfindungen\u201c liefern ihren Beitrag dazu. Sollte also die mit dem Gemeingef\u00fchl identische Grundstimmung die gesummte augenblickliche Gef\u00fchlslage in einem einheitlichen durch eine Art Verallgemeinerungsprocefs daraus hervorgehenden Gef\u00fchl darstellen, so w\u00e4ren als Componenten derselben nicht blos die von k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nden herr\u00fchrenden Gef\u00fchle, sondern auch die aus dem augenblicklichen Vorstellungsverlaufe sich ergebenden Einzelgef\u00fchle anzusehen. Dann erst w\u00e4re das Verschmelzungsph\u00e4nomen des Gemeingef\u00fchls ein Maafsstab des gesammten augenblicklichen Wohl- oder Uebelbefindens. Dies schliefst jedoch die Annahme nicht aus, dafs die von k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nden herr\u00fchrenden Gef\u00fchle auch unter sich eine einheitliche Verbindung eingehen, die dann der herk\u00f6mmlichen Bedeutung des Wortes \u201eGemeingef\u00fchl\u201c entspr\u00e4che. Nur w\u00fcrde sich dieses letztere wiederum zu dem universelleren, den Durchschnitt der gesammten Gef\u00fchlslage darstellenden Gef\u00fchl wie ein Partialgef\u00fchl zum Totalgef\u00fchl verhalten.\nW\u00fcrde aus dieser Sachlage die volle Konsequenz f\u00fcr den Sprachgebrauch gezogen, so w\u00e4re genau genommen von \u201eGemeingef\u00fchlen\u201c \u00fcberall da zu reden, wo mehrere Gef\u00fchle in einem allgemeineren Gef\u00fchl ihren Ausdruck finden, das als einheitliches Ergebnifs durch Verschmelzung aus ihnen hervorgeht, wie denn auch manche Psychologen bereits das Wort in der Mehrzahl gebrauchen. Dasjenige Gemeingef\u00fchl, welches ausschliefslich aus den mit k\u00f6rperlichen Zust\u00e4nden zusammenh\u00e4ngenden Einzelgef\u00fchlen entsteht, w\u00e4re dann als \u201eLebensgef\u00fchl\u201c von den \u00fcbrigen zu unterscheiden. Das umfassendste aus dem augenblicklichen","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n209\nGesammtzustande des psychophysischen Organismus sich ergebende Gemeingef\u00fchl w\u00e4re die \u201eGrundstimmung\u201c.\nDoch wird es sich empfehlen, um nicht zu sehr vom bisherigen Sprachgebrauch abzuweichen, die Identifikation von \u201eLebensgef\u00fchl\u201c und \u201eGemeingef\u00fchl\u201c vorl\u00e4ufig beizubehalten, es aber dann um so sch\u00e4rfer auf die physische Seite des Organismus zu beschr\u00e4nken und den Begriff der \u201eGrundstimmung\u201c in dem bezeichneten umfassenderen Sinne zu gebrauchen.\nWir sind damit an demjenigen Punkte angelangt, der den Ausblick auf die Bedeutung unserer Frage f\u00fcr die gesammte Psychologie des Gef\u00fchls er\u00f6ffnet. Das sogenannte \u201eGemeingef\u00fchl ist nur ein hervorragendes Beispiel f\u00fcr die das gesammte Gef\u00fchlsleben durchziehende Tendenz der einzelnen Gef\u00fchle, sich zu allgemeineren, aber doch einheitlichen Gef\u00fchlen zu verschmelzen. Das in ein solches allgemeineres Gef\u00fchl eingehende Einzelgef\u00fchl kann dann selbst wieder als allgemeineres gegen\u00fcber specielleren Gef\u00fchlen betrachtet werden. Es ergeben sich daraus Verschmelzungsstufen h\u00f6herer und niederer Ordnung, welche nach dem Vorg\u00e4nge Wundts durch die Ausdr\u00fccke: \u201eTotal- und \u201ePartialgef\u00fchle\u201c bezeichnet werden k\u00f6nnen, vorausgesetzt, dafs dabei nicht ausser Acht gelassen wird, dafs das zutreffendere Schema f\u00fcr dieses Verh\u00e4ltnis der Gef\u00fchle, wie schon aus der mit den h\u00f6heren Stufen zunehmenden qualitativen Unbestimmtheit hervorgeht, nicht das des Ganzen und seiner Theile, sondern des Allgemeinen und des Besonderen ist.1 Es giebt dann Totalgef\u00fchle niederer und h\u00f6herer Ordnung und das umfassendste\nTotalgef\u00fchl w\u00e4re die \u201eGrundstimmung\u201c in dem oben festgelegten Sinne.