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{"created":"2022-01-31T16:27:17.299075+00:00","id":"lit31425","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Berger, Emil","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 25: 50-77","fulltext":[{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen.\nVon\nDr. Emil Bbbgeb in Paris,\ncorresp. Mitglied der Kgl. Belgischen und der Kgl. Spanischen Akademien\nder Medicin.\n(Mit 7 Fig.)\nBekanntlich verf\u00fcgen wir \u00fcber eine Reihe von H\u00fclfsmitteln f\u00fcr die Wahrnehmung, oder richtiger gesagt, f\u00fcr die Beur-theilung des Reliefs: die Ueberkreuzung der Contouren, die Schlagschatten, das Gef\u00fchl der nothwendigen Accommodations-anstrengung, die parallactische Verschiebung der untersuchten Gegenst\u00e4nde bei Bewegungen derselben, welche insbesondere beim Sehen Ein\u00e4ugiger1 von grofser Bedeutung ist. Keiner dieser Behelfe gestattet jedoch eine so feine Wahrnehmung eines Gegenstandes in seinen drei Dimensionen, wie die Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder desselben, deren hohe Bedeutung f\u00fcr die Beurteilung der Tiefendimensionen erst seit der Erfindung des Spiegelstereoskopes durch WheATSTONB (1883) und des Linsenstereoskopes durch Davji> Bebwsteb (1843) entsprechend gew\u00fcrdigt wurde.\nHelmholtz 2 verdanken wir erst eingehende Untersuchungen \u00fcber die Bedingungen, unter welchen die beiden stereoskopischen Aufnahmen eines Gegenstandes im Stereoskope die Illusion eines mehr oder weniger deutlichen Reliefs Hervorrufen. \u201eZwei Bilder, welche einen stereoskopischen Effect machen sollen, m\u00fcssen also\n1 Vgl. Beimab, lieber parallactische und perepectivische Verschiebung zur Erkennung von Niveaudifferenzen, bezw. das monocul\u00e4re k\u00f6rperlich\u00a9 Sehen. Arch. f. Augenheilkunde (2), 163. 1900. Enth\u00e4lt die gesammte Literatur \u00fcber diese Frage.\n* Helmholtz, Handbuch der Physiologischen Optik. 1867. S. 637.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Ueh er stereoskopische Lupen und Brillen.\n51\nzwei verschiedenen perspectivischen Ansichten desselben Gegenstandes entsprechen, welche von verschiedenen Gesichtspunkten aus aufgenommen sind. Sie d\u00fcrfen einander also nicht gleich sein, vielmehr m\u00fcssen, verglichen mit den Bildern unendlich entfernter Punkte, die Bilder n\u00e4herer Punkte in der Zeichnung f\u00fcr das rechte Auge desto mehr nach links hin, in dem Bilde f\u00fcr das linke Auge desto mehr nach rechts Mn liegen, je n\u00e4her die Objecte dem Beobachter sind. Denkt man sich die Zeichnungen so auf einander gelegt, dafs die Bilder der unendlich entfernten Gegenst\u00e4nde auf einander fallen, so werden die Bilder der n\u00e4heren Objecte desto weiter aus einander fallen, je n\u00e4her sie sind. Ihre Distanz kann man die stereoskopische Parallaxe nennen.\u201c\n\u201eNennen wir den Abstand der Augen 2 er, den Abstand der Zeichnung von den Augen 6, den Abstand des Objectes von einer parallel der Zeichnung durch die Augen gelegenen Ebene \u00e7, und e die stereoskopische Parallaxe, so ist diese\n2 a b\nwird also desto kleiner, je entfernter das Object, und f\u00fcr unendlich entfernte Objecte gleich Null.\u201c\nEs ergiebt sich aus der Formel f\u00fcr die stereoskopische Parallaxe, dafs die letztere desto gr\u00f6fser ist, je gr\u00f6fser der Abstand der Augen ist und thats\u00e4chlich erh\u00e4lt man mit dem Stereoskope eine desto deutlichere Darstellung des Reliefs, je weiter von einander die beiden photograpMschen Aufnahmen des betreffenden Objectes gemacht worden waren. Im Allgemeinen haben Leute mit einem grofsen Pupillenabstande eine feinere Relief Wahrnehmung, als solche mit kleinem Augenabstande. 1\nEs geht ferner aus der HELMHOLTz\u2019schen Formel f\u00fcr die stereoskopische Parallaxe hervor, dafs dieselbe desto gr\u00f6fser wird, je n\u00e4her die Gegenst\u00e4nde zu den Augen des Beobachters liegen. Entfernte Gebirgsketten erscheinen deshalb ohne deutliches Relief. Myopen, welche Gegenst\u00e4nde in geringerer Entfernung zu sehen\n1 Der Nachweis hierf\u00fcr ergiebt sich aus dem Ikonoskope von Javal, welches die Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder so vermindert, als wenn der Pupillenabstand bedeutend kleiner w\u00e4re. Die Gegenst\u00e4nde erscheinen dadurch ohne Relief (vgl. Comptes Rendus de VAcad\u00e9mie des Sciences de Paris 68, 927).\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nEmil Berger.\ngewohnt sind, haben nach meinen Untersuchungen im. Allgemeinen eine feinere Wahrnehmung des Reliefs, als Hyper-metropen. Ich werde sp\u00e4ter noch hierauf zur\u00fcckkommen.\nEs war naheliegend, di\u00a9 l\u00e4ngst bekannten und schon von Leonahdo da Vinci 1 richtig erkl\u00e4rten, Vortheile der feineren Reliefwahmehmung beim binocul\u00e4ren Sehen auch der Beobachtung mit den gebr\u00e4uchlichsten optischen Apparaten zu Theil werden zu lassen. Dementsprechend wurden, schon vor etwa drei Jahrhunderten die ersten Versuche f\u00fcr die Construction binocul\u00e4rer Fernrohre * * und Mikroskop\u00a9 gemacht ; sonderbarerweise wurde der Operngucker erst relativ sehr sp\u00e4t (1827) in das jetzt allgemein \u00fcbliche binocul\u00e4re Instrument umgewandelt.\nHelmholtz geb\u00fchrt das Verdienst, eine neue Vervoll-kommnung unserer gebr\u00e4uchlichsten optischen Apparate angeregt zu haben. Nachdem er an seinem Tel \u00a9Stereoskope nachgewiesen hatte, dafs eine virtuelle Erweiterung des Pupillenabstandes des Beobachters ein\u00a9 ebenso stark\u00a9 Verfeinerung der Relief Wahrnehmung der Aufsenwelt zur Folge habe, wie beim Stereoskope die Illusion des Reliefs durch die Vermehrung des Abstandes der beiden photographischen Aufnahmen eines Gegenstandes gesteigert wird, schuf er das erst\u00a9 stereoskopisch\u00a9 Fernrohr, welches in seinem Handbuch\u00a9 der Physiologischen Optik (Taf. IV, Fig. 3) 1867 bereits beschrieben und abgebildet ist.\nAuf Grundlage des Erfindungsgedankens von Helmholtz wurden insbesondere in letzterer Zeit stereoskopische Instrumente: Mikroskope, zusammengesetzte Lupen und Fernrohre construirt, welche letzteren bekanntlich f\u00fcr die .Armee und, die Marine von h\u00f6chster Bedeutung sind.\nNur die einfache Lupe, welche in der Wissenschaft, der Kunst und der Industrie eine so zahlreiche Anwendung findet, bei welcher eine feine Wahrnehmung des Reliefs sehr w\u00fcnschenswert!! w\u00e4re, ist bisher ein monocul\u00e4res Instrument geblieben. Di\u00a9 zahlreichen Uebelst\u00e4nde, welche die lange anhaltende Arbeit mit der Lupe zur Folge haben, sind: di\u00a9 Ueberan-strengung des bei, der Arbeit verwendeten Auges, die Erm\u00fcdung des Schliefsmuskels der Lider des anderen zum Sehen nicht\n1 Leonardo da Vinci. Trattato della pittura. Rom, 1651.\n* Binocul\u00e4re Teleskop\u00a9 wurden, schon 1609 von Lippkbshey construirt. Vgl. Hessler-Pisko, Lehrbuch der technischen Physik. 3. Aufl. 2. Bd. S. 1616.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen.