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{"created":"2022-01-31T16:25:48.603030+00:00","id":"lit31414","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Zehender, W. von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 218-284","fulltext":[{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes und das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne am Horizont.\nAusf\u00fchrliche Begr\u00fcndung meines kurzen Nachtrages zu meiner Arbeit \u00fcber Geometrisch-optische T\u00e4uschung\u201c.\nY on\nProf. W. yon Zehender,\nObermedicinalrath.\nWenn ich auf die Frage nach der scheinbaren Form des Himmelsgew\u00f6lbes noch einmal zur\u00fcckzukommen mir erlaube, so geschieht dies haupts\u00e4chlich, um den kurzen Nachtrag zu meiner Arbeit \u00fcber \u201eGeometrische T\u00e4uschung\u201c (diese Zeitschrift 20, S. 65 ff.) zu vervollst\u00e4ndigen und meine Ansichten \u00fcber das Gr\u00f6fsererscheinen der Gestirne am Horizont etwas ausf\u00fchrlicher zu begr\u00fcnden, als es damals geschehen konnte.\nDas Problem, von welchem hier die Rede ist, bewegt sich um die von Alters her bekannte Beobachtung, dafs bei einer nach Augenmaafs versuchten Winkeltheilung am Himmelsgew\u00f6lbe der horizontalw\u00e4rts gerichtete Winkel (die H\u00f6hensch\u00e4tzung) gemeiniglich zu klein ausf\u00e4llt. Aus diesem zu klein gefundenen Winkel (welchen wir mit dem Buchstaben a bezeichnen wollen) hat man die \u201escheinbare\u201c Form des Himmelsgew\u00f6lbes berechnet, und aus der berechneten Himmelsform hat man weiterhin das Gr\u00f6fsererscheinen des Mondes und der \u00fcbrigen Gestirne am Horizonte zu erkl\u00e4ren versucht.\nMeine Einwendungen richten sich bedingungsweise gegen die Beobachtung selbst ; unbedingt aber gegen die Zul\u00e4ssigkeit einer mathematischen Deduction, deren rechnerische Voraussetzungen nicht vollkommen sicher sind. Die Rechnung selbst bleibt","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Frscheinen der Gestirne etc. 219\ndabei v\u00f6llig unangetastet; nur das Resultat der Rechnung wird in diesem Falle anfechtbar.\nZun\u00e4chst nehme ich Act von einer \u2014 wie ich glaube \u2014 ziemlich allgemein als richtig anerkannten Bemerkung, wonach die Gr\u00f6fse des Winkels \u00ab \u201eeine besonders einschneidende Bedeutung nicht besitzt\u201c.1\nDementsprechend glaube ich annehmen zu d\u00fcrfen, dafs insbesondere die Astronomie keine Veranlassung findet, die schein baie Form des Flimmelsgew\u00f6lbes als eine aus-schliefslich vor ihr eigenes Tribunal geh\u00f6rige Frage betrachten zu wollen.\nIst diese Annahme richtig, dann f\u00e4llt die Beurtheilung offenbar in das Gebiet der physiologischen Optik und zwar \u2014 da die meisten Autoren die Erscheinung der abgeflachten Himmelsw\u00f6lbung f\u00fcr T\u00e4uschung erkl\u00e4ren \u2014 in das Capitel der optischen T\u00e4uschungen.\nAls T\u00e4uschung entzieht sich diese Frage aber auch der Mathematik, denn mit T\u00e4uschungen pflegt die Mathematik sich nicht gerne zu befassen; es sei denn in der Absicht, T\u00e4uschungen zu berichtigen.\nUeber T\u00e4uschung oder Nichtt\u00e4uschung entscheidet zuletzt immer die Sinnesempfindung. \u2014 Die Beantwortung der hier vorliegenden Frage erfordert also weder grofse Gelehrsamkeit noch auch grofsen Scharfsinn; sie erfordert nur ein gesundes, unbefangenes, soweit m\u00f6glich durch eigene Erfahrung und durch eigenes Urtheil richtig geleitetes Sehverst\u00e4ndnifs.\n1.\nBevor wir der Sache selbst n\u00e4her treten, wird es nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, einen kurzen R\u00fcckblick zu werfen auf die Ansichten und Schlufsfolgerungen derjenigen Autoren, die sich am eingehendsten mit dieser Frage besch\u00e4ftigt haben. Es liegt aber nicht in dem Plan unserer Arbeit, eine ersch\u00f6pfende Abhandlung \u00fcber das vorliegende Thema zu schreiben. Wir verzichten deshalb im Voraus auf literarische und historische Vollst\u00e4ndigkeit und beziehen uns vorwiegend nur auf einige der hervorragendsten\n1 Sie gm. G\u00fcnther, Mathemat. Geographie, S. 53. 1890.\n15*","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nw. von Zehender.\nArbeiten, insbesondere auf die Arbeiten von Robert Smith3, M. W. Drobisch 2, Ludwig Friedrich K\u00e4mtz 3 und Eugen Rei-\nMANN.4\nRobert Smith war nach eigener Angabe der erste, welcher die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes zahlenm\u00e4fsig zu bestimmen versucht hat.5 Sein mit grofsem Scharfsinn und mit ungemein gl\u00fccklichem und nachhaltigem Erfolg ausgef\u00fchrter Versuch ist bis heute maafsgebend geblieben, \u201edenn es liegt\u201c \u2014 wie von eompetenter Seite versichert wird \u2014 \u201ekein Grund vor, den von ihm eingeschlagenen Weg zu verlassen.\u201c\nRobert Smith versucht zuerst die entfernteste Grenze unseres sichtbaren Horizontes zu bestimmen. Er nimmt an, dafs die Entfernung der \u00e4ufsersten und letzten Grenze des als unendlich weit ausgedehnte Ebene betrachteten Horizontes nicht mehr als etwa 5000 Mal die Gr\u00f6fse eines Menschen von 5 oder 6 Fufs H\u00f6he betragen mag. In dieser Entfernung soll, nach seiner Annahme, die Gr\u00f6fse eines Menschen punktf\u00f6rmig verschwinden. Gr\u00f6fsere Gegenst\u00e4nde k\u00f6nnen \u2014 wie er zugiebt \u2014 in gr\u00f6fserer Entfernung zwar immer noch gesehen werden, aber ihr Abstand von der eben angegebenen Grenze ist \u201eunsichtbar\u201c, folglich sieht man entferntere Gegenst\u00e4nde immer nur noch da, wo ein gr\u00f6fserer Abstand unsichtbar zu werden beginnt. Diese f\u00fcr die Fufssohlenebene des Beobachters geometrisch unanfechtbare Hypothese wird durch die nebenstehende Fig. 1 veranschaulicht.\n1\tA Compleat System of Opticks. In four books. Cambridge 1738.\n2\tUeber die Bestimmung der Gestalt des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes. Bericht \u00fcber d. Verhancll. d. K\u00f6nigl. Sachs. Ges. d. Wissensch. zu Leipzig. 1854.\n3\tLehrbuch der Meteorologie, Bd. Ill, S. 45. Leipzig 1836.\n4\tBeitr\u00e4ge zur Bestimmung der Gestalt des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes. Programm des K\u00f6nigl. Gymnasium zu Hirschberg i. Schl. 1890 u. 1891.\n5\t\u201eI do not find it has ever yet been determined\u201c.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 221\n\u2014 OP sei die Gr\u00f6fse eines Menschen (von 5 bis 6 Fufs), 0 sein Augenpunkt, PA das 5000 fache seiner Gr\u00f6fse (AP = 5000 X PO), dann verschwindet die mit zunehmender Entfernung scheinbar immer kleiner werdende Gr\u00f6fse eines Menschen im Punkte A vollst\u00e4ndig; sie wird hier = 0. Die kleine noch etwas weiter entfernte Kirche kann von O aus zwar immer noch gesehen werden, aber die Entfernung AC ist unsichtbar. W\u00e4re sie sichtbar, dann m\u00fcfste die Verbindungslinie OC die Senkrechte AB (= PO) in D schneiden. Danach m\u00fcfste eine Menschengr\u00f6fse in A gleich AD erscheinen. Nach der Voraussetzung ist aber AD gleich Null, folglich fallen DC und AC in einander als geradlinige Fortsetzung des Winkels PAO, und von O aus kann die gr\u00f6fsere Entfernung AC nicht mehr gesehen werden, weil sie in der Richtung der Gesichtslinie liegt. In Folge dieser Unsichtbarkeit der Entfernung AC soll nun \u2014 nach R. Smith \u2014 die kleine Kirche O, wie auch die Wolken P und G und alles was etwa noch wTeiter entfernt liegt, nicht in C oder in F oder in G, sondern an der Grenze unseres Horizontes in AB zu stehen scheinen.\nNun l\u00e4fst R. Smith einen, gleichviel wie weit entfernten, aber scheinbar an der Grenze unseres Horizontes befindlichen Gegenstand (eine imagin\u00e4re Mauer) \u00fcber den Kopf des Beobachters hinweg bis an die jenseitige Begrenzung des Horizontes rotiren, sagt aber sogleich, dafs diese Rotation nicht kugelf\u00f6rmig, sondern flacher gew\u00f6lbt sein soll, wreil die Horizontalebene eine sichtbare Ebene sei, welche die Vorstellung einer \u00fcberallhin gleichen Entfernung giebt, wogegen in verticaler Richtung nichts liegt, wras die Vorstellung einzelner Theile erwecken kann.1 In welcher \u2014 anders als kugelf\u00f6rmig gedachten \u2014 Rotationsbewegung die fingirte Mauer sich \u00fcber den Kopf des Beobachters hinwegbewegen soll, wird nicht n\u00e4her angegeben.\nR. Smith versichert nun, dem Augenscheine nach sei die Concavit\u00e4t des Himmels weniger (a less portion) als eine Halbkugel ; das Centrum dieser Kugelkr\u00fcmmung liege tief unter (nicht in) dem Standpunkte des Beobachters. \u2014 Es kommt also darauf an, die Gr\u00f6fse des Halbmessers dieser gr\u00f6fseren Kugelkr\u00fcmmung oder die tiefere Lage ihres Kr\u00fcmmungsmittelpunktes zu bestimmen.\n\n\u201ethere is nothing that affects the sense with an idea of its parts.\u201c","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nW. von Zehender.\nIm Mittel von mehreren Beobachtungen findet R. Smith, dafs die Distanzen am Himmelshorizont scheinbar etwa 3 bis 4 mal gr\u00f6fser sind als in der Himmelsh\u00f6he \u00fcber unserem Haupte und findet ferner, dafs dementsprechend, in einer H\u00f6he von etwa 230 \u00fcber dem Horizont, der Himmelshalbbogen in zwei scheinbar gleiche Bogenh\u00e4lften getheilt zu sein scheint. Bei einer H\u00f6he von 300 erscheint ihm die obere H\u00e4lfte des getheilten Quadranten schon kleiner, und erst bei 18 0 oder 20 0 entschieden gr\u00f6fser als die untere H\u00e4lfte. Danach wird das scheinbare Yer-h\u00e4ltnifs der Zenithh\u00f6he zur Entfernung der Horizontgrenze wie 3 zu 10 angegeben.\nWie dieses Verh\u00e4ltnifs \u2014 welches mit noch einfacheren Zahlen ann\u00e4hernd wie 1 zu 3 bestimmt werden kann \u2014 gefunden worden ist, wird nicht angegeben. Es folgt aber aus dem Ver-h\u00e4ltnifs von 1 zu 3, dafs die Entfernung des Mittelpunktes der gesuchten Kugelkr\u00fcmmung unter dem Standpunkte des Beobachters = 4 und der Kr\u00fcmmungshalbmesser = 5 sein mufs. Diese sehr einfachen Zahlenverh\u00e4ltnisse ergeben die abgeflachte Form des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes.\nK\u00e4stner, der deutsche Uebersetzer von R. Smith\u2019s Lehrbegriff der Optik, hat gezeigt, wie dieses Zahlenverh\u00e4ltnifs auf analytischem Wege gefunden werden kann, wenn der H\u00f6henwinkel (= 23 \u00b0) gegeben ist.\nDrobisch hat keine eigenen Messungen ausgef\u00fchrt; er hat aber die mathematische Seite der Frage einer vielseitigen Pr\u00fcfung unterworfen und hat aus \u201eeinem rein mathematischen Gesichtspunkte\u201c sich mit Verallgemeinerung und mit weiterer Untersuchung der vorliegenden Rechnungsaufgabe besch\u00e4ftigt. Drobisch bemerkt alsdann (1. c. S. 107):\n\u201eDie Erscheinung (dafs der Himmel uns als ein gedr\u00fccktes Gew\u00f6lbe erscheint) besitzt nicht die gleiche wissenschaftliche Sicherheit, deren sich die Erkl\u00e4rungen anderer optischen Ph\u00e4nomene erfreuen .... es mag f\u00fcrs Erste dahingestellt bleiben, ob eine streng physikalische Erkl\u00e4rung \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, indem es denkbar w\u00e4re, dafs blofse subjective Gewohnheitsurtheile, die sich der mathematischen Berechnung nicht unterwerfen lassen, wesentlichen Einflufs auf die Erzeugung des t\u00e4uschenden Scheines aus\u00fcben . . .","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 223\nR. Smith\u2019s Bestimmung der Gestalt des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes beruht \u2014 wie Deobisch sagt \u2014 auf einer Fundamentalbeobachtung und einer Recbnungshypotbese. Offenbar komme es nun auf Verificirung des eonstanten Werthes des Winkels (a) an, also auf Wiederholung der von R. Smith angegebenen Fundamentalbeobachtung.\nWeiterhin bemerkt Deobisch (1. c. S. 111):\n\u201eEs k\u00f6nnte wohl sein, dafs der ge\u00fcbte Astronom\u201c (der gewohnt ist, nicht die Bogen, sondern die Winkel am Himmelsgew\u00f6lbe zu vergleichen) \u201ein Folge dieser Gew\u00f6hnung die scheinbare Mitte des Himmels nabe bei 450 f\u00e4nde, indem er nicht den verticalen Bogen, der am Himmelsgew\u00f6lbe zwischen Zenith und Horizont liegt, sondern den rechten Winkel balbirte, den die Axe des Horizonts mit dessen Ebene macht .... Und so k\u00f6nnte es kommen, dafs zwischen der Sch\u00e4tzung der scheinbaren Mitte des Himmels durch den Astronomen und der eines unbefangenen, sich nur dem sinnlichen Eindruck hingebenden Beobachters eine sehr erhebliche Differenz eintr\u00e4te.\u201c\nHieraus entnehmen wrir \u2014 was uns sehr wichtig zu sein scheint \u2014 dafs die Halbirung des Himmelsquadranten nach Augenmaafs, auf zweierlei Art, und zwar mit voraussichtlich \u201eerheblichdifferentem Res ultat\u201c, ausgef\u00fchrt werden kann.\nE. Reimaxx hat eine ungemein grofse Anzahl von Sch\u00e4tzungsmessungen selbst ausgef\u00fchrt und von Anderen ausf\u00fchren lassen.\nAus einer Reihe von Versuchen, die, unter seiner Leitung, gemeinsam mit Anderen (Lehrern, Candidaten und Sch\u00fclern) unternommen wurden, lernen wir das, was Deobisch vorausgesehen hatte, sogleich praktisch kennen.\nDen charakteristischen Winkel (a), dessen H\u00f6he R. Smith im Mittel = 23 0 angiebt, und den Reimaxx nach seinen Hirschberger Beobachtungen = 21,47 0 + 0,08 gefunden hat, wurde von zwei \u201emathematisch gebildeten\u201c Mitbeobachtern in maximo = 41,50 und 40,00 angegeben. \u201eMan erkennt sofort\u201c \u2014 so berichtet Reimaxx \u2014 \u201edafs die beiden mathematisch gebildeten Herren .... den Winkel und nicht die Bogenl\u00e4nge zwischen Zenith und Horizont zu halbiren bestrebt gewesen sind.\u201c","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nW. von Zehender.\nDer eine dieser beiden Herren, \u201enachdem er wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden war, um was es sich handelt, \u201c ist zwar sp\u00e4ter, bei mehrmals wiederholten Versuchen, bis auf ein Minimum = 25,00 heruntergegangen, man erf\u00e4hrt aber nicht, wie diese ver\u00e4nderte Himmelsanschauung bei ihm sich entwickelt hat.\nDie \u00fcbrigen Beobachter haben den fraglichen Winkel im Mittel = 29,4 \u00b0, also immerhin noch bedeutend h\u00f6her eingesch\u00e4tzt als Beimann selbst.\nBeimann fragt sich nun:\n\u201eSehen diese Herren wirklich den Tageshimmel h\u00f6her gew\u00f6lbt als Smith, K\u00e4mtz und ich, oder begehen sie einen gewissen, gemeinsamen Fehler beim Taxiren der Mitte? So lange nicht unbefangen, mit gutem Augen-maafs begabte und gen\u00fcgend geschulte Beobachter ihr Interesse diesem Gegenst\u00e4nde widmen und systematisch lange Beobachtungsreihen anstellen, wird es schwer halten, die Frage zu l\u00f6sen und dem Zweifel zu entgehen, ob die Sch\u00e4tzung eine fehlerfreie ist und die gefundene Mitte der thats\u00e4chlich erblickten Himmelsw\u00f6lbung entspricht.\u201c\nBeimann betrachtet \u2014 wie hieraus ersichtlich \u2014 die Himmelsw\u00f6lbung nicht als eine T\u00e4uschung, sondern als eine Be alit\u00e2t, als etwas \u201eTh at s\u00e4chlich es\u201c, was \u201ebei gutem Augenmaafs\u201c und \u201ebei gen\u00fcgender Schulung\u201c fehlerfrei gesch\u00e4tzt, und dann nat\u00fcrlicher Weise auch fehlerfrei berechnet werden kann. Er ist aber \u2014 wie es scheint \u2014 nicht ganz zufrieden mit den Besul-taten seiner gesammelten Sch\u00e4tzungen.\nWir wollen inzwischen nicht unbeachtet lassen, dafs gerade die beiden \u201emathematisch gebildeten Herren\u201c, denen man doch vorzugsweise ein vorurtheilsfreies und gut ge\u00fcbtes Augenmaafs Zutrauen m\u00f6chte, der wahren Mitte (45 \u00b0) am n\u00e4chsten gekommen sind, und dafs der Eine von ihnen wiederholt darauf aufmerksam gemacht werden mufste auf das, um was es sich handelt, um dann erst ein thats\u00e4chlich weniger richtiges Sch\u00e4tzungsurtheil abzugeben.\nK\u00e4mtz sagt (1. c. S. 44):\n\u201e. . . . Da \u00fcbrigens das ganze Ph\u00e4nomen nur auf einer T\u00e4uschung beruht, so ist es wahrscheinlich, dafs nicht jeder Beobachter genau dieselbe Gr\u00f6fse finden","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 225\nwird ; vielleicht auch, dafs die Beschaffenheit der Himmelsfarbe einigen Einflufs darauf hat.\u201c\nUm jedoch zu zeigen, dafs die Sch\u00e4tzungen sich im Allgemeinen von der Bestimmung von R. Smith (= 23 \u00b0) nur wenig entfernen, f\u00fcgt er f\u00fcnf eigene Sch\u00e4tzungen hinzu, die er in der Schweiz auf hohen Bergspitzen (Rigi ca. 5000 Fufs und Faulhorn ca. 8000 Fufs) gemacht hat, welche innerhalb sehr niedriger Grenzen (19 0 20' und 240 15') liegen.\nBemerkenswerth ist, dafs bei einer dieser Sch\u00e4tzungen auf der H\u00f6he des Faulhorns (am 30. Sept. 1832) am nordwestlichen Horizont bis zu einer H\u00f6he von mehreren Graden \u201eeine Bank von Cirrostratis\u201c sich zeigte, w\u00e4hrend der h\u00f6here Theil des Himmels heiter war. Hier lag der Halbirungspunkt in einer H\u00f6he = 190 20'. In nord\u00f6stlicher Richtung war der Himmel bis zum Horizont rein blau; in dieser Richtung schien der Halbirungspunkt in einer H\u00f6he = 22 0 zu liegen. \u2014 Obwohl ausdr\u00fccklich angegeben wird, dafs diese letztere Sch\u00e4tzung nicht ebenso sicher sei wie die erste, so d\u00fcrfte doch anzunehmen sein, dafs jene Bank von Cirrostratis in N.W. eine Mitursache jenes Unterschiedes in der Winkelsch\u00e4tzung gewesen sein wird.\n2.\nRobert Smith bemerkt ausdr\u00fccklich, dafs die flachere W\u00f6lbung des Himmels nicht real, sondern scheinbar sei, und f\u00fcgt hinzu : nur das Auge kann die scheinbare Concavit\u00e4t des Himmels richtig beurtheilen.1 Wenn diese Behauptung richtig ist, dann mufs es Jedem gestattet sein, sich auf das Urtheil seines eigenen Auges zu berufen.\nNach der Sinnesempfindung meines eigenen Auges \u2014 es mag ja bei verschiedenen Menschen sich etwas verschieden verhalten \u2014 ist am wolkenfreien Himmel nur blaue Himmelsfarbe wahrzunehmen; nirgends, wohin ich auch blicke, sehe oder erkenne ich die geringste Spur einer W\u00f6lbung. Am Horizont steigt die blaue Farbe wie eine steile Wand senkrecht in die H\u00f6he, und \u00fcber mir schliefst sich das Himmelsblau \u2014 ich kann nicht sagen, wie? \u2014 ich kann nur sagen, dafs es sich \u00fcber mir schliefst. Wenn ich durch einen kreisf\u00f6rmigen\n1 The eye is the only judge of an apparent figure. 1. c. pag. 63.","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nW. von Zeh en cler.\nAusschnitt in einem Pappbogen oder in anderer geeigneter Weise, etwa durch ein weites Rohr, welches mir alle terrestrischen Dinge verdeckt, den Himmel betrachte, dann sehe ich \u2014 wTohin ich auch blicke \u2014 das Blau des Himmels in seinen einzelnen Theilen immer nur wie eine plane Fl\u00e4che !\nIst die in solcher Weise betrachtete Himmelsfl\u00e4che sehr grofs, dann mischt sich unvermerkt allerdings ein instinetiv gewordenes Urtheil, oder \u2014 wie Helmholtz sagen w\u00fcrde \u2014 \u201eein unbewufster Schlufs\u201c, in die unmittelbare Anschauung hinein, wonach der Schein einer planen Himmelsform mehr und mehr schwindet und die Meinung entsteht, als ob man mit eigenen Augen sehen oder wahrnehmen k\u00f6nne, was man, anders als unter der Form einer W\u00f6lbung, sich gar nicht denken oder vorstellen kann.\nWeiterhin bemerke ich allerdings auch noch, dafs die blaue Himmelsfarbe nicht zu allen Zeiten und nicht an allen Stellen des wolkenfreien Himmels vollkommen gleichm\u00e4fsig ist. Gew\u00f6hnlich erscheint am Horizont das Blau etwas blasser oder etwas heller als in der Zenithregion; zuweilen verliert sich das Blau am Himmelsrande fast ganz und geht \u00fcber in ein mattes Weifs, oder auch in ein tr\u00fcbes, mehr oder weniger dunkles Nebelgrau; allein diese Differentiation der Farbenn\u00fcance l\u00e4fst nicht das geringste unmittelbare Zeichen einer W\u00f6lbung erkennen.\nMit dem gestirnten Nachthimmel verh\u00e4lt es sich \u00e4hnlich, wrenn auch nicht ganz ebenso. Ich sehe die Sterne nicht wie angeheftet an eine irgend wie bestimmt geformte W\u00f6lbung; ich sehe sie einzeln vielmehr wie die M\u00fccken eines stillestehenden M\u00fcckenschwTarmes, und zwar so, dafs mir die gr\u00f6fsten und hellleuchtendsten als die n\u00e4chsten, die kleineren und kleinsten als die entfernteren und entferntesten erscheinen. \u2014 Dahinter liegt erst das undurchdringliche und ungeformte Dunkel der Nacht!