\nAuch die Gef\u00fchlsgruppen, welche Bibot zum Beweis f\u00fcr seine abstraction des \u00e9motions anf\u00fchrt2, k\u00f6nnen als Beispiele f\u00fcr dieses Verh\u00e4ltnis dienen. Der \u201eGef\u00fchlsniederschlag, der allgemeine Gef\u00fchlseindruck, den ein Land bei seiner Bereisung, der Besuch eines Klosters zur\u00fcckl\u00e4fst\u201c, ist das aus der Verschmelzung\n1\tEmpfehlenswerther w\u00e4re deshalb die oben angedeutete Benennung \u201e(xemeingef\u00fchl\u201c statt \u201eTotalgef\u00fchl\u201c, wTas aber angesichts des f\u00fcr das erstere\nt\\oit bereits Gestehenden Sprachgebrauchs wohl zu Schwierigkeiten f\u00fchren w\u00fcrde.\n2\tA. a. 0.","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nTheodor Elsenhans.\nder Partialgef\u00fchle sich ergebende Totalgef\u00fchl. Irgend ein charakteristischer Theil des Landes, irgend ein Gemach des Klosters kann seinerseits wieder ein Totalgef\u00fchl niederer Ordnung hervor-rufen, das zu dem genannten Totalgef\u00fchl im Verh\u00e4ltnifs des Partialgef\u00fchls steht, oder es kann das genannte Totalgef\u00fchl selbst in ein solches h\u00f6herer Ordnung, z. B. in die Grundstimmung, \u00fcbergehen. Von Vorg\u00e4ngen dieser Art ist unser ganzes Gef\u00fchlsleben durchzogen. Der Aufbau der Verschmelzungsstufen kann dabei ein sehr eomplicirter sein. Die Stimmung, in welcher wir etwa eine Abendgesellschaft verlassen, ist aus einer grofsen Zahl einzelner Gef\u00fchlseindr\u00fccke entstanden, die ihrerseits wieder die verschiedenartigsten Verschmelzungsprodukte darstellen. Die Ge-sammteindr\u00fccke von Personen, von Gespr\u00e4chsinhalten, von etwa geh\u00f6rten Musikst\u00fccken, selbst von Speise und Trank, von Gesellschaftsr\u00e4umen, die selbst zusammengesetzt und doch einheitlich sind, bestehen aus vielen Partialgef\u00fchlen und verflechten sich selbst wieder in der mannigfachsten Weise zu Totalgef\u00fchlen, die in jener \u201eStimmung\" ihren allgemeinsten Ausdruck finden.\nNicht anders verh\u00e4lt es sich mit dem Totalgef\u00fchl, welches ein gelesenes Buch, etwa ein Roman, zur\u00fcckl\u00e4fst. Charaktere, Handlungen, Schicksale der darin geschilderten Personen wecken eine grofse Zahl wechselnder Gef\u00fchle, die sich zu allgemeineren Gef\u00fchlen und zuletzt zu einem die Gesammtwirkung des Buches darstellenden Gef\u00fchlseindruck zusammenschliefsen, in welchem jedoch immer wieder Gef\u00fchlswirkungen einzelner Stellen oder Partien mit der Tendenz maafsgebender Beeinflussung der Gesammtwirkung auftauchen.\nDie zweite von Rib\u00f6t erw\u00e4hnte Gruppe von Beispielen f\u00fcr die abstraction des \u00e9motions scheint zun\u00e4chst eine von der erstgenannten abweichende Art der Gef\u00fchlsverallgemeinerung darzustellen. In Wirklichkeit stehen wir vor derselben Erscheinung. Es handelt sich um die \u201emodernen literarischen Symbolisten\". \u201eWas diese ausdr\u00fccken wollen, sind nicht Ideen, sondern, wie ihre Theoretiker lehren und ihre Erzeugnisse bekunden, Gef\u00fchle, aber Gef\u00fchle, die sich nicht an Bestimmtes ankn\u00fcpfen, sondern sozusagen objectlos sind, blos eine innere Stimmung (disposition int\u00e9rieure), eine abstracte