\n53\nben\u00fctzten Auges; wenn das Netzhautbild des letzteren bei offen gehaltener Lidspalte psychisch unterdr\u00fcckt wird, so entf\u00e4llt zwar dieser letztere Uebelstand ; allein dadurch kann das binocul\u00e4re Sehen Schaden erleiden, indem auch aufserhalb der Lupenarbeit dieses Auge beim Sehacte unverwendet bleibt, d. h. sein Netzhautbild erst nach dem Schliefsen des anderen Auges zur Wahrnehmung gelangt und in vielen F\u00e4llen (vergl. z. B. die Untersuchungen von Lawkantjew *) sich Strabismus durch Ablenkung des nicht bei der Arbeit ben\u00fctzten Auges entwickelt. Die Anzahl dieser Art von Ein\u00e4ugigen ist jedenfalls eine gr\u00f6fsere, als im Allgemeinen vermuthet wird. Unter Naturforschern, welche anhaltend nur ein Auge beim Mikroskopiren verwenden, Astronomen ul dergl. m. findet man gleichfalls F\u00e4lle, in welchen nur das bei der Arbeit ben\u00fctzte Auge auch beim Sehen ohne monocul\u00e4re optische Instrumente allein verwendet wird. Ich konnte diese Erscheinung bei mehreren Herren des Institut Pasteur und der Pariser Sternwarte constatiren. Es erkl\u00e4rt uns dieselbe auch, warum Abagq 2 stets behauptete, man sehe im Stereoskope nur mit einem Auge.\nNicht minder wichtig ist die Sch\u00e4digung der technischen Leistungsf\u00e4higkeit beim Arbeiten mit nur einem Auge. v. Zbhenbeb8, Magnus1 2 * 4, Gbqenow5 u. A. haben diese Frage sehr eingehend gepr\u00fcft, haben jedoch f\u00fcr die Sch\u00e4digung, welche ein Arbeiter durch den Verlust eines Auges erleidet, sehr verschiedene Werthe angegeben. Nach den Entscheidungen des Deutschen Reichsversichemngsamtes8 wird angenommen, dafs Arbeiter, welche ein Auge verloren haben, um 25% in ihrem Verdienste gesch\u00e4digt sind. Die j\u00e4hrlich zu gew\u00e4hrende Entsch\u00e4digung ist jedoch je nach dem Berufe des Arbeiters ver-\n1\tLawraxtjbw, Di\u00a9 technisch\u00a9 Ausbildung und ihr Einflufs auf das\nSehverm\u00f6gen. Petersburger Medicin. Wochenschr. (S3).\t1890.\n2\tNach einer pers\u00f6nlichen Mittheilung der Herren Paul und Prosper Hibry, Astronomen der Pariser Sternwarte.\n*\tv. Zehbnber, citirt bei Maschke, Die augen\u00e4rztliche Unfallpraxis. Wiesbaden 1899. 8. 86.\n4 Maoxus, Die Einftugigkeit in ihren Beziehungen zur Erwerbsf\u00e4hig keit 1895.\n8 Grobxow, Anleitung zur Berechnung der Erwerbsf\u00e4higkeit bei Seh-et\u00f6rangen, 1896.\n\u2022\tYgl. Maschke, loc. cit.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nEmil Berger.\nschieden hoch ; so wird z. B., nach Borbrik\u2019s 1 Zusammenstellung, Feinmechanikern nach dem Verlust\u00a9 eines Auges im Durchschnitte 34,4 % des fr\u00fcheren Verdienstes von Unfallsversicherungs-gesellschaften als Jahresrente bewilligt Wenn man in Betreff der Anspr\u00fcche an technisch\u00a9 Fertigkeiten den Uhrmacher, den Kupferstecher, den Graveur, den Miniaturmaler u. dgl. m. mit dem Feinmechaniker auf eine gleiche Stufe stellt, so wird man zugehen, dafs alle diese Berufsarten sehr bedeutend in ihrer technischen Leistungsf\u00e4higkeit gewinnen w\u00fcrden, wenn ihre bisherige Lupe f\u00fcr \u00a9in Auge durch einen binocul\u00e4ren, sonst die gleichen Verh\u00e4ltnisse (Vergr\u00f6fserung, Brennweite d. i. Arbeitsabstand, Gesichtsfeld) wie die bisher angewandte Lupe aufweisenden Apparat ersetzt werden k\u00f6nnte.\nDie Nothwendigkeit, diese bisher \u00fcblichen Bedingungen aufrecht zu erhalten, ist auch der Grund, warum die bisher bekannten binocul\u00e4ren Lupen, welche s\u00e4mmtlich zusammengesetzte Lupen sind, f\u00fcr obige Berufsarten nicht verwendbar sind. Ihr Gesichtsfeld ist zu klein und ihre Vergr\u00f6fserung zu stark. Diese binocul\u00e4ren Lupen sind bekanntlich nach zwei verschiedenen Systemen construirt. Entweder werden vor jedes Auge in einer der Convergenzstellung der Sehlinien beim Nahesehen ent sprechenden Neigung Mikroskope (Ch\u00e9rubin 2 1678) oder nach dem. Principe des GALiLEi\u2019schen Fernrohres gebaute Lupen (v. Zehenber-Westien3 1887, Eilharbt Schulze4) mithin optische Apparate von grofser Brennweite gestellt, oder es werden bei zusammengesetzten Lupen mit kurzer Brennweite Prismen zwischen dem Ocular\u00a9 und dem Objective angebracht (Ribell 5 1853, N\u00e2\u00e7bet 6 1854, Giraub-Teulon 7 1867, Wenham 8 1867,\n1 Bcrbrix, Ueber Erwerbsverminderung bei Augenverletzungen. Dies.\nBerlin 1897.\n3\tCh\u00e9rubin, citirt bei Hessler-Pisko, loc. cit. S. 998.\n* Laqueur\u00bb Die v. Zbhender - WssTiEM\u2019sche Corneallupe. Bericht der Ophthalmologischen Gesellschaft iw Heidelberg. 1887.\n4\tF. Eelbabbt Schulze, bisher nicht publicirt. Construirt bei Lkitz, Berlin.\n5\tRibell, citirt bei Hkssler-Piskq, loc. cit. S. 998.\n9 Machet, citirt bei Wundt, Handbuch der medicin. Physik. 1867. S. 289.\n7\tGiraud -Teulon, beschrieben und abgebildet bei Mauthneb, Lehrbuch der Ophthalmoskopie. Leipzig 1887. S. 116.\n8\tWenham, beschrieben und abgebildet bei Hksslee-Pisko, loc. cit 8.999 Fig. 707.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber stereoskopische Lupen und Brillen.\n55\nCzapsky 1 1899). Allein mit diesen Instrumenten kann kein Uhrmacher arbeiten, kein Pal\u00e4ograph eine Handschrift entziffern. Man hat auch nie diese Verwendung der zusammengesetzten Lupen beabsichtigt\nDie bisherigen Versuche, die prismatische Wirkung de-centrirter Convexlinsen (Br\u00fccke\u2019s2 Bissectionsbrille, R. Lieb reich\u2019s1 * 3 decentrirte Brillen) zur Construction von binocul\u00e4ren Lupen mit der bei Uhrmachern, Graveuren u. dergl. m. bisher \u00fcblichen kurzen Brennweite zu verwenden, haben noch nicht das gew\u00fcnschte Resultat ergeben. Die Untersuchung der Ursache, warum dieses Resultat nicht erzielt wurde, f\u00fchrte mich eigentlich in der einfachsten Weise zur L\u00f6sung des hier vorliegenden Probl\u00e8mes.\nDie prismatische Ablenkung, welche eine Convexlinse bewirkt, ist im Centrum derselben Null, sehr gering in der Umgebung des letzteren, wird nach der Peripherie hin immer st\u00e4rker und ist am Randtheile derselben, den man jedoch bei nicht aplanatischen Linsen wegen der sph\u00e4rischen Aberration nicht verwerthen kann, am st\u00e4rksten.\nWenn man nun decentrirte Convexlinsen von kurzer Brennweite vor jedes Auge setzt, so werden wegen desPup\u00fclenab-standes beider Augen von einem in der Mittellinie und dem gemeinsamen Focus gelegenen Gegenst\u00e4nde A (vergl. Fig. 1) nur die nasalen Theile der Linsen durchsetzen; sie werden jedoch in denselben in so geringem Maafse\n1 Czapsky, v. Gbaepe\u2019b Archiv f\u00fcr Ophthalmologie 48, I. Abth.\n*\tBb\u00fcckb, Vorlesungen \u00fcber Physiologie. II. Bd. S. 184.\n\u2022\tLibbbxich, v. Gbakfe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. 1861.\nA\nFig. 1.\nSchema des Strahlenganges in de-centrirten Convexlinsen.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nEmil Berger.\nabgelenkt, dafs sie nach dem Austritte aus den Linsen nicht ins Auge oder nicht auf die Macula lutea gelangen k\u00f6nnen. Die Lichtstrahlen jedoch, welche auf die unmittelbar vor den. Pupillen gelegenen Zonen der decentrirten Linsen auffallen,, treffen dieselben schon unter einem so grofsen Auffallswinkel, dafs derselbe den Grenzwinkel \u00fcberschreitet und gehen deshalb durch Reflexion verloren.\nIn das recht\u00a9 Auge gelangen die Strahlen des Kugelsegmentes rrlt welches in der Netzhaut im umgekehrten Bilde r, r erscheint; letzteres entspricht einem virtuellen Bilde rJ.gr!. \u2014 Da\u00ae Kugel-segment g g{ wird vom. linken Auge wahrgenommen; Netzhautbild gt g, scheinbare Lage d. Bildes gAoQx. \u2014 Ist die Lupe genau f\u00fcr den Punkt A der Kugel eingestellt, so erscheinen die Punkte g, glt r und fj in Zerstreuungskreisen, welche jedoch, wenn die Kugel nur klein ist (Beobachtung eines Stecknadelkopfes) das genaue Erkennen nicht st\u00f6ren.\nSchema des Strahlengangee\nbei der Untersuchung eines kugelf\u00f6rmigen K\u00f6rpers mit der\nstereoskopischen Linse.