\nGanz anders erscheint mir dagegen der Wolkenhimme 1. Wenn ich, bei bew\u00f6lktem Himmel, mich einer leicht m\u00f6glichen T\u00e4uschung \u00fcberlasse, wonach die Wolken auf der Fl\u00e4che des Himmelsgew\u00f6lbes wie gemalt zu liegen scheinen, dann kann diese T\u00e4uschung allerdings Veranlassung geben zu der Vorstellung, dafs das unsichtbare Himmelsgew\u00f6lbe dieselbe Form habe, wie die sichtbare Wolkenschicht. Ist der Himmel in weiter","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 227\nAusdehnung ganz \u00fcbers\u00e4et mit kleinen, von der Erdoberfl\u00e4che gleich weit entfernten W\u00f6lkchen (sogen. Sch\u00e4fchenwolken), dann ist die Erscheinung einer flach gew\u00f6lbten Gestalt des Wolkenhimmels zuweilen ganz frappant. Es sieht dann zuweilen wirklich so aus als ob der Wolkenhimmel wie ein Baldachin \u00fcber die ganze sichtbare Erdoberfl\u00e4che ausgespannt ist. \u2014 In diesem besonderen Falle ist die abgeflachte Form aber nicht eine optische T\u00e4uschung, sie ist die wTahre und wirkliche Form der Wolkenschicht \u2014 nicht des blauen Himmelsgew\u00f6lbes! \u2014 Die Wolken liegen wirklich in einer mit der Erdoberfl\u00e4che concentrischen Schicht, welche durch die nach allen Dichtungen verl\u00e4ngert gedachte Horizontalebene, in deren Mitte der Beobachter steht, als ein Kugelabschnitt von gr\u00f6fserem Dadius, mithin auch von flacherer W\u00f6lbung, abgeschnitten wird, wie aus der nebenstehenden Figur unmittelbar ersichtlich ist.\nDer Kreis ist die Erdoberfl\u00e4che, auf welcher der Beobachter in dem Punkte B steht.\n11 r\u2018ZW\u201c ist ein St\u00fcck d. concentrischen Wol kenschicht.\nW\u2018BW\u201c ist die Horizontalebene.\nDie Wolken sind aber nicht immer so regelm\u00e4fsig am Himmel vertheilt, dafs der Wolkenhimmel den Eindruck eines \u00fcberallhin gleichm\u00e4fsig geformten Gew\u00f6lbes hervorruft ; gew\u00f6hnlich liegen sie in mannigfaltiger Schichtung und Dichtung, und in verschiedener Entfernung von der Erdoberfl\u00e4che, \u00fcber und unter und neben einander, oft d\u00fcnn und durchscheinend, oft dicht und dunkel, oft auch hell und wTeifs, zuweilen n\u00e4her, zuweilen entfernter, zuweilen so nahe, dafs sie als Degen mit der Erdoberfl\u00e4che in unmittelbaren Contact gerathen; gew\u00f6hnlich aber erscheinen sie doch so, dafs ihre Tiefendimension gegen die Fl\u00e4chenausdehnung erheblich zur\u00fccktritt. Aus diesem ver-","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nW. von Zehender.\nschiedenartigen Verhalten und unter jeweiliger Ber\u00fccksichtigung der Beleuchtung l\u00e4fst sich zwar ein (immerhin sehr unsicherer) Schlufs ziehen auf die relative Gr\u00f6fse und H\u00f6he und Lagerung der einzelnen Wolkenz\u00fcge, es l\u00e4fst sich daraus aber kein Schlufs ziehen auf die scheinbare Form und H\u00f6he des Himmelsgew\u00f6lbes. Gew\u00f6hnlich erscheint der Wolkenhimmel, wegen der Unregel-m\u00e4fsigkeit der Wolkenbildung, wie ein sehr ungleichm\u00e4fsig geformtes Himmelsdach.\nWenn ich dagegen bei wolkenlosem Himmel in die durchsichtige Grenzenlosigkeit der atmosph\u00e4rischen Luft hineinsehe, dann fehlt mir jede sinnliche Empfindung, die mich \u00fcber Form und Ferne belehren k\u00f6nnte.\nRobert Smith dagegen behauptet \u2014 meiner Ansicht nach mit Unrecht \u2014 die scheinbare Abflachung des Himmelsgew\u00f6lbes sei nicht von den Wolken abh\u00e4ngig, und giebt zu verstehen, er selbst sei geneigt, sie \u201edurch Lichtreflexion in der reinen Luft\u201c zu erkl\u00e4ren, ohne jedoch sich bestimmter hier\u00fcber zu \u00e4ufsern.1\nDie atmosph\u00e4rische Luft ist in der That nicht vollkommen rein und durchsichtig; sie enth\u00e4lt, auch in relativ reinstem Zustande, immer noch feine Bestandtheile, die auf gr\u00f6fsere Distanzen ihre Durchsichtigkeit merklich tr\u00fcben und Reflexionserscheinungen hervorrufen k\u00f6nnen. Diese Theilchen sind aber \u2014 soweit unsere terrestrischen Verh\u00e4ltnisse in Betrachtung kommen \u2014 zum gr\u00f6fsten Theil Verunreinigungen durch Beimengung von Staub und Rauch und Wasserd\u00fcnsten. Wir d\u00fcrfen indessen annehmen, dafs auch die reinste Luft noch Bestandtheile anderer Art enth\u00e4lt, die auf weite Entfernungen die Empfindung blauer Farbe hervorrufen, im Uebrigen aber fast absolut durchsichtig sind.\nDie Verunreinigungsbestandtheile entwickeln sich vorwiegend aus und auf der Oberfl\u00e4che der Erde; sie sind deshalb in der N\u00e4he der Erde immer am reichlichsten vorhanden. Ganz besonders sind es die Wasserd\u00fcnste, die dem Blau des Himmels am ganzen Horizonte eine Beimischung vonWeifs (ein bl\u00e4sseres Blau) geben. Dieses bl\u00e4ssere Blau, welches zuweilen in Weifs,\n1 And when the sky is either partly overcast or perfectly free from clouds, it is a matter of fact we retain much the same idea of its concavity as when it was quite overcast. But if any one thinks that the reflexion of light from the pure air is alone sufficient to suggest that idea, I will not dispute it. 1. c. pag. 162.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgeiv\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 229\nmitunter aber auch in ein nebelgraues Dunkel \u00fcbergeht, verschleiert nat\u00fcrlich alle weit entfernten Gegenst\u00e4nde \u2014 und zwar umsomehr, je gr\u00f6fser die Entfernung.3 Man kann deshalb aus dem h\u00f6heren Grade der Verschleierung auf die gr\u00f6fsere Entfernung schliefsen, wiewohl immer nur unter der Voraussetzung, dafs die Luftverunreinigung eine constante sei. Ebenso kann man auch umgekehrt, bei bekannter Entfernung, auf den inconstanten Grad der jedesmaligen Luftverunreinigung zur\u00fcckschliefsen.\nHieraus folgt allgemeinhin, dafs weit entfernte Gegenst\u00e4nde um so deutlicher erscheinen, je reiner die Luft. Weil aber die Luft in h\u00f6heren Regionen immer reiner und durchsichtiger ist, als in der N\u00e4he der Erdoberfl\u00e4che, so durchschaut man die (reineren) Luftschichten zenithw\u00e4rts leichter, und h\u00e4lt das, wTas dort etwa zu sehen ist \u2014 (gew\u00f6hnlich ist dort aber nichts zu sehen) f\u00fcr n\u00e4her als das, was, durch weniger reine Luftschichten gesehen, in etwa gleicher Entfernung horizontw\u00e4rts liegt. Also nicht deswegen, weil \u2014 wie Robert Smith sagt \u2014 die Horizontalebene ringsherum sichtbar ist, w\u00e4hrend zenithw\u00e4rts keine Th ei le zu sehen sind2, sondern deswegen, weil die Luft zenithw\u00e4rts reiner und durchsichtiger ist, erscheinen gleich weit entfernte Gegenst\u00e4nde zenithw\u00e4rts deutlicher und n\u00e4her als horizontw\u00e4rts.\nAus demselben Grunde erscheinen die Bergesh\u00f6hen vom Thal aus betrachtet in der Regel klarer und deutlicher als die von Bergesh\u00f6hen betrachteten Thalebenen ; und aus demselben Grunde ist die Lage gr\u00f6fser St\u00e4dte an einer dunklen (durch Rauch- und Staubverunreinigung verursachten) F\u00e4rbung am Horizontrande des Himmels oft schon von Weitem erkennbar, w\u00e4hrend man, wenn man sich der dunklen Staub- und Rauchwolke allm\u00e4hlich n\u00e4hert, die Entfernung kleiner findet, als man erwartet hatte. J \u2014 Aus demselben Grunde hat man an Meeres-\nHierauf beruht bekanntlich zum gr\u00f6fsten Theil der malerische Effect der sogenannten Luftperspective.\nBecause the horizontal plane was a visible surface, which suggested the idea of the same distances quite round the eye, but in the vertical plane extended between the eye and the ceiling, there is nothing that affects the sense with an idea of its parts....\nDiese Beobachtung stammt aus einer Zeit, da das langsame Fufs-reisen noch \u00fcblicher war als heute. 1. c. S. 162.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nW. von Zehender.\nk\u00fcsten bei wolkenlosem Himmel oft Gelegenheit, zu bemerken, dafs die \u00fcber dem Meer lagernde (rauch- und staubfreie) Luft die Meeresgrenze, und alle Gegenst\u00e4nde, die etwa auf dem Meere herumschwimmen, klarer und deutlicher (und deshalb auch n\u00e4her) erscheinen l\u00e4fst, als Alles, was rechts und links, dem Festlande entlang, in ungef\u00e4hr gleicher Entfernung liegt. Die Horizontebene erscheint dem Beobachter dann nicht kreisf\u00f6rmig, sondern elliptisch, mit nach rechts und links gerichteter grofser Axe. Aus einer Rotation um diese grofse Axe w\u00fcrde von der Seeseite her eine Art ellipsoider Himmelsform entstehen m\u00fcssen, wie sie K\u00e4mtz zuweilen wirklich bemerkt zu haben glaubt.\nWer in Gebirgsgegenden, wie z. B. in der Schweiz, l\u00e4ngere Zeit gelebt hat, der weifs, dafs es Zeiten und Tage giebt, in denen die Berge, aus gleicher Entfernung betrachtet, \u201en\u00e4her\u201c erscheinen als zu anderen Zeiten. Die Kette der Berner Alpen ist w\u00e4hrend der Sommermonate bei dunstiger Luft von der M\u00fcnsterterrasse in Bern zuweilen gar nicht zu sehen, oder sie erscheint so undeutlich, als ob sie in weitester Ferne gelegen w\u00e4re, w\u00e4hrend sie, bei klarem Herbstwetter, sich von dort aus in wundervollster Klarheit und \u201eN\u00e4he\u201c pr\u00e4sentirt. F\u00fcr die Bewohner solcher Gegenden sind dies allbekannte Dinge; wir legen aber Gewicht darauf, sie hier mit besonderem Nachdruck hervorzuheben, weil diese T\u00e4uschung auf Bedingungen beruht, die mit einer scheinbar flachgew\u00f6lbten Himmelsform nichts zu thun haben. Genauer betrachtet, erweitert diese T\u00e4uschung zenithw\u00e4rts den Fernblick und verengt oder verk\u00fcrzt ihn horizontw\u00e4rts.\nWenn wir die weifsliche Beimischung zum Himmelsblau als Verunreinigung betrachten, dann mufs dem gegen\u00fcber das reinste (tiefste) Blau als die ureigne Farbe des reinsten Aethers betrachtet werden.\nWie diese blaue Himmelsfarbe entsteht, kann heute wohl noch Niemand befriedigend erkl\u00e4ren. Soviel wird man aber annehmen d\u00fcrfen, dafs sie von unsichtbar kleinsten Theilchen herr\u00fchrt, die, obwohl im h\u00f6chsten Grade durchsichtig, dennoch durch Accummulation einen blauen Farbenschimmer annehmen. Vielleicht ist der ganze Weltenraum von solchen feinsten und durchsichtigsten Aethertheilchen erf\u00fcllt, die durch reflectirtes Sonnenlicht von der Erde aus erleuchtet, und von der Erde aus","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 231\nbetrachtet, in blauer Farbe erscheinen. Die von R. Smith ruuth-maafslich angenommene Lichtreflexion aus reiner Luft ist zur Berechnung der D\u00e4mmerung und der H\u00f6he unserer Erdatmosph\u00e4re wohl verwendbar, doch wird nicht anzunehmen sein, dafs eine solche Reflexion die durchsichtige Blaufarbe erzeugen und eine bestimmte Form des Himmelsgew\u00f6lbes Vort\u00e4uschen kann. Wo nichts Anderes zu sehen ist als durchsichtiges Blau, da kann von einer Grenze des Sehens und also auch von einer bestimmbaren Form des Himmelsgew\u00f6lbes \u00fcberhaupt nicht die Rede sein.\nEine andere, auf die Vorstellung der Himmelsform viel st\u00e4rker einwirkende Erscheinung liegt wohl in der verschiedenen Intensit\u00e4t der Blaufarbe der Luft. \u2014 Besonders wichtig sind in dieser Hinsicht die Beobachtungen A. vox Humboldt\u2019s, der auf seinen Reisen, an verschiedenen Orten der Welt, die Abstufungen der blauen Farbe mit seinem Cyanometer gemessen, und allge-meinhin gefunden hat, dafs die Intensit\u00e4t der blauen Farbe, vom Zenith bis zum Horizont in ann\u00e4hernd gleichem Verh\u00e4itnifs wie die Sinus der (von 10 zu 10 Graden) gemessenen H\u00f6henwinkel, abnimmt.\nWenn wir mit K\u00e4mtz annehmen wollen, dafs \u201eaus der Combination der ungleichen F\u00e4rbung und Helligkeit der verschiedenen Theile der Atmosph\u00e4re die scheinbare Gestalt des Himmels-gew\u00f6lbes** sich ergiebt3, dann k\u00f6nnen wir nicht unterlassen die Bemerkung hinzuzuf\u00fcgen, dafs den cyanometrischen Messungen A. vox Humboldt\u2019s keine andere Form, f\u00fcr die den Erd-bev ohnern sichtbare H\u00e4lfte des Himmels, besser entsprechen w\u00fcrde als die Halbkugelform.\n3.\nDie richtige Zweitheilung einer geraden horizontalen Linie von etwa 10 cm L\u00e4nge gelingt, bei gut ge\u00fcbtem Augenmaafs und hinreichender Aufmerksamkeit, vielleicht bis auf einige Bruch-theile eines Millimeters. Ist die Linie einen Meter lang, dann wird man sich auf eine entsprechend gr\u00f6fsere Fehlsch\u00e4tzung ge-fafst machen m\u00fcssen ; und ist sie noch viel l\u00e4nger, dann mufs man um sicher zu gehen \u2014 den Maafsstab zu H\u00fclfe nehmen.\n1 K\u00e4mtz 1. e. S. 44.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nw. von Zehender.\n\u2014 Allgemeinhin gesagt : je l\u00e4nger die sch\u00e4tzungsweise zu theilende Linie, um so gr\u00f6fser der wahrscheinliche Sch\u00e4tzungsfehler !\nBei der Theilung einer sehr langen horizontalen Linie werden die lateralen Augenbewegungen und \u2014 wenn dies nicht gen\u00fcgt \u2014 auch noch laterale Kopfdrehungen um die verticale K\u00f6rperaxe erforderlich, um die Endpunkte dieser Linie scharf ins Auge fassen zu k\u00f6nnen. Denn darin besteht ja der intellectuelle Act des Theilens, dafs wir mit der Gesichtslinie \u2014 gleichsam wie mit den Spitzen eines Cirkels \u2014 von einem Endpunkte der zu theilenden Linie die Mitte suchen, und dann vergleichen, ob von dem anderen Endpunkte abgesch\u00e4tzt, dieselbe Distanz mit demselben Punkte zusammenf\u00e4llt. Beide Endpunkte m\u00fcssen scharf ins Auge gefafst werden k\u00f6nnen.\nBei der Theilungssch\u00e4tzung einer sehr langen verticalen Linie ist der Sch\u00e4tzungsfehler aus verschiedenen Gr\u00fcnden gew\u00f6hnlich noch gr\u00f6fser als bei horizontalen. Insbesondere wird bei der Halbirungssch\u00e4tzung einer gr\u00f6fsten verticalen Schnittlinie, die von der Zenithh\u00f6he bis zum Horizont hinabreicht, der wahrscheinliche Fehler voraussichtlich sehr grofs sein m\u00fcssen. Die Augenbewegungen sind in diesem Falle v\u00f6llig unzureichend; man mufs, in sehr ungewohnter und sehr unbequemer Weise, den Kopf stark nach hinten \u00fcberbeugen, um die Blicklinie in die Zenithrichtung zu bringen. Dazu kommt, dafs eine solche, das Himmelsgew\u00f6lbe durchschneidende Linie am Horizont zwar einen scharf bezeichneten Endpunkt findet, wogegen am Zenithpunkte ein solcher Endpunkt in keiner Weise markirt ist: man mufs auch diesen Punkt erst sch\u00e4tzungsweise ermitteln. Wegen dieser doppelten Unbestimmtheit sind wiederholte Controlsch\u00e4tzungen kaum ausf\u00fchrbar.\nEs kommt endlich noch eine Schwierigkeit ganz eigener Art hinzu. \u2014 Wir haben schon erw\u00e4hnt, dafs Daobisch sowohl wie Reimakk, zwei verschiedene Theilungsmodalit\u00e4ten des Himmelsbogens anerkennen. Deobisch meint: es k\u00f6nne wohl sein, dafs der \u201ege\u00fcbte Astronom\u201c die scheinbare Mitte des Himmels nicht durch Theilung des verticalen Bogens (von 90 \u00b0), der am Himmelsgew\u00f6lbe zwischen Zenith und Horizont liegt, sondern durch Halbirung des rechten Winkels, die Mitte zu finden sucht, w\u00e4hrend der, unbefangen sich dem sinnlichen Eindruck hingebende Beobachter zu erheblich verschiedenen anderen Resultaten gelangen k\u00f6nne. Und Rehviaxn findet factisch, dafs","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u, das Gr\u00f6\u00dfer-Erscheinen der Gestirne etc. 233\nseine \u201ebeiden mathematisch gebildeten\u201c Mitbeobachter erheblich richtiger (seiner eigenen Meinung nach freilich unrichtiger) als die Anderen, die gesuchte Mitte der Himmelsh\u00f6he gefunden haben.\nWelche von beiden Sch\u00e4tzungsarten ist nun die richtige?\nRein geometrisch betrachtet kann eine in der verticalen Ebene liegende Schnittlinie \u2014 sie mag geformt sein wie sie wolle \u2014 wenn sie aus der Ebene der Schnittlinie nicht heraustritt \u2014 dem mit der Blickrichtung ebenfalls in der Schnittebene bleibenden Auge immer nur alsProjection einer geraden Linie erscheinen, weil die Schnittebene keine dritte Dimension besitzt. Erscheint die durch das Himmelsgew\u00f6lbe gezogen gedachte Schnittlinie anders \u2014 erscheint sie wirklich bogen-f\u00f6rmig, dann mufs der bogenf\u00f6rmige Schein durch irgend etwas hervorgerufen sein, was aufserhalb der Schnittebene liegt, denn geometrisch genommen kann \u2014 wie gesagt \u2014 bei der vorausgesetzten Blickrichtung eine W\u00f6lbung oder eine Kr\u00fcmmung in der Schnittebene nicht wahrgenommen werden.\nDieses aufserhalb der Schnittebene liegende Etwas ist ohne allen Zweifel die Anwesenheit von Wolken oder wolken\u00e4hnlichen Gebilden, deren unvermeidlicher Anblick auf das Ur-theil st\u00f6rend einwirken mufs, wenn man den Wolkenhimmel nicht scharf und strenge von dem blauen Himmelshintergrunde unterscheidet. Dafs solche st\u00f6rende Nebeneinwirkung, wenn sie \u2014 um mit Kant zu reden \u2014 \u201edurch Gewohnheit den Schein der Nothwendigkeit \u00fcberkommt\u201c, auch dann sich geltend machen kann, wenn solche W\u00f6lkchen am Himmel thats\u00e4chlich nicht vorhanden sind (bei wolkenlosem Himmel), halten wir nicht f\u00fcr ausgeschlossen.\nGrofse Genauigkeit wird also bei diesen Sch\u00e4tzungen nach Augenmaafs in keinem Falle zu erwarten, und eigentlich \u00fcberhaupt gar nicht m\u00f6glich sein.\nIn dankenswerther Weise hat nun E. Reimann \u2014 wie schon erw\u00e4hnt worden \u2014 eine sehr grofse Anzahl von Sch\u00e4tzungen der H\u00f6he des halben Himmelsbogens nicht blos selbst ausgef\u00fchrt, sondern unter seiner Leitung auch von Anderen ausf\u00fchren lassen. Wir entnehmen diesem Zahlenmaterial die nachstehenden Angaben.\nAbweichend von Robert Smith (= 23\u00b0) hat Reimann nach seinen Hirschberger Beobachtungen gefunden, dafs \u201edie durch-\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\tI\u00df","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nW. von Zellender.\nschnittliche Mitte des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes bei Tage in einer H\u00f6he von :\n21,47\u00b0 \u00b1 0,08\nliegt.\u201c\nHinsichtlich der Jahreszeiten findet Reimann folgende \u201ecor-rigirte Mittelzahlen\u201c :\nFr\u00fchling..........................=\t20,420\nSommer............................\u2014\t21,48\u00b0\nHerbst............................=21,98\u00b0\nWinter............................= 20,74\u00b0\nDas corrigirte Mittel betr\u00e4gt nach Reimann :\nbei v\u00f6llig klarem Mondscheinhimmel =\t26,55\t\u00b0\t+\t0,24\nohne Mondschein...................=\t29,95\t\u00b0\t+\t0,19\nZu vorstehender Tabelle wird (S. 10) noch bemerkt:\n\u201eaus den Mittelwerthen geht klar hervor, dafs im Sommer und Herbst (Juni bis November) der Himmel sich st\u00e4rker w\u00f6lbt, als im Winter und Fr\u00fchjahr (December bis Mai), wo er am flachsten erscheint.\u201c\n\u201eDen gr\u00f6fsten Einflufs \u00fcbt die Bew\u00f6lkung aus\u201c\nbei v\u00f6llig heiterem Wetter =\t22,49\u00b0\nbei v\u00f6lliger Bedeckung\t=\t20,55 \u00b0\nbei heiterem Wetter\t=\t21,85\u00b0\nbei wolkigem Wetter\t=\t21,10\u00b0\n\u201eIch habe n\u00e4mlich wiederholt den Eindruck gehabt, als sei der Himmel in der N\u00e4he der Sonne gew\u00f6lbter als an entfernteren Stellen, und ebenso auch der Nachthimmel in der N\u00e4he des Mondes.\u201c\n(S. 11.) \u201eIst dagegen der Horizont dunstig und damit der horizontale Radius des Himmelsgew\u00f6lbes ein verk\u00fcrzter, so r\u00fcckt die Mitte desselben in die H\u00f6he.\u201c\nAus den mit verschiedenen Personen vorgenommenen Sch\u00e4tzungen \u2014 um zu pr\u00fcfen, ob \u201eindividuelle Verschiedenheiten sich geltend machen\u201c \u2014 entnehmen wir, dafs die gesuchte H\u00f6he \u00fcber dem Horizont, im Mittel aus allen Beobachtungen\n= 29,4\u00b0\ngefunden worden ist. \u2014 Das w\u00e4re immerhin noch mehr als 6 \u00b0 h\u00f6her als Robert Smith, und beinahe 8 \u00b0 h\u00f6her als R ei mann (in","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 235\nHirschberg i. Schl.) die durchschnittliche H\u00f6he des Himmelsgew\u00f6lbes gefunden hat.\nHie neun Personen, welche unter Beimann\u2019s Anleitung Versuche angestellt haben, haben zusammen 19 mal beobachtet. Bei\njeder Beobachtung wurden mehrere \u2014 im Ganzen 133 ________________\nSch\u00e4tzungen vorgenommen.\nIndividuell vergleichend l\u00e4fst sich aus der gegebenen Uebersicht nur wenig entnehmen. Dagegen ist die Differenz zwischen Maximum und Minimum der einzelnen sowohl wie der Summe aller Sch\u00e4tzungen bei den neun Beobachtern aus folgender Uebersichtstabelle ersichtlich:\n\tZahl der Sch\u00e4tzungen\tMaximum\tMinimum\tDifferenz\nI.\t12\t30,5\t24,4\t6,1\nII.\to O\t29,7\t28,6\t1,1\nIII.\t17\t34,2\t26,0\t8,2\nIV.\t2\t24,3\t22,3\t2,0\nV.\t23\t32,9\t25,3\t7,6\nVI.\t23\t41,5\t25,0\t16,5\nVII.