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{"created":"2022-01-31T16:29:20.072447+00:00","id":"lit31422","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Weiss","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 449-451","fulltext":[{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\nWill. S. Monroe. Die Entwickelung des socialen Bewnfstseins der Kinder.\nSammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der P\u00e4dagogischen Psychologie und Physiologie (herausgegeben von H. Schiller und Th. Ziehen), 3 (2). 88 S. 1899.\nUns liegt in der Abhandlung von Prof. Monroe eine Arbeit vor, in welcher der Yerf. auf dem in Amerika so beliebten statistischen Wege es versucht, gewisse Eigenarten der kindlichen Auffassung socialer Verh\u00e4ltnisse festzustellen. Er hat zu diesem Zwecke \u00fcber 5000 Kindern der Elementarschulen von Massachusetts von ihren Lehrern, haupts\u00e4chlich in Aufsatzstunden, eine Reihe von Fragen vorlegen lassen. Das Alter der Kinder umfafste den Zeitraum von 7\u201416 Jahren. Die Untersuchung erstreckt sich \u00fcber einen Zeitraum von 2 Jahren.\nNach einer Einleitung \u00fcber den Ursprung des socialen Sinnes bei Thieren, dem primitiven Menschen und beim Kinde folgen zun\u00e4chst die Ergebnisse der statistischen Erhebung \u00fcber den Einflufs der socialen Umgebung, und zwar betreffen die gestellten Fragen 1. Gef\u00e4hrten, 2. Besch\u00e4ftigungen, 3. Vereine. Sodann wird der sociale Nutzen des Spiels behandelt an der Hand von Fragen \u00fcber Spielzeug und Spiele. Hieran schliefsen sich die Erhebungen \u00fcber den socialen Inhalt des Schulunterrichts der nach Fragen aus dem Gesangs-, Geschichts- und Geographieunterricht behandelt wird. Der f\u00fcnfte Abschnitt betrifft die Eigenthumsgef\u00fchle. Geldsinn und Sparsamkeit, Rechte und Altruismus sind hier die leitenden Gesichtspunkte. Der sechste Abschnitt enth\u00e4lt die Ergebnisse, die sich auf die Disciplin als socialen Factor beziehen und zwar gliedern sie sich nach den Rubriken : Corpsgeist, Classenverantwortlichkeit und Strafen. Der letzte Abschnitt behandelt die sociale Affection von affectiven Erregungszust\u00e4nden.\nTheils sind es nun pr\u00e4cis gestellte Fragen, die von den Kindern schriftlich beantwortet wurden, theils wurde von ihnen ein Urtheil \u00fcber eine vorgetragene Geschichte verlangt, theils mufsten sie eine Erz\u00e4hlung, deren Anfang ihnen gegeben war, nach ihrer eigenen Auffassung zu Ende f\u00fchren. Hierbei ergeben sich gewisse Unterschiede der Auffassung nach Alter und Geschlecht.\nBeispielsweise wdrd im ersten Abschnitte die Frage gestellt: \u201eWas f\u00fcr \u2022eine Art von Gespielen magst du am liebsten?\u201c Es ergiebt sich, dafs die Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\t30","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nLitera turberich t.\nAntworten mit den Jahren pr\u00e4ciser werden, eine auch ohne statistische Erhebungen einleuchtende Thatsache. Die j\u00fcngeren Kinder verlangen nur von ihrem Gef\u00e4hrten, dafs er \u201enett\u201c oder \u201egut\u201c sei. Unseres Erachtens folgt aber aus diesen vagen Antworten noch, dafs die gestellte Frage f\u00fcr das j\u00fcngere Alter zu schwer ist. Sie setzt voraus, dafs der Gefragte sich \u00fcber die Eigenschaften seines Lieblingsgef\u00e4hrten klar geworden sei, dies kann aber vor einem gewissen Alter nicht