\nUm nun zu erreichen, dafs auch die kr\u00e4ftig prismatisch wirkenden Theile einer decentrirten Convexlinse in Verwendung kommen, suchte ich die Stellung derselben zu ermitteln, in welcher f\u00fcr den Einfalls-, Brechungs- und Ausfallswinkel die relativ g\u00fcnstigsten Bedingungen sich ergeben und fand, dafs dies nur dann der Fall sei, wenn diese Linsen, wie dies die Fig. 2 dar-stellt, relativ stark zu einander geneigt sind.\nFig. 2.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Ueher stereoskopische Lupen und Britten.\n57\nDer Strahlengang in der von mir verwandten decentrirten und im horizontalen Meridiane zu einander geneigten Convexlinsen ist in der bestehenden Abbildung (Fig. 2) dargestellt. Beide Linsen entwerfen von dem im gemeinsamen Focus gelegenen Gegenst\u00e4nde A je ein aufrechtes, vergr\u00f6fsertes, weiter (als der Gegenstand) entferntes virtuelles Bild A9) f\u00fcr jedes Auge. Da diese Bilder auf identische Netzhautstellen projicirt werden, so werden dieselben im Gehirn als einfach wahrgenommen.\nDer Neigungswinkel der Linsen ist je nach der Brennweite derselben verschieden grofs; derselbe darf jedoch wegen der astigmatischen Wirkung schief gestellter Linsen eine gewisse Grenze nicht \u00fcberschreiten. Die astigmatische Wirkung geneigter Linsen ist schon lange bekannt. Bereits Thomas Young1 corrigirt\u00a9 (1801) den Astigmatismus seines eigenen Auges mittels eines schief gestellten Brillenglases. Seitdem ich darauf achtete, wie die mit einer einfachen Lupe Untersuchenden dieselbe vor dem Auge halten, konnte ich mich davon \u00fcberzeugen, wie h\u00e4ufig letztere vom Untersucher mehr oder weniger schr\u00e4ge zum Gegenst\u00e4nde gehalten wird. Die einzelnen Beobachter finden leicht selbst die Stellung heraus, bei welcher dieselben mit der Lupe am genauesten die Linien eines Kupferstiches z. B. sehen, d. h. die Stellung, in welcher der Astigmatismus der schief gehaltenen Linse jenen des menschlichen Auges corrigirt.\nUeber die astigmatische Wirkung schief gestellter Linsen sind insbesondere eingehende Arbeiten von Swan Bubnbtt John G\u00e4ben\u00ae und Monoyer* 4 ver\u00f6ffentlicht worden. Man hat auch versucht, den Astigmatismus des Auges mittels derselben zu corrigiren; dies ist jedoch nach meinem Erachten nur bei physiologischem Astigmatismus und nur mit relativ starken Linsen praktisch durchf\u00fchrbar. Ich werde auf die Gr\u00fcnde, warum geneigte Linsen zur Correction des pathologischen (h\u00f6here Grade aufweisenden) Astigmatismus nicht geeignet sind, sp\u00e4ter noch zur\u00fcckkommen.\n1 Thomas Young, Philosophical Transactions 1801, 1, 43.\n4 Swan Burnett, A Theoretical and Practical Treatise of Astigmatisme. St Louis, Chambers, 1887.\n\u00ae John Green, Transactions of the American Ophthalmolagical Society. 1895.\n* Monoyer, Archives d'Ophtalmologie (Mars). 1898.","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nEmil Berger,\nDer Astigmatismus der schr\u00e4g gestellten Linsen meiner Lupe ist, so paradox dies auch erscheinen mag, kein Fehler, sondern ein Yortheil derselben. Der Brechwerth der in dieser Weise geneigten Linsen ist am st\u00e4rksten im horizontalen Meridiane und am schw\u00e4chsten im verticalen Meridiane. Mithin ist die Lage der Hauptmeridiane dieser astigmatischen Linsen entgegengesetzt jener der gr\u00f6fsten Anzahl (90\u201494% nach Nordenson1 * *, Knapp8, Steiger3 u. A.) der menschlichen Augen. Zun\u00e4chst dachte ich daran, in F\u00e4llen, in welchen der Astigmatismus der Lupenlinsen jenen des Auges des betreffenden Untersuchers \u00fcbercorrigirt, diese Uebercorrection durch hinter den Convexlinsen anzubringende Cylindergl\u00e4ser zu corrigiren. Es ergab sich jedoch eine bei Weitem, einfacher\u00a9 L\u00f6sung, bei welcher jede einzelne Lupe f\u00fcr verschieden\u00a9 Untersucher verwendbar bleibt, n\u00e4mlich; die Uebercorrection des Astigmatismus des Auges durch jenen der Lupeelinsen dadurch zu corrigiren, dale eine zweit\u00a9 Neigung der Lupenlinsen im verticalen Sinne vorgenommen wird.\nAls Beispiel hierf\u00fcr will ich das Exemplar meiner binocu-l\u00e4ren Lupe anf\u00fchren, welches Herr Prof. Lippmann in meinem Namen4 * in der Pariser Akademie der Wissenschaften demon-strirte. Dasselbe hat ein\u00a9 Brennweite von -f- 10 D ; die astigmatische Wirkung ist bei derselben = 1jn ihres Brechwerthes, mithin =* % D, der st\u00e4rkst brechende Meridian derselben ist horizontal gelagert. Bei meinen Augen besteht ein Astigmatismus nach der Regel von 1/4 D, der mithin durch dies\u00a9 Lupe \u00fcbercorrigirt und in einen Astigmatismus gegen die Regel von % D umgewandelt wird, den ich an Proben zur Untersuchung auf Astigmatismus, wenn ich durch meine Lupe blicke, auch nachweisen kann; letzterer Astigmatismus wird durch ein\u00a9 ganz geringe verticale Drehung der Lupe in tadelloser Weise corrigirt.\n1 Nordenson, Annales <VOculistique (Mars, Avril). 1883.\n3\tKnapp, Transactions of the American Ophthalmological Society. 1892.\n1 Stricher, Beitrage zur Physiologie und Pathologie der Hornhaut. Wiesbaden 1896.\n4\tE. Berger, Comptes Rendus de l'Academie des Sciences (20. November).\nParis 1899.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen.\n59\nIn den meisten F\u00e4llen gen\u00fcgt es, nur den Astigmatismus des haupts\u00e4chlich beim binocul\u00e4ren Sehen in Verwendung kommenden Auges (\u0153il directeur, Tscheening *) zu corrigiren ; man kann aber auch beiden Linsen eine dem Astigmatismus jedes Auges entsprechend verschiedene Verticalneigung geben und in dieser Weise wird die neue binocul\u00e4re Lupe zu einem Pr\u00e4cisionsinstrumente, welches den individuellen Astigmatismus des Untersuchers, falls derselbe einen gewissen Grad nicht \u00fcberschreitet, corrigirt. Im Falle der Astigmatismus des Auges gr\u00f6fser und entgegengesetzt jenem der Lupenlinsen ist, hat man ein Cylinderglas hinter dem letzteren anzubringen, dessen Brechwerth der Differenz beider entspricht. Besteht beim Untersucher ein Astigmatismus gegen die Regel (st\u00e4rkst brechender Meridian horizontal), so wird das comgirende Cylinderglas durch die Addition des Astigmatismus des Auges und jenes der Lupenlinsen gefunden. In gleicher Weise erfolgt die Correction durch Cylindergl\u00e4ser in den gleichfalls sehr seltenen F\u00e4llen von Astigmatismus mit schr\u00e4ge gerichteten Hauptmeridianen.\nDie st\u00e4rkste Neigung, welche ich den Lupenlinsen im horizontalen Meridiane gebe, betr\u00e4gt 15\u00b0; der durch diese Neigung hervorgerufene Unterschied im Brechwerthe des horizontalen und des verticalen Meridianes betr\u00e4gt nur Vis des Brechwerthes der Linsen. Man kann allerdings durch eine st\u00e4rkere Neigung der Linsen auch die astigmatische Wirkung derselben betr\u00e4chtlich steigern. Swan Bubnktt , insbesondere aber Monotee, Professor der Physik an der Medicinischen Facult\u00e4t in Lyon, empfehlen, offenbar aus theoretischen Gr\u00fcnden, die Anwendung derartiger stark geneigter Linsen zur Correction h\u00f6herer Grade von Astigmatismus. Letzterer f\u00fchrt als Beispiel eine Neigung von 45\u00b0 an. Im Sprechzimmer des Arztes mag beim Versetzen derartiger Linsen sich eine Besserung f\u00fcr die Sehsch\u00e4rfe des hochgradig astigmatischen Auges ergeben, aber nicht beim t\u00e4glichen Gebrauche derselben. Denn, wenn z. B. das rechte Auge so corrigirt w\u00e4re, dafs die Neigung der Linse von der Nasenseite nach vorn und schl\u00e4fenw\u00e4rts gerichtet ist, so wird bei der Bewegung beider Augen nach rechts das rechte Auge neben dem Glase nach aufsen blicken; bei der Blickrichtung beider Augen\n1 Tschernihg, Optique physiologique. S. 288. Paris 1898.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nEmil Berger.