\t36\t34,9\t20,9\t14,0\nVIII.\t15\t33,1\t26,8\t6,3\nIX.\t4\t40,0\t35,0\t5,0\n\t133\t41,5\t20,9\t20,6\nNicht ganz \u00fcbersehen wollen wir, dafs diejenigen Herren, welche die meisten Sch\u00e4tzungen gemacht haben, anf\u00e4nglich stets h\u00f6her gesch\u00e4tzt haben als bei den letzten Sch\u00e4tzungen. Am auffallendsten ist dies bei VI und VII; aber auch bei V f\u00e4llt das Maximum in die erste, das Minimum in eine sp\u00e4tere (nicht in die letzte) Sch\u00e4tzungsreihe. Zur Klarstellung der hier vorliegenden Frage w\u00e4re von h\u00f6chstem Interesse zu erfahren, wie es m\u00f6glich geworden, dafs einer der \u201ebeiden mathematisch gebildeten Herren\" (Nr. \\I), welcher an drei (nicht weit aus einander liegenden) Tagen, im Ganzen 23 Sch\u00e4tzungen gemacht hat, von denen ciie h\u00f6chste (der Wahrheit am n\u00e4chsten kommende) Sch\u00e4tzung sich \u2014 45,511 und die niedrigste (am 3. Tage vorgenommene) = ^o,0 ergeben hat. Doch \u00fcber diesen, innerhalb weniger Tage sich vollziehenden, stetig von der Wahrheit weiter abweichenden Sch\u00e4tzungswechsel erfahren wir weiter nichts, als dafs der Beobachter \u201ewiederholt aufmerksam gemacht worden sei, um was es sich handelt\". \u2014 Demnach wird es erlaubt sein anzunehmen, dafs hier eine Art von Suggestion mitgewirkt hat, die sich\n16*","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nw. von Zehender.\n\u201eder mathematischen Berechnung nicht unterwerfen l\u00e4fst\u201c, und dafs die Sch\u00e4tzungen der \u00fcbrigen Herren wahrscheinlich auch nicht ganz ohne einige Beeinflussung ausgef\u00fchrt sein werden.\nDie Beobachtungen des Herrn E. Reimann sind \u00fcbrigens mit gr\u00f6fster Umsicht und Genauigkeit ausgef\u00fchrt worden \u2014 dar\u00fcber ist kein Zweifel m\u00f6glich. Es w\u00e4re vergebliches Bem\u00fchen \u201eSch\u00e4tzungen nach Augenmaafs\u201c noch sorgf\u00e4ltiger ausf\u00fchren zu wollen. Dennoch k\u00f6nnen wir kein rechtes Vertrauen dazu fassen, zum Theil deswegen nicht, weil \u2014 wie es scheint \u2014 eine gewisse Belehrung dazu geh\u00f6rt, um das zu sehen, was gesehen werden soll, zum Theil aber auch deswegen nicht, weil zugegeben wird, dafs es zweierlei Weisen giebt, die Mitte der Himmelsh\u00f6he zu bestimmen, die zu \u201eerheblich verschiedenen Resultaten\u201c f\u00fchren k\u00f6nnen. Ist dem so, dann h\u00e4tten diese beiden verschiedenen Weisen nothwendig getrennt \u2014 neben einander gestellt, und getrennt von einander berechnet werden m\u00fcssen. Ob solche Trennung \u00fcberhaupt m\u00f6glich, und wie sie m\u00f6glich zu machen w\u00e4re, m\u00fcssen wir dahingestellt sein lassen ; auf jeden Fall aber kann man, wenn die Verschiedenheit zugegeben wird, und bei der Berechnung unber\u00fccksichtigt bleibt, dem Endresultat kein grofses Vertrauen entgegenbringen.\nHerr Dr. von Sicheree, Privatdocent der Augenheilkunde an der Universit\u00e4t M\u00fcnchen, hat, auf meine Veranlassung die G\u00fcte gehabt, in der Umgebung von M\u00fcnchen einige H\u00f6hensch\u00e4tzungen vorzunehmen und unter seiner Leitung von Anderen vornehmen zu lassen. Diese Sch\u00e4tzungen wurden principiell nur bei v\u00f6llig wolkenfreiem, oder bei gleichm\u00e4fsig tr\u00fcbe bedecktem, grauem Himmel, oder bei sternklarer Nacht (um 11 Uhr) ausgef\u00fchrt; zur Vergleichung wurden nachtr\u00e4glich noch einige Sch\u00e4tzungen am bew\u00f6lkten Himmel vorgenommen. \u2014 Soweit irgend thunlich, wurde jede auch nur andeutungsweise suggestionsverd\u00e4chtige Bemerkung sorgf\u00e4ltig st vermieden. Es wurde vom Beobachter nur verlangt, die Mitte zwischen dem Horizont und der Zenithh\u00f6he anzugeben, wobei jedoch auf m\u00f6glichst richtige Bestimmung des Zenithpunktes mit besonderer Sorgfalt geachtet wurde. Wir hatten n\u00e4mlich bemerkt, dafs bei ungen\u00fcgender Aufmerksamkeit der Zenithpunkt gew\u00f6hnlich etwas zu niedrig (zu wenig weit r\u00fcck-","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 237\nw\u00e4rts) genommen wird, wobei dann nat\u00fcrlicherweise die Mitte zu niedrig gesch\u00e4tzt werden mufs.\nDie 13 Beobachter, welche sich bei diesen Versuchen beteiligt haben, waren \u2014 mit einer einzigen Ausnahme \u2014 s\u00e4mmt-lich emmetropisch.1 Drei von ihnen waren ungef\u00e4hr 15 Jahre alt, drei waren \u00e4lter als 20, vier waren \u00e4lter als 30 Jahre, und einer (der Ametrop) war 58, zwei andere Herren 65 und 69 Jahre alt. \u2014 In der Regel wurden zur Zeit nicht mehr als 3 Sch\u00e4tzungen gemacht; etwaige weitere Sch\u00e4tzungen am gleichen Tage wurden gew\u00f6hnlich erst nach viertelst\u00fcndiger Pause fortgesetzt.\nDas f\u00fcr diese Beobachtungen benutzte, aus Messing construire und in der Construction, von Herrn Dr. vox Sicherer in zweckm\u00e4fsiger Weise verbesserte Instrument ist von dem sehr geschickten Mechaniker C amix ad a im Haag angefertigt worden.\nDas Ergebnifs dieser Sch\u00e4tzungen zeigte \u2014 was bei der sorgf\u00e4ltigen Vermeidung jeder suggestiven Andeutung nicht unerwartet wTar \u2014 im Allgemeinen weit gr\u00f6fsere Differenzen als die bisherigen in \u00e4hnlicher Weise vorgenommenen Sch\u00e4tzungen. Einzelne Sch\u00e4tzungen reichten nicht unerheblich \u00fcber die wahre Mitte (45\u00b0) hinaus; im Mittel blieb jedoch die Sch\u00e4tzung \u2014 wenn auch nur wenig \u2014 unter der Mitte zur\u00fcck.\nWenn man den mittleren Werthen einer nicht sehr grofsen Zahl (114) von Einzelbeobachtungen einiges Vertrauen schenken will, dann ist aus der hier nachfolgenden Zusammenstellung wenigstens soviel ersichtlich, dafs bei bew\u00f6lktem Himmel die H\u00f6hensch\u00e4tzungen entschieden niedriger ausfallen als bei unbew\u00f6lktem oder bei gleichm\u00e4fsig grauem oder bei sternklarem Himmel.\nGesammt\u00fcbersicht aller\n114 Sch\u00e4tzungen\nwolkenlos\t42,00\nsternklar\t42,40\ntr\u00fcbe\t43,60\nbew\u00f6lkt\t37,7\u00b0\n1 Unter den neun Mitbeobachtern Reimann\u2019s wTaren f\u00fcnf Brillentr\u00e4ger (vermuthlich Myopen), einer war kurzsichtig, \u201ehat aber mit freiem Auge die Sch\u00e4tzungen ausgef\u00fchrU ;\u25a0 die drei \u00fcbrigen, sowie Herr Reimann selbst, \u201ehaben keine Augengl\u00e4ser n\u00f6thig\u201c.\nSpecielle Uebersicht der 36 Sch\u00e4tzungen des Herrn Dr. von Sicherer\n43,10\u00b0\n47,0\u00b0\n42,3\u00b0\n38,5 0","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"W. von Zellender.\n238\nMan wird uns, wie wir hoffen, nicht entgegnen wollen, dafs unsere Versuche mit weniger Sorgfalt und Umsicht, oder mit minderwerthigen Mitteln, oder mit weniger gut geeigneten Personen ausgef\u00fchrt worden sind als alle bisherigen, wenngleich sie zu anderen Resultaten gef\u00fchrt haben.\n4.\nRobert Smith hat nicht angegeben, wie er, aus dem H\u00f6henwinkel = 230 das Verh\u00e4ltnis der scheinbaren H\u00f6he des Himmelsgew\u00f6lbes zum scheinbaren halben Durchmesser der Basis (wie 3 zu 10) gefunden hat. \u2014 Am wahrscheinlichsten ist, dafs er die Sache auf Papier gezeichnet, und nun mit Cirkel und Maafsstab die gesuchten Verh\u00e4ltnisse abgemessen hat.\nDer grofse Mathematiker K\u00e4stner, damals noch aufserordent-licher Professor der Mathematik in Leipzig, hat das Werk von Robeet Smith \u2014 nicht \u00fcbersetzt im gew\u00f6hnlichen Sinne des Wortes; er hat es \u2014 wie der Titel besagt: \u2014 \u201emit Aenderungen und Zus\u00e4tzen aus gearbeitet\" oder, wie er im Vorworte vom 3. Buche selbst sagt : er hat es \u201enicht aus dem Englischen ins Deutsche, sondern aus dem synthetischen Vortrage in den analytischen \u00fcbersetzt\". \u2014 Zur vorliegenden Frage hat er, in einer Anmerkung unter den Text, die analytische Entwickelung der Aufgabe gegeben.\nDafs K\u00e4stner an der Sache selbst grofses Interesse \u00abgehabt habe, geht aus dieser Anmerkung nicht hervor; es scheint vielmehr, als ob ihn vorwiegend nur die mathematische Beweisf\u00fchrung, und auch diese nur nebens\u00e4chlich besch\u00e4ftigt habe : \u201eEs verlohnt sich der M\u00fche, wenigstens die Art zu weisen, wie man diese Untersuchung anstellen kann.\" Mit diesen Worten leitet er seine Beweisf\u00fchrung ein, und sagt am Schl\u00fcsse derselben: \u201eUeberhaupt f\u00e4llt in die Augen, dafs ohne einigen Beweis angenommen wird, die scheinbare Gestalt des Himmels sey ein Kraisbogen. Wem also diese Untersuchung wichtig genug scheint, der kann u. s. w.\u201c\nDiese Worte verrathen nicht, dafs K\u00e4stner selbst die Untersuchung f\u00fcr besonders wichtig gehalten, wohl aber zeigen sie deutlich, dafs ein Beweis f\u00fcr die scheinbare Gestalt des H immelsgew\u00f6lbes damit gar nicht gegeben wird, und nicht","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 239\ngegeben werden soll. \u2014 Die Aufgabe, welche gel\u00f6st werden soll, lautet vielmehr nach K\u00e4stner\u2019s eigenen Worten:\n\u201eEs wird der Winkel AOB (vergl. die Fig. 3) und seine Erg\u00e4nzung zu 900 BOC gegeben nebst der willk\u00fchrlichen L\u00e4nge BO. \u2014 Man soll in der lothrechten Linie COE den Mittelpunkt E eines Kraises ABC finden, welcher der-gestallt liegt, dafs die Bogen AB und BC gleich sind.\u201c\nFig. 3.\tDafs dieser Kreisbogen\nABC das Profil des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes sei, wird weder behauptet, noch bewiesen, noch wird durch die Worte der Aufgabe ein solcher Beweis verlangt. Die Rechnung giebt (also) keine Antwort auf die Frage nach der scheinbaren Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Anders w\u00e4re der Bachverhalt, wenn nachgewiesen werden k\u00f6nnte, dafs die Fehl-Sch\u00e4tzung am Himmelsgew\u00f6lbe durch nichts Anderes als durch die scheinbare flachgedr\u00fcckte Form des Himmelsgew\u00f6lbes bedingt sein kann. So lange dieser Nachweis fehlt, wird r\u00fccksichtlich der Himmelsform nur bewiesen, was als Voraussetzung in der Beweisf\u00fchrung selbst schon enthalten ist.\nDie Voraussetzung, von welcher Robert Smith ausgeht, ist n\u00e4mlich eben die, dafs die W\u00f6lbung des Himmels \u2014 wie K\u00e4stner sagt: \u201eohne einigen Bewreis\u201c \u2014 dem Auge als ein kleinerer Theil eines Kreisbogens erscheint, dessen Mittelpunkt tief unter dem Augenpunkt liegt.1 \u2014 Es kann sich also nur darum handeln, ob der wolkenlose Himmel dem Auge wirklich so erscheint wie vorausgesetzt wird oder ob diese Voraussetzung \u2014 wie wir annehmen \u2014 nur auf den Wolken-himmel pafst.\nK\u00e4mtz, der die K\u00c4sTNER\u2019sche Rechnungsweise ausf\u00fchrlich wiedergiebt, sagt: \u201eda jedoch der Himmel als ein flach\n1 The concavity of the heavens appears to the eye .... to be a less portion of a spherical surface than the hemisphere : I mean that the center of the concavity is much below the eye.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nW. von Zehencler.\neingedr\u00fccktes Gew\u00f6lbe erscheint, so ist nur die erste der drei Wurzeln brauchbar.\u201c \u2014 Auch diese Worte zeigen deutlich genug, dafs die Rechnung nicht das flachgedr\u00fcckte Gew\u00f6lbe beweist, sondern dafs das Flacheingedr\u00fccktsein bei der Rechnung vorausgesetzt wird.\nWenn der scheinbaren Form des Himmelsgew\u00f6lbes auf mathematischem Wege beizukommen w\u00e4re, dann h\u00e4tte Helmholtz gewifs nicht unterlassen, in seiner physiologischen Optik n\u00e4her darauf einzugehen. Wir finden dort aber nur, dafs die Vorstellung von einer flach kuppelf\u00f6rmigen W\u00f6lbung des Himmels als eine \u201esehr vage, unbestimmte und ver\u00e4nderliche Vorstellung\u201c bezeichnet, und dafs die K\u00c4STNER\u2019sche Rechnung dort gar nicht einmal erw\u00e4hnt wTird.\nDie K\u00c4STNER\u2019sche Formel, welche sp\u00e4ter \u2014 wie Drobisch sagt \u2014 \u201evon Bohnenberger in bequemer Form entwickelt worden ist\u201c (wodurch das Endresultat selbstverst\u00e4ndlicherweise nicht ver\u00e4ndert wird), lautet:\n#3 +\ns~ \u2014 3\n~\t25\nex2 \u2014 2e'2 c2 x\nx ist der gesuchte Halbmesser, 5 der Sinus des beobachteten H\u00f6henwinkels, c der Sinus seines Complement\u00e4rwinkels und e der Radius vector zur (unrichtig) gesch\u00e4tzten Mitte.\nSetzt man nun (nach R. Smith) 5 = sin 23 0, dann ist c \u2014 sin 67 \u00b0. Setzt man ferner e \u2014 1 und berechnet numerisch, dann ergiebt sich hieraus :\n#3 \u2014 3,0575\t\u2014 2,6956 x + 3,6749 = 0.\nK\u00e4stner setzt den Nullwerth dieser Gleichung = y; ihre drei Wurzeln, verglichen mit den entsprechenden y-Werthen, ergeben alsdann :\nXi\t=\t-j-\t3,2302 und\tyi\t=\t0,0001\nxu\t\u2014\t+\t0,9836\t\u201e\tijn\t=\t0,0005\n=\t\u2014\t1,15645 \u201e\tym\t=\t0,00012.\nAus der ersten Wurzel (3,2302) berechnet sich (e = 100 gesetzt) :\n2 c- p-\nCO =\t= 52,46\nX\nAO\n2 ce\nix'2 \u2014 c-e- = 176,46,\nX","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Er scheinen der Gestirne etc. 241\nworaus\nCO : AO = 1 : 3,36\nund der Winkel AEC (siehe Fig. 3) = 33\u00b0 gefunden wird.\nK \u00c4s TN er hat gerechnet :\nOC : OA = 52 : 180 oder 1 : 3 6/13 = 1 : 3,46\nund f\u00fcgt hinzu: ..Wollte man die Sache genauer haben, so m\u00fcfste man die Coefficienten der Gleichung sch\u00e4rfer suchen, welches die M\u00fche kaum belohnen w\u00fcrde, da sich doch Alles auf eine blofse Bestimmung des Punktes, der mitten zwischen dem Scheitel und Horizonte zu seyn scheint, nach dem Augenmaafse gr\u00fcndet.\u201c\nWir haben uns dieser kleinen \u201edie M\u00fche kaum belohnenden\u201c Arbeit unterzogen und haben die Coefficienten um eine Decimal-stelle sch\u00e4rfer genommen, um den Einflufs der 4. Decimalstelle auf das Gesarnmtresultat kennen zu lernen. \u2014 Grofs sind die Differenzen nicht, und wenn man erw\u00e4gt, dafs \u201eeine blofse Bestimmung des Punktes, der nach dem Augenmaafse mitten zwischen dem Scheitel und Horizonte liegt\u201c schon um eine nicht unerhebliche Anzahl von Gradeinheiten zu schwanken pflegt, dann wird man zugeben m\u00fcssen, dafs hier die Decimalstellen nur rechnerisch einen gewissen Werth haben, praktisch aber v\u00f6llig werthlos und unbrauchbar sind.\nVerzichtet man auf mathematische Genauigkeit \u2014 was bei der Unsicherheit einer nach Augenmaafs gesch\u00e4tzten Gr\u00f6fse wohl immer erlaubt ist \u2014 dann l\u00e4fst sich das jedesmalige flachgedr\u00fcckte Formverh\u00e4ltnifs des Himmelsgew\u00f6lbes fast ohne alle Eechnung leicht finden. Das Verh\u00e4ltnifs der H\u00f6he zum halben Durchmesser des vermeintlich berechenbaren Himmelsgew\u00f6lbes ist n\u00e4mlich der fehlsamen Gradsch\u00e4tzung bei der Halbirung ziemlich nahe proportional. Will man es noch genauer \u2014 fast ganz genau \u2014 haben, dann mufs man dem zweiten Gliede der Proportion noch 0,01 der Differenz der beiden fehlgesch\u00e4tzten Winkel hinzu addiren.\nz. B. 20 0 : 700 = 1 : 3,5 ;\nes ist aber 70 \u2014 20 = 50; anstatt 3,5 setze man also 3,5 -j- 0,5 = 4,00.","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nw. von Zehen der.\nEbenso in einigen anderen Beispielen:\nVerh\u00e4ltnifs der Fehlsch\u00e4tzung\t1 Addition von 0,01 der Differenz beider Winkel\tGenaue Berechnung nach K\u00e4stner\tDifferenz\n20 : 70 \u2014 1: 3,50\t3,5 -f 0,50 = 4,00\t3,976\t+ 0,02\n23 : 67 = 1: 2,913\t2,913 -f- 0,44 = 3,353\t3,362\t\u2014 0,01\n25 : 65 = 1: 2,60\t2,60 -f- 0,40 = 3,00\t3,029\t\u2014 0,03\n30 : 60 = 1: 2,00\t2,00 -f- 0,30 = 2,30\t2,358\t\u2014 0,06\n40:50 = 1:1,25\t1,25 + 0,10 = 1,35\t1,424\t- 0,07\nDieses sehr einfache Verfahren stimmt \u2014 wie man sieht \u2014 mit der genauen mathematischen Berechnung bis auf einige dl Einheiten der zweiten Decimalstelle \u00fcberein, differirt also von der genauen Berechnung durchschnittlich nur um etwa die H\u00e4lfte einer Einheit der ersten Decimalstelle (0,05). Das entspricht einer Minkelgr\u00f6fse von 0\u00b0 3', an welcher das unbewaffnete menschliche Auge schon die Grenze seiner Erkennungsf\u00e4higkeit findet. Die fehlsamen Winkelsch\u00e4tzungen am Himmelsgew\u00f6lbe differiren aber \u2014 wie wir oben gesehen haben \u2014 um 10 und selbst um 20 Winkelgrade. Eine bis auf 0,05 Grad \u00fcbereinstimmende Genauigkeit ist also weit mehr als gen\u00fcgend.\nDie K\u00c4STVE\u00df\u2019sche Rechnung ergiebt aber aufserdem auch noch, dafs der Kreisbogen, welcher das Profil des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes darstellen soll, d. h. dafs der ganze, aus irgend einem Punkte der Erdoberfl\u00e4che sichtbare Theil des Himmels, nur 66 0 14 ' zu betragen scheint, w\u00e4hrend doch, nach der Meinung der meisten Menschen, der sichtbare Himmelsbogen 180 0 \u2014 auf hohen Bergen sogar mehr als 180 0 \u2014 betragen wird.\nWer dem Rechnungsresultat mehr traut als den eigenen Augen, der wird sagen m\u00fcssen : f\u00fcr die Bewohner der Erdoberfl\u00e4che betrage die scheinbare Gr\u00f6fse des sichtbaren Himmels nur etwa ein Dritttheil von 180\u00b0.\nDoch dies nur nebens\u00e4chlich!\nWir haben nun noch die Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnisse etwas n\u00e4her in Betracht zu ziehen; die Rechnung giebt nur die Form \u2014 nicht die Gr\u00f6fse des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes.\nDie Linie, welche, durch Rotation um die Lothrechte, rech-nungsm\u00e4fsig die scheinbare Form des Himmels darstellen soll,","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Er scheinen der Gestirne etc. 243\nist entstanden unter der Voraussetzung e \u2014 1. \u2014 Welchen bestimmten Werth sollen wir nun dieser Einheit beilegen? \u2014 Der einzig richtige Werth ist offenbar: \u201eunendlich\u201c. Unendlich l\u00e4fst sich aber durch Zahlen nicht ausdr\u00fccken. \u2014 Wir sehen zwar die hell leuchtenden himmlischen Weltk\u00f6rper trotz ihrer unendlichen Ferne, unser Auge durchdringt zwar mit Leichtigkeit den ganzen unendlichen Weltenraum ; wir wissen aber auch, dafs die Entfernung der Fixsterne durch keine terrestrischen Hilfsmittel gemessen werden kann, und \u2014 das Ende des Himmels ist jedenfalls noch sehr viel weiter entfernt als der entfernteste Fixstern !\nWir k\u00f6nnen also dem Buchstaben e nicht leicht einen zu grofsen Werth beilegen!\nRobert Smith hat \u2014 wie bereits oben gesagt wurde \u2014 die Entfernungsgrenze des menschlichen Sehens in der Horizontrichtung numerisch zu bestimmen versucht. Er nimmt an, dafs die Entfernung dieser Grenze in der 5000 fachen Gr\u00f6fse des menschlichen K\u00f6rpers oder ungef\u00e4hr 5 englische Meilen weit entfernt liege. Alles was weiter entfernt ist, soll nicht weiter als 5 englische Meilen weit entfernt zu sein scheinen. \u2014 Wir haben die geometrische Richtigkeit dieser Bestimmung zwar anerkannt ; sie gilt aber nur f\u00fcr die horizontale Fufssohlen - Ebene des Beobachters. Steigt der Beobachter auf einen 2 Fufs hohen Stuhl, dann mufs in consequenter Schlufsfolgerung die Entfernungsgrenze um 2 mal 5000 Fufs weiter hinausr\u00fccken, und in demselben Verh\u00e4ltnis weiter, bei jedem noch h\u00f6heren Standpunkte. \u2014 Andererseits kann die entfernteste Grenze aber auch viel n\u00e4her liegen. Wenn z.B. die theoretisch als horizontal vorausgesetzte Ebene, vielleicht in der Entfernung von einigen hundert Schritten, factisch sich unmerklich bis zur Augenh\u00f6he des Beobachters erheben, und alsdann wieder sich senken sollte, dann w\u00fcrde es dem aufmerksamsten Beobachter recht schwer sein zu entscheiden, ob z. B. eine weit entfernte hohe Stange, oder ein anderer Gegenstand von unbekannter Gr\u00f6fse, weiter entfernt liegt als die h\u00f6chste Erhebungsh\u00f6he der theoretisch als streng - horizontal vorausgesetzten Beobachtungsebene.\nPrincipiell richtiger ist Treiber\u2019s Darstellung des Sachverhaltes (vgl. d. Nachtrag). Treiber verlegt die letzte Entfernungsgrenze des Sehens dahin, wo die Gegenst\u00e4nde unter der an die Rundung der Erdoberfl\u00e4che gelegten Tangente verschwinden.","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nW. von Zeherider.\nBei einer Augenh\u00f6he von \u201ezwei geometrischen Schritten\u201c liegt dieser Grenzpunkt nach Treiber\u2019s Berechnung in einer Entfernung von 3/4 deutschen Meilen. Je h\u00f6her der Augenpunkt, um so gr\u00f6fser wird die Grenzentfernung. \u2014 Die Grenzentfernung des Sehens ist nicht \u2014 wie R. Smith, und mit ihm auch Mairan, anzunehmen scheint \u2014 eine Constante; sie ist von der Augenh\u00f6he \u00fcber der Rundung der Erdoberfl\u00e4che abh\u00e4ngig und mufs nach dieser berechnet oder gesch\u00e4tzt werden.