verlangt werden. Bei vorgeschrittenerem Alter werden die Antworten allerdings bestimmter, bewegen sich zun\u00e4chst jedoch immer noch in ziemlich allgemeinen Ausdr\u00fccken, wie \u201efreundlich\u201c, \u201eliebreich\u201c, \u201eehrenhaft\u201c, \u201egerecht\u201c. Erst sp\u00e4ter werden Wahrheitsliebe, Best\u00e4ndigkeit, Selbstlosigkeit genannt. Aber selbst hieraus kann man offenbar nicht schliefsen, dafs die Forderung nur deshalb gestellt werde, wTeil sie der Natur und Ueberzeugung des Antwortenden entspricht. Bei dem reicheren Wortschatz und der umfangreicheren moralischen Unterweisung, die \u00e4ltere Kinder bereits erhalten haben, wenden sie eben die gelernten Wrorte und Begriffe auf das an, was ihnen als nachahmenswert!! und lobenswerth gepriesen worden ist.\nWenn ferner Monroe aus seinen weiteren Erhebungen den Schlufs zieht: \u201eIn der Periode der ersten Jugend besteht augenscheinlich ein Kampf zwischen dem eigentlichen Selbst, wie es vorhanden ist, und dem idealen Selbst \u2014 ein ziemlich ausgesprochenes Verlangen giebt sich kund, einen Freund zu besitzen, der die Charaktereigenschaften auf weise, die sich die Kinder am lebhaftesten ersehnen und mit denen sie am wenigsten ausger\u00fcstet zu sein sich bewufst sind\u201c, so scheint dies vielmehr auf die einfache Thatsache hinauszulaufen, dafs j\u00fcngere Kinder sich \u00e4ltere, kr\u00e4ftigere, kl\u00fcgere Gef\u00e4hrten zum Schutze gegen etw^aige Widersacher w\u00fcnschen, eine Thatsache, die auch ohne Statistik Jedermann bekannt ist.\nEs w\u00fcrde den Rahmen dieses Berichtes \u00fcberschreiten, wenn wir auf s\u00e4mmtliche Fragen, deren Anzahl etwa 14 betr\u00e4gt, genauer eingehen wollten.. Aehnliche Einw\u00e4nde liefsen sich wohl bei jeder einzelnen finden. Auf eine Schw\u00e4che der meisten Fragen sei hier noch hingewiesen. Eine der Fragen lautet: \u201eWelche Spiele spielst du am liebsten und weshalb spielst du sie am liebsten?\u201c Der erste Theil ist zu beantworten und gestattet es, That-sachen zu constatiren, wenn es auch offenbar sehr gleichg\u00fcltig ist zu wissen,, wieviel Procent der Knaben und M\u00e4dchen am liebsten Murmel und Blindekuh spielen. Der zweite Theil der Frage verlangt aber eine Unm\u00f6glichkeit. Man frage einen Erwachsenen \u201eWarum spielen Sie gerne Tennis?\u201c und er wird einen in den meisten F\u00e4llen verwundert ansehen. Ein Kind aber antwortet stets bei einer solchen Frage auf gut Gl\u00fcck, und wissenschaftlich ist die Antwort werthlos.\nVon gleichem Werthe ist die Frage Monroe\u2019s : \u201eSage, weshalb du glaubst,, dafs einmal ein Mann Namens George Washington gelebt hat?\u201c Dasselbe gilt von vielen anderen Fragen. Sie setzen voraus, dafs das Kind \u00fcber seine Neigungen und Ansichten bereits reflectirt hat; da dies aber nur in Ausnahmef\u00e4llen zutrifft, so ist das Resultat Antworten ins Gelag hinein. Gruppiren lassen sich die Antworten allerdings. Die MoNROE\u2019sche Arbeit ist interessant, weil sie ein specielles kinderpsychologisches Problem in","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turbericht.\n451\nvollem Umfange statistisch zu l\u00f6sen sucht ; aber auch die ganze Schw\u00e4che des statistischen Verfahrens tritt in ihr zu Tage.\nWeiss (Gr.-Lichterfelde).\nWill. S. Monroe. Individual Child Study. The Journal of Pedagogy. Syracuse N. Y. 12 (1). 1900.