\nnach links hingegen wird die Neigung des Brillenglases zur Gesichtslinie bei Weitem geringer und mithin wird der Astigmatismus in dieser Stellung nicht mehr vollst\u00e4ndig corrigirt sein. Bei der Parallelstellung der Sehlinien wird, insbesondere im Freien, eine so stark schief geneigte Linse an ihrer hinteren Fl\u00e4che ein Reflexbild von den umliegenden Gegenst\u00e4nden entwerfen, welches dem Sehen dieses Auges weit mehr hinderlich ist, als der un-corrigirte Astigmatismus. Praktisch haben sich daher stark geneigte Brillengl\u00e4ser, die zur Correction von Astigmatismus in Amerika und England versucht wurden, nicht bew\u00e4hrt.\nAm empfehlenswerthesten halte ich es, bei der ersten Untersuchung mit meiner Lupe sich mit der Frage des pers\u00f6nlichen Astigmatismus des Untersuchers und seiner Correction durch den Lupenastigmatismus nicht zu befassen; zumeist bedarf es erst der Aufmerksamkeit des Untersuchers, um bei der Lupenuntersuchung astigmatische Erscheinungen an geeigneten Proben nachzuweisen und gelingt es in wenigen Minuten, die Steilung der Lupe zu finden, bei welcher der Untersucher in einer tadellosen Weise die feinsten Proben auf Astigmatismus besichtigen kann, ohne letzteren nachweisen zu k\u00f6nnen.\nWichtiger ist es, keine Convergenz- oder Accommo-dationsanstrengungen beim Beobachten mit meiner Lupe zu machen. Man blicke durch die Lupengl\u00e4ser nach abw\u00e4rts, als w\u00fcrde man in der Tiefe einen Gegenstand suchen, n\u00e4here dann langsam ein geeignetes Object, z. B. das R\u00e4derwerk einer Taschenuhr, oder aufgefaserte Watte, bis dasselbe im Focus erscheint. Man sieht dann pl\u00f6tzlich das Bild in grofser Klarheit Hat man den Gegenstand zu stark gen\u00e4hert, so erscheint derselbe doppelt; man mufs mithin dann denselben wieder entfernen, bis derselbe einfach gesehen wird. Das Betrachten eines nahen Gegenstandes, ohne die Sehlinien stark convergiren zu lassen, ist einzelnen Beobachtern im Beginne etwas schwierig, wird jedoch rasch erlernt. Von einzelnen Gelehrten erhielt ich z. B. die Mittheilung, dafs die erste Untersuchung mit meiner Lupe dieselben etwas erm\u00fcdet h\u00e4tte, dieses \u201eErm\u00fcdungsgef\u00fchl\u201c sei jedoch nach \u201eerlernter\u201c Lupenarbeit nie mehr vorgekommen. Die ersteren Schwierigkeiten bestehen eben, wenn dieselben, was sehr selten ist, Vorkommen, nur in der Noth wendigkeit der Unterlassung \u00fcberfl\u00fcssiger Convergenz-anstrengungen.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber stereoskopische Lupen und Brillen.\n61\nDie Bilder, welche vom untersuchten Gegenst\u00e4nde f\u00fcr jedes Auge von den Lupenlinsen entworfen werden, sind desto mehr schl\u00e4fenw\u00e4rts deplacirt und desto mehl* von einander verschieden, je k\u00fcrzer di\u00a9 Brennweite derselben ist. Erster\u00a9 Erscheinung erkl\u00e4rt, warum lange andauerndes Beobachten mit der neuen Lupe ohne Convergenz-anstrengung m\u00f6glich ist. Auf der letzteren Erscheinung, der starken Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder, beruht der starke stereoskopische Effect, die verfeinerte Wahrnehmung der geringsten Details des Beliefs der untersuchten Gegenst\u00e4nde. Die beiden Netzhautbilder sind so sehr von einander verschieden, als sie w\u00e4ren, wenn unser\u00a9 beiden Augen weiter von einander entfernt w\u00e4ren, als sie es wirklich sind.\nH\u00e4tte z. B. der untersuchte Gegenstand (vergl. Fig. 2) di\u00a9 Form einer Kugel, so wird das link\u00a9 Auge die Kugelh\u00e4lfte ggu das rechte Auge hingegen die Kugelh\u00e4lfte r rt sehen ; mithin erh\u00e4lt ein Sehorgan, dessen Pupillenabstand P ist, so sehr von \u00a9mander verschiedene Bilder, als w\u00fcrde ein Sehorgan mit dem Pupillenabstand Ps diese Kugel in dem Kreuzungspunkte der Linien BA1 und GA% sehen.\nDie verfeinerte Relief Wahrnehmung macht sich j \u00a9doch erst nach einiger U e b u n g geltend. Das Gehirn mufs erst die Beurtheilung der feineren Re 1 i ef u n ter sei: ie de aus der gr\u00f6fseren Verschiedenheit der Netzhautbilder erlernen. Eine Reihe von Gelehrten, welchen ich meine Lupe demonstrate, waren davon \u00fcberrascht, dafs sie nach einigem Gebrauche derselben Details an den untersuchten Gegenst\u00e4nden erkannten, welche ihnen bei der ersten Untersuchung entgangen waren. Herr Prof. Lifpmann demonstrate diese ungemein interessante Erscheinung in der Pariser Akademie der Wissenschaften an verschiedenen Papierproben, Nach einigen Untersuchungen erscheint selbst das glatteste Papier mit einer grofsen Anzahl von ungleichm\u00e4fsigen Unebenheiten versehen.\nZumeist erfolgt das Erlernen der Wahrnehmung der feinsten * Relief unterschiede ziemlich rasch ; doch zeigen sich hierbei zahlreiche individuelle Verschiedenheiten. Im Allgemeinen nehmen Myopen, in deren Sehorgan aus Anlafs der gr\u00f6fseren Ann\u00e4herung der Gegenst\u00e4nde zwei st\u00e4rker verschiedene Netzhautbilder der letzteren entworfen werden, als bei Emmetropen viel rascher","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nEmil Berger.\nmit meinen Lupen ein sehr feines Relief wahr, als Emmetropen und Hypermetropen. Selbstverst\u00e4ndlich vergleiche ich einen Myopen von 5 i), der mit einer Lupe von -f- 10 D untersucht, bei meinen Untersuchungen mit einem Emmetropen, welcher mit einer Lupe von + 15 D untersucht. Diejenigen, welche stereoskopische Fernrohre zu ben\u00fctzen pflegen, deren Gehirn mithin an die Beurtheilung des Reliefs durch Darstellung sehr stark verschiedener Netzhautbilder gew\u00f6hnt ist, machen mit meinen Lupen sofort oder nach sehr kurzerUebung Beobachtungen, die eine ungemein verfeinerte Relief Wahrnehmung beweisen.\nNach einer Reihe von Untersuchungen von verschiedenen Pulversorten, Papierproben, abgestempelten Postmarken u. dgl. m. wird z. B. von vielen Beobachtern wahrgenommen, dafs in der englischen Postkarte der Stempel durch eine ungemein feine Schichte von holzigem Papier von der Marke getrennt ist; auf manchen geographischen Karten erscheinen die Linien an den Ueberkreuzungsstellen k\u00f6rperlich u. dergl. m.\nNach den Untersuchungen der Herren Dr. Guillaume, Director des Internationalen Bureaus f\u00fcr Maafs und Gewicht und Paul und Prosper Henry, Astronomen der Pariser Sternwarte, lassen sich mit meiner Lupe von Ge\u00fcbten Niveauunterschiede von V\u00bbo bis 7,00 mm deutlich wahmehmen, mithin Unterschiede, welche fr\u00fcher nur mittels mikroskopischer Untersuchung an Schnittpr\u00e4paraten m\u00f6glich waren.\nVon grofsem theoretischen Interesse sind die Ergebnisse der Untersuchungen \u00fcber die Beurtheilung relativ gr\u00f6fserer Distanzen mit meinen Lupen. L\u00e4fst man n\u00e4mlich einen Untersucher, der mit Lupen nicht zu arbeiten gew\u00f6hnt ist, rasch mit einer Pincette einen (nicht von ihm selbst) im Focus gehaltenen Gegenstand, dessen Gr\u00f6fse ihm nicht bekannt ist, z. B. ein Papierst\u00fcckchen, fassen, so f\u00fchrt derselbe die Pincette zumeist hinter den Gegenstand. In Folge der geringen Convergenz-anstrengung, welche die Lupenuntersuchung erfordert, wird die Entfernung des Gegenstandes gr\u00f6fser gesch\u00e4tzt, als sie wirklich ist. W\u00e4hrend also die feinsten Niveaudifferenzen durch die grofse Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder auf das Genaueste beurtheilt werden, sch\u00e4tzt man die relativ gr\u00f6fseren Distanzen durch das Innervationsgef\u00fchl der n\u00f6thigen Convergenzstellung. Es kann, wie obiger Versuch beweist,","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Uebet' stereoskopische Lupen und Brillen.