\nMairan dessen Arbeit \u00fcber die scheinbare Himmelsform zwei Jahre sp\u00e4ter erschienen ist als das grofse Robert SMiTH\u2019sche Werk, schliefst sich der von Letzterem angegebenen Entfernungsgrenze des Sehens vollkommen an. Mairan sagt, es sei (durch optische B\u00fccher) festgestellt, dafs wir, wenn die Oberfl\u00e4che der Erde vollkommen plan und unendlich weit ausgedehnt w\u00e4re, den Horizont doch nur in einer Entfernung von 4 bis 5 Tausend Toisen (1 Toise = 6 Par. Fufs), d. h. in der 5000 fachen H\u00f6he des Auges \u00fcber dem Fufsboden sehen w\u00fcrden, und dafs jeder Gegenstand, \u201ew\u00e4re er auch 100 Millionen Meilen weit entfernt\u201c, uns doch nicht weiter als 4 bis 5 Tausend Toisen entfernt zu sein scheinen w\u00fcrde\u201c. Er f\u00fcgt \u2014 sehr richtig \u2014 noch hinzu, dafs kein Grund vorliege anzunehmen, die gr\u00f6fste Entfernungsgrenze des Sehens werde durch die Blickrichtung nach oben (oder \u00fcberhaupt nach irgend welcher anderen Richtung) eingeengt oder ver\u00e4ndert. In diesem letzteren Falle m\u00fcfste \u2014 wie er selbst zugiebt \u2014 das Gew\u00f6lbe des wolkenlosen Himmels nach allen Richtungen hin gleich weit entfernt und mithin kugelf\u00f6rmig erscheinen. \u2014 Mairan erkl\u00e4rt sich aber dennoch \u2014 mit Bezugnahme auf P. Malebranche - sehr entschieden f\u00fcr die forme surbaiss\u00e9e des Himmelsgew\u00f6lbes 1 2: \u201eweil wir\u201c\n1\tHistoire de Vacad. roy. des sciences. Ann\u00e9e 1740. Digression sur la courbure apparente du fond du ciel. pag. 47.\n2\tMairan erz\u00e4hlt bei dieser Gelegenheit, es sei bekannt, dafs die Akademie diese Frage s. Zt. von vier grofsen, aus ihrer Mitte gew\u00e4hlten Mathematikern habe pr\u00fcfen lassen, welche s\u00e4mmtlich sich zu Gunsten der Ansicht des P. Malebranche erkl\u00e4rt haben. \u201eII est donc bien certain\u201c \u2014 so schliefst Mairan seinen Bericht \u2014 \u201eque la vo\u00fbte du Ciel nous doit paro\u00eetre par la fort surbaiss\u00e9e.\nDer Bericht der vier Akademiker, welchem Mairan so grofsen Werth beizulegen scheint, lautet w\u00f6rtlich :","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6/ser-Erscheinen der Gestirne etc. 245\n\u2014 so sagt er \u2014 \u201ezwischen uns und einem Gestirn in der Zenithgegend Nichts sehen, so glauben wir dieses Gestirn sehr klein\nAttestation pour le P. Malebbasche, pr\u00eatre de l\u2019Oratoire.\nJ\u2019ai lu la R\u00e9ponse du P. Malebranche \u00e0 M. Regis; et j\u2019ai trouv\u00e9 que les preuves qu\u2019il rapporte de son sentiment touchant les diverses apparences de la grandeur du Soleil & de la Lune dans l\u2019Horizon & dans le M\u00e9ridien, \u00e9toient d\u00e9monstratives, et clairement d\u00e9duites des v\u00e9ritables principes de l\u2019Optique.\nUnterzeichnet ist diese Attestation von:\nM. le marquis de l\u2019Hospital, L\u2019Abb\u00e9 de Catelan, Varignon und Sauveur.\nJournal des S\u00e7avans. 1694. pag. 127.\nDer Physiker Regis, gegen den diese ziemlich bedeutungslose Declaration gerichtet ist, nimmt keinen Anstand die s\u00e4mmtlichen Mitglieder \u00f6ffentlich zu desavouiren. Er sagt:\nVarignon sei pers\u00f6nlich gegen ihn (Regis) interessirt und deshalb kein unparteiischer Richter, und sei \u00fcberdies zur Zur\u00fccknahme von Behauptungen (retractions) oftmals gen\u00f6thigt worden.\nMarquis de l\u2019Hospital sei zwar ein illustrer Mathematiker, er sei aber seit alter Zeit mit Malebranche eng befreundet.\nSauveur sei ein Sch\u00fcler von Malebranche, der f\u00fcr sein eigenes Fortkommen und Gedeihen stets gr\u00f6fseres Interesse gezeigt habe als f\u00fcr die Ehre der Wissenschaft.\nVom Abb\u00e9 de Catelan zu reden sei kaum der M\u00fche werth ; seine Irrth\u00fcmer seien in den verschiedenen Journalen so oft widerlegt worden, dafs er als competenter Richter nicht gelten kann.\nWir sind nicht in der Lage beurtheilen zu k\u00f6nnen, in wie weit diese \u00f6ffentliche Gegenerkl\u00e4rung m\u00f6glicherweise vielleicht nur \u201eab irato\u201c verfafst sein k\u00f6nnte.\nDie Discussion selbst hat f\u00fcr den heutigen Stand der Frage keinen maafsgebenden Werth; wir m\u00f6chten daraus nur hervorheben, dafs Malebranche (De la Recherche de la v\u00e9rit\u00e9 1675, Tom. I, Chap. VII, pag. 61) gelegentlich behauptet \u2014 fast w\u00f6rtlich wie Mairan es ihm nachschreibt \u2014 :\n(La lune) \u201eestant fort haute, nous ne voyons point d\u2019objets\nentre elle & nous, desquels nous s\u00e7achions la grandeur..........\n......Mais quand elle vient de se lever, ou qu\u2019elle est preste \u00e0\nse coucher, nous voyons entr\u2019elle & nous plusieurs campagnes, dont nous connoissons \u00e0 peu pr\u00e9s la grandeur, & ainsi nous la jugeons plus \u00e9loign\u00e9e, & \u00e0 cause de cela nous la voyons plus grande.\u201c\n\u201e.....lors qu\u2019elle est \u00e9lev\u00e9e au dessus de nos testes quoyque\nnous s\u00e7achions.........qu\u2019elle est dans une tres-grande distance,\nnous ne laissons pourtant pas de la voir fort proche et fort petite.\u201c\nAn anderer Stelle (1. c. chap. IX, pag. 78) bemerkt Malebranche (was von sp\u00e4teren Autoren \u00f6fter wiederholt worden ist), dafs der auf gehende oder untergehende Mond von irgend einem Punkte der Erdoberfl\u00e4che in der That ungef\u00e4hr um einen halben Erddurchmesser entfernter ist, als wenn er in der Zenithrichtung \u00fcber diesem Punkte steht. \u2014 Bedenkt man aber, dafs der","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nw. von Zellender.\nund sehr nahe zu sehen, w\u00e4hrend dasselbe Gestirn am Horizont, wo weitl\u00e4ufige Gefilde dazwischen liegen, viel gr\u00f6fser und sehr viel weiter entfernt zu seint scheint. Im reciproken Verh\u00e4ltnisse mufs demnach die Himmelsform flachgedr\u00fcckt erscheinen. (\u201eNous ne voyons rien entre nous et l\u2019astre qui est pr\u00e8s du Z\u00e9nit; nous le jugeons fort petit et fort proche ; nous voyons au contraire de vastes campagnes entre nous et le m\u00eame astre \u00e0 l\u2019Horizon, nous le jugeons et beaucoup plus grand, et beaucoup plus loin, et en cons\u00e9quence, car cela est r\u00e9ciproque, l\u2019arc qu\u2019il d\u00e9crit an dessus de notre t\u00eate nous paro\u00eet surbaiss\u00e9.\u201c 1. c. pag. 50.)\nObwohl Robert Smith sowohl wie Mairav die auf unserer kugelf\u00f6rmigen Erde realiter unm\u00f6gliche Bedingung einer vollkommen planen und zugleich unendlich weit ausgedehnten Oberfl\u00e4che voraussetzen, wird ihre Theorie doch stillschweigend auf diese unm\u00f6gliche Bedingung aufgebaut \u2014 und zwar ganz allgemeinhin. Mit keinem Worte wird die Unm\u00f6glichkeit einer solchen Annahme ausdr\u00fccklich erw\u00e4hnt, \u2014 das Verh\u00e4ltnis von 3 zu 10 soll vielmehr Geltung behalten, gleichviel ob der Himmel bew\u00f6lkt oder unbew\u00f6lkt, und gleichviel ob die\nMond im Mittel etwa 60 Erdhalbmesser weit von uns entfernt ist, dafs aber seine Entfernung von der Erde, wegen der Ellipticit\u00e4t seiner Bahn, zwischen 55 und 65 Erdhalbmessern schwankt, dann kann dieser, an sich zwar richtigen Bemerkung kein praktischer Werth zuerkannt werden.\nIm Ganzen ist Malebranche\u2019s Darstellungsweise klar und fliefsend und leicht verst\u00e4ndlich; er fehlt aber darin, dafs er das, was das Auge zu leisten nicht vermag, in geringsch\u00e4tzender Stimmung als Irrthum (erreur) verurtheilt, anstatt mit zufriedenem Gem\u00fcthe dasjenige hervorzuheben und dankbar anzuerkennen, was unsere Sinne zur Erforschung der Wahrheit wirklich zu leisten f\u00e4hig sind. Der Hauptfehler, in welchen Malebranche verf\u00e4llt, besteht aber darin, dafs er wiederholt und nach-dr\u00fccklichst betont: die Sinne seien nur dazu da, um Leib und Leben zu besch\u00fctzen und zu erhalten. \u2014 Trotz oft wiederholter Versicherung, dafs Seele und Sinne auf das Innigste mit einander verbunden sind, werden die Sinne, nicht wie treueste und stets bereitwillige Diener der Seele, sondern wie herrschs\u00fcchtige Anarchisten geschildert, die nur danach trachten, die Herrschaft \u00fcber die Seele sich anzumaafsen. (,,le vray usage qu\u2019on en doit faire, est de ne s\u2019en servir que pour conserver sa sant\u00e9 & sa vie, & qu\u2019on ne les peut assez m\u00e9priser, quand ils veulent s\u2019\u00e9lever jusqu\u2019\u00e0 se soumettre l\u2019esprit.\" 1. c. livre I, cap. XX, pag. 142.)\nVon Regis (dem Gegner Malebranche\u2019s) wollen wir (aus seiner Antwort auf Art. V, 1. c. pag. 17) nur folgenden Satz herausheben:\n\u201eJe suis persuad\u00e9 qu\u2019il n\u2019y a que l\u2019Auteur (Malebranche) \u00e0 qui la vo\u00fbte du ciel paroisse comme un demi sph\u00e9roide applati.\u201c","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Er scheinen der Gestirne etc. 247\nSch\u00e4tzung auf hohen Bergen (wo K\u00e4mtz seine Beobachtungen angestellt hat) oder am Meeresstrande vorgenommen wird. Es bedarf indessen einer weiteren Auseinandersetzung gewifs nicht, dafs man auf hohen Bergen den Wolken um die Bergesh\u00f6he n\u00e4her ist, und dafs der Blick in die Horizontferne von dort aus weiter reicht als in der Ebene. \u2014 Wie weit? \u2014 Das ist eine Frage, deren Beantwortung hier nicht versucht werden soll. Dagegen erfordert die Behauptung, dafs die Anwesenheit verschiedener Gegenst\u00e4nde die Entfernungen scheinbar ver-gr\u00f6fsert, hier noch eine kurze Gegenbemerkung:\nRobert Smith sagt kurz und b\u00fcndig, die Zenithdistanz erscheint kleiner, weil in dieser Richtung keine Theile wahrgenommen werden, und Maieax schliefst sich dieser Behauptung fast w\u00f6rtlich an. Himmelw\u00e4rts sind aber in allen Richtungen keine Theile zu sehen ; w\u00e4re diese Schlufsfolgerung richtig, dann m\u00fcfste das ganze Himmelsgew\u00f6lbe gleichm\u00e4fsig n\u00e4her erscheinen, \u2014 nicht blos und nicht vorwiegend nur derjenige Theil desselben, welcher in der Zenithrichtung liegt; denn erst ganz in der N\u00e4he der Horizontrichtung, wo verschiedene Gegenst\u00e4nde sich befinden, k\u00f6nnte von einem optischen Einflufs dieser Letzteren auf die Gr\u00f6fse der Entfernungssch\u00e4tzung die Rede sein. Diesem A erh\u00e4ltnifs entsprechend m\u00fcfste dann aber das Himmelsgew\u00f6lbe eine Art conchoider Form (die ja angeblich auch beobachtet worden ist) annehmen, wobei die, \u00fcbrigens kreisf\u00f6rmige Rotations-curve, in der N\u00e4he der Horizontrichtung sich abflacht und sich weiter vom Beobachter entfernt.\nMai ran f\u00fcgt noch etwas Neues hinzu ; er behauptet n\u00e4mlich, dafs, wegen der Refraction (r\u00e9fractoires), die Peripherie des Horizontes h\u00f6her erhoben zu sein scheint, woraus ebenfalls eine scheinbar \u201econchoi'de\u201c Form ganz anderer Art entstellten soll, die er durch eine schematische Zeichnung zu verdeutlichen sucht,\nDie Anwesenheit von Gegenst\u00e4nden kann jedoch \u2014 so sollte man meinen \u2014 eine scheinbar gr\u00f6fsere Entfernung nicht bewirken ; wohl aber k\u00f6nnen Gegenst\u00e4nde von bekannter Gr\u00f6fse sehr gut dazu dienen, Entfernungen richtiger zu taxi reu. Wenn ich in grofser Ferne einen Menschen in scheinbar halber Gr\u00f6fse sehe, so kann ich \u2014 nach R. Smith \u2014 annehmen, dafs seine Entfernung ungef\u00e4hr die H\u00e4lfte von 5000 mal eine Menschengr\u00f6fse, oder etwa 212 englische Meilen betr\u00e4gt.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nW. von Zehender.\nDamit zugleich gewinnen wir allerdings auch noch die M\u00f6glichkeit, das noch weiter Entfernte im Vergleich hiermit richtiger zu taxiren als wenn nichts da w\u00e4re. Unbekannte Gegenst\u00e4nde, oder besser gesagt, Gegenst\u00e4nde von unbekannter Gr\u00f6fse, werden aber schwerlich dazu beitragen k\u00f6nnen, die Entfernungen gr\u00f6fser oder kleiner erscheinen zu lassen. Eine menschliche Figur, die soweit entfernt ist, dafs man nicht entscheiden kann, ob es ein Kind oder ob es eine erwachsene Person ist, wird uns \u00fcber die Gr\u00f6fse der Entfernung in demselben Verh\u00e4ltnifs im Zweifel lassen wie \u00fcber die Gr\u00f6fse der Person. Wenn kein Gegenstand von bekannter Gr\u00f6fse sichtbar ist, dann ist eben alles Taxiren unm\u00f6glich.\nEs bleibt noch eine wichtige T\u00e4uschung \u00fcbrig, die Robert Smith kaum ber\u00fchrt, Treiber dagegen eingehend er\u00f6rtert und vollkommen richtig beurtheilt1 : Die Himmelsgrenze und die Erdgrenze fallen f\u00fcr den Beobachter in eine und dieselbe Grenzlinie zusammen : Da wm die Erdgrenze aufh\u00f6rt sichtbar zu sein, beginnt die Grenze des Himmels sichtbar zu werden und umgekehrt ; die gemeinsame Grenz- und Trennungslinie Beider liegt scheinbar in gleich grofser Entfernung, obschon wir sehr wohl wissen, dafs die Himmelsgrenze \u00fcber die terrestrische Grenze weit hinausreicht. Zuweilen \u2014 wenn bei bew\u00f6lktem Himmel die Bew\u00f6lkungs- und Beleuchtungs -Verh\u00e4ltnisse ganz besonders g\u00fcnstig sind \u2014 gelingt es allerdings diese T\u00e4uschung bis zu einem gewissen (immerhin nur geringen) Grade zu \u00fcberwinden, zuweilen gelingt es wohl den Gesichtseindruck zu bekommen, als ob der Wolkenhimmel (so wie es in Wirklichkeit der Fall ist) \u00fcber die terrestrische Grenze noch weiter hinaus sich erstreckt. Bei unbew\u00f6lktem Himmel wird diese Beobachtung schwerlich jemals gelingen.\nHierauf beruht offenbar auch die Verschiedenheit, wonach einige Autoren den scheinbaren Zusammenhang zwischen Himmel und Erde \u201espitzwinklig\u201c, Andere dagegen \u201esenkrecht gegen den Horizont geneigt\u201c finden (K\u00e4mtz).2\n1\tSiehe den Nachtrag.\n2\tWir entnehmen diese Bemerkung aus Reimann\u2019s Schulprogramm\n1891, S. 13, wo es heilst: \u201edoch \u00e4ufsert sich K\u00e4mtz dahin.indem die\nHimmelsfl\u00e4che gegen den Horizont senkrecht und nicht unter spitzem Winkel geneigt sei.\u201c \u2014 Wir haben diese hier w\u00f6rtlich nach R eimann citirte Stelle bei K\u00e4mtz nicht auffinden k\u00f6nnen.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Die Foi m des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr \u00f6fs er-Fr sch einen der Gestirne etc. 249\nMan m\u00f6chte glauben, \u201eeine senkrecht gegen den Horizont geneigte Himmelsfl\u00e4che \u201ek\u00f6nne nichts Anderes bedeuten als eine am Horizont scheinbar senkrecht ansteigende Himmelswand. In diesem Falle kann aber die Himmelsform nicht zugleich flachgew\u00f6lbt erscheinen. Und doch wird, auch in diesem Falle, der H\u00f6henwinkel kleiner gefunden als sein Complement, und wird die Rechnung immer wieder dieselbe flachgew\u00f6lbte\nForm -- trotz \u201escheinbar senkrechter Neigung am Horizont\u201c \u2014 ergeben.\nDiesei V ideispiucli f\u00fchrt uns auf eine andere naheliegende Bemerkung.\nBekanntlich wird nicht nur eine W\u00f6lbung, sondern ebenso auch eine senkrechte Wand, ein Thurm oder dergl. gew\u00f6hnlich niediigei gesch\u00e4tzt als sie oder als er ist, und dementsprechend wird man auch finden, dafs, beim Versuch nach Augenmaafs eine solche senkrechte V and oder eine Thurmh\u00f6he zu halbiren, die untere H\u00e4lfte kleiner zu sein pflegt als die obere. Wollte man die Principien der K\u00e4stner sehen Rechnung auch auf diesen Fall anwenden (wobei der Halbmesser der aufrecht stehenden V and = cc gesetzt werden m\u00fcfste), dann w\u00fcrde die Rechnung ergeben, dafs die Wand oder der Thurm scheinbar schief mit seiner Spitze dem Beobachter zugeneigt \u2014 stehen m ufs. Man wird aber doch nicht gerne zugeben wollen, der Thurm stehe scheinbar schief, weil er, nach denselben\nRechnungsprincipien beurtheilt, schief zu stehen scheinen m ufs.\n\u00f6.\nDurch die K\u00e4stner\u2019sehe Analyse wird \u2014 wie wir gesehen haben \u2014 in der lothrechten Linie (COE Fig. 3) derjenige Punkt gesucht und gefunden, von welchem aus eine sch\u00e4tzungsweise unrichtig bestimmte Halbtheilung der Himmelsh\u00f6he, in zwei gleich-\ngiofse H\u00e4lften, und somit richtig g e t h e i 11 erscheint. _____\nNichts Anderes ! Dafs eine von diesem Punkte als Mittelpunkt gezogene Kreislinie die Profilansicht der Form des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes darstellt, wird durch die Rechnung weder bewiesen noch zu beweisen versucht, und K\u00e4stner sagt ja selbst: es f\u00e4llt in die Augen, dafs ohne einigen Beweis angenommen viid, die Gestalt des Himmels sei ein Kreisbogen.\nZeitschrift fur Psychologie -4.\ti 7","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nW. von Zeltender.\nNun wird aber dennoch die vermeintlich bewiesene flachgedr\u00fcckte Form des Himmelsgew\u00f6lbes dazu benutzt, um weiterhin zu beweisen, dafs der Mond, wenn er hoch oben am Himmel steht, eben wegen der flachgedr\u00fcckten Himmelsform n\u00e4her und kleiner erscheinen mufs, als in seiner angeblich scheinbar gr\u00f6fseren Entfernung am Himmelsrande.\nDer beweisf\u00fchrende Gedankengang ist aber in umgekehrter Folge entstanden. Der Astronom Robert Smith hat zuerst seine Aufmerksamkeit gerichtet auf die Vergr\u00f6fserung, resp. auf den gr\u00f6fseren gegenseitigen Abstand der Gestirne in der Horizontn\u00e4he, und hat dann erst aus dem sch\u00e4tzungsweise (3-bis 4 malig) angenommenen Gr\u00f6fsenunterschied die Form construirt, die dei Himmel haben m\u00fcfste, wenn der Gr\u00f6fsenunterschied durch die scheinbare Himmelsform erkl\u00e4rt werden soll. \u2014 Nun soll umgekehrt die construire Form wieder dazu dienen, die Gr\u00f6fsen-verschiedenheit zu erkl\u00e4ren.\nDazu kommt dann noch die K\u00e4stner\u2019sehe Gleichung dritten Grades, welche der Sache das Siegel scheinbar mathematischer Gewifsheit aufdr\u00fcckt.\nDafs ein Gegenstand von constanter Gr\u00f6fse und Entfernung um so kleiner erscheinen kann, je mehr die Vorstellung seiner gr\u00f6fseren N\u00e4he dominirt, wird von R. Smith durch eine entsprechende Zeichnung veranschaulicht, deren Reproduction kaum n\u00f6thig sein d\u00fcrfte.1 2\nDesaguilier 2 f\u00fchrt zur Demonstration dieses Verhaltens\naber auch noch folgenden Versuch an:\nZwei gleichgrofse Lichter werden in einer gewissen Entfernung neben einander aufgestellt. Alsdann wird, ohne Vorwissen des Beobachters an Stelle des einen der beiden Lichter ein doppeltgrofses Licht in die doppelte Entfernung gestellt. Der Beobachter, wenn er nicht bemerkt hat, dafs inzwischen etwas ver\u00e4ndert worden ist, wird nun das doppeltgrofse Licht in doppelter Entfernung f\u00fcr halb so grofs (mithin f\u00fcr kleiner) halten\nals es wirklich ist.\n1\tDieselbe Zeichnung, mit den niedlichen kleinen und gr\u00f6fseren Mondgesichtern, findet sich genau reproducirt, sowohl in der deutschen \\iie auch in der franz\u00f6sischen Uebersetzung, und findet sich in etwas vei\u00e4nderter Form auch bei Desaguilier.\n2\tPhilos. Transact. 30 (444), 390. 1835/36.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 251\nBleiben wir zun\u00e4chst einmal nur bei der gew\u00f6hnlich fehlerhaften Halbtheilung des rechten Winkels stehen, und setzen \u2014 ohne auf die Berechnung der Himmelsform irgend welche R\u00fccksicht zu nehmen \u2014 das in unserer Vorstellung unver\u00e4nderlich bleibende Erinnerungsbild der mittleren Mondgr\u00f6fse = m. \u2014 Setzen wir ferner \u2014 wie nach R. Smith angenommen werden soll \u2014 die fehlerhafte Halbtheilung wie 23 0 zu 67 \u00b0, dann ist in des fehlgetheilten rechten Winkels\noberer H\u00e4lfte : 67 \u00fc scheinbar = 45 0 und in seiner unteren H\u00e4lfte : 23 0 scheinbar = 45 \u00b0.\nEin Grad ist demnach:\nin der oberen H\u00e4lfte scheinbar = 67 Grad, in der unteren H\u00e4lfte scheinbar = 23/15 Grad.\nDas als unver\u00e4nderlich vorausgesetzte Erinnerungsbild der mittleren Mondgr\u00f6fse w\u00fcrde in der fehlgesch\u00e4tzten Halbrechten\noben\n67 \u2022 m \"45\t\u2019\nmithin gr\u00f6fser, und\nunten =\n23 \u2022 m ~45\t\u2019\nmithin kleiner\nsein m\u00fcssen, als es ist, um in seiner unver\u00e4nderten Gr\u00f6fse (= m) erscheinen zu k\u00f6nnen. Das wirklich sichtbare Mondbild mufs also, wenn oder weil das Erinnerungsbild seine Gr\u00f6fse nicht \u00e4ndert :\nin der oberen Himmelsh\u00e4lfte kleiner, in der unteren Himmelsh\u00e4lfte gr\u00f6fser erscheinen. Oder, wenn man f\u00fcr das unver\u00e4nderliche Erinnerungsbild des Mondes seine astronomische Gr\u00f6fse = 1/2 Grad einsetzt, dann w\u00fcrde der Mond anstatt 1j90 eines Halbrechten: in der oberen H\u00e4lfte scheinbar = b134, mithin kleiner, in der unteren H\u00e4lfte scheinbar \u2014 1/46, mithin gr\u00f6fser als 1/90 erscheinen.