Freude, Liebe, Trauer etc. abgeben. Daher auch das Vage, Unbestimmte der Poesie der Symbolisten. *' Auch diese Seite der Risorschen abstraction des \u00e9motions f\u00fcgt sich ohne Schwierigkeit in unsere Theorie der","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n211\nGef\u00fchlsverallgemeinerung ein und wird dadurch erst recht verst\u00e4ndlich. Was zun\u00e4chst als auffallende Einzelerscheinung auf-tritt, ist nur ein Fall eines allgemeinen Gesetzes. Jene besondere Wirkung der literarischen Erzeugnisse der \u201emodernen Symbolisten\u201c beruht darauf, dafs sie haupts\u00e4chlich Totalgef\u00fchle h\u00f6herer Ordnung hervorrufen, die allgemein und unbestimmt genug sind, um sogleich zu einer \u201eblofsen inneren Stimmung\u201c zu verschmelzen. Da sie in demselben Maafse, als die Verallgemeinerung zunimmt, von jeder Beziehung zu einer Einzelvorstellung sich entfernen, so machen sie den Eindruck der \u201eObjectlosigkeit\u201c und einer weitgehenden qualitativen Unbestimmtheit. Doch wir ber\u00fchren damit bereits ein Gebiet, auf welches unsere Theorie eine besonders fruchtbare Anwendung finden kann und das deshalb eingehendere Ber\u00fccksichtigung verdient.\nEine wichtige Rolle spielt die \u201eVerallgemeinerung der Gef\u00fchle\u201c besonders bei den sogenannten \u201eh\u00f6heren\u201c, den intellec-tuellen, \u00e4sthetischen, ethischen und religi\u00f6sen Gef\u00fchlen. Dafs auch diese Gef\u00fchle, deren Zusammenfassung zu unter sich abgegrenzten Gef\u00fchlsgruppen hier vorausgesetzt werden mufs, als \u201eTotalgef\u00fchle\u201c betrachtet werden k\u00f6nnen, l\u00e4fst sich aus dem psychologischen Thatbestand unschwer ableiten. Die Zusammenfassung mehrerer Gef\u00fchle in einem einheitlichen Gef\u00fchl von weniger bestimmterQualit\u00e4t findet sich bei s\u00e4mmtlichenGruppen vor.\nDie inteile ctuellen Gef\u00fchle, welche die Vorg\u00e4nge unseres Denkens begleiten, kn\u00fcpfen sich schon an das einfache Urtheil an. Das letzte Kriterium seines richtigen Vollzugs liegt ausschliefslich in dem unmittelbaren Bewufstsein der Evidenz, dessen Hauptbestandtheil ein Gef\u00fchl ist.1 Dafs wir gerade diese Ineinssetzung von Subject und Pr\u00e4dicat als die richtige vorziehen, l\u00e4fst sich nicht anders erkl\u00e4ren, als daraus, dafs gerade mit dieser Form des Urtheilens ein Gef\u00fchl der Lust sich verbindet. In diesem Gef\u00fchl verschmelzen sich aber schon beim einfachen Wahrnehmungsurtheil: dies ist eine Rose, Partialgef\u00fchle. Die Deutlichkeit oder Undeutlichkeit des wahrzunehmenden Gegenstandes, welche den Vollzug der dem Urtheil zu Grunde liegenden Wahrnehmung beg\u00fcnstigt oder erschwert, die Art wie der ganze um die Wortvorstellung \u201eRose\u201c sich gruppirende Associationscomplex von akustischen, sensomotorischen, optischen,\nSigwart, Logik 12, S. 16.\n1","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nTheodor Elsenhans.\ngraphischen Wortbildern und BedeutungsVorstellungen in Bewegung kommt, die Einf\u00fcgung des Urtheils in den bisherigen Kenntnifsstand des Subjects f\u00fchren Einzelgef\u00fchle mit sich, deren Summe im Augenblick des Urtheilens zu einem einheitlichen Gef\u00fchl verschmilzt, zu einem Totalgef\u00fchl, in welchem die Partialgef\u00fchle aufgegangen sind.