\n63\nunser Urtfaeil \u00fcber die feinsten Niveaudifferenzen eine erhebliche Steigerung erfahren und wir \u00fcber relativ gr\u00f6fsere Distanzen mangelhaft orientirt sein.\nIch hatte obigem Versuche eine so grofse Bedeutung beigemessen, dafs ich die Fabrikanten meiner Apparate an wies, auf den Gebrauchsanweisungen anzuempfehlen, Werkzeuge, di\u00a9 zur Arbeit dienen, ohne die Lupe zum bearbeiteten Objecte mit freiem Auge zu bringen und dann erst mit der Lupenarbeit zu beginnen.\nAllein ich hatte die Bedeutung der Convergenz f\u00fcr die Be-urtbeilung der Entfernung \u00fcbersch\u00e4tzt. Auf zahlreiche Anfragen, ob bei dem Einf\u00fchren von Instrumenten w\u00e4hrend der Lupen-untersuchung nicht im Beginne Schwierigkeiten beobachtet wurden, wurde mir von allen Seiten \u25a0\u2014\u25a0 und mir sind hier insbesondere die Aussagen der Schweizer Uhrenindustriellen, die ich aus Anlafs der Weltausstellung hier sah und welche mir mit grofser Offenheit ihre Erfahrungen bei der Anwendung meiner Lupen in ihren Fabriken mittheilten, sehr maafsgebend \u2014 mit-getheilt, dafs dies nicht der Fall sei Thats\u00e4chlich konnte ich in meiner Gegenwart den Director einer Uhrmacherschule, \u00a9inen Delegirten eines Staates, welcher zum Studium der Uhrenindustrie auf der Weltausstellung hier war, einen Medailleur u. A., welche meine Lupe zum ersten Male anwandten,\u2019 sofort ohne Schwierigkeit mit derselben arbeiten sehen. Abgesehen von dem Muskelgef\u00fchl, welches den Arbeiter, wenn er das Object in der Hand h\u00e4lt, \u00fcber dessen, Entfernung orientirt, kommt hier auch die Beurtheilung der letzteren aus der scheinbaren Gr\u00f6fse desselben wesentlich in Betracht. Letzter\u00a9 ist allein maafsgebend bei.den Arbeiten (z. B. jener des oben genannten Medailleurs), bei welchen der Gegenstand nicht in der Hand gehaltenSwird. Da der Uhrmacher, der Graveur u. der gl. m. aus der langj\u00e4hrigen Erfahrung mit der monocul\u00e4ren Lupe die Sch\u00e4tzung der relativ gr\u00f6fseren Distanzen aus der scheinbaren Gr\u00f6fse, welche der mit seiner Lupe vergr\u00f6fserte Gegenstand darbietet, l\u00e4ngst zu beurtheilen gelernt hat, so hat die Beurtheilung derselben durch das Innervationsgef\u00fchl der Convergenz kein\u00a9 Bedeutung rnehr. Dafs die Beurtheilung der Entfernung eines Gegenstandes durch dessen scheinbare Gr\u00f6fse sehr erleichtert wird, wenn dessen Gr\u00f6fse bekannt ist oder mit jener eines","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nEmil Berger.\ndaneben befindlichen Gegenstandes verglichen werden kann, ist l\u00e4ngst bekannt.\nIn dieser Weise erkl\u00e4re ich mir auch, dafs Naturforscher, welche mit meinen Lupen arbeiten, auch ohne durch di\u00a9 Con-vergenzinnervation richtig \u00fcber die Entfernung des untersuchten Gegenstandes orientirt zu sein, sehr geschickt pr\u00e4pariren (Prof. Ramon y Cajal und Naturforscher, \u00fcber welche Prof. IIaltkn-boff mir berichtete), dafs Augen\u00e4rzte mit meinen Lupen Fremdk\u00f6rper aus der Cornea entfernen (Prof. Haltenhoff, Genf) oder feinere Operationen, wie die Extraction des Nachetaares mit denselben ausf\u00fchren (Primararzt Dr. Adler, Wien).\nEs kommt jedoch nicht nur eine Urtheilst\u00e4uschung in Betreff der Entfernung bei richtig beurtheilter Gr\u00f6fse des untersuchten Gegenstandes beim ersten Gebrauche mit meinen Lupen vor, sondern es kann auch umgekehrt die Entfernung mit meinen Apparaten richtig beurtheilt werden, aber der Gegenstand als gr\u00f6fser gesch\u00e4tzt werden. Letztere Erscheinung beobachtete ich insbesondere bei Leuten, welche meine stereoskopischen Brillen, auf welche ich sp\u00e4ter zu sprechen kommen werde, ben\u00fctzen; z. B. constatirte Herr Dr. de Christmas (vom Institut Pasteur in Paris), dafs er mit stereoskopischen Goncav-brillen, welche genau dieselbe Nummer haben, als jene, welche er stets bisher ben\u00fctzt hatte, die Gegenst\u00e4nde nicht so stark verkleinert sehe, als mit letzteren.\nJedenfalls empfehle ich Allen, welche meine stereoskopischen Lupen ben\u00fctzen wollen, zuerst das Beobachten mit denselben und dann das Arbeiten mit denselben zu erlernen. Beides geschieht sehr rasch. Ueber die bisherigen praktischen Erfahrungen bei der Anwendung der stereoskopischen Lupen in den verschiedenen Zweigen der Wissenschaft, der Kunst und der Industrie habe ich in einer Monographie1 eingehend berichtet\nF\u00fcr die Beurtheikmg der Sch\u00e4digung des Sehens bei Ein\u00e4ugigen ergiebt sich aus obigen Beobachtungen, dafs denselben die Bef\u00e4higung der Wahrnehmung der feinsten Niveauverschiedenheiten durch die Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder (stereoskopisches Sehen), sowie die Sch\u00e4tzung gr\u00f6fserer Distanzen durch die Innervationsgef\u00fchle der Convergenz fehle.\n1 E. Berger, Loupe binoculaire simple et lunette st\u00e9r\u00e9oscopiques. Paris, Schleicher fr\u00e8res, 1900.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen,\n65\nSie k\u00f6nnen jedoch, wie u. A, Reimab 1 nachgewiesen hat, durch die parallactische und perspectivische Verschiebung das Erkennen von Niveaudifferenzen verbessern und k\u00f6nnen aus der scheinbaren Gr\u00f6fse der gesehenen Gegenst\u00e4nde die relativ gr\u00f6fseren Entfernungen beurtheilen. Inwieferne die beiden letzteren H\u00fclfs-mittel, welche durch Uebung jedenfalls eine erh\u00f6hte Bedeutung erlangen, den Verlust der beiden anderen so wichtigen Behelfe f\u00fcr das richtige k\u00f6rperliche Sehen, theilweise zu ersetzen im Stande sind, mufs f\u00fcr jede Berufsart und selbst mit R\u00fccksicht auf die individuellen Anlagen des Ein\u00e4ugigen verschieden be-urtheilt werden.\nDie Beurtheilung des Reliefs aus der Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder desselben Gegenstandes ist eine Function der h\u00f6heren corticalen Centren. Es scheint, dafs nur die centralen Theile des Gesichtsfeldes beider Augen beim stereoskopischen Sehen in Betracht kommen. Eine Reihe von F\u00e4llen von Centralscotom oder Ver\u00e4nderungen in der Macula lutea, welche ich mit meinen Lupen pr\u00fcfte, ergab, dafs die Untersuchten verschiedenere Bilder f\u00fcr jedes Auge, wie ohne die Lupe hatten; dieselben konnten jedoch keinen vermehrten stereoskopischen Effect mit derselben erhalten. Unter den von mir Untersuchten befanden sich auch ein Mitglied des Franz\u00f6sischen Institutes und ein sehr bekannter Landschaftsmaler. Letzterer konnte auch mit stereoskopischen Fernrohren keine gesteigerte Reliefwirkung erhalten. Ersterer kann seit Jahren zum Lesen von Handschriften nur die paracentralen Netzhautstellen, sei es des einen, sei es des anderen Auges verwenden.\nAllein auch bei ganz normalem peripheren Sehorgane kann der starke stereoskopische Effect meiner Lupe fehlen, sei es, dafs das Gehirn die Beurtheilung des Reliefs aus der Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder nicht erlernt hat, sei es, dafs dieselbe durch Functionsst\u00f6rungen der h\u00f6heren corticalen Centren verloren wurde.\nIn ersterem Sinne erkl\u00e4re ich mir eine allerdings geringe Anzahl von Gelehrten, welche mit meiner Lupe keine vermehrte Reliefwirkung erhalten. Ich sehe hier selbstredend von den F\u00e4llen ab, in welchen in Folge von lange andauerndem Gebrauche eines monocul\u00e4ren Instrumentes das Netzhautbild eines\n1 Kkimah. loc. cit. Zeitschrift f\u00e4r Psychologie 25.\n5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"60\nEmil Berger.