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{"created":"2022-01-31T12:42:21.098515+00:00","id":"lit31419","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meyer, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 356-357","fulltext":[{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\nH. M\u00fcnsterberg. Psychological Atomism. Psychological Review 7 (1), 1\u201417. 1900.\nEs ist keine durch gef\u00fchrte wissenschaftliche Theorie, kein System allgemeiner Gesetze, was M\u00fcnsterberg uns hier bietet, wohl aber eine werthvolle Er\u00f6rterung einer in Zukunft vielleicht m\u00f6glichen Theorie. Wie wichtig auch das blofse Beobachten, das blofse Zusammentragen von Material sein mag, wissenschaftlichen Werth erhalten Beobachtungen erst dann, wenn sie theoretisch verwerthet, wenn sie als specielle F\u00e4lle allgemeiner Gesetze betrachtet werden k\u00f6nnen. Ob der \u201epsychologische Atomismus\u201c jemals in Wirklichkeit als die Grundlage einer psychologischen Theorie wird dienen k\u00f6nnen, vermag nur die Zukunft zu lehren. Der Psychologe, dem der Fortschritt seiner Wissenschaft am Herzen liegt, wird M\u00fcnsterberg\u2019s Er\u00f6rterung mit Interesse lesen und dauernd im Auge behalten.\nMan hat sich daran gew\u00f6hnt, Empfindungen (Vorstellungen) als die letzten Elemente psychologischer Analyse zu betrachten. M\u00fcnsterberg leugnet jedoch die Unm\u00f6glichkeit einer Annahme einfacherer psychologischer Elemente. Die Empfindung ist nicht der einfachste, \u00fcberhaupt denkbare psychische Zustand, sondern nur derjenige einfachste psychische Zustand, der mit einem physikalischen Reiz in Beziehung gesetzt werden kann; jede weitere Aufl\u00f6sung des physikalischen Reizes w\u00fcrde der Empfindung ein Ende setzen. Da jedoch die physikalische Theorie auf Grund von Hypothesen in der Aufl\u00f6sung weiter geht bis zu Atomen, so d\u00fcrfte vielleicht auch die psychologische Theorie in der Zukunft weiter gehen auf Grund der hypothetischen Annahme psychischer Atome als der Elemente der Empfindungen.\nEine Zeitlang glaubte man, dafs jeder Vorstellung die Function einer bestimmten Gehirnzelle zugeordnet sei. Davon ist man jetzt abgekommen. Man neigt heute der Ansicht zu, dafs jeder Empfindung das Zusammenwirken einer gewissen Gruppe von Gehirnzellen entspreche. Hieran kn\u00fcpft M\u00fcnsterberg an. Er kommt zu folgenden Schlufsfolgerungen : Wenn wir zum Zweck theoretischer Beschreibung die Hypothese psychischer Atome machen, so m\u00fcssen wir ihnen folgende Eigenschaften zuschreiben : Die physikalischen Atome sind s\u00e4mmtlich qualitativ gleich; die psychischen","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n357\nAtome sind einander absolut un\u00e4hnlich. Die gleichen physikalischen Atome leiten ihre Individualit\u00e4t von ihrer Verschiedenheit im Raum her; zwei psychische Atome dagegen sind zwei, weil sie Eigenschaften haben, die nicht verglichen werden k\u00f6nnen. Alle physischen Processe k\u00f6nnen beschrieben werden als Bewegungen deUAtome; psychische Processe sind zu beschreiben als Variationen der Lebhaftigkeit der psychischen Atome. Alle Energien des Physikers sind Functionen der Bewegung der physikalischen Atome; alle Associationen, Hemmungen, Verschmelzungen des Psychologen sind Functionen der Lebhaftigkeit der psychischen Atome.\nMax Meyek (Columbia, Missouri).\nP J-M\u00f6bius. Ueber die Anlage zur Mathematik. Mit 51 Bildnissen. Leipzig, Johann Ambrosius Barth, 1900. 331 Seiten. Mk. 7.\u2014.\nSchon im October vorigen Jahres hat M\u00f6bius in der Jahressitzung des Veieins Mitteldeutscher Psychiater und Neurologen in Leipzig einen Vortrag \u00fcber die Anlagen zur Mathematik gehalten. Dafs er bei seinen Anschauungen auf die Zustimmung der Versammlung nicht rechnen konnte, war vorauszusehen, und das hat er auch wohl selbst erwartet. In der Discussion wurden damals zahlreiche Einw\u00e4nde gegen seine Ansichten erhoben. Das dieser Untersuchung zu Grunde liegende Material \u00fcbergiebt M. hiermit der Oeffentlichkeit. Dafs es anziehend und fesselnd geschrieben ist, dafs es durch viele eingestreute Bemerkungen, die eines ausgesprochenen subjectiven Charakters nicht entbehren, gew\u00fcrzt ist, das braucht man bei einem Manne wie M\u00f6bius kaum hervorzuheben; und ebensowenig braucht auf die gute Ausstattung des bekannten Verlags hingewiesen zu werden.\nInteressant ist es, von M. zu erfahren, wde er, der gar nichts von Mathematik versteht, dazu gekommen ist, \u00fcber die Anlage zur Mathematik zu schreiben. Der Zufall hat hier wie so oft mitgespielt. An dem Bilde seines Grofsvaters, der Mathematiker war, war M. die eigenth\u00fcmliche Bildung der Umrandung des linken Auges aufgefallen. M. war sehr \u00fcberrascht, beim Studium von Gall\u2019s Werken diese Bildung als Merkmal des Zahlensinns beschrieben zu sehen. Und so beschlofs M., die GALL\u2019sche Lehre auf ihre Richtigkeit zu pr\u00fcfen und zwar nach dieser Richtung hin, da hier die Vorbedingungen f\u00fcr das Gelingen einer Forschung aufser-ordentlich g\u00fcnstig lagen.\nBedenkt man, dafs das mathematische Talent angeboren ist, dafs es sich v\u00f6llig unabh\u00e4ngig von anderen Geistesth\u00e4tigkeiten entwickelt, dafs es sich auch ohne Erziehung entfaltet, dafs es sich oft recht fr\u00fch und m\u00e4chtig kundgiebt, so kann man es als etwas Selbst\u00e4ndiges, als eine umschriebene Geistesf\u00e4higkeit, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, bezeichnen. Ist dem so, dann kann man auch vermuthen, dafs dieser besonderen Geistesbeschaffenheit auch eine k\u00f6rperliche Besonderheit entspricht. Ob Jemand mathematisches Talent hat, l\u00e4fst sich sicherlich bei den h\u00f6heren Graden leicht entscheiden. Auf der anderen Seite ist aber die fragliche Stelle am Sch\u00e4del jederzeit sichtbar und somit leicht zu untersuchen.\nM. giebt zun\u00e4chst den hier in Betracht kommenden Aufsatz von Gall (sens des rapports des nombres) wieder und berichtet \u00fcber den Entwickelungsgang vieler Mathematiker. Auch der mathematischen Weiber wird gedacht.","page":357}],"identifier":"lit31419","issued":"1900","language":"de","pages":"356-357","startpages":"356","title":"H. M\u00fcnsterberg: Psychological Atomism. Psychological Review 7 (1), 1-17, 1900","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:42:21.098521+00:00"}