\nDieses Totalgef\u00fchl wird aber selbst zum Partialgef\u00fcl bei complicirteren Formen des Denkens, bei der Ableitung eines Urtheils aus anderen Urtheilen, beim Schlufs verfahr en, bei der Aufstellung einer wissenschaftlichen Hypothese, in welcher eine F\u00fclle einzelner Beziehungen sch\u00f6pferisch zur Einheit zusammen-gefafst wird, bei dem Entwurf eines wissenschaftlichen WVrkes, der in einem einzigen Ueberblick eine grofse Zahl von Gedankenreihen ordnet. Auch der Vollzug solcher h\u00f6herer Denkoperationen, deren h\u00f6chste Formen der sch\u00f6pferischenPhantasie entspringen,sind zweifellos von Gef\u00fchlen begleitet. Hemmungen dieser Vorg\u00e4nge, welche einem einheitlichen und befriedigenden Verlauf derselben entgegenstehen, werden als Unlust, die gl\u00fcckliche Vereinigung der Vielheit zur Einheit wird als Lust empfunden. Diese Gef\u00fchle selbst aber verrathen, f\u00fcr sich allein betrachtet, nichts von der aufserordentlichen Complication der Denkvorg\u00e4nge, aus denen sie hervorgehen und von der Vielheit der mannigfachen Gef\u00fchle, welche diese einzelnen Denkvorg\u00e4nge begleiten. Und doch baut sich das einheitliche Lustgef\u00fchl, das die Auffindung der ein ganzes Gebiet des Wissens erleuchtenden gl\u00fccklichen Hypothese begleitet, auf einer grofsen Zahl von Partialgef\u00fchlen auf, die mit den mannigfachen darin enthaltenen logischen Einzelvorg\u00e4ngen sich verbinden.\nAm einleuchtendsten tritt dieser Sachverhalt zu Tage in dem Ausdrucks mittel, welches das Denken sich geschaffen hat, in der Sprache. Das Sprachgef\u00fchl ist ein typisches Beispiel f\u00fcr die hier in Betracht kommenden Erscheinungen des Gef\u00fchlslebens und kann zur unmittelbaren Best\u00e4tigung des Gesagten dienen.\nBeim Gebrauch einer Sprache, die wir beherrschen, leitet uns ein unmittelbares Gef\u00fchl des Richtigen, ohne dafs dabei die verwickelten Gesetze der Sprache uns zum Bewufstsein kommen. Das sprachlich Falsche verursacht uns ein Lhilust-gef\u00fchl, das zun\u00e4chst von der Art des Fehlers oder von dem Grunde desselben keinerlei Rechenschaft giebt. Es ist vielmehr","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n213\nein im W esentlichen einfaches Gef\u00fchl, wie dies auch der Sprachgebrauch unmifsverst\u00e4ndlich zum Ausdruck bringt. Und doch ist es das Ergebnifs einer \u00e4ufserst verwickelten Kette von Vorg\u00e4ngen. Unz\u00e4hlige Uebungen im Sprechen, H\u00f6ren, Lesen der Sprache, deren Vollzug von zahllosen Schwingungen des Gef\u00fchlslebens begleitet war, sind vorhergegangen. Beruht die Beherrschung der Sprache zugleich auf grammatikalischer Kenntnifs derselben, so hat sich das Sprachgef\u00fchl aufserdem unter der Contr\u00f4le vielverzweigter logischer Processe entwickelt, welche den praktischen Gebrauch der Sprache durch die Unterordnung des einzelnen Falles unter allgemeine Regeln erleichterten, eine logische Th\u00e4tigkeit1, die aber ihrerseits wieder von mannigfachen Gef\u00fchlen begleitet war. Alle diese Partialgef\u00fchle sind in dem Totalgef\u00fchl verschmolzen, das mit dem Namen \u201eSprachgef\u00fchl\u201c als ein eigenartiges und einheitliches gekennzeichnet ist. Und doch d\u00fcrfte es nicht leicht sein, die Qualit\u00e4t desselben irgendwie n\u00e4her zu bestimmen. Es fehlt auch nicht an dem Merkmal der qualitativen Unbestimmtheit, das wir als charakteristisch f\u00fcr die Verallgemeinerung der Gef\u00fchle gefunden haben. Dafs es aber wirklich ein Gef\u00fchl ist, das den Kern dieser Erscheinung bildet, tritt unter Anderem in der Thatsache hervor, dafs es an der Eigent\u00fcmlichkeit der Gef\u00fchle theilnimmt, durch Reflexion in