\nEs verh\u00e4lt sich damit genau ebenso, wie mit einem nach richtiger Elle abgemessenen Band, welches mit zu gr\u00f6fser Elle nachgemessen: zu klein, mit zu kleiner Elle nachgemessen: zu grofs befunden wird.\nDie fehlerhafte H\u00f6hensch\u00e4tzung gen\u00fcgt also f\u00fcr sich allein \u2014 ohne den Schein eines flachgedr\u00fcckten Himmelsgew\u00f6lbes \u2014 schon vollkommen, um das Gr\u00f6fser- oder Kleinererscheinen des Mondes in verschiedenen Himmelsh\u00f6hen zahlen-","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nW. von Zehender.\nm\u00e4fsig daraus ableiten zu k\u00f6nnen, wenn die Verh\u00e4ltnifszahl der fehlsamen Halbtheilung gegeben ist.\nDa nun die Gr\u00f6fse des Mondes sowohl wie seine Entfernung weit \u00fcber Alles hinausreicht, was \u2014 den Gesichtssinn ausgenommen \u2014 sinnlich wahrnehmbar ist, und da der isolirte Gesichtssinn \u00fcber Gr\u00f6fse und Entfernung keine Auskunft giebt, so schwankt unser Urtheil \u00fcber N\u00e4he und Gr\u00f6fse des Mondes best\u00e4ndig, und bem\u00fcht sich vergeblich zu einer definitiven Entscheidung zu gelangen. Das durch langj\u00e4hrige Gewohnheit in unserer Vorstellung sich bildende constante Erinnerungsbild der mittleren Mondesgr\u00f6fse gestattet uns leicht, ein Gr\u00f6fser-oder Kleinererscheinen zu bemerken ; sinnlich verm\u00f6gen wir aber nicht zu entscheiden, wie dieses Gr\u00f6fser- oder Kleinererscheinen zu deuten ist. Jedes hierauf bez\u00fcgliche Sinnesurtheil st\u00fctzt sich immer auf ein anderweitig beeinflufstes Meinen.\nZwischenbemerkung. Unsere Sinne sind die Werkzeuge, mit deren H\u00fclfe unsere Seele sich Kenntnifs der Dinge der Aufsenwelt verschafft. Die Dinge der Aufsenwelt wirken auf unsere Sinne nach einer absolut naturgesetzm\u00e4fsigen Ordnung. Deshalb kann man wohl sagen : unsere Sinne t\u00e4uschen uns nicht: sie k\u00f6nnen uns nicht t\u00e4uschen. Wer sich t\u00e4uschen l\u00e4fst, der ist vergleichbar einem Handwerksmanne, der seinen Hammer nicht recht zu gebrauchen versteht und dem Hammer die Schuld zuschiebt, wenn er selbst mit dem Hammer den Nagel nicht auf den Kopf trifft. \u2014 Nicht unsere Sinne t\u00e4uschen uns; wir t\u00e4uschen uns selbst, wenn wir das, was unsere Sinne empfinden, nicht richtig beurtheilen, oder wir lassen uns t\u00e4uschen, wenn das zum richtigen Verst\u00e4ndnifs n\u00f6thige Wissen uns noch fehlt; denn \u2014 wie zur richtigen F\u00fchrung des Hammers, ebenso geh\u00f6rt auch zum richtigen Verst\u00e4ndnifs der Sinnesempfindungen: Erfahrung und U e b u n g !\nUnsere Sinnesorgane sind uns \u2014 so wie sie sind \u2014 von Gott gegeben. Wir haben nur daf\u00fcr zu sorgen, dafs wir sie richtig gebrauchen, und dafs wir nicht durch unrichtigen Gebrauch sie verderben; durch richtigsten Gebrauch k\u00f6nnen wir vielleicht dazu beitragen, sie zu verbessern und zu vervollkommnen.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 253\nVon fr\u00fchester Jugend an, und weiterhin das ganze Leben hindurch, haben alle Menschen von Natur das Verlangen, die Beschaffenheit der Dinge der Aufsenwelt und ihr Verhalten zu einander wahrheitsgem\u00e4fs kennen zu lernen.1 Dabei sind alle unsere Sinne mitth\u00e4tig; aber nicht so, dafs jeder Sinn f\u00fcr sich allein th\u00e4tig ist, sondern so, dafs alle Sinne unter Leitung und unter Mitwirkung des Verstandes und der Vernunft, sich gegenseitig dabei unterst\u00fctzen. Daraus entstehen Combinations-erkenntnisse, welche die Leistungsf\u00e4higkeit jedes einzelnen Sinnes weit \u00fcbertreffen.\nDas Bild auf der Netzhaut unseres Auges kann f\u00fcr sich allein \u00fcber Gr\u00f6fse und Entfernung keine Auskunft geben; es zeigt nur den Gesichtswinkel an, unter welchem die Gegenst\u00e4nde der Aufsenwelt erscheinen; es giebt nur \u201edie Idee von Gr\u00f6fse\u201c.2 Erst wenn die Erfahrung anderer Sinne hinzukommt, lernt das Auge Entfernungs- und Gr\u00f6fsenuntersehiede kennen, und mehr oder weniger richtig beurtheilen.\nDer allererste Anfang solcher Erfahrung f\u00e4llt schon in die allerfr\u00fcheste Lebenszeit, \u00fcber die wir freilich nur sp\u00e4rliche Beobachtungen besitzen. \u2014 Wenn ein Kind \u2014 besonders gegen Ende des sechsten Lebensmonats (Silex) \u2014 jetzt zuerst nach einem vorgehaltenen Gegenstand die H\u00e4nde ausstreckt und mit den H\u00e4nden den Gegenstand zu ergreifen versucht, dann d\u00fcrfen wir wohl annehmen, dafs es dadurch, und dadurch zuerst, von der Entfernung eines Gegenstandes Kenntnifs und Verst\u00e4ndnifs erh\u00e4lt. Im weiteren Verlaufe des Lebens und durch die unersch\u00f6pfliche Mannigfaltigkeit aller weiteren Erfahrung findet das Auge sp\u00e4ter gewisse eigenartige Merkmale, an denen und mit denen es Entfernung und Gr\u00f6fse zu sch\u00e4tzen \u00fcberhaupt erst f\u00e4hig wird. Unter Mith\u00fclfe anderer Sinne und bei aufmerksamer Beobachtung \u2014 d. h. unter Leitung und unter Mitwirkung des Verstandes und der Vernunft \u2014 erlernt das Auge die Regeln der geometrischen Perspective, und die Regeln der Luftperspective, und die Regeln parallaktischer Verschiebung, und\nOmnes homines natura scire desiderant. Aristoteles, Metaphysik.\nId volo, aeterna D e i lege ideam magnitudinis cum eo angulo esse conjunctam. Nunc fallimur, si ex eo solo angulo judicamus. \u2014 Albert von Haller, Elementa physiol., Tom. V, lib. XVI, Sect. IV, \u00a7 29.\nEbendaselbst wird auch Buefon (T. III, p. 319) citirt, welcher sagt : qui distantiam non novit in magnitudine fere fallitur.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nW. von Zellender.\ndie Wirkungen von Licht und Schatten und wohl noch manches Andere; dadurch erst gewinnt es die F\u00e4higkeit, in Verbindung mit seinem Gesichtswinkel ein Verstandesurtheil zu bilden \u00fcber Gr\u00f6fse und Entfernung der Dinge.\nDie praktische Verwendung dieser, zum Theil vielleicht mit M\u00fche erlernten Regeln verwandelt sich durch die allt\u00e4gliche, ja allst\u00fcndliche lebensl\u00e4ngliche Uebung in eine scheinbar einfache Function des Gesichtssinnes: wir glauben zu sehen, was urspr\u00fcnglich das Ergebnifs eines \u2014 nunmehr instinctartig gewordenen \u2014 Urtheils ist. Es ist nur scheinbar eine einfache Function des Gesichtssinnes ; denn wenn man dem Auge die M\u00f6glichkeit einer Verwendung obiger Regeln benimmt, verf\u00e4llt es sogleich wieder in sein urspr\u00fcngliches Unverm\u00f6gen, Gr\u00f6fse und Entfernung von einander zu unterscheiden.\nDie M\u00f6glichkeit einer Verwendung der Regeln der geometrischen Perspective beruht auf der Anwesenheit von Gegenst\u00e4nden von bekannter Gr\u00f6fse, in dem Zwischenraum zwischen dem Auge des Beobachters und dem unbekannten Gegenst\u00e4nde, dessen Gr\u00f6fse oder Entfernung man absch\u00e4tzen m\u00f6chte. Ist in diesem Zwischenr\u00e4ume nichts enthalten, dann fehlen auch alle Mittel, die ein perspectivisches Urtheil \u00fcber Gr\u00f6fse und Entfernung erm\u00f6glichen k\u00f6nnten. Es ist aber nicht richtig zu sagen : ein Gegenstand von unbekannter Gr\u00f6fse und unbekannter Entfernung erscheine n\u00e4her deswegen, weil keine Gegenst\u00e4nde (keine Theile) in dem Zwischenraum zu sehen sind ; denn jeder Gegenstand erscheint sogleich in richtiger Entfernung, sobald wir \u2014 gleichviel wie \u2014 von seiner richtigen Gr\u00f6fse Kenntnifs erlangen. Wir k\u00f6nnen die Entfernung eines auf offener See herumschwimmenden, \u00fcbrigens aber noch v\u00f6llig unkenntlichen Gegenstandes nicht taxiren ; wir k\u00f6nnen nicht entscheiden, ob es in weiter Ferne ein grofses Kriegsschiff oder ob es vielleicht eine in der N\u00e4he schwimmende Schiffsplanke ist. Sobald wir aber an dem Gegenst\u00e4nde das Geringste erkennen, was uns an eine bekannte Gr\u00f6fse erinnert, dann tritt wie mit einem Schlage sogleich die ganze Vorstellung von richtiger Gr\u00f6fse und richtiger Entfernung klar und deutlich vor unser inneres Auge. \u2014 Matrosen und K\u00fcstenbewohner sind nat\u00fcrlicherweise in der Wahrnehmung solcher Merkmale ge\u00fcbter und erfahrener als Binnenl\u00e4nder; der intellectuelle Vorgang ist aber in allen F\u00e4llen derselbe. Wir unterscheiden Gr\u00f6fse und Entfernung nur","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6\u00dfer-Er scheinen der Gestirne etc. 255\ndann, wenn eines von beiden, entweder Gr\u00f6fse oder Entfernung, \u00e0ls bekannt vermuthet oder wirklich erkannt wird.\nAuch die M\u00f6glichkeit einer Verwendung der Regeln einer parallaktischen Verschiebung ist abh\u00e4ngig von der Anwesenheit eines oder mehrerer Gegenst\u00e4nde, welche in dem Zwischenraum zwischen dem Auge des Beobachters und dem Ende der Entfernung hegen, in welcher die abzusch\u00e4tzende Gr\u00f6fse sich befindet. Die sonstige Beschaffenheit dieser Gegenst\u00e4nde ist ziemlich gleichg\u00fcltig, sie m\u00fcssen nur \u2014 wenigstens theilweise \u2014 in der, auf den abzusch\u00e4tzenden Gegenstand gerichteten Gesichtslinie hegen, weil anderen Falles eine Parallaxe nicht entstehen kann.\nWas endlich die Wirkungen des Lichtes betrifft, so ist es kaum n\u00f6thig zu bemerken, dafs mit Abnahme der Lichtintensit\u00e4t \u00fcberhaupt jede Erkennungsm\u00f6glichkeit \u2014 und damit s p e c i e 11 auch die Erkennungsm\u00f6glichkeit von Gr\u00f6fse und Entfernung \u2014 abnimmt, und dafs sie bei g\u00e4nzlichem Fehlen des Lichtes vollkommen aufh\u00f6rt: In v\u00f6lliger Dunkelheit kann ein selbstleuchtender Gegenstand freilich immer noch wahrgenommen werden; \u00fcber seine Entfernung und Gr\u00f6fse kann aber das, durch die Dunkelheit isolirte Auge nicht die geringste Auskunft geben.\nNur im Vorbeigehen wollen wir noch an die bekannte That-sache erinnern, dafs jedes Urtheil \u00fcber Vertiefung und Erh\u00f6hung von der Richtung abh\u00e4ngt, in welcher Schatten und Beleuchtung den Gegenstand trifft. Das ,.unbewufste Urtheil\u201c \u00fcber die eigene Empfindung richtet sich in diesem Falle immer nach der -\u2014 richtig oder unrichtig \u2014 vom Beobachter selbst vorausgesetzten Richtung des Lichteinfalles.\nWir m\u00fcssen weiterhin noch hinzuf\u00fcgen, dafs die hier angef\u00fchrten M\u00f6glichkeitsbedingungen des Unterscheidens von \u201en\u00e4her\u201c oder \u201eferner\u201c und von \u201egr\u00f6fser\u201c oder \u201ekleiner\u201c, sich immer nur auf relativ kleine Entfernungen beziehen. Abgesehen von den ganz kleinen Entfernungen, in denen das Zusammenwirken beider Augen durch die mitwirkende Muskelaction der Convergenzstellung, oder das Accommodations-verm\u00f6gen Einflufs auf richtige Sch\u00e4tzung von Entfernung und Gr\u00f6fse gewinnt, erstreckt sich die Sch\u00e4tzungsf\u00e4higkeit \u00fcberhaupt nur auf Entfernungen, deren Zwischenraum noch nach irdisch sichtbaren Gegenst\u00e4nden bemessbar ist, also","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nW. von Zehender.\nauf Entfernungen, die jedenfalls nicht weit \u00fcber die gr\u00f6fsten auf Erden noch unterscheidbaren Entfernungen hinausreichen. W enn, t\\ eit \u00fcber diese Grenze hinaus, Gr\u00f6fse und Entfernung noch unterschieden werden soll, dann mufs eine andere Kraft dem Auge zu H\u00fclfe kommen; dem Auge selbst f\u00e4llt in diesem Falle nui noch eine ganz untergeordnete Rolle zu. \u2014 Das Auge vermag zwar den ganzen Weltenraum zu durchschauen, es eilt damit allen anderen sinnlichen Wahrnehmungen weit voraus, es l\u00e4lst dieselben weit hinter sich zur\u00fcck ; \u00fcber eine gewisse nicht sehr weit entfernte Grenze hinaus sieht es sich aber in seinen urspr\u00fcnglichen Zustand des Unverm\u00f6gens selbst\u00e4ndiger Unterscheidung von Gr\u00f6fse und Entfernung zur\u00fcckversetzt und vermag nur noch das \\ erh\u00e4ltnifs von Gr\u00f6fse und Entfernung (den Gesichtswinkel), nicht aber jedes von beiden f\u00fcr sich zu ei kennen. Die Kraft des V issens mufs hier dem Auge zu H\u00fclfe kommen. Obwohl wir durch erfahrungsm\u00e4fsig erworbene astronomische Kenntnisse wissen, dafs der Mond etwa 50000 Meilen weit von uns entfernt ist, so kann unser, auf sich allein ange-viesenes Auge, aus sich selbst nicht die geringste Empfindung einer so \u00fcberirdisch grofsen Entfernung hervorbringen. \u2014 Man behauptet, dafs Kinder zuweilen mit Steinen nach dem Mond werfen, in der Meinung ihn treffen zu k\u00f6nnen und dafs Hunde zuweilen den Mond anbellen. Beruht diese Behauptung auf M ahrheit was sehr wohl glaublich ist \u2014 dann ist sie dahin zu verstehen, dafs das Auge, ohne astronomisches Wissen, absolut unf\u00e4hig ist, die Entfernung des Mondes auch nur ann\u00e4herungsweise zu beurtheilen. \u2014 Ist aber das astronomische M issen, oder ist \u00fcberhaupt erst nur eine bessere Vorstellung der Mondentfernung bereits da, dann versucht auch das Auge sich dieser A orstellung zu bem\u00e4chtigen ; es bem\u00fcht sich so weit m\u00f6glich auch sinnlich wahrzunehmen, was durch Vermittelung anderer Erkenntnifskr\u00e4fte f\u00fcr wahr und richtig erkannt wird, und f\u00fcr wahr gehalten werden mufs.\nEs war daher ein guter und gl\u00fccklicher Gedanke von Zoth, eine \u201eRundfrage an ungef\u00e4hr hundert Personen verschiedenen Standes, Alters, Geschlechtes und aus verschiedenen Gegenden\u201c ergehen zu lassen, um zu ermitteln, ob die alte Lehre von dem zwar Gr\u00f6fser-, \u201eaber zugleich doch auch Entfernter-Erscheinen\u201c des","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6/ser-Erscheinen der Gestirne etc. 257\nMondes am Horizonte, in dem Empfindungsglauben der heutigen Menschen wirklich noch vorherrscht, oder ob diese Lehre als eine veraltete Tradition zu betrachten ist. Die Antworten, welche Zoth auf seine Rundfrage erhalten hat, stimmten \u201ein merkw\u00fcrdiger\u201c und \u201egeradezu stereotyper Weise\u201c mit einander \u00fcberein. Niemand gab an, dafs ihm der Mond im Horizonte weiter entfernt erscheine, als wenn er h\u00f6her am Himmel steht. Die Meisten erinnern sich ganz genau und deutlich, dafs ihnen der Mond am Horizont rein und grofs und n\u00e4her (oder \u201eviel n\u00e4her\u201c) erschienen sei, als wenn er h\u00f6her \u00fcber dem Horizont steht und dafs er ihnen nicht an, sondern vor der Wand des Gew\u00f6lbes der Himmelskuppel zu schweben scheint.\nHiermit ist auf schwer zu widerlegende Art bewiesen, dafs die meisten, wenn nicht alle Menschen thats\u00e4chlich der Meinung' sind, der Mond erscheine n\u00e4her, wenn er am Horizonte, und entfernter, wenn er hoch am Himmel steht.\nDas ist aber gerade das Gegentheil von dem, was durch die flachgedr\u00fcckte Form des Himmelsgew\u00f6lbes bewiesen werden soll!\n6.\nWenn es wahr ist \u2014 meine Studien reichen nicht so weit in die A ergangenheit zur\u00fcck \u2014 dafs zuerst Alhazee die Ver-gr\u00f6fserung des Mondes und der \u00fcbrigen Gestirne am Horizonte von der scheinbar abgeflachten Form des Himmelsgew\u00f6lbes abgeleitet hat, dann kann diese Erkl\u00e4rung allerdings auf ein fast tausendj\u00e4hriges Alter zur\u00fcckblicken.\nIn Priestley\u2019s Geschichte der Optik1 findet sich eine Stelle (^S. 505), welche folgendermaafsen lautet :\n\u00bb man m\u00f6chte sich wundern, dafs eine so vern\u00fcnftige Hypothese, wTie diese, je hat zur\u00fcckgesetzt werden k\u00f6nnen, besonders da sie von angesehenen Schriftstellern so viele Jahre hindurch angenommen worden ist.\u201c\nDer deutsche Uebersetzer Kl\u00fcgel bemerkt hierzu (S. 510):\n\u201e verschiedene aber, die ich um ihre Empfindung befraget, versichern das Gegentheil (n\u00e4mlich dafs der Mond\n1 Joseph Priestley. Geschichte und gegenw\u00e4rtiger Zustand der Optik. Uebers. von G. S. Kl\u00fcgel. 1775.","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nw. von Zellender.\nam Horizont n\u00e4her erscheint), und ich m\u00f6chte selbst ihnen wohl beitreten.\u201c\nEbenso urtheilen auch manche Astronomen und andere Sachverst\u00e4ndige aus alter und aus neuer Zeit, wobei gelegentlich auch Vordersatz und Schlufssatz vertauscht, und gesagt wird: der Mond erscheint deswegen am Horizont gr\u00f6fser, weil er uns dort n\u00e4her zu sein scheint, oder umgekehrt: der Mond, wenn er im Horizonte steht, scheint deswegen uns n\u00e4her zu sein, weil er, im Horizont stehend, uns gr\u00f6fser erscheint.\nWeiterhin ist noch zu bemerken, dafs die scheinbare Gr\u00f6fse des Mondes, bei verschiedenem H\u00f6henstande, teleskopisch gemessen, unver\u00e4ndert bleibt. Wir d\u00fcrfen demnach wohl annehmen, dafs das Bild des Mondes \u2014 gleichviel ob er im Zenith oder im Horizonte steht \u2014 auf der Fl\u00e4che unserer Netzhaut auch keine Gr\u00f6fsenverschiedenheit zeigen wird.\nDer Versuch, mittels einer planparallelen Glasplatte das Reflexbild des Mondes vom Zenith zum Horizont und vom Horizont zum Zenith zu f\u00fchren, um zu ermitteln, ob die Blickrichtung an der scheinbaren Gr\u00f6fsenverschiedenheit mitbe-theiligt sei, ist ziemlich resultatlos geblieben. Helmholtz sagt : \u201eich finde nicht dafs das Reflexbild am Horizont entschieden gr\u00f6fser aussieht, als der direct gesehene Mond oben am Himmel.\u201c \u2014 Andere Beobachter konnten, bei demselben Versuch, zu wesentlich anderen Resultaten ebensowenig gelangen. Nach meinen eigenen Versuchen erscheint das Spiegelbild des Mondes unter allen Richtungsverh\u00e4ltnissen um ein Weniges kleiner und n\u00e4her als der wirkliche Mond oben am Himmel. Ich benutzte zu meinen Versuchen ein platinirtes Planglas, an welchem bei jeder Schr\u00e4gstellung ein vollkommen scharfes (nicht doppeltcontourirtes) Bild entsteht.\nBei Vergleichung der Mondgr\u00f6fse am Horizont mit terrestrischen Gegenst\u00e4nden sind noch verschiedene andere, die Gr\u00f6fse und Form des Mondes und der Sonne betreffende, interessante Beobachtungen gemacht worden, die zum Theil auf Refraction in einer mehr oder wreniger, vielleicht sehr ungleich mit Wasserd\u00fcnsten erf\u00fcllten Luft, zum Theil aber auch auf andere, noch unbekannte Ursachen zur\u00fcckzuf\u00fchren sein d\u00fcrften.\nSamuel Duhk hat bei Sonnenuntergang zuweilen Protuberanzen und Einscheidungen (indentures) an der Sonne beobachtet, die sich von unten nach oben im Sonnenbild bewegen,","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 259\nund die zuweilen, f\u00fcr einen sehr kurzen Zeitraum, sogar v\u00f6llige Losl\u00f6sungen von der eigentlichen Sonnenscheibe darstellen. Bei Sonnenaufgang ist dieselbe Bewegung in entgegengesetztem Sinne \u2014 oft sogar schon mit unbewaffnetem Auge erkennbar.\nInteressant und sehr beachtenswerth sind die Untersuchungen von Zoth, welcher gefunden hat, dafs der scheinbare Gr\u00f6fsen-unterscliied in jeder K\u00f6rperlage besonders dann hervortritt, wenn die Augen stirnw\u00e4rts gerichtet werden. \u2014 Aehnliche Versuche, sogar mit v\u00f6lliger Umkehrung des ganzen K\u00f6rpers (den Kopf nach unten, die Fiifse nach oben), sind schon fr\u00fcher von F il ohne und Anderen angestellt worden. Allein, auch diese Versuche gehen keinen befriedigenden Aufschlufs \u00fcber die vorliegende Frage, solange nicht, mit der Verschiedenheit der K\u00f6rperhaltung oder der Augenrichtung zusammenh\u00e4ngende, und davon abh\u00e4ngige Ver\u00e4nderungen im Innern des Auges nachgewiesen werden k\u00f6nnen.\nUeberraschend und neu war in letzterer Hinsicht eine ganz kurze Notiz des Astronomen Schaebeele in Schumacher\u2019s Astronomischen Nachrichten} Derselbe meint:\nDie Schwerkraft bewirke, dafs der jeweilig horizontal liegende Durchmesser des Auges die gr\u00f6fste Ausdehnung annimmt und mithin die gr\u00f6fste Entfernung der Linse von der Netzhaut zur Folge hat. Blickt das Auge horizontalw\u00e4rts, dann ist die Entfernung der Linse von der Netzhaut ein Maximum. F\u00fcr einen constant bleibenden Gesichtswinkel wird das kreisf\u00f6rmige Netzhautbild (angular diameter) bei horizontaler Blickrichtung ein Maximum, bei verticaler ein Minimum werden, entsprechend den Gr\u00f6fsenverschiedenheiten, die am Himmel beobachtet werden.\nWir enthalten uns einer Kritik dieser Idee (explanation) und entnehmen daraus zun\u00e4chst nur den Beweis, dafs die Frage, die uns besch\u00e4ftigt, noch weit davon entfernt ist, von den Astronomen als definitiv gel\u00f6st betrachtet zu werden.