\nAuges psychisch unbeachtet bleibt. Solche Leute beurtheilen das Relief gem\u00e4fs der Ueberkreuzung der Conturen oder der Schlagschatten.\nBei einer Anzahl von Hysterischen, sowie in einem Fall\u00a9 von beginnender progressiver Paralyse konnte ich gleichfalls mit meiner stereoskopischen Lupe keinen vermehrten Reliefeffect hervorrufen ; Neurastheniker hingegen hatten mit derselben \u00a9ine sehr gesteigerte Reliefwahrnehmung.\nDie Bef\u00e4higung der Beurtheilung des Reliefs ist bei Hysterischen auch f\u00fcr die Tastempfindung nicht selten gest\u00f6rt (Clapar\u00e8de 1 * * *). Sehr interessant sind auch die F\u00e4lle von Hysterie, in welchen im. Stereoskope Druckschrift gelesen, aber zwei Bilder, welche k\u00f6rperliches Wahrnehmen erfordert, nicht vereinigt werden konnten.8 Es fehlt mithin bei manchen Hysterischen die F\u00e4higkeit der Wahrnehmung des Reliefs und da die zwei verschiedenen Bilder eines Gegenstandes nicht zur Beurtheilung der k\u00f6rperlichen Beschaffenheit desselben verwandt werden k\u00f6nnen, so wird das Bild eines Auges psychisch unterdr\u00fcckt.\nDas Gesichtsfeld der stereoskopischen Lupe ist selbstverst\u00e4ndlich gr\u00f6fser, als jenes einer monocul\u00e4ren Lupe von gleicher Brennweite. Das beiden Augen gemeinsame Gesichtsfeld ist verh\u00e4lt-nifsm\u00e4fsig sehr grofs (vergL Fig. 2, agx), es wird jedoch um so kleiner, je k\u00fcrzer die Brennweite der angewandten Linsen ist. Es k\u00f6nnen jedoch binocular\u00a9 stereoskopische Lupen nach meinem Systeme mit allen allgemein in der Wissenschaft, der Kunst und der Industrie gebr\u00e4uchlichen Brennweiten construirt werden.\nDie neu\u00a9 Lupe beh\u00e4lt -mithin die Brennweite, den Arbeitsabstand und die Vergr\u00f6fserung der bisher \u00fcblichen Lupen bei; ihr Gesichtsfeld ist gr\u00f6fser, als jenes der letzteren; sie erm\u00f6glicht die gleichzeitige Verwendung beider Augen bei der Arbeit, giebt einen vermehrten stereoskopischen Effect, gestattet eine lang andauernde Untersuchung ohne Convergenzanstrengung; die Ueberan-strengung des \u00a9inen allein bei der Arbeit ben\u00fctzten Auges, die Erm\u00fcdung des Schliefsmuskels der Lider des anderen nicht zur\n1 Clapar\u00e8de, Interm\u00e9diaire des Biologistes. 1899.\n* N\u00e4heres hier\u00fcber in. meiner im Druck befindlichen Abhandlung der\nEncyclop\u00e9die fran\u00e7aise \u00e0'Ophtalmologie von Lagrange und Valubk. T. II.\n'Paris, Doin.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen.\n67\nArbeit verwandten Auges, sowie die Sch\u00e4digung des binocul\u00e4ren Sehens in Folge anhaltender Nichtben\u00fctzung eines Auges entfallen bei der neuen Lupe, welche auch in der grofsen Mehrzahl der F\u00e4lle den Astigmatismus des Auges des Untersuchers zu comgiren gestattet.\nWie der in Fig. 2 dargestellte Gang der Lichtstrahlen er\u00bb giebt, unterscheidet sich meine neue Lupe wesentlich vom Stereoskope. W\u00e4hrend das Letztere zwei Abbildungen eines Gegenstandes zu einem gemeinsamen Bilde vereinigt, welches diesen Gegenstand k\u00f6rperlich darstellt, wenn diese Abbildungen verschieden sind, entwirft meine Lupe von einem Gegenst\u00e4nde zwei verschiedene Bilder, je eines f\u00fcr das rechte und f\u00fcr das linke Auge. Das Stereoskop giebt dem Beobachter die Illusion eines Reliefs, das nicht besteht, w\u00e4hrend meine Lupe nur das wirklich bestehende Relief zur Ansicht bringt. An Photographien z. B. sieht man mit der stereoskopischen Lupe die Unebenheiten des Papiers und der Silbemiederschl\u00e4ge, weshalb dieselbe auch von Astronomen zur Untersuchung von photographischen Aufnahmen des Sternenhimmels mit Erfolg ben\u00fctzt wird, da sich deutlich mittels derselben ergiebt, ob ein heller Punkt der Photographie einem Fehler des Papiers oder einem Sterne geringerer Gr\u00f6fse entspricht.\nDie Untersuchungen mit meiner Lupe ergeben beim Untersucher schliefslich eine Besserung der Reliefwahrnehmung auch ohne Ben\u00fctzung derselben; dies konnte ich z. B, an mir selbst constatiren; bei mir hatte wahrscheinlich in Folge langj\u00e4hrigen Mikroskopirens das Reliefsehen gelitten. Auch Uebungen mit dem Stereoskope, wenn die Besichtigung von Reliefunterschiede darstellenden Abbildungen mit demselben vorgenommen werden, haben eine Besserung der RehefWahrnehmung zur Folge. Herr Rozat-Sandoz, Uhrenindustrieller im Locle (Schweiz), theilte mir mit, dafs er und einzelne seiner Collegen regelm\u00e4fsig derartige Uebungen mit stereoskopischen Ansichten vornehmen und eine Besserung der durch das anhaltende Arbeiten mit der mon-ocul\u00fcxen Lupe abgeschw\u00e4chten Reliefwahrnehmung durch dieselben constatiren konnten.\nDas Betrachten von Photographien mit der stereoskopischen Lupe giebt allerdings, .ebenso wie mit den grofsen zum Besichtigen von photographischen Abbildungen verwandten Convexlinsen, einige Illusion des Reliefs, die jedoch nie so deut-\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nEmil Berger.\nlieh ist, wie beim Stereoskope. Es werden n\u00e4mlich mit beiden Apparaten nur in der Mittellinie gelegene Theile der Photographie zwei ganz identische Bilder in beiden Augen her-vorrufen, f\u00fcr alle nach rechts oder nach links von der Mittellinie gelegenen Theile der Photographie erh\u00e4lt jedes Auge Bilder, welche um so verschiedener von einander sind, je k\u00fcrzer der Focus der Linse ist. Das Undeutlichwerden der peripheren Theile der Photographie in Folge der sph\u00e4rischen Aberration der angewandten Linsen mag wohl mit zur Illusion des Reliefs beitragen, indem dadurch Verh\u00e4ltnisse geschaffen werden, wie sie unser peripheres Gesichtsfeld darbietet.\nDie stereoskopische Lupe wird in zwei verschiedenen Formen hergestellt. F\u00fcr wissenschaftliche und technologische Untersuchungen sind die decentrirten geneigten Linsen in die vordere Wand einer Dunkelkammer eingef\u00fcgt (Fig. 3), welche nach hinten offen ist und daselbst mit ihrem Rande sich den Unebenheiten der Stirn, Schl\u00e4fe, Wange und Nase des Untersuchers m\u00f6glichst anschmiegt. Die Lupe wird bei Untersuchungen in einer Hand gehalten ; f\u00fcr die Benutzung zu Arbeiten ist dieselbe mittels eines Bandes am Kopfe befestigt oder mit einem Fufs-gestelle versehen.\nFig. 3. Stereoskopische Lupe.\nF\u00fcr Berufsarten, wie Uhrmacher, Miniaturmaler u. dgl. m., welche eine h\u00e4ufige Unterbrechung der Lupenuntersuchung bei der Arbeit erfordern, ist es praktischer, die gleichen Linsen in","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen.\n69\nder Fassung einer Brille oder eines Kneifers zu verwenden (Fig. 4). Die angewandten Linsen haben eine geringe Gr\u00f6fse,\nFig. 4. Lupenbrille.\nA\nFig. \u00d4.\nSchema des Strahlenganges der stereoskopischen Concav-brillen f\u00fcr die N\u00e4he.\nwelche aber gen\u00fcgt, damit der Uhrmacherjreichlich das Gesichtsfeld einer Taschenuhr erhalte. Beim Blicke nach abw\u00e4rts sieht der Beobachter den Gegenstand durch die Lupengl\u00e4ser ver-gr\u00f6fsert, beim Blicke \u00fcber die Lupe hinweg ist der gr\u00f6fsere Theil des Gesichtsfeldes f\u00fcr die Arbeit ohne Lupe frei.\nDie Convexbrille f\u00fcr die N\u00e4he ist nichts. Anderes, als eine binocul\u00e4re Lupe von gr\u00f6fserer Brennweite und ' so war es denn naheliegend, auch f\u00fcr erstere durch die Anwendung de-centrirter und geneigter Convexlinsen dieselben Vortheile, welche die stereoskopische Lupe darbietet, n\u00e4mlich der Verminderung der\nanzuwenden.\nAuch decentrirte zu einander geneigte. Concavgl\u00e4ser geben analoge Resultate der verminderten C on verge n z anstr eng\u00fcng und des gesteigerten stereoskopischen Effectes.. Wie aus dem., Schema des Strahlenganges (Fig. 5) zu entnehmen ist, entwerfen.