seiner unverf\u00e4lschten Aeufserung gest\u00f6rt zu werden und in der Regel auch an Intensit\u00e4t einzub\u00fcfsen. Machen wir den Versuch, die Aeufserungen des Sprachgef\u00fchls durch theoretischeErw\u00e4gungen grammatikalischer Art zu controliren, so stellt sich h\u00e4ufig Unsicherheit ein. Die thats\u00e4chliche Grundlage auch der Sprachwissenschaft ist der thats\u00e4chliche Sprachgebrauch. Wollen wTir diesen mit H\u00fclfe unseres Sprachgef\u00fchls, aber zugleich unter Reflexion auf die Begr\u00fcndung des sprachlich Richtigen feststellen, so gelangen vdr zu einem Zustand innerer Unsicherheit, der etwra seinen popul\u00e4ren Ausdruck in der Frage findet: Warum heilst es denn gerade so und nicht anders ? Die Reflexion hat den normalen Ablauf des Gef\u00fchls gest\u00f6rt. Das Sprachgef\u00fchl, obw7ohl ein Totalgef\u00fchl h\u00f6herer Ordnung, nimmt auch an dieser Eigenschaft der Gef\u00fchle theil.\nBesonders nahe liegt die Anwendung unseres Grundgedankens auf die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle. Schon die soge-\n1 Ueber die Beziehung zur Logik vgl. meinen Aufsatz \u00fcber \u201eDas Ver-h\u00e4ltnifs der Logik zur Psychologie\u201c, Zeitschr. f. Philos, u.philos. Kritik 109, 207.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nTheodor Elsen ha ns.\nnannten \u00e4sthetischen Elementargef\u00fchle sind als Zusammenfassung noch einfacherer Gef\u00fchle zu betrachten, die vielfach ihrerseits wieder zusammengesetzt sind. In der Musik gr\u00fcndet sich die Harmonie auf die mit den Verh\u00e4ltnissen der Konsonanz und der Dissonanz verbundenen Gef\u00fchle. Die Gef\u00fchlswirkung des Rhythmus baut sich aus der Gef\u00fchlswirkung der aus den Tacten sich zusammen setzen den h\u00f6heren metrischen Einheiten auf. Die Melodie als Ganzes setzt sich aus kleineren Bestandteilen zusammen, welche schon f\u00fcr sich in der Ver\u00e4nderung der Tonh\u00f6he nach oben und unten elementare Gef\u00fchle mit sich f\u00fchren. Aus dem Zusammenwirken dieser aus den verschiedenen Wirkungsweisen der Musik stammenden Partialgef\u00fchle ergiebt sich ein Totalgef\u00fchl, das seihst wieder eine niederere Stufe re-pr\u00e4sentirt gegen\u00fcber den h\u00f6heren \u00e4sthetischen Gef\u00fchlen, welche durch den Gesammteindruck eines Tonganzen hervorgerufen werden. Durch die sinnlichen Eindr\u00fccke angeregt, tauchen aus dem Bewufstsein intellectuelle, sittliche, religi\u00f6se Ideen hervor, welche in irgendwelcher associativer Verbindung mit denselben stehen und ebenfalls Gef\u00fchlscomplexe mit sich f\u00fchren. Daraus entsteht wiederum ein Totalgef\u00fchl h\u00f6herer Ordnung, das gew\u00f6hnlich als Stimmung\u201c bezeichnet wird und als vorl\u00e4ufig oberste Stufe der Verallgemeinerung auch die gr\u00f6fste Unbestimmtheit der Qualit\u00e4t aufweist, so dafs der Versuch, dasselbe mit irgendwelchen bestimmten Gedankenreihen in Verbindung zu bringen, zu sehr verschiedenen Ergebnissen f\u00fchren kann.1 * 3 Die \u00e4sthetische Wirkung der menschlichen Gestalt, einer Landschaft, eines Gem\u00e4ldes setzt sich aus vielen f\u00fcr sich wirksame Gef\u00fchle mit sich f\u00fchrenden Bestandtheilen zusammen. Die Dichtung, speciell in der Form der dem Ausdruck des Gef\u00fchls unmittelbar dienenden Lyrik, weckt durch Wortbilder, Reime, Rhythmus, Gedankeninhalt eine F\u00fclle von Associationscomplexen und f\u00fchrt durch Verschmelzung aller der daraus entspringenden Partialgef\u00fchle zu