\nHier wollen wir nun nicht vers\u00e4umen, die sehr sch\u00e4tzens-w er then Arbeiten des Br\u00fcsseler Astronomen Stroobaxt aus den Jahren 1884/85 in Erinnerung zu bringen, welche \u2014 vielleicht wegen der den althergebrachten Ansichten entgegentretenden\n1 Nr. 3551, pag. 376. A simple physical explanation. Datirt: Berlin 21. Febr. 1899.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nW. von Zehender.\nAusf\u00fchrungen \u2014 die verdiente Beachtung nicht gefunden zu haben scheinen.\nStboobaxt hat an der Decke eines v\u00f6llig verdunkelten Saales zwei elektrische F\u00fcnkchen anbringen lassen, deren gegenseitiger Abstand = 20 cm betrug. Zwei andere elektrische F\u00fcnkchen, deren gegenseitiger Abstand nach Belieben von dem Beobachter geregelt werden konnte, waren in gleichgrofser Entfernung, in Augenh\u00f6he, horizontalw\u00e4rts angebracht. \u2014 Die Versuchsaufgabe bestand nun darin, die beiden bewegbaren F\u00fcnkchen in eine Entfernung von einander zu bringen, die mit der gegenseitigen Entfernung der an der Decke befestigten beiden F\u00fcnkchen (= 20 cm) \u00fcbereinstimmend zu sein scheint. \u2014 Der Versuch ergab, dafs die Distanz in der Zenithh\u00f6he sich verhielt zu der horizontalw\u00e4rts in der Augenh\u00f6he gefundenen Distanz wie 100 zu 80, mit nur geringen Schwankungen (etwa zwischen 79,5 und 85,0). \u2014 Die Distanz im Zenith (100) erscheint also = 80 (mithin kleiner), wenn sie mit einer die scheinbare Gr\u00f6fse horizontalw\u00e4rts anzeigenden Vorrichtung verglichen wird.\nDie Analogie dieses Versuches mit der scheinbaren Gr\u00f6fsen-verschiedenheit des Mondes in verschiedener Himmelsh\u00f6he ist so vollkommen, dafs es eines besonderen Hinweises auf dieselbe nicht bedarf. \u2014 Denkt man sich die beiden rechtsseitigen und die beiden linksseitigen F\u00fcnkchen durch Linien verbunden, dann ist dieses Experiment aber auch eine Wiederholung der Voli\u00f6iaxx\u2019sehen Versuche in grofsem Maafsstabe: der Zwischenraum zwischen zwei vertical stehenden Linien mufs oben ein wenig kleiner sein als unten (convergiren), um \u00fcberall gleich grofs (parallel) zu erscheinen. H\u00e4tte Stboobaxt den Versuch auch noch in der Weise modificirt, dafs die horizontalw\u00e4rts gesehenen beiden F\u00fcnkchen unver\u00e4nderlich, die zenithw\u00e4rts angebrachten dagegen willk\u00fcrlich verstellbar gemacht worden w\u00e4ren, dann h\u00e4tte der gegenseitige Abstand der beiden oberen F\u00fcnkchen = 25 gefunden werden m\u00fcssen, wenn der gegenseitige Abstand der beiden unteren F\u00fcnkchen -- 20 gesetzt wird.\nGanz \u00e4hnliche Versuche sind in neuester Zeit auch von Zoth 1 angestellt worden, nur mit dem Unterschiede, dafs\n1 Oskar Zoth. lieber den Einflnfs der Blickrichtung auf die scheinbare Gr\u00f6fse der Gestirne und die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Archiv f. d. gesummte Physiologie 78. 363 u. f.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgeic\u00f6lbes u. das Gr\u00f6\u00dfer-Erscheinen der Gestirne etc. 261\nLetzterer nicht die scheinbare Gr\u00f6fse, sondern vorzugsweise die scheinbare Entfernung gepr\u00fcft und abgesch\u00e4tzt hat. \u2014 Die scheinbare Entfernung kann aber nicht ebenso sicher numerisch bestimmt werden wie die scheinbare Gr\u00f6fse, deshalb sind beide Versuchsreihen nicht unmittelbar mit einander vergleichbar; sie f\u00fchren aber \u2014 wie nicht anders erwartet werden kann \u2014 zu demselben Resultat.\nZoth sagt (S. 38b) bei einem \\ ersuch, welcher genau mit demjenigen von Stboobant (den der Verb nicht gekannt zu haben scheint) \u00fcbereinstimmt \u2014, dafs in dem vollst\u00e4ndig verdunkelten H\u00f6rsaale des Institutes, an der Decke des Saales und in der Augenh\u00f6he des Beobachters, je zwei, parallel in 20 cm Entfernung von einander ausgespannte, schwach rothgl\u00fchende Platindr\u00e4hte aufgeh\u00e4ngt wurden, und dafs nun der Abstand der zwei Linien in beiden Richtungen \u201ekaum von einander verschieden erscheint\". Dagegen wird weiterhin bemerkt: \u201eDie T\u00e4uschung, welche auftritt, betrifft vorz\u00fcglich die scheinbare Entfernung vom Beobachter: die in horizontaler Richtung gesehenen beiden parallelen Lichtlinien erscheinen dem Beobachter\nviel n\u00e4her, als die mit erhobenem Blick betrachteten an der Decke.\u201c\nV enn wie es bei beiden Versuchsreihen beabsichtigt und erzielt worden ist \u2014 durch vollst\u00e4ndige Verdunkelung des Beobachtungsraumes dem Auge alle Anhaltspunkte zur Unterscheidung von Entfernung und Gr\u00f6fse genommen werden, dann bleibt nur noch das HALLEii\u2019sche \u201eid volo\u201c (siehe die Anm.2, S.253) \u00fcbiig. das Auge abgeschnitten von aller anderweitigen Mith\u00fclfe \u2014 vermag nur noch das Verh\u00e4ltnis von Gr\u00f6fse und Entfernung, nicht aber Gr\u00f6fse und Entfernung, jedes gesondert f\u00fcr sich, zu erkennen und zu sch\u00e4tzen. \u201eKlein und entfernt\u201c, oder \u201egrofs und nahe\u201c sind f\u00fcr das durch v\u00f6llige Dunkelheit isolirte Auge ununterscheidbare Bestimmungen.\nWenn also Stroobant findet, dafs der Abstand beider F\u00fcnkchen zenithw\u00e4rts gr\u00f6fser als horizontw\u00e4rts, und wenn Zoth findet, dafs der Abstand beider rothgl\u00fchenden Platinf\u00e4den in beiden Richtungen \u201ekaum verschieden\u201c, wohl aber die horizont-w\u00e4its gelegenen Lichtlinien dem Beobachter \u201eviel n\u00e4her\u201c erscheinen als die bei erhobener Blickrichtung betrachteten an\nder Decke, so sind das offenbar vollkommen \u00fcbereinstimmende Resultate.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nW. von Zehender.\nDiese beiden, von einander v\u00f6llig unabh\u00e4ngigen Beobachtungsreihen best\u00e4tigen beide eine im menschlichen Geiste pr\u00e4dominirende Vorstellungsweise, wonach vertiealstehende Linien nach oben etwas convergiren m\u00fcssen, wenn sie parallel zu einander zu sein scheinen sollen, oder anders ausgedr\u00fcckt: wonach gleich grofse Dinge oben etwas gr\u00f6fser sein m\u00fcssen als tiefer unten, wenn sie gleich grofs erscheinen sollen, oder \u2014 noch anders ausgedr\u00fcckt \u2014 wonach sie, wenn oder vTeil sie \u00fcberall gleich grofs sind, oben etwas kleiner erscheinen, als tiefer unten.\nEs ist nicht ausgeschlossen, dafs die Zukunft uns \u00fcber dieses eigenartige Verhalten n\u00e4heren Aufschlufs wird bringen k\u00f6nnen. M\u00f6glicherweise k\u00f6nnten die Refractionsverh\u00e4ltnisse des Auges, insbesondere der sogen, physiologische Astigmatismus, zum k\u00fcnftig-besseren Verst\u00e4ndnifs des eigenth\u00fcmlichen Sachverhaltes f\u00fchren. Ferner w\u00e4re n\u00e4her zu pr\u00fcfen, ob wirklich \u2014 wie der Astronom Sch\u00e4berle annimmt \u2014 die Form des Augapfels in seiner orbitalen Einbettung durch die Schwere ver\u00e4ndert werden kann und ver\u00e4ndert wird. Vielleicht k\u00f6nnte auch eine noch genauere anatomische Kenntnifs der Topographie der querovalen Macula lutea, als wir sie heute besitzen, und \u2014- wer weifs wTas sonst noch \u2014 zur besseren Erkl\u00e4rung des VolkmaxVsehen Gesetzes neue Beitr\u00e4ge liefern.\n7.\nWir sind nicht Willens, den vielen Hypothesen \u00fcber die scheinbare Gr\u00f6fsenverschiedenheit des Mondes in verschiedener Himmelsh\u00f6he noch eine neue hinzuzuf\u00fcgen, wir haben nur den Wunsch, zu pr\u00fcfen, ob wirklich \u2014 wie von competenter Seite (E. Reimaxn) versichert wird \u2014 \u201ebis jetzt kein Grund vorliegt, den von Robert Smith\u201c (vor mehr als 150 Jahren) \u2014 \u201eeingeschlagenen Weg zu verlassen\u201c. \u2014 Indessen m\u00f6ge uns doch gestattet sein, unsere eigenen Gedanken und Vorstellungen \u00fcber das vorliegende Sachverh\u00e4ltnifs bei dieser Gelegenheit etwas ausf\u00fchrlicher darlegen zu d\u00fcrfen.\nA. W. Volkmann hat \u2014 wie bekannt \u2014 durch eine grofse Reihe sorgf\u00e4ltigst ausgef\u00fchrter Versuche gezeigt, dafs vertical stehende Linien gemeiniglich nur dann genau parallel zu einander erscheinen, wenn sie oben ein wrenig convergiren. Wir haben in","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 263\ndieser Zeitschrift1 zu zeigen versucht, wie aus diesem T\u00e4uschungsgesetze einige andere optische T\u00e4uschungen leicht abzuleiten sind, und wie insbesondere daraus folgt, dafs spitze Winkel, die sich nach oben (oder unten) \u00f6ffnen, gemeiniglich f\u00fcr kleiner gehalten werden als sie wirklich sind und deshalb gr\u00f6fser erscheinen, und wie, dementsprechend, spitze Winkel, die sich seitw\u00e4rts \u00f6ffnen, kle iner erscheinen m\u00fcssen.\nExperimentell l\u00e4fst sich diese letztere T\u00e4uschung leicht nach weisen durch den Versuch, einen rechten Winkel in zwei gleiche H\u00e4lften (von je 45 \u00b0) zu theilen (vergl. 1. c. S. 97), wobei die dem horizontalen Schenkel des rechten Winkels anliegende H\u00e4lfte gew\u00f6hnlich kleiner als 45\u00b0, und dementsprechend die andere H\u00e4lfte gr\u00f6fser gesch\u00e4tzt wird als 45\u00b0. Nach unseren Versuchen hat sich eine mittlere Fehlsch\u00e4tzung von 43\u00b0 zu 47\u00b0 ergeben. Je gr\u00f6fser der zu theilende rechte Winkel, um so gr\u00f6fser ist in der Regel die Fehlsch\u00e4tzung; bei kleineren Dimensionen wird ein gut ge\u00fcbtes Auge sich verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig selten und weniger leicht t\u00e4uschen lassen.\nDie von alter Zeit her bekannte Fehlsch\u00e4tzung am Himmelsgew\u00f6lbe beruht \u2014 soweit sie ohne Vorurtheil nachgepr\u00fcft und best\u00e4tigt werden kann \u2014 offenbar auf demselben Volkmaxx-schen Gesetze. Der Unterschied liegt nur in der ungew\u00f6hnlichen Gr\u00f6fse des zu theilenden Objectes, wodurch die Unsicherheit der Sch\u00e4tzung entsprechend gr\u00f6fser wird, und zweitens darin, dafs die Blickrichtung zusammenf\u00e4llt mit der Ebene des zu theilenden Objectes, w\u00e4hrend, bei der Theilung eines rechten Winkels in der Ebene eines flachliegenden Papierblattes, die Blickrichtung mehr oder weniger senkrecht zur Papierebene gerichtet wird. Beides tr\u00e4gt dazu bei, die richtige Sch\u00e4tzung erheblich zu erschweren.\nDie von Dr. vox Sicherer uud seinen Mitbeobachtern am wolkenreinen Himmel vorgenommenen Sch\u00e4tzungen (vgl. S. 237) zeigen deutlich, dafs bei Ausschlufs jeder Bew\u00f6lkung die Fehler geringer werden, d. h. dafs sich die Sch\u00e4tzungen von der wahren Mitte weniger weit entfernen. Die pers\u00f6nlichen Differenzen der Fehlsch\u00e4tzungen sind zwar recht betr\u00e4chtlich; die berechneten Mittelzahlen entfernen sich aber nur wenig von der wahren Mitte.\nZeit sch\nr.\nf. Psychol, n. Physiol, der Sinnesorgane *20, 65 u. f.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nw. von Zehender.\nWollte man zugeben \u2014 wozu wir wenig geneigt sind \u2014, dafs die Fehlsch\u00e4tzung der H\u00f6he den Schein einer flachgedr\u00fcckten Form des Himmelsgew\u00f6lbes zur Folge hat oder voraussetzt, dann darf, unter Ber\u00fccksichtigung der bei wolkenlosem Himmel und v\u00f6llig suggestionsfreier Geistesverfassung erhaltenen Resultate, nicht unbeachtet bleiben, dafs der Unterschied von H\u00f6he und halber Basis erheblich geringer wird, als man nach Robeet Smith anzunehmen gewohnt ist, dafs also damit zugleich auch die scheinbare Abflachung sehr viel geringer werden w\u00fcrde.\nNimmt man hierzu noch die \u2014 wie man wohl sagen darf\n\u2014\tunrichtige Angabe von Robeet Smith und Maie an , wonach das menschliche Auge alles, was weiter als 5 engl. Meilen entfernt liegt (\u201eund w\u00e4re es 100 Millionen Meilen weit entfernt\u20194, Maiban) nicht weiter als 5 engl. Meilen, sondern immer nur als h\u00f6chstens in der Entfernung von 5 engl. Meilen liegend wahrgenommen werden kann, und nimmt man ferner noch hinzu, dafs am wolkenlosen Himmel, wo \u00fcberhaupt keine Grenze und kein Ende zu sehen ist, die Vorstellung gr\u00f6fstm\u00f6glichster Entfernung jedenfalls vorherrscht, und nicht \u2014 wie Robeet Smith und Maie an behaupten \u2014 die Entfernungen zenith w\u00e4rts kle iner erscheinen, weil dort \u201ekeine Theile zu sehen sind\u201c, so wird man zugeben m\u00fcssen, dafs der Schein einer flachgedr\u00fcckten Form des Himmelsgew\u00f6lbes am wolkenlosen Himmel schliefslich allen Schatten eines Daseins verliert.\nWir haben bei fr\u00fcherer Gelegenheit in dieser Zeitschrift \u2019 unsere Ansicht \u00fcber die Entstehung des Rau Inbegriffes dahin definirt, dafs die Begriffe von Gr\u00f6fse und Entfernung oder\n\u2014\twas damit gleichbedeutend ist \u2014 dafs der Begriff des Raumes auf dem W ege der Erfahrung erworben wird, indem der Raum zuerst nur als eine allen Dingen anhaftende Eigenschaft (als Eigenschaft des \u201eRaumeinnehmens\u201c) wahrgenommen wird. Diese Ansicht st\u00fctzt sich freilich auf den Glauben an eine reale M\u00f6glichkeit von Erfahrung und Urtheil in der allerfr\u00fchesten Zeit unseres Lebens, mithin unter Bedingungen, die\n\u2014\tnach anderer Anschauungsweise \u2014 auch wohl als angeboren betrachtet werden k\u00f6nnten, oder wenigstens von angeborenen Begriffen schwer unterscheidbar sein w\u00fcrden. \u2014 Je mehr die Individuen heranwachsen, um so reiner und um so zweifelloser\n1 Zeitschrift f. Psycholog, u. Physiolog. der Sinnesorgane 18, 91 u. f.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgeic\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 265\ntritt die Wirkung der Erfahrung im Zusammenh\u00e4nge mit dem wachsenden Bewufstsein des Urtheilens in die Erscheinung.1 Die Baumyorstellung l\u00f6st sich in Folge dessen immer mehr und immer deutlicher von ihrer Eigenschaftlichkeit an den Dingen los und verallgemeinert sich zum selbst\u00e4ndigen und reinen Begriff des Baumes.\nNun aber gesellen sich im Laufe des Lebens noch andere Gedanken, Ansichten, Meinungen, Vorstellungen und Urtheile\nhinzu, die weit \u00fcber alles Erfahrungsm\u00f6gliche hinausreichen i________\nDahin geh\u00f6ren die Gedanken und Vorstellungen \u00fcber die Unendlichkeit des Baumes und \u00fcber die Form des unendlichen Baumes.\nDiese duich leine Verstandesth\u00e4tigkeit, aber allerdings doch auch wieder auf dem Erfahrungsboden weiterhin aufgebauten Gedanken gelten der sinnlichen Empfindung \u2014 da wo die Sinne selbst nichts mehr zu leisten verm\u00f6gen \u2014 gleichsam als Autorit\u00e4t. Die sinnliche Empfindung schmiegt sich in diesem Falle, so gut es eben gehen will, dieser Autorit\u00e4t an, und bem\u00fcht sich\u2019 solche Verstandesurtheile \u2014 sie m\u00f6gen falsch oder richtig sein \u2014 mit- oder nachzuempfinden. Wenn die Uebereinstimmung im Mit- oder Nachempfinden nicht recht gelingen will, dann entstehen leichtbegreif lieh erweise optische, oder auch andere Sinnest\u00e4uschungen.\nDie Frage nach der Form des unendlichen Baumes erscheint von vornherein absurd. \u2014 Das Unendliche hat, keine Mitte und hat keine Grenze; folglich kann es auch keine Foim haben ! Dennoch h\u00e4ngen wir Erdenb\u00fcrger zu sehr mit dem Irdischen zusammen, um den Gedanken an das Absolute und Formlose auf die Dauer ertragen zu k\u00f6nnen. Unwillk\u00fcrlich bildet sich in aller Stille aus dem Unendlichsten und Formlosesten zuletzt doch wieder eine, wenn auch noch so\n1 Erfahrung und Urtheil befinden sich in allerfr\u00fchester Lebenszeit allerdings noch in einem so zu sagen embryonalen Entwickelungszustande, der nach gemein\u00fcblicher Sprachweise mit diesen Worten noch nicht bezeichnet zu werden pflegt. Hegel sagt deshalb \u2014 sprach\u00fcblich vollkommen richtig \u2014 das Kind hat nur die \u201ereale M\u00f6glichkeit der Vernunft\u201c ; \u201edie A ernunft existirt noch nicht an ihm, denn es vermag noch nichts Vern\u00fcnftiges zu thun\u201c. Ebenso gut k\u00f6nnte man \u2014 wenn es sprachlich erlaubt w\u00e4re \u2014 auch sagen: das neugeborene Kind hat noch keine H\u00e4nde; H\u00e4nde existiren an dem Kinde noch nicht,, weil es mit den H\u00e4nden noch nichts thun, v eil es die H\u00e4nde noch nicht gebrauchen kann.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\n18","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nTF von Zellender.\ndunkle, imagin\u00e4re Form vor Stellung, deren Entstehung zur\u00fcckzuf\u00fchren ist auf den un vertilgbar en menschlichen Naturtrieb das Unfafsbare als etwas Fafsliches sich vorstellen und es als fafslich empfinden zu wollen, weil nur dadurch die sprachliche Verst\u00e4ndigung mit unseren Mitmenschen erm\u00f6glicht und die volle Gemeinschaft mit ihnen hergestellt werden kann.\nKeine menschlich denkbare Form des Weltenraumes bietet sich aber, als die einfachste und nat\u00fcrlichste Formvorstellung, dem menschlichen Geiste so unbefangen dar, wie die Kugel-\nform !\nWir erinnern daran, dafs schon im klassischen Alterthum \u2014 besonders von Aristoteles \u2014 die Kugelform als die einzig m\u00f6gliche, nat\u00fcrlichste und gleichsam g\u00f6ttliche Form des Weltalls bezeichnet wird.\nKepler bringt die Kugelform dem Gottesgedanken noch n\u00e4her,\nwenn er sagt:\n\u201eMundi Archetypus Deus ipse est cujus nulla figura simi-lior est (si cjua similitudo locum habet) quam sphaerica superficies.\u201d\nKepler vergleicht sogar die einzelnen Eigenschaften des Ens Entium mit den Eigenschaften der Kugel und gelangt zu dem Schl\u00fcsse :\n\u201eNam uti Deus est Ens Entium...........sic sphaericum etiam\neasdem rudi quodam modo proprietates habet inter ceteras\nfiguras\u201c......\u201eCredibile igitur est, mundum rotunda superficie\nfiniri.\u201c\nEs w\u00e4re nicht undenkbar, dafs unser ganzes Denken und Vorstellen von der Kugelform des Weltalls so vollst\u00e4ndig beherrscht wird, dafs verticalstehende Parallellinien (im Gedanken an ihre Verl\u00e4ngerung nach oben) von uns immer als gr\u00f6fste Meridiankreise empfunden werden, welche zenith -w\u00e4rts convergiren. In diesem Zusammenh\u00e4nge betrachtet w\u00fcrde das VoLKMAEE\u2019sche Gesetz nicht blos f\u00fcr Zeichnungen auf dem Papier, sondern im allergr\u00f6fsten Maafsstabe auch f\u00fcr die Erscheinungen am Himmel, volle und allgemeinste G\u00fcltigkeit erhalten. Die zu niedrige H\u00f6hensch\u00e4tzung am Himmel w\u00fcrde sich ganz von selbst auf die alle Vorstellung beherrschende Kugelform des Weltraumes und damit zugleich auf das Volk-mane\u2019sche Gesetz zur\u00fcckf\u00fchren. Unter der Vorherrschaft dieser Formvorstellung w\u00fcrde das Kleiner-Erscheinen des Mondes am hohen Himmel ebenso nat\u00fcrlich erscheinen, wie das perspec-","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr \u00f6fser-Er scheinen der Gestirne etc. 267\nlivische Kleiner-Erscheinen entfernt stehender Menschen auf der Oberfl\u00e4che der Erde.\nWir sehen \u2014 wie wiederholt betont wurde \u2014 Entfernungen -und Gr\u00f6fsen \u00fcberhaupt nicht, wir verm\u00f6gen nur durch -Vermittelung anderweitig erworbener Kenntnisse und Geschicklichkeiten eine besondere Art sinnlich-seelischer Vorstellung davon in uns zu erzeugen. Bei Entfernungen, die \u00fcber alles irdische Maafs hinausreichen, lassen uns aber alle sinnlichen Vermittelungen ganz im Stich. Hier kann nur ein besseres Wissen dem rath-losen Auge zu H\u00fclfe kommen. Wir wissen, dafs Mond und .Sterne sehr weit von uns entfernt sind, dadurch unterst\u00fctzen wir die Bestrebung des Auges, diese Dinge als m\u00f6glichst weit entfernt sehen zu wollen. \u2014 Das wie weit? ist unter diesen Umst\u00e4nden eine Frage, an deren genaue Beantwortung nicht gedacht werden kann. Nur so viel wird anzunehmen sein, dafs \u2022die Entfernungsempfindung des Auges sich, trotz aller Bem\u00fchung, nicht weit \u00fcber die weitm\u00f6glichst sichtbaren Entfernungen, die es auf Erden giebt, wird hinausbewegen k\u00f6nnen; also jedenfalls verschwindend wenig weit im Vergleich zu den unermefs-lichen Entfernungen am Himmelsgew\u00f6lbe.\nDiese Bemerkung darf wohl auch f\u00fcr die in unserem -Geiste p r \u00e4 d o mini rende Kugelgestalt des Universums in Anspruch genommen werden. Wir wissen zwar, dafs der Durchmesser des Weltalls unermefslieh grofs ist, wir ;sind aber nicht im Stande, ihn optisch gr\u00f6fser zu empfinden als die allergr\u00f6fsten Entfernungen auf der Oberfl\u00e4che unserer Erde. \u2014 Dadurch erkl\u00e4rt sich die V olkmann\u2019sehe T\u00e4uschung um so leichter.