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nEmil Berger.\nderartige Concavgl\u00e4ser von einem nahe gelegenen Gegenst\u00e4nde A je ein aufrechtes, virtuelles und n\u00e4her (als der Gegenstand) gelegenes, verkleinertes Bild (A, und A^) f\u00fcr jedes Auge. Da diese Bilder auf identische Netzhautstellen (M) fallen, so werden dieselben im Gehirn als einem Gegenst\u00e4nde angeh\u00f6rig wahrgenommen. Die abducirende Wirkung, sowie der stereoskopische Effect sind desto st\u00e4rker, je k\u00fcrzer die Brennweite der Concavgl\u00e4ser ist. Aus dem bereits fr\u00fcher aus Anlafs der Convexgl\u00e4ser auseinandergesetzten Grunde ist die Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder des beobachteten Gegenstandes so grofs, als w\u00fcrde die Beobachtung mittels eines Sehorganes mit vergr\u00f6fsertem Pupillenabstande (Ps) vorgenommen werden.\nEine Reihe von auf dem Gebiete der Optik th\u00e4tigen Fachm\u00e4nnern (Myopen), wie die Herren Paul und Prosper Henry (Pariser Sternwarte), Jarret (Fabrikant optischer Apparate) ul \u00c0. waren von dem starken stereoskopischen Effecte derartiger Con-cavbrillen \u00fcberrascht.\nIn ca. 250 F\u00e4llen habe ich stereoskopische Brillen f\u00fcr die Nahearbeit anwenden lassen und haben die bisherigen Resultate die grofsen Vortheile derselben im Vergleiche z^ der bisher \u00fcblichen Brille f\u00fcr die N\u00e4he ergeben. Unangenehme Erscheinungen traten bei der Anwendung der ersteren \u00fcberhaupt nicht auf. Eine St\u00f6rung durch Reflexbilder der hinteren Fl\u00e4che der Linsen kommt wegen der relativ geringen Neigung der Linsen nicht vor.\nDer Vortheil der verfeinerten Relief Wahrnehmung wird manchmal erst nach einige Zeit dauernder Anwendung der stereoskopischen Brillen constatirt ; die Vortheile der verminderten Convergenzanstrengung bei der Nahearbeit machen sich bei st\u00e4rkeren Gl\u00e4sern sofort geltend, bei der Anwendung von schw\u00e4cheren Linsen wird angegeben, dafs eine l\u00e4ngere An\u2022 dauer der Arbeit mit denselben ohne Erm\u00fcdungsgef\u00fchl m\u00f6glich sei, als mit den bisher angewandten Brillen.\nSelbstverst\u00e4ndlich werden in erster Linie K\u00fcnstler, Gelehrt\u00a9 und manche feinere Arbeiten erfordernde Berufsarten von einer gesteigerten Relief Wahrnehmung Vortheile ziehen. F\u00fcr gewisse Untersuchungen werden stereoskopische Lupen und Brillen unentbehrlich sein; z. B. f\u00fcr die Beurtheilung der Dick\u00a9 der Schichte, die bei Edelsteinen abzuschleifen ist Ein Fachmann erkannte erst mit meiner stereoskopischen Lupe, dafs auf","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"lieber stereoskopische Lupen und Brillen.\n71\neinem alten Bilde der Name des angeblichen Autors desselben \u00fcber einer Fimifsschichte auf getragen war.\nDie Verwendung stereoskopischer Brillen f\u00fcr di\u00a9 Presbyopie bringt mit dem Alter fortschreitend eine immer geringere Inanspruchnahme der Convergenz und eine Steigerung des stereoskopischen Effectes mit sich, wodurch das Erkennen der Formen der Gegenst\u00e4nde erleichtert wird. Beim Myopen kann durch die stereoskopische Wirkung \u00a9inigermaafsen das ersetzt werden, was er durch die Verkleinerung der Netzhautbilder durch die Concavgl\u00e4ser verliert. Viel wichtiger halte ich die starke Verminderung der Convergenz, welche es erm\u00f6glicht, bei hochgradiger Myopie auch f\u00fcr geringere Abst\u00e4nde, als gew\u00f6hnlich (33 cm) Nahebrillen in Anwendung zu bringen, ohne hierbei ein\u00a9 Erm\u00fcdung der Museuli recti interni zu verursachen.\nDen jetzt \u00fcblichen Brillen f\u00fcr die N\u00e4he haften zwei Fehler an, die bisher nicht die entsprechende Beachtung fanden, und welche bei den stereoskopischen Brillen vermieden werden.\nI Wir verlangen von jedem optischen Instrumente, dafs die Hauptebenen der dasselbe zusammensetzenden Linsen senkrecht zur Gesichtslinie stehen, und dafs letztere mit den optischen \u00c4xen dieser Linsen genau \u00fcbereinstimme.\nBei der Nahearbeit sind die Gesichtslinien nach abw\u00e4rts gerichtet und hat man l\u00e4ngst beobachtet, dafs Diejenigen, welche einen Kneifer bei der Nahearbeit verwenden, denselben desto mehr geneigt (zur Verticalen) auf setzen, je mehr der Blick nach abw\u00e4rts gesenkt wird. Dementsprechend gab man eine analoge Neigung den Linsen der Brille f\u00fcr die N\u00e4he. Amerikanische und englische Fabrikanten haben sogar Mechanismen ersonnen, welche gestatten, Brillengl\u00e4ser, welche gleichzeitig f\u00fcr die Feme und f\u00fcr die N\u00e4he verwendet werden, entweder vertical \u00a9der geneigt zu stellen.\nDa bei der Nahearbeit die Gesichtslinien convergiren, so stehen die jetzt \u00fcblichen Brillengl\u00e4ser nicht senkrecht zu letzteren; sie sind eigentlich schief gestellt und diese Schiefstellung steigert, wenigstens bei der Verwendung st\u00e4rkerer Linsen, den physiologischen Astigmatismus der grofsen Mehrzahl der menschlichen Augen.\nDie Untersuchung der Kr\u00fcmmungsverh\u00e4ltnisse der menschlichen Hornhaut ergaben (vgl. die Untersuchungen von Leboy1,\n1 Leboy, citirt bei E. Miyeb, Berne g\u00e9n\u00e9rale d'Ophtalmologie (7). 1890.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nEmil Berger.\nEd. Meyer1 * 3 und S\u00fclze\u00bb4 *\"), dafs der nasale horizontale Radius derselben den st\u00e4rksten Brechwerth aufweist, w\u00e4hrend letzterer im temporalen horizontalen Radius am schw\u00e4chsten ist; die Mittelwerthe ergaben sich f\u00fcr die beiden H\u00e4lften des verticalen Meridianes. Der Gesammtwerth des Brechwerthes des letzteren \u00fcbertrifft jedoch, wie bereits fr\u00fcher angegeben wurde, jenen des horizontalen Meridianes. Die Schiefstellung der menschlichen Linse corrigirt nur einen geringen Theil des Astigmatismus der Hornhaut (Tscherneno s).\nNeigt man ein Convexglas in gleichem Sinne, in welchem, die jetzt gebr\u00e4uchlichen Brillengl\u00e4ser f\u00fcr die N\u00e4he zur Gesichtslinie schief stehen, mithin im horizontalen Meridian von aufsen hinten nach vorn und innen, so wird dasselbe im nasalen Radius dieses Meridianes die st\u00e4rkste, im temporalen Radius die schw\u00e4chste Brechkraft haben. (Eine schief geneigte Linse hat an jenen Theilen die st\u00e4rkste Brechkraft, welche vom. Gegenst\u00e4nde am weitesten entfernt sind.) Mithin werden derartig geneigte Convexlinsen den Astigmatismus des menschlichen Auges steigern; die von mir angewandten Convexlinsen hingegen cor-rigiren, wie bereits fr\u00fcher erw\u00e4hnt wurde, denselben.\nVon diesen beiden Erscheinungen kann inan, sich leicht experimentell durch Beobachten von feineren Proben f\u00fcr di\u00a9 Untersuchung auf das Bestehen von Astigmatismus mit Linsen in diesen verschiedenen Neigungen \u00fcberzeugen.\nII. Wichtiger als diese relative Schiefstellung der jetzt \u00fcblichen Brillengl\u00e4ser f\u00fcr die N\u00e4he ist die f\u00fcr beide Augen ungleichm\u00e4fsige adducirende Wirkung derselben w\u00e4hrend des Lesens.\nWir wissen durch die Untersuchungen von Lamare4, d&fe beim Lesen einer Zeile 4 bis 5 saccad en artige Bewegungen von beiden Augen ausgef\u00fchrt werden und dafs am Ende jeder Saccade die Augen auf einen Punkt der Zeile eine bestimmte Zeit6 lang fixirt bleiben m\u00fcssen. W\u00fcrden unsere Augen gleichm\u00e4lsig \u00fcber\n1 Ed. Meyer, Revue g\u00e9n\u00e9rale d'Ophtalmologie (7). 1890.\n* Sulzer, in E. Javal, M\u00e9moires d'Ophtalmom\u00e8trie. Paris 1891.\n3\tTschernin\u00f6, loc. cit. S. 119.