einer mit dem wechselnden Gesammteindruck sich \u00e4ndernden, aber in jedem einzelnen \u201eSeelenaugenblick\u201c im Wesentlichen einheitlichen \u201eStimmung\u201c. Einen nicht unbedeutenden Antheil daran haben die im ersten Theile unserer Abhandlung besprochenen Gef\u00fchlst\u00f6ne der Wortbilder, deren\n1 Weshalb E. Hanslick, Vom Musikalisch-Sch\u00f6nen, 4. Auf!., Leipzig 1874, der Musik die F\u00e4higkeit \u00fcberhaupt bestreitet, bestimmte Gef\u00fchle darzu-\nV\nstellen, die bestimmte Vorstellungen erwecken k\u00f6nnten.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n215\nzweckentsprechende Aufeinanderfolge zur Entstehung der gewollten Stimmung beitr\u00e4gt. Ueberall eine Verschmelzung der Einzelgef\u00fchle zu allgemeineren Gef\u00fchlen und der allgemeineren Gef\u00fchle zu solchen h\u00f6herer Ordnung.\nDiese Vorg\u00e4nge wiederholen sich auf dem Gebiete der ethischen Gef\u00fchle. Es ist kein Zweifel, dafs die Gef\u00fchlsregungen, welche sich mit der Vorstellung gewisser menschlicher Handlungen verkn\u00fcpfen und zur Billigung oder Mifsbilligung derselben f\u00fchren, in der Hauptsache einheitlicher Art sind, so complicirt auch ihre Entstehung sein mag. Insbesondere zeigt die Selbstwahrnehmung, dafs die pr\u00e4gnanteste Classe dieser Gef\u00fchle, oiejenigen, welche sich auf das eigene Handeln beziehen und vom Sprachgebrauch mit dem Namen \u201eGewissen\" als speci-fische Erscheinung gekennzeichnet sind, nicht als etwas Zusammengesetztes, sondern als etwas Einfaches zum Bewufstsein kommt. Und doch sind in dieselben eine grofse Zahl einzelner Gef\u00fchle eingegangen. Schon die Wortbilder, welche in der Hegel im Zusammenhang mit Regungen des sittlichen Bewufst-seins auftauchen, wie z. B. Mord, Heuchelei, Selbstverleugnung, Grofsmuth sind, wie Avir gesehen haben, mit Gef\u00fchlst\u00f6nen asso-ciirt.1 Ferner geh\u00f6rt zu einem vollst\u00e4ndigen Acte des ethischen Urtheilens die Vorstellung der Wirkungen, welche eine Handlung auf das Wohl oder Wehe lebender Wesen hat. Weiter verbinden sich damit die an die socialen Beziehungen sich kn\u00fcpfenden Gef\u00fchle : Kindesliebe, Elternliebe, Vaterlandsliebe, Rechtsgef\u00fchl, Ehrgef\u00fchl u. a. Im entwickelten Bewufstsein des Cultur-menschen verschmelzen sich diese Gef\u00fchle mit den ethischen Gef\u00fchlen und gehen im einzelnen Fall, je nach der Sachlage, als Partialgef\u00fchle in das ethische Totalgef\u00fchl ein.2\n1\tRee (Die Entstehung des Gewissens, 1885) sieht sogar in dieser \u201elobenden und tadelnden Nebenbedeutung der W\u00f6rter\", wie er es nennt, das W esentliche und zugleich das Irref\u00fchrende des Gewissens. Vgl. mein \u201eWesen und Entstehung des Gewissens\u201c, S. 221 ff. 1894.\n2\tAn anderer Stelle (Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Gewissen I, Theol. Studien u. Kritikern 265 f.; 1900) habe ich deshalb das Gewissen als das \u201esociale Gemeingef\u00fchl\" bezeichnet, das analog dem k\u00f6rperlichen Gemeingef\u00fchl, das als unmittelbarer Ausdruck unseres sinnlichen Wohl- oder Uebelbefindens gelten kann, die Beziehungen unseres Handelns zur Fixirung oder Hemmung des socialen K\u00f6rpers anzeigt. Vgl. auch mein \u201eWesen und Entstehung des Gewissens\", Leipzig 1894.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nTheodor Eisenkerns.