\nBei der unendlichen Gr\u00f6fse des Weltendurchmessers m\u00fcfste \u2022die T\u00e4uschung eigentlich ganz von selbst verschwinden, weil der Verlauf der Meridianlinien einer unendlich grofs en Kugel, vom Parallelismus sich nicht mehr unterscheidet. Tele-;skopisch (das heifst hier soviel wie richtig) betrachtet, verschwindet deshalb auch aller Schein von Convergenz nach oben, sowie auch aller Schein einer Vergr\u00f6fserung der Durchmesser von Sonne oder Mond, oder von der gegenseitigen Entfernung zweier Fixsterne in der N\u00e4he des Horizontes. Je weniger un-endlichgrofs die Kugelform des Weltalls in unserer Vorstellung empfunden wird, um so st\u00e4rker mufs die Empfindung der meridionalen Convergenz verticalstehender Parallellinien hervor-\n18*","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nTF. von Zehender.\ntreten, um so leichter wird nach oben der t\u00e4uschende Schein einer Verkleinerung des Durchmessers der zwischen je zwei Meridianlinien eingeschlossenen Dinge entstehen m\u00fcssen.\nSollte die Zukunft neue, sinnlich erfafsbare Thatsachen enth\u00fcllen, welche zu besserer Uebereinstimmung unserer unmittelbaren Sinnesempfindung mit der von Volkmann erforschten optischen T\u00e4uschung f\u00fchren, dann mag die Erkl\u00e4rung sich vielleicht noch anders und noch nat\u00fcrlicher gestalten ; nach dem heutigen Stande unserer Wissenschaft wird sich nicht leicht ein besser befriedigender Zusammenhang finden lassen.\nRecapitulation.\n1.\tJede concentrisch zur Erdoberfl\u00e4che gelagerte atmosph\u00e4rische Schichtung bildet mit einer die Erdoberfl\u00e4che tan-girenden und gen\u00fcgend erweiterten Ebene einen Kugelabschnitt. Je gr\u00f6fser die Entfernung der Schicht, um so gr\u00f6fser wird ihr Radius und je gr\u00f6fser der Radius, \u2019 umsomehr n\u00e4hert sich das Verh\u00e4ltnifs der H\u00f6he dieses Kugelabschnittes zu seinem halben Basisdurchmesser, dem Gleichheitsverh\u00e4ltnisse beider. Wird die Entfernung so grofs, dafs die Gr\u00f6sse des Erdhalbmessers dagegen vernachl\u00e4ssigt werden darf, dann besteht Gleichheit beider Halbmesser, also auch vollkommene Halbkugelform.\n2.\tFaktisch bilden nur die Wolken eine sichtbare, concentrisch die Erde umgebende Schicht, welche gew\u00f6hnlich als eine mehr oder weniger unregelm\u00e4fsig geformte, flache W\u00f6lbung erscheint. Kennt man die H\u00f6he der Wolkenschicht, dann ist die abgeflachte Form des Wolkenhimmels leicht zu finden.\n3.\tAm wolkenlosen Himmel ist nichts zu sehen, was die Sinnesempfindung einer wirklichen oder einer scheinbaren Formgestalt hervorrufen k\u00f6nnte. \u2014 Die am Horizonte meistens etwas bl\u00e4ssere blaue Farbe des wolkenlosen Himmels, verglichen mit dem dunkleren Blau in den h\u00f6heren Regionen, bewirkt nur die Empfindung einer Verschleierung, im Gegensatz zur schleierfreien Durchsichtigkeit in der Himmelsh\u00f6he. Die schleierfreie Durchsichtigkeit der Himmelsh\u00f6he kann allerdings den falschen Schein einer relativ gr\u00f6fseren N\u00e4he, die Verschleierung den Schein gr\u00f6fserer Ferne hervorrufen; genauer betrachtet beruht aber der Schein gr\u00f6fserer N\u00e4he auf erleichtertem Durchblick in die Ferne. \u2014 Der in diesem F alle sprachlich","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Grofser-Erscheinen der Gestirne etc. 269\nganz allgemein recipirte Ausdruck des \u201eN\u00e4her-Erscheinens\u201c ist demnach nicht correct ; es w\u00e4re richtiger den erleichterten Fernblick, nicht das N\u00e4her-Erscheinen, als das charakteristische Merkmal des schleierfreien Durchb\u00fcckens zu bezeichnen.\n4.\tDas Auge d u r c h s i e h t den ganzen Weltenraum, wofern die Gegenst\u00e4nde hell genug leuchten um in der Netzhaut eine Empfindung zu erregen ; es kann aber f\u00fcr sich allein, Gr\u00f6fse und Entfernung nicht von einander unterscheiden, es kann nur das gegenseitige Verh\u00e4ltnis beider \u2014 den Gesichtswinkel, unter welchem ihm Gegenst\u00e4nde erscheinen \u2014 wahrnehmen.\n5.\tZur Unterscheidung von Gr\u00f6fse und Entfernung sind anderweitig heranzuziehende (indirecte) H\u00fclfsmittel erforderlich, n\u00e4mlich: die bewufste oder unbewufste Mitverwendung der Perspective, der Parallaxe, der Beleuchtungswirkung, und Anderes.\n- Wenn das Auge der Verwerthung dieser indirecten H\u00fclfsmittel, absichtlich (experimentell) oder unabsichtlich beraubt wird, dann tritt das urspr\u00fcngliche absolute Unverm\u00f6gen Gr\u00f6fse und Entfernung zu unterscheiden wieder hervor. In tiefster Dunkelheit ist das Auge v\u00f6llig unf\u00e4hig zu unterscheiden, ob ein hell leuchtender Punkt wenige Schritte, oder ob er viele Meilen weit entfernt ist.\n6.\tUm eine Entfernung absch\u00e4tzen zu k\u00f6nnen, bedarf man vor allen Dingen eines sichtbaren Punktes, oder eines sichtbaren Gegenstandes, welcher das Ende oder die Grenze der abzusch\u00e4tzenden Entfernung bezeichnet. Die Anwesenheit eines einzigen Grenz- oder Endpunktes gen\u00fcgt aber noch nicht, wenn nicht etwa die Gr\u00f6fse dieses Gegenstandes bereits bekannt ist; es m\u00fcssen zwischen dem Auge und dem Endpunkte der abzusch\u00e4tzenden Distanz noch andere Gegenst\u00e4nde da sein, die dem Auge die Verwerthung der Pegeln der Perspective und der Parallaxe erm\u00f6glichen, oder die, durch Verschiedenheit der Beleuchtung, den Unterschied von \u201en\u00e4her\u201c und \u201eferner\u201c erkennbar machen. Fehlen derartige Gegenst\u00e4nde ganz und gar, dann ist das Auge wieder auf sich allein angewiesen (isolirt) und kann Gr\u00f6fse und Entfernung nicht von einander unterscheiden.\n7.\tEine bis jetzt noch nicht befriedigend erkl\u00e4rte optische T\u00e4uschung besteht darin, dafs eine Linie, die durch kleine Striche mehrfach getheilt ist, l\u00e4nger zu sein scheint als eine gleichlange ungetheilte. (Vgl. die umstehende Fig. 4.)","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nW. von Zehender.\nDie angebliche T\u00e4uschung, wonach allgemeinhin jede Ausdehnung, in welcher Gegenst\u00e4nde zu sehen sind, gr\u00f6fser erscheinen soll als eine gleiehgrofse Ausdehnung, in der nichts zu sehen ist, steht vielleicht mit dieser linearen T\u00e4uschung in\nFig. 4.\neinigem Zusammenh\u00e4nge. Der Mond w\u00fcrde hiernach horizontal-w\u00e4rts, wo viele andere Gegenst\u00e4nde zu sehen sind, entfernter, in jeder anderen Richtung dagegen n\u00e4her erscheinen m\u00fcssen. \u2014 Wir wollen die Richtigkeit dieser Annahme und der daraus gezogenen Schlufsfolgerungen nicht unbedingt bestreiten, wir behaupten nur, dafs eine beliebige Entfernungsausdehnung, in der nichts \u2014 vielleicht nicht einmal ein Grenzpunkt \u2014 zu sehen ist, mit einer beliebigen anderen Entfernungsausdehnung, innerhalb welcher allerlei Gegenst\u00e4nde hegen und gesehen werden k\u00f6nnen, nicht unmittelbar verglichen werden darf.\n8. Es wird angenommen, dafs ein Gegenstand, dessen Gr\u00f6fse = 1 gesetzt wird, in einer Entfernung = 5000, dem menschlichen Auge punktf\u00f6rmig entschwinde. Der hieraus zu berechnendeWinkel ist ungef\u00e4hr = 0\u00b0 0' 40\"; jedenfalls kleiner als 1 Minute. Wird der Winkel noch kleiner, dann fallen, f\u00fcr das menschliche Auge, beide Schenkel in eine sich geradlinig fortsetzende Linie zusammen, die, in der Richtung der Blicklinie nur noch als Punkt, nicht als Linie, also auch nicht als Entfernung, gesehen werden kann.\nRobert Smith berechnet daraus die Entfernung, in welcher ein Gegenstand von der Gr\u00f6fse eines Menschen dem Auge verschwindend klein zu werden beginnt = ca. 5 englische Meilen (= ungef\u00e4hr einer deutschen Meile), und behauptet, dafs alles, was weiter entfernt liegt, immer nur 5 englische Meilen weit, und nicht noch weiter entfernt zu hegen scheint. \u2014 Ber\u00fccksichtigt man aber die Rundung der Erde und die Verschiedenheit von Meeres- und Bergesh\u00f6he, dann findet sich, dafs, eben wegen der Rundung der Erde, aus einer H\u00f6he von etwa 10 bis 12 Fufs, in mehr als s/4 deutschen Meilen, \u00fcberhaupt nichts Irdisches gesehen werden kann (Treiber). Dagegen kann auf hohen Bergen (5000 oder 12000 Fufs hoch) die von dort aus kreisf\u00f6rmig um uns herum sichtbare Erdgrenze 20 oder 30 Meilen betragen, und","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6\u00dfer*Erscheinen der Gestirne etc. 271\ndoch, in ihren einzelnen Theilentfernungen, noch unterscheidbar sein.\nEine bestimmte Grenze, an der die Unterscheidungs-f\u00e4higkeit des N\u00e4her- oder Ferner-Gelegenen (in dem Sinne von Robert Seeth und Mairax) pl\u00f6tzlich aufh\u00f6rt, giebt es nicht. Je gr\u00f6fser die Entfernung, um so schwieriger wird es allerdings sein, noch gr\u00f6fsere Entfernungen als solche zu unterscheiden; aber nicht ausschliefslich von der Gr\u00f6fse der Entfernung, sondern mehr noch von den in dein Zwischenraum liegenden Gegenst\u00e4nden und insbesondere von ihrer F\u00e4higkeit dem seiner Natur nach hierzu unf\u00e4higen Auge h\u00fclfreiche Dienste leisten zu k\u00f6nnen, h\u00e4ngt es ab, ob Entfernungsunterschiede in sehr grofser Entfernung als solche noch erkannt, oder ob sie nicht mehr erkannt werden k\u00f6nnen. \u2014 Der Mond wird durch die Parallaxe der vor ihm vor\u00fcberziehenden Wolken noch deutlich als weiter entfernt erkannt, aber freilich erscheint dabei der sehr viel gr\u00f6fsere Zwischenraum zwischen Mond und Wolken fast verschwindend klein gegen den Zwischenraum zwischen den Wolken und dem Beobachter. Aus demselben Grunde erscheint der kugelf\u00f6rmige Mond wie eine flache Scheibe, weil sein direct gesehener halber Durchmesser in so grofser Entfernung verschwindend klein wird.\n9. Die Zur\u00fcckwerfung des Lichtes von der Luft, d. h. von den in der Luft enthaltenen K\u00f6rpertheilchen, bewirkt nach Sonnenuntergang bekanntlich die D\u00e4m m erung. Wenn R. Smith die scheinbare Abflachung des Himmels auf dieselbe Ursache zur\u00fcckzuf\u00fchren geneigt ist, und damit die scheinbare Abflachung und die D\u00e4mmerung wie nahe verwandte, wenn nicht ganz gleichartige Erscheinungen betrachtet, so lassen sich dagegen mancherlei Bedenken erheben.\nDie Sonne durchscheint die Luft und die in ihr enthaltenen K\u00f6rpertheilchen bei Tage so vollst\u00e4ndig, dafs \u2014 bei unbew\u00f6lktem Himmel \u2014 nichts, oder nur sehr wenig davon zu bemerken ist* Erst nach Sonnenuntergang werden die reflectirenden K\u00f6rpertheilchen in ihrer Gesammtheit sichtbar, weil das Licht der untergegangenen Sonne die, in h\u00f6her liegender Luft befindlichen Theilchen noch erreicht, und also von dort zur\u00fcckgeworfen werden kann. Diese sind nunmehr selbst gleichsam die Leuchtk\u00f6rper des D\u00e4mmerungslichtes. Wollte man (mit R. Smith) einen \u00e4hnlichen Vorgang f\u00fcr das Blau des Himmels annehmen,","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nw. von Zeltender.\ndann f\u00e4llt sogleich in die Augen, dafs die Blaufarbe nicht in die Zeit nach Sonnenuntergang oder vor Sonnenaufgang, sondern gerade in die Zeit des hellen Sonnenscheins hineinf\u00e4llt, wo jeder Sonnenreflex sich vorwiegend der Sonne selbst (nicht der Erde) zuwenden inufs. \u2014 Ob die k\u00f6rperlichen Bestandtheile der Luft, welche die D\u00e4mmerung vermitteln, dieselben sind wie diejenigen, welche bei hellem lichtem Tage die blaue Farbe der Luft bewirken, mufs z. Zt. wohl noch dahingestellt bleiben ; wahrscheinlich ist aber, dafs die blaue Farbe des Himmels durch das Reflexlieht des von der Erde zur\u00fcckgeworfenen Sonnenlichtes bedingt wird, und dafs die Reflexion nicht an denselben, sondern un anderen (einstweilen noch unbekannten) k\u00f6rperlichen Luft-bestandtheilen entsteht, die vielleicht weit \u00fcber unsere Erdatmosph\u00e4re hinausreichen ; denn die Blaufarbe ist am intensivsten auf den h\u00f6chsten Bergen, also gerade da, wo die Luft am reinsten und am freiesten von fremden Bestandtheilen, und wo sie der Grenze der Erdatmosph\u00e4re am n\u00e4chsten ist.\nWir sehen zwar den geometrischen Ort nicht, an dem die d\u00e4mmerungsspendenden Lufttheile sich befinden, wir k\u00f6nnen \u00fcber an der Dauer der D\u00e4mmerung und an dem Zeitpunkt des Ueberganges von der D\u00e4mmerung in die v\u00f6llige Dunkelheit der Nacht, den Ort berechnen, wo alle Reflexion aufh\u00f6rt, wo also keine das Sonnenlicht reflectirende Theilchen mehr Vorkommen. Zur Berechnung des unsichtbaren geometrischen Entstehungsortes der Blaufarbe des Himmels fehlt uns jedwede dazu n\u00f6thige Voraussetzung.\n10. Einige Bemerkungen, die, ohne den Zusammenhang zu st\u00f6ren, an anderer Stelle nicht gut h\u00e4tten angebracht werden k\u00f6nnen, m\u00f6gen hier noch in aller K\u00fcrze einen Platz finden.\nWenn ich den Vollmond eine Zeitlang binocul\u00e4r betrachte und dann pl\u00f6tzlich das eine Auge mit der Hand bedecke, dann erscheint mir der Mond momentan kleiner. Die allgemeine Richtigkeit dieser Beobachtung glaube ich dem best\u00e4tigenden Urtheil anderer Personen entnehmen zu d\u00fcrfen; auch finde ich in einer neuesten Arbeit von C. Hess, dafs ihm ein heller Stern bei monocul\u00e4rem Fixiren \u201eeine Spur kleiner\u201c erscheint als bei binocul\u00e4rer Fixation.1 \u2014 Zoth, der seine Beobachtungen meistens\n1 C. Hess. Ueber den Zusammenhang zwischen Accommodation und Convergenz. \\ ortrag, gehalten auf dem internationalen Ophthalmologen-Congrefs in Utrecht, 16. August 1899.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 273\nmonocul\u00e4r ausgef\u00fchrt hat, berichtet dagegen, dafs da, wo die binocul\u00e4re Beobachtung anstellbar war, keine wesentlichen Abweichungen sich ergeben haben.\nMit Beziehung auf das Volkmann sehe T\u00e4uschungsgesetz ist noch zu bemerken, dafs, bei Betrachtung einer yerticalen Linie oder eines anderen verticalen Gegenstandes, einer Telegraphenstange, eines Fabrikschornsteins, eines Kirchthunns oder \u00e4hnlicher Dinge, und bei raschem, mit den H\u00e4nden bewirktem, abwechselnden Verschlufs, bald des einen, bald des anderen Auges, das obere Ende des betrachteten Gegenstandes sich (in umgekehrtem Sinne) pendelartig scheinbar hin und her bewegt, und zwar oben nach links, wenn das linke, und oben nach rechts, wenn das rechte Auge geschlossen wird. Diese Bewegung vollzieht sich in regelm\u00e4fsig gleicher Weise, m\u00f6ge der abwechselnde Augen verschlufs langsam oder schnell ausgef\u00fchrt werden. Von einer dabei stattfindenden Bewegung des Auges ist subjectiv nichts wahrzunehmen, ebenso wenig ist von einer objectiv etwa sichtbaren Uebergangsbewegung der verticalen in die Schr\u00e4glage, oder von einem etwaigen zuf\u00e4llig dabei stattfindenden \u201eZuvieloder \u201eZuwenig\u201c das Geringste bemerkbar. Die naheliegende Erkl\u00e4rung durch entsprechende Augenbewegungen wird hierdurch ausgeschlossen. \u2014 In jedem anderen Falle mufs das Bild seinen Platz in der Netzhaut zwar unver\u00e4ndert beibehalten, mufs aber, bei Projection nach aufsen, an anderer Stelle und in anderer Lage erscheinen, wenn die verticale Linie mit dem rechten, oder wenn sie mit dem linken Auge allein, und mufs in noch anderer Lage und Stellung erscheinen, wenn sie mit beiden Augen zugleich (haploskopisch) betrachtet wird. Der sogenannte verticale Meridian jedes Auges w\u00fcrde demzufolge nicht vertical stehen im objectiven Sinne des Wortes; es w\u00fcrden vielmehr die verticalen Meridiane beider Augen nach oben em wenig convergent zu einander stehen m\u00fcssen, um binocul\u00e4r die Erscheinung eines richtig vertical stehenden haplo-skopischen Bildes hervorzubringen.\nAusf\u00fchrlicher wollen wir auf dieses leicht controlirbare kleine Ph\u00e4nomen nicht eingehen ; wir bemerken dazu nur noch, dafs Volkmann sowohl wie Helmholtz die monocul\u00e4re Schr\u00e4gstellung verticaler Bilder schon l\u00e4ngst bemerkt haben, und dafs Meissnek das V erhalten der Schr\u00e4gstellung der Doppelbilder einer verticalen Linie ersch\u00f6pfend bearbeitet hat. Volkmann hat bekanntlich","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nTF. von Zellender.\ndurch einen sinnreichen Versuch \u00fcberzeugend bewiesen, ..dais die Trennungslinien und die correspondenten Meridiane nicht zusammenfallen\u201c. Er fixirte einen feinen, vor einem weifsen Hintergr\u00fcnde lothrecht aufgeh\u00e4ngten schwarz-seidenen Faden mit beiden Augen, verdeckte dabei aber dem einen Auge die untere H\u00e4lfte des Fadens. Der binocul\u00e4r fixirte Faden erscheint nun nicht mehr gerade, sondern gebogen oder gebrochen, und zwar in der dem halbabgeblendeten Auge entgegengesetzten Richtung.\nOb dieses eigenth\u00fcmliche Verhalten, wobei anscheinend ein unwillk\u00fcrlich-antagonistisches Bestreben besteht, eine verticale Linie, oben (oder auch unten), in entgegengesetzter Richtung gewissermaafsen auseinander zu ziehen, mit dazu beitr\u00e4gt, wirklich parallele Verticallinien als nach oben divergirend erscheinen zu lassen, d\u00fcrfte schtVer zu entscheiden, aber noch schwerer ganz zu verneinen sein.\nWir m\u00fcssen im Zusammenh\u00e4nge hiermit noch an eine Reihe wohlbekannter T\u00e4uschungsfiguren mit schr\u00e4ggestellten Beitenw\u00e4nden erinnern, von denen wir beispielshalber nur eine1 hier reproduciren. Die schr\u00e4gen Seitenlinien der Figur \u00fcben \u2014 den\nMeridianlinien vergleichbar \u2014 eine Art Fernwirkung auf die in einiger Entfernung dar\u00fcber oder darunter angebrachten Linien aus, wodurch diese, der Convergenz gegen\u00fcber gr\u00f6fser, der Divergenz gegen\u00fcber kleiner zu sein scheinen als jene, ln Folge einer in der Vorstellung unbewufst sich vollziehenden Verl\u00e4ngerung der schr\u00e4gen Seitenlinien, scheint es so, als ob die der Convergenzrichtung gegen\u00fcber liegende Linie kleiner, die der Divergenzrichtung gegen\u00fcber liegende gr\u00f6fser sein m\u00fcfste, wenn sie ebenso lang sein soll wie die ihr zun\u00e4chst liegende (in Wirklichkeit gleich lange) horizontale Seite des Trapezes.\nWenn wir das Resultat dieser T\u00e4uschungsfiguren auf den Mond beziehen und von einem mittleren, unver\u00e4nderlich gleich grofs bleibenden Ged\u00e4chtnifsbilde der Mondgr\u00f6fse ausgehen, dann w\u00e4re dieses, in der Vorstellung gleich grofs bleibende\nFig. 5.\n1 Vgl. diese Zeitschrift 20, 107 (Fig. 14).","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser- Er scheinen der Gestirne etc. 275\nBild, in gr\u00f6fserer H\u00f6he offenbar zu grofs, um gleich grofs erscheinen zu k\u00f6nnen; es mufs demnach kleiner \u2014 und tiefer unten gr\u00f6fser erscheinen. Je geringer die Convergenz der Seitenlinien, um so geringer wird der scheinbare Gr\u00f6fsenunter-schied.1 \u2014 Bei v\u00f6lligem Parallelismus verschwindet nat\u00fcrlicherweise jeder Gr\u00f6fsenunterschied. Ebenso verschwindet auch jeder Gr\u00f6fsenunterschied bei teleskopischer Beobachtung, wobei die unermefsliche Gr\u00f6fse des Welthalbmessers zu richtiger Geltung gelangt und alle Meridiane parallel zu einander verlaufen. Bei verschiedenem H\u00f6henstande erscheint deshalb der Mond, tele-skopisch betrachtet, in unver\u00e4nderter Gr\u00f6fse. Das unbewaffnete Auge kann sich dagegen von der Vorstellung eines endlichen \u2014 und zwar eines verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr kleinen endlichen Welthalbmessers nicht befreien. Daraus entsteht in verschiedener H\u00f6henlage die scheinbare Gr\u00f6fsenverschiedenheit des Mondes. Wir m\u00f6gen uns die Entfernung der Blaufarbe des Himmels so grofs oder so klein denken wie es unsere Vorstellungskraft nur irgend zul\u00e4fst \u2014 immer schliefst sich \u00fcber uns das blaue Himmelszelt in scheinbar endlicher Entfernung, und zwar so, dafs alle, von je zwei in der Peripherie des Horizontes gelegenen Punkten in senkrechter Dichtung nach oben gezogen gedachten Linien convergiren, und schliefslich den allseitigen Abschlufs des Himmels im Zenith bilden, anstatt \u2014 wie es der Wahrheit nach sein m\u00fcfste \u2014 in paralleler Richtung ins Unendliche fortzulaufen. Dafs dieser Abschlufs anders als kugelf\u00f6rmig gestaltet, und dafs der Mittelpunkt der Kugelgestalt\n1 Diese Annahme ist, genau genommen, nicht ganz richtig. Volkmann hat gefunden, dafs Parallellinien nicht blos in verticaler, sondern auch in jeder beliebigen Schr\u00e4glage, nach oben scheinbar divergiren. Der Grad der scheinbaren Divergenz nimmt jedoch ab, ohne ganz zu verschwinden, je mehr sich die Parallellinien der Horizontalrichtung ann\u00e4hern \u2014 und zwTar nach einem experimentell ermittelten, ziemlich regel-m\u00e4fsigen arithmetischen Verh\u00e4ltnifs von 0,5\u00b0 auf je 15\u00b0 Winkelstellungs-Differenz (vgl. diese Zeitschrift 20, 90). Dementsprechend wird die Stellung der schr\u00e4gen Seiten des Trapezes auch nur in demselben Verh\u00e4ltnifs (1:30) auf die T\u00e4uschung \u00fcber die Gr\u00f6fsendifferenz Einflufs aus\u00fcben k\u00f6nnen.