\nDer Verf. geht von der Thatsache aus, dafs sich f\u00fcr das Studium der Seele des Kindes zwei Wege bieten. Einerseits kann man Beobachtungen gleichzeitig an mehreren Kindern machen, deren Anzahl dazu gen\u00fcgt, dafs sie auf einander einen gewissen Einflufs aus\u00fcben k\u00f6nnen, andererseits kann das einzelne Kind beobachtet werden. Jene Seite der Kinderpsychologie wurde bisher vorwiegend betont; das Studium des einzelnen Kindes fand nur vereinzelte Vertreter. Als bedeutendste Ver\u00f6ffentlichungen in dieser Richtung werden erw\u00e4hnt : Professor Dietrich Tiedemann, Record of Infant Life. Syracuse 1890. Madame Kecker, L\u2019\u00e9ducation progressive, Paris 1835 und Preyer\u2019s Seele des Kindes. Der PREYER\u2019schen Methode folgten Mrs. Shinn \u201eKotes of the development of a Child\u201c, Berkeley 1893; Kathleen Carter Moore \u201eThe development of a Child\u201c, Kew York 1896; Dr. Theo B. Koss \u201eChild study record\u201c, State Kormal School, California Pa. 1898. Der Verf. ist Lehrer an der State Kormal School, Westfield Mass. Jede Sch\u00fclerin dieser Anstalt wird veranlafst, w\u00e4hrend der Sommerferien ein Kind von 3\u20146 Jahren zu studiren. Sie wfird zu diesem Zwecke durch Besprechung der Methoden dieses Studiums vorbereitet. Die beobachtende Dame mufs m\u00f6glichst viel mit dem Kinde spielen, ohne ihm zum Bewufstsein zu bringen, dafs es ein Gegenstand der Beobachtung ist. Eine mehrj\u00e4hrige Erfahrung hat den Kutzen dieses Verfahrens gezeigt. Als Beispiel werden die Beobachtungen von Miss Isabelle Blake angef\u00fchrt. Sie wurden angestellt an einem Knaben von normaler K\u00f6rperbeschaffenheit und normaler Gesundheit. Wir f\u00fchren die wichtigsten Ergebnisse an:\nDer Knabe konnte die Farben des Spectrums wohl unterscheiden (man legte ihm bunte Papierbl\u00e4tter vor) und dieselben mit den Farben der Gegenst\u00e4nde richtig vergleichen. Er nannte blau, roth. Legte man diese beiden Farben neben einander, so sagte er, das Blau sei wie der Himmel. Auf die Frage nach seiner Lieblingsfarbe fiel,, die Antwort verschieden aus, jedoch zeigte er sich stets erfreut beim Anblick eines gewissen, zarten Violetts. Bei Combinationen von Farben zu je zweien und dreien gab er den Combinationen mit Orange speciell mit Orange und Gr\u00fcn den Vorzug. Das musikalische Geh\u00f6r war m\u00e4fsig, dagegen marschirte er t\u00fcchtig nach dem Rhythmus des Clavierspiels.\nDie Frage der Kinder \u201eWas ist das?\u201c h\u00f6rte man bei ihm selten, oft aber \u201eWarum thust du das? und charakteristisch war f\u00fcr ihn die Frage \u201eWohin geht das?\u201c, beispielsweise beim Anblick einer Strafse, einer Th\u00fcr, oder auch der Pedale am Clavier.\nEr zeigte Vorliebe f\u00fcr Farbe und Bewegung; sein Ideal war, so grofs zu sein, um reiten und fahren zu k\u00f6nnen. Er baute gern und interessirte sich bei bunten Bildern haupts\u00e4chlich f\u00fcr die Handlungen der dargestellten Personen.\n30*","page":451}],"identifier":"lit31422","issued":"1900","language":"de","pages":"449-451","startpages":"449","title":"Will S. Monroe: Die Entwickelung des socialen Bewu\u00dftseins der Kinder. Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der P\u00e4dagogischen Psychologie und Physiologie (herausgegeben von H. Schiller und Th. Ziehen), 3 (2). 88 S. 1899","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:20.072453+00:00"}