\nAehnlich verh\u00e4lt es sich mit den religi\u00f6sen Gef\u00fchlen. In der Stimmung der \u201eAndacht\" fliefst eine ganze Summe einzelner Gef\u00fchle zusammen, die durch die Eindr\u00fccke des Quitus, durch die Handlung des Gebets, durch die erbauliche Besch\u00e4ftigung mit dem religi\u00f6sen Gedankenkreis ausgel\u00f6st werden. Vergegenw\u00e4rtigen wir uns die Stimmung der Andacht, welche durch eine kirchliche Cultushandlung hervorgerufen wird, so sind es zun\u00e4chst sinnliche Eindr\u00fccke, welche dem Gesicht und Geh\u00f6r und etwa auch dem Geruch (z. B. in dem die Stimmung besonders stark beeinflussenden Weihrauch) sich darbieten und in einer sinnlichen GesammtWirkung zugleich die begleitenden Gef\u00fchle vereinigen. Dazu kommt die Erregung des im religi\u00f6sen Gem\u00fcth nach allen Richtungen sich verzweigenden Gef\u00fchlscomplexes, der sich mit dem religi\u00f6sen Gedankenkreis verkn\u00fcpft hat, durch die Worte, welche die Cultushandlung begleiten oder den Mittelpunkt derselben bilden. Die Regungen des frommen Gem\u00fcths sind durch Erziehung und Unterricht in langj\u00e4hriger Uebung so eng mit dem reichen Gedankeninhalt der Religion verflochten, dafs jeder sprachliche Ausdruck dieses Inhalts sogleich in der Stimmung der Seele die entsprechenden Saiten erklingen l\u00e4fst, Alle diese Partialgef\u00fchle aber verschmelzen zu einem Totalgef\u00fchl religi\u00f6ser Andacht, das in der Regel zwar keine genauer bestimmbare Qualit\u00e4t, aber einheitlichen Charakter hat und dessen F\u00e4rbung durch das wechselnde Hervortreten einzelner Partialgef\u00fchle beeinflufst wird.\nSo treten auf dieser Stufe der h\u00f6heren Gef\u00fchle mehrfach auch die Gef\u00fchlst\u00f6ne der Wortvorsteilungen, die wir in erster Linie als Repr\u00e4sentanten einer Verallgemeinerung der Gef\u00fchle gefunden haben, in den Verschmelzungsprocefs ein, durch welchen die zweite unmittelbare Form der Gef\u00fchlsverallgemeinerung sich verwirklicht. Wo der Vorstellungsinhalt im Gef\u00fchlsleben eine Rolle spielt, da ist auch die M\u00f6glichkeit gegeben, dafs die an die allgemeinen Vorstellungen sich kn\u00fcpfenden Gef\u00fchle ihren Beitrag zu Totalgef\u00fchlen h\u00f6herer Ordnung liefern. Und doch bleibt der Unterschied zwischen beiden Formen, der mittelbaren und der unmittelbaren, bestehen. Bei der ersten handelte es sich um die in Folge ihrer Association mit allgemeinen Vorstellungen an den begleitenden Gef\u00fchlen vor sich gehenden Ver\u00e4nderungen, und die in dem allgemeineren Gef\u00fchl zusammengefafsten Einzelgef\u00fchle lagen zeitlich aus einander;","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"lieber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle.\n217\nbei der zweiten Form finden die gleichzeitigen Partialgef\u00fchle unmittelbar ihren gemeinsamen Ausdruck in einem Totalgef\u00fchl. Dieser Sachverhalt entspricht durchaus dem Wesen des Gef\u00fchls. Zeitlich auseinanderliegende Gef\u00fchle k\u00f6nnen nur durch Vermittelung der im Ged\u00e4chtnifs haftenden Vorstellungen in Beziehung zu einander treten; die gleichzeitigen Gef\u00fchle des entwickelten menschlichen Bewufstseins aber treten in unmittelbare Beziehungen von un\u00fcbersehbarer Mannigfaltigkeit und unendlicher Wandlungsf\u00e4higkeit.\n(.Eingegangen am 23. Juli 1900.)\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\n15","page":217}],"identifier":"lit31413","issued":"1900","language":"de","pages":"194-217","startpages":"194","title":"Ueber Verallgemeinerung der Gef\u00fchle","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:28:04.244553+00:00"}