\nIn diesem modificirten Sinne ist auch das Nachfolgende zu verstehen. Praktisch wird demnach, bei verschiedener Schr\u00e4gstellung der Seiten des Trapezes, eine Verschiedenheit der Gr\u00f6fse der T\u00e4uschung schwerlich nachweisbar sein ; sie kann sogar, unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden, auch bei Parallelstellung der Seitenw\u00e4nde des Trapezes noch fortbestehen.","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nW. von Zehender.\nanderswo als im Ange des Beobachters (tiefer unter demselben) gelegen sei, ist \u2014 bei richtigem Verst\u00e4ndnifs unserer Sinnesempfindung \u2014 anzunehmen nicht gut m\u00f6glich.\nN a c h t r a g.\nM. Johannes Fridericus Treiber.\nOsthus\u00e4-Cranichfeldensis.\nDe figura et colore coeli apparente. Ex er cit\u00e2t io optico-astronomica. Jenae 1668.\nDie Wissenschaft ist international; sie fragt nicht viel nach Nationalit\u00e4t, sie fragt \u2014 der besseren Ordnung wegen \u2014 nur nach dem Namen oder nach der Person des Erforschers, einer neuen wissenschaftlichen Wahrheit.\nIn anderem Sinne genommen ist es f\u00fcr die Sprach- und Stammes verwandten eine ganz nat\u00fcrliche Gem\u00fcthsfreude, einen ernsten Forscher und F\u00f6rderer der Wissenschaft als Landsmann bezeichnen und begr\u00fcfsen zu d\u00fcrfen.\nRobert Smith sagt in seinem oft citirten Werke: seines Wissens habe vor ihm noch Niemand versucht, die Form des Himmelsgew\u00f6lbes zahlenm\u00e4fsig zu bestimmen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dafs ihm die, in unansehnlichster Form i. J. 1668 erschienene Promotionsschrift von J. Fr. Treiber nie vor Augen gekommen sein wird ; dennoch hat J. Fr. Treiber \u2014 70 Jahre fr\u00fcher als Robert Smith \u2014 die von Alters her bekannte \u201eforma leniter depressa\u201c des Himmelsgew\u00f6lbes redlinings- und zahlenm\u00e4fsig zu bestimmen versucht; zum Theil sogar unter richtigeren Voraussetzungen als Robert Smith.\nJohann Friedrich Treiber, aus Kranichfeld in Th\u00fcringen beginnt seine exercitatio optico-astronomica mit der sehr richtigen Vorbemerkung, dafs jede gr\u00fcndliche Untersuchung mit Worterkl\u00e4rung anfangen m\u00fcsse, weil dem richtigen Verst\u00e4ndnifs der Worte sehr oft schon das richtige Verst\u00e4ndnifs der Sache ganz von selbst nachfolgt.\nSeine Arbeit zerf\u00e4llt in einen principiellen und in einen theoretischen Theil.\nIm principiellen Theil wird die Bedeutung der Worte : Himmel, Luft, Aether, nach den Definitionen der klassischen Schriftsteller des Alterthums, in der griechischen, lateinischen und hebr\u00e4ischen Sprache eingehend gepr\u00fcft und er\u00f6rtert. \u2014 Der","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 277\ntheoretische Theil behandelt die specielle Frage nach der Form und Farbe des Himmels.\nIm eisten dheil bem\u00fcht sich der Verfasser die Ansichten des Alterthums mit den Ansichten eines Kepler, Galilaei und Tycho de Brahe in Verbindung, und \u2014 soweit thunlich \u2014 in Uebereinstimmung zu bringen. Tycho de Brahe war \u2014 wie Treiber aus dessen Episteln entnimmt \u2014 anf\u00e4nglich noch Anh\u00e4nger der aristotelischen Ansicht von der Festigkeit und Undurchdringlichkeit der himmlischen Sph\u00e4ren; er sei dann aber, besonders durch Beobachtung des anscheinend v\u00f6llig regellosen Laufes der Cometen, von dieser Ansicht zur\u00fcckgekommen, und habe \u2014 ebenso wie auch Kepler \u2014 die Materialit\u00e4t des Aethers bezweifelt und habe in ernste Erw\u00e4gung gezogen, oh nicht die Astronomie \u2014 im Widerspruch mit der Physik \u2014 den Aether als einen v\u00f6llig leeren Baum betrachten d\u00fcrfe.\nTreiber findet keine Veranlassung, sich f\u00fcr die eine oder die andere der beiden Hypothesen zu entscheiden; er begn\u00fcgt sich mit dem Gesammtresultate, wonach der Himmel \u2014 soweit sich dar\u00fcber etwas feststellen l\u00e4fst \u2014 jedenfalls eine Substanz von \u00e4ufserster Feinheit sein mufs, die dem Durchg\u00e4nge der Lichtstrahlen nicht den geringsten Widerstand entgegenstellt, und also auch keine Lichtbrechung veranlafst. Der Himmel kann bei solcher Beschaffenheit nicht gesehen werden. (Coelum \\ideri non potest. Diaphana per se visibilia non sunt.) Dasjenige, was jenseits unserer Erdatmosph\u00e4re liegt und sich dem nach oben blickenden Auge des Erdbewohners darstellt, erscheint uns wie eine Ausdehnung (sub forma expansi), von welcher Sonne, Mond und Sterne herableuchten. Diese \u201eAusdehnung wird \u201eHimmel\u201d genannt. Den Eindruck (imago), den diese Ausdehnung auf unser Auge macht, nennen wir: die \u201eForm des Himmels\u201c.\nDer zweite Theil zerf\u00e4llt in zwei Abtheilungen. Die erste Abtheilung dieses zweiten Theiles behandelt die Form; die zweite Abtheilung (auf deren Inhalt wir nicht n\u00e4her eingehen\nwollen) die Farbe des Himmelsgew\u00f6lbes. Erstere zerf\u00e4llt wieder in drei Theoreme.\nBeim ersten Theorem (Coelum Terricolis apparet sub figura concava) h\u00e4lt es Treiber noch f\u00fcr n\u00f6thig zu beweisen, dafs der Himmel den Erdbewohnern concav erscheinen mufs. Er sagt : zwischen dem unsichtbaren Himmel und unserem Auge","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nW. von Zehender.\nliege die zwar d\u00fcnne und durchsichtige, aber durch den Widerschein des Sonnenlichtes in gr\u00f6fserer Entfernung an ihrer Begrenzung zwischen unserem Auge und den Sternen doch noch sichtbaren Luft.1 2 * * * & Unser Auge k\u00f6nne \u2014 sich selbst \u00fcberlassen \u2014 nicht unterscheiden zwischen \u201enahe und \u201efein , wenn nicht in dem Zwischenr\u00e4ume noch andere deutlich erkennbare Dinge zu sehen sind ; das Auge halte deshalb die n\u00e4her gelegene Luft f\u00fcr den Himmel selbst. Die Luft aber, welche terrestrische Ausd\u00fcnstungen enth\u00e4lt, kehrt ihre Innenfl\u00e4che dei Erde zu; sie mufs also den Erdbewohnern c one a y erscheinen.-Dabei wird weiterhin noch erw\u00e4hnt, dafs die Luft in dei Aequatorialgegend sich nach oben gleichsam zuspitzt (acuminetur) und von den k\u00e4lteren Polarseiten zusammengedr\u00fcckt wird, wodurch eine dem Oval sich ann\u00e4hernde Form entstehen mufs (\u00a7 21).\nIn einem gelehrten Anh\u00e4nge (Scholion) zu diesem Theorem bespricht der Verfasser die Ansichten mehrerer hervorragender Autorit\u00e4ten, welche s\u00e4mmtlich f\u00fcr die runde Form des Himmels, und gegen die M\u00f6glichkeit jeder denkbar anderen Form sich\nerkl\u00e4ren.\nDas zweite Theorem (Coelum concavum Horizonti sensibili superimpositum, eidemque conterminum videtur) behandelt mit kurzen Worten ein f\u00fcr die vorliegende Frage sehr wichtiges Sachverh\u00e4ltnifs. Weil n\u00e4mlich unser Auge das Nahe und das Ferne nicht von einander unterscheiden kann, wenn in dem Zwischenraum nicht deutlich erkennbare Dinge liegen, und weil ferner zwischen der sichtbaren Grenze der Erdoberfl\u00e4che im\n1\tDiapliana per se visibilia non sunt; etiam atmosphaera per se visi-bilis non est; sed sicut minutissimarum particularum per se visum subter-\nfugientium congeries \u00e8 longinquo termin\u00e2t visum,.......ita atmosphaera\nterrestris vel A\u00ebr non in propinquo, sed eminus....secundum extemam,\n-qua terminatur, superficiem, est visibilis....ut patet exemplo aqime\npurae, quae in vitro non secundum spissitudinem suam, sed secundum ex-ternam vitro conterminam superficiem est visibilis.\n2\t. . . . ex superficie verb terraquea sursum respiciens Terricola, cujus visus sibi relictus non distinguit inter propius et remotius,\nnullis continu\u00e9 interpositis corporibus distincte visibilibus (\u00a7 17), a\u00ebrem.\nsub forma expansi, ex quo Sol et stellae videntur lucere, ipsum esse\ncoelum putet, ejusque imaginera pro ipsius coeli formam apprehendat ;\n& verb a\u00ebr in rotundam, concavitatem suam Terricolis obvertendo, se com-ponat figuram, ideireo coelum Terricolis apparet sub figura concava. Q. E. E.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 279\nHorizont und der im ersten Theorem besprochenen sichtbaren Grenze der Luft, die f\u00fcr die Grenze des Himmels gehalten wird (in der nachstehenden Figur1 der Zwischenraum zwischen D und G), nichts zu sehen ist, und weil das Auge keinen anderen\nFig. 6.\n3 Die auf etwa 2 3 ihrer Gr\u00f6fse verkleinerte Figur ist dem Originaltext entnommen. Der innere, kleinere Kreis soll ein Durchschnitt der Erdoberfl\u00e4che sein; der \u00e4ufsere, gr\u00f6fsere (NDBEM), ein Durchschnitt der die Erdoberfl\u00e4che concentrisch umgebenden \u2014 angeblich sichtbaren! \u2014 Himmelsgrenze. G HO ist der Erdhorizont eines in der H\u00f6he FH \u00fcber der Erdoberfl\u00e4che in H stehenden Beobachters. \u2014 Die vor fast drittehalb Jahrhunderten typographirte Figur l\u00e4fst nach heutigem Zeitgeschmack Manches zu w\u00fcnschen \u00fcbrig.\no","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nw. von Zellender.\nGrund erfinden (imaginari) kann, der diesen Zwischenraum als eine Entfernung kennzeichnet, so erscheint der Horizont unmittelbar angrenzend an die Entfernung, in der die Himmelsgrenze gesehen wird.\nDas dritte Theorem (Coelum instar fornicis lehiter depressi Terrieolis apparet) behandelt die Hauptfrage. Treiber nimmt schon an \u2014 was Robert Smith (70 Jahre sp\u00e4ter) \u201enicht bestreiten will\u201c \u2014 dais, durch den Reflex des Sonnenlichtes in der Luft, die Grenze der Luft, die wir f\u00fcr die concave Form des Himmels halten, sichtbar (visibilis) wird. Wir haben dann an dieser Grenze eine die Erdoberfl\u00e4che con centrisch umgebende Schicht \u2014 \u00e4hnlich einer Wolkenschicht \u2014 deren \u201eforma leniter depressau sich \u2014 mathematisch sehr leicht berechnen l\u00e4fst. (Siehe Fig. 2, S. 227.)\nDie Frage ist nur, ob diese Himmelsgrenze wirklich sichtbar ist, oder ob sie nur in der Imagination ihr vermeintliches Dasein hat.\nDoch, auf diese Frage wollen wir nicht nochmals zur\u00fcckkommen.\nDie H\u00f6he der Himmelsgrenze \u00fcber der Erdoberfl\u00e4che ist \u2014 nach Treiber\u2019s Angabe \u2014 aus dem Anf\u00e4nge und dem Ende der D\u00e4mmerung, im Vergleiche mit der Tiefe des Sonnenstandes unter dem Horizont, genau zu berechnen, und ist \u2014 in damaliger Zeit \u2014 nicht h\u00f6her als 4 deutsche Meilen hoch gefunden worden.1\nDie L\u00e4nge des Erdhalbmessers setzt Treiber = 860 deutsche Meilen die L\u00e4nge des Halbmessers der kugelf\u00f6rmigen Umgrenzung der Erdatmosph\u00e4re betr\u00e4gt nach ihm mithin 864 deutsche Meilen. Daraus ist die dritte Seite DF des rechtwinkligen Dreieckes AFD (siehe die Figur) leicht zu berechnen. Treiber berechnet hieraus den Halbmesser DF einer die Erdoberfl\u00e4che tangirenden Horizontalebene, in deren Mitte der Beobachter steht : \u2014 82 deutsche Meilen.\nVon dem Grenzpunkt der Erdatmosph\u00e4re (B) aus betrachtet, w\u00fcrden die an die Erdoberfl\u00e4che gezogenen, und weiterhin bis an die Grenze der Erdatmosph\u00e4re verl\u00e4ngerten Tangenten (BM und BN) jederseits gerade ebenso grofs sein, wie der vom Stand-\n1 Nach den \u201eastronomischen Yermuthungen\u2019* der heutigen Zeit erreicht die atmosph\u00e4rische H\u00fclle der Erde eine H\u00f6he von mindestens 169 km, also mehr als 20 geographische Meilen. \u2014 Sim. Newcomb, Popul\u00e4re Astronomie, S. 428. Leipzig 1881.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 281\npunkte des Beobachters (F) betrachtete Durchmesser (D \u00c8) einer die Erdoberfl\u00e4che (in F) tangirenden Horizontalebene. Von dort (vom Punkte B) aus gesehen, w\u00fcrden die scheinbaren Grenzen des Himmels in M und in V, mithin nach allen Richtungen hin doppelt so weit entfernt liegen wie vom Punkte F aus gesehen. Wenn die ganze Erde wie eine Kugel von 860 Meilen Halbmesser und vollkommen glatter Oberfl\u00e4che (ohne Berge und Th\u00e4ler) betrachtet wird \u2014 dann kann man auf ihr und von ihr in 82 Meilen Entfernung nichts mehr sehen. Die Grenze des Sehens liegt vielmehr da, wo die Gesichtslinie die runde Erdoberfl\u00e4che tangirt, weil Alles, was weiterhin unterhalb der Tangentialrichtung liegt, wegen der Kugelgestalt nicht mehr sichtbar ist.\nStreng geometrisch genommen, kann eine tangentiale Horizontalebene die Erdoberfl\u00e4che nur in einem Punkte ber\u00fchren ; betrachtet man aber das Himmelsgew\u00f6lbe von einem Punkte aus, der \u201ezwei Schritte hoch\u201c \u00fcber jenem Punkte liegt (oculi saltim ad duos passus Geometricos elevati), dann berechnet Treiber den Centrumswinkel der Erde, welcher den Augenpunkt des Beobachters und den Ber\u00fchrungspunkt einer von dort aus an die Oberfl\u00e4che der Erde gezogenen Tangente einschliefst = 00 3', und berechnet danach die L\u00e4nge des zugeh\u00f6rigen Bogens = 3000 Schritte. Die H\u00f6he von \u201ezwei Schritten\u201c wird als eine Gr\u00f6fse bezeichnet, \u00fcber welche nur Menschen von monstr\u00f6ser Statur hinausreichen (quantam altitudinem nulla hominis non monstrosi statura excedit).\nHiermit ist das Princip ausgesprochen, nach welchem die irdisch sichtbare Horizontferne je nach der H\u00f6he des Augenpunktes bestimmt werden mufs.\nAus einer H\u00f6he von zwei Schritten \u00fcber der Erdoberfl\u00e4che \u2014 die deutsche Meile zu 4000 Schritte gerechnet \u2014 ergiebt sich also eine Bogenl\u00e4nge von etwa 3/4 deutsche Meilen.1 *\nBei Bestimmung der scheinbaren H\u00f6he des Himmelsgew\u00f6lbes scheint uns Treiber weniger gl\u00fccklich gewesen zu sein. Er f\u00fchrt noch eine neue optische T\u00e4uschung in die Rechnung ein, auf deren Pr\u00fcfung wir nicht n\u00e4her eingehen k\u00f6nnen. Er nimmt\n1 Wenn die deutsche Meile = 4000 Schritte gerechnet wird, dann mufs ein geometrischer Schritt = 5 oder 6 Fufs gerechnet worden sein, denn\neine geogr. Meile ist = 23000 Ehein. Fufs,\n= 22800 Paris. Fufs.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\n19","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nW. von Zellender.\nn\u00e4mlich an, dafs weit entfernte Gegenst\u00e4nde h\u00f6her zn sein scheinen als der Standpunkt des Beobachters, dafs also die Horizontalebene nicht plan, sondern concav zu sein scheint1, und citirt zur Unterst\u00fctzung dieser Ansicht mehrere Autoren der \u00e4lteren Zeit.\nOhne Ber\u00fccksichtigung dieser neuen T\u00e4uschungsursache w\u00fcrde das Verh\u00e4ltnifs der H\u00f6he zum Basishalbmesser eines die Oberfl\u00e4che der Erde tangirenden Kugelabschnittes von 4 Meilen H\u00f6he (oder von 864 Meilen Halbmesser) sein :\nFB:BF= 4 : 82 = 1 : 20,5.\nUnter Mitber\u00fccksichtigung einer scheinbaren Coneavit\u00e4t der Horizontalebene, deren Vertiefung der scheinbaren Himmelsh\u00f6he \u00fcber derselben gleichgesetzt wird, berechnet Treiber:\n8 zu 82 (oder 1 zu 10, 25).\nTreiber rechnet nun folgenderweise :\nDie durch Luftreflexion angeblich sichtbare Grenze des Himmels betr\u00e4gt in verticaler Richtung \u2014 wie nach dem damaligen Stande der astronomischen Wissenschaft angenommen wird \u2014 4 Meilen; in horizontaler Richtung \u2014 wie berechnet worden \u2014 82 Meilen. Die aus einer H\u00f6he von zwei Schritten noch sichtbare Erdgrenze des Horizontes berechnet sich auf ungef\u00e4hr 3000 Schritte. Daraus ergiebt sich die Proportion:\n82 : 4 = 3000 : x.\nMan findet x \u2014 146. \u2014 Unter Mitber\u00fccksichtigung der scheinbaren Coneavit\u00e4t soll dieses x aber doppelt genommen, mithin gleich 292, oder rund gleich 300 gesetzt werden. \u2014 Daraus ergiebt sich das Verh\u00e4ltnifs der H\u00f6he des Himmelsgew\u00f6lbes zum halben Durchmesser der sichtbaren Erdgrenze wie :\n1 : 10.\nUnser Referat \u00fcber die TREiBER\u2019sche Arbeit ist etwas ausf\u00fchrlicher geworden als urspr\u00fcnglich beabsichtigt war. Das ist geschehen, weil diese, \u00e4ufserlich sehr unansehnliche kleine Schrift nicht die Anerkennung gefunden hat, die sie unserer Ansicht\n1 \u201eQuoniam vero Planorum oculo subjectorum, quae sensibiliter re-motiora sunt, sublimiora apparent, igitur & yisus Terrae superficiem leviter cavam esse putat, extremitatibus notabiliter assurgentibus (\u00a7 20).","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes u. das Gr\u00f6fser-Erscheinen der Gestirne etc. 283\nnach auch heute noch, neben Robert Smith und Mairan, zu finden verdient.\nIm Grunde genommen beweist die Treiber\u2019sehe Arbeit aber nicht mehr und nichts Anderes, als dafs eine zur Erdoberfl\u00e4che concentrische Schicht mit einer die Oberfl\u00e4che der Erde tangiren-den Ebene einen Kugelabschnitt bildet, dessen Radius gr\u00f6fser ist als der Radius der Erde. Problematisch bleibt nur die Annahme einer durch Luftreflexion sichtbaren Grenze unserer Erdatmosph\u00e4re, ebenso wie bei der K\u00c4STNER\u2019schen Rechnung die Fehlsch\u00e4tzung der Himmelsh\u00f6he eine h\u00f6chst problematische Rechnungsgrundlage bilden.\nIm Uebrigen ist Treiber principiell im Recht, wenn er \u2014 im Gegensatz zu der R. Smith -Mairan\u2019sehen Hypothese \u2014 behauptet, dafs man auf Erden nur so weit und nicht weiter sehen kann als bis zum Ber\u00fchrungspunkt einer vom Augenpunkt an die Erdoberfl\u00e4che gezogenen Tangente ; und ferner ist er im Recht, wenn er behauptet, dafs man Nichts (d. h. keine Entfernung) sieht, wTenn in der Sehrichtung nicht deutlich erkennbare Dinge liegen, weil dann \u2014 wie wir in diesem Falle erl\u00e4uternd hinzuf\u00fcgen w\u00fcrden \u2014 alle perspectivi-schen, parallaktischen und sonstigen Erkennungsh\u00fclfsmittel, die dem Auge das Unterscheiden von Entfernungen m\u00f6glich machen, vollst\u00e4ndig fehlen. Das ist aber nicht ganz gleichbedeutend mit der Behauptung von Malebranche, Mairan und R. Smith, wonach unter solcher Bedingung allgemeinhin jede Entfernung kleiner erscheinen soll.\nEndlich ist nicht zu \u00fcbersehen, dafs der Mittelpunkt jeder mit der Erdoberfl\u00e4che eoncentrischen Schicht mit dem Erdmittelpunkte zusammenf\u00e4llt. Wir m\u00fcfsten also eigentlich jede concentrische Wolken- oder Himmelsschicht so sehen als ob sie parallel zur Erdoberfl\u00e4che verliefe. Von dieser factisch richtigen Annahme geht Treiber aus. Wir k\u00f6nnen aber nicht einmal sehen dafs die Erde rund ist; sie erscheint uns \u00fcberall wo wir stehen und gehen, wie eine mehr oder weniger ebene Fl\u00e4che, welche die parallel zu ihr verlaufende Wolkenschicht, trotz alles Parallelismus, doch irgendwo scheinbar durchschneidet. Diese scheinbare Durchschnittslinie liegt in einer f\u00fcr unser Auge schon unermefslich weiten Entfernung ; sie w\u00fcrde aber in noch weit gr\u00f6fserer Entfernung liegen, wenn wir die\nrelativ geringe H\u00f6he einer Wolkenschicht bis zur wahren un-\n19*","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nw. von Zellender.\nsichtbaren Himmelsh\u00f6he hinaufheben, oder wenn wir sie dorthin versetzen k\u00f6nnten.\nIn jedem Falle m\u00fcssen wir das Unermefsliche aufserordentlich stark verkleinern, um es unserer Vorstellung \u00fcberhaupt nur erst n\u00e4her zu bringen und annehmbar zu machen. \u2014 Um wie viel? \u2014 Das entzieht sich jeder ernstlichen Berechnung, weil diese Vorstellung nicht durch die Sinnesempfindung allein, sondern gr\u00f6fstentheils bedingt wird durch die unberechenbare Mitwirkung anderweitig erworbenen Wissens.\nDer Hauptt\u00e4uschungsgrund \u00fcber die scheinbaren Gr\u00f6fsen-verh\u00e4ltnisse am Himmelszelt liegt offenbar darin, dafs jene eine Grenzlinie, an der Himmel und Erde sich zu ber\u00fchren scheinen, eigentlich und in Wahrheit nicht eine, sondern zwei, im buchst\u00e4blichen Wortsinne himmelweit von einander entfernte Grenzlinien sind \u2014 die scheinbar in eine einzige Linie zusammenfallen.\nDiese T\u00e4uschung tr\u00e4gt aber nicht dazu bei, den wolkenlosen Himmel als flachgedr\u00fcckt erscheinen zu lassen!\n(.Eingegangen am 23. Juli 1900.)","page":284}],"identifier":"lit31414","issued":"1900","language":"de","pages":"218-284","startpages":"218","title":"Die Form des Himmelgew\u00f6lbes und das Gr\u00f6\u00dfer- Erscheinen der Gestirne am Horizont. Ausf\u00fchrliche Begr\u00fcndung meines kurzen Nachtrages zu meiner Arbeit \u00fcber \"Geometrisch-optische T\u00e4uschung\"","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:25:48.603036+00:00"}