\n4\tLahare, Les mouvements des yeux pendant les lecture. Bulletin de\nla Soci\u00e9t\u00e9 fran\u00e7aise d\u2019Ophtalmologie 854. 1892.\n6 Dieselbe wird von Bea\u00fcnis (cit\u00eert bei La mark, loc. cit. S. 355) auf Ls einer Secunde gesch\u00e4tzt.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Ueher stereoskopische Lupen und Brillen.\n78\ndie Zeilen hin weggleiten, so w\u00e4re ein Erkennen der Buchstaben unm\u00f6glich, da eine gewisse Andauer des Netzhautbildes nothwendig ist, um einen Gegenstand zu erkennen. Die beim Lesen und Schreiben ausgef\u00fchrten saccadenf\u00f6rmigen Augenbewegungen sind coordinirte Bewegungen, bei welchen am Ende jeder Saccade (vgl. Fig. 6) die beiden Gesichtslinien genau in demselben Punkte der Zeile sich kreuzen m\u00fcssen.\nEs geht nun aus dem nebenstehenden Schema (Fig. 6) hervor, dafs beim Lesen mit den bisher \u00fcblichen, genau mit den\nU\nII, ui, IV, V, End punkte der Bewegung\u00bb saccade, beim Lesen ohne Brillengl\u00e4ser. \u2014 Ir und II, aufrechte virtuelle Bilder der Anfangsetelle 1 der mit genau mit den Pupillenmitten centrir ten Convexbrillen gelesenen Zeile.\nSchema der coordinirten Augenbewegungen w\u00e4hrend des\nLesens einer Zeile.\nPupillenmitten centrirten Oonvexgl\u00e4sern an jeder Endstelle der saccadenf\u00f6rmigen Bewegungen f\u00fcr jedes Auge verschieden starke prismatische Wirkungen des Brillenglases sich geltend machen. Es sei z. B. die gelesene Zeile, wie bei den meisten deutschen und franz\u00f6sischen Tagesbl\u00e4ttern, ungef\u00e4hr gleich dem Pupillenabstande, so wird am Beginne der Ze\u00fce die prismatische \"Wirkung des Convexglases des linken Auges Null,","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nEmil Berger.\njene des rechten Auges jedoch sehr stark sein; die virtuellen aufrechten Bilder von I werden f\u00fcr das linke Auge in 11, f\u00fcr das rechte jedoch in Folge der prismatisch adducirenden Wirkung des Convexglases in Ir liegen. Nur in der Mittellinie der Zeile (III) werden beide Convexlinsen eine f\u00fcr beide Augen gleich starke prismatische adducirende Wirkung haben.\nMan hat bisher die Beschwerden, welche insbesondere Convexgl\u00e4ser im Beginne oder auch anhaltend hervorrufen, irrtli\u00fcm-licherweise auf die eingewurzelten Beziehungen zwischen der Convergenz und der Accommodation zur\u00fcckf\u00fchren wollen. So erkl\u00e4rt dies z. B. Nagel indem er sagt, dafs der \u201eHypermetrop f\u00fcr alle Abst\u00e4nde zu stark accommodirt, und diese zu starke Accommodation bei der Nahearbeit wird nicht rasch auf gegeben\u201c (beim Gebrauche von Brillen). \u201eHyper metropen gew\u00f6hnen sich daher schwer an das Brillentragen.\u201c\nGegen diese Erkl\u00e4rung der Beschwerden, welche Brillen her-vorrufen, die in s\u00e4mmtlichen Handb\u00fcchern der Augenheilkunde ungef\u00e4hr so, wie bei Nagel, dargestellt wird, spricht die von Bonders 8 gefundene Thatsache, dafs f\u00fcr dieselbe Convergenz verschiedene Accommodationsanstrengungen m\u00f6glich sind (relative Accommodationsbreite) und umgekehrt f\u00fcr einen bestimmten Accommodationszustand ein gewisser Spielraum der Axeneon-vergenzen gestattet ist (relative Convergenzbreite).\nGegen die Richtigkeit der obigen Erkl\u00e4rung spricht ferner die Thatsache, dafs dieselben Beschwerden auch bei nicht oder nur in geringem Maafse accommodirenden Augen auftreten, z. B, bei Myopen, ja sogar in ganz auff\u00e4llig l\u00e4stiger Weise bei mit Accommodationsl\u00e4hmung behafteten Diabetikern sich manifestiren (Schmidt-Rimpler * * 8).\nDie Beschwerden, welche die bisher \u00fcblichen Brillen f\u00fcr die N\u00e4he hervorrufen, bestehen thats\u00e4chlich in einer St\u00f6rung der coordinirten Augenbewegungen beim Lesen, ganz analog jenen, die man auch ohne Brillen bei Tabes dorsalis beobachten kann. Die Kranken klagen dar\u00fcber, dafs sie mit den Brillen zwar gr\u00f6fser sehen, aber nicht lesen k\u00f6nnen, da ihnen die\n1 Nagel, in Geabfi und Sabmisch, Handbuch der Augenheilkunde.\nII. Band, S. 501.\n8 Dondbbs, Anomalies of the Refraction of the Eye. London 1869.\n* Schmidt-Rimplkr, Die Erkrankungen des Anges im Zusammenhang\u00a9 mit anderen Krankheiten. S. 367. 1898.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"U eher stereoskopische Lupen und Britten.\n75\nGegenst\u00e4nde vor den Augen verschwimmen, die Buchstaben sich durch einander bewegen, u. dgl. m. Bei Leuten, die genauerer Selbstbeobachtung f\u00e4hig sind, erf\u00e4hrt man, dafs w\u00e4hrend des Lesens Doppelbilder, insbesondere an den Endtheilen der Zeilen, auf treten. Man kann \u00fcbrigens sehr leicht durch Vorsetzen von starken Convexgl\u00e4sern sich selbst von dem Entstehen dieser Doppelbilder beim Lesen \u00fcberzeugen. Alle unangenehmen Erscheinungen der Brille f\u00fcr die N\u00e4he (insbesondere bei Convex-gl\u00e4sern), welche um so peinlicher sich bemerkbar machen, je st\u00e4rker die angewandten Linsen sind, lassen sich in dieser Weise am einfachsten erkl\u00e4ren.\nIn den ophthalmologischen Handb\u00fcchern heilst es, man m\u00fcsse sich erst nach und nach an den Gebrauch der Brillen gew\u00f6hnen, d. h. nach meiner Auffassung, der zur Nahearbeit Brillen Ben\u00fctzende muls erst neue coordinirte Augenbewegungen, welche die ungleichm\u00e4fsige prismatische Wirkung der Brillen an den einzelnen Stellen der gelesenen Zeile erfordert, erlernen.\nDafs das Erlernen dieser neuen coordinirten Augen be we-gungen nicht leicht, ja manchmal gar nicht gelinge, beweist die t\u00e4gliche Erfahrung. Stellwag1 z. B. empfiehlt \u201edie Brille Anfangs nur ganz kurze Zeit mit vielen Unterbrechungen gebrauchen und sogleich wieder weglegen zu lassen, sobald sich ein Gef\u00fchl von Unbehaglichkeit einstellt\u201c, giebt jedoch zu, dafs manchmal \u201enichts \u00fcbrig bleibe, als das corri gi reu de Glas mit Prismen von 2\u20143 \u00b0, Basis nach innen, zu combiniren, ohne dafs gerade in diesen F\u00e4llen eine Insuffioienz der Recti intern) vorl\u00e4ge\u201c.\nEine wie hohe Bedeutung den prismatischen Wirkungen der bisher \u00fcblichen Brillengl\u00e4ser zukommt, beweist die Erfahrung an Staaroperirten. Die letzteren beurthe\u00fcen Distanzen selbst schlechter als Ein\u00e4ugige (Scbitibt-Rimpleb 2), doch ist dies nicht der fehlenden Accommodation des Auges in Folge des Mangels der Linse zuzuschreiben, wie letzterer Autor annimmt, sondern dem Zusammenwirken mehrfacher Ursachen: der langj\u00e4hrigen Nichtben\u00fctzung des binocul\u00e4ren Sehens, der im Vergleiche zum\n1\tStellwao, Lehrbuch der Augenheilkunde. 8. 811.\n2\tSchmtot-Rimi'lbb, Deutsche Naturforscherversammlung 1899, Ophthal mologiache Section.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nEmil Berger.\nfr\u00fcheren Sehen gr\u00f6feeren Netzhautbilder und der beim Nahesehen adducirend-prismatischen Wirkung der Brillengl\u00e4ser. Aus beiden letzteren Gr\u00fcnden sch\u00e4tzt der Staaroperirte di\u00a9 Gegenst\u00e4nde im Beginne n\u00e4her, als sie wirklich sind; oft besteht ein\u00a9 gewisse Unsicherheit, insbesondere beim Gehen auf der Strafse,\nja es wurden sogar Erscheinungen von Schwindelgef\u00fchl u. dgl. m. beobachtet (Koni a stein * *).\nBei der Anwendung von decentrirten Linsen bei Brillen f\u00fcr die N\u00e4he treten diese Coordinationsst\u00f6run-gen der Augenbewegungen beim Lesen nicht auf. Es war jedenfalls ein grofses Verdienst Liebbbich\u2019s \u00ae\u00bb durch klinisch\u00a9 Erfahrungen die Vortheile derselben richtig erkannt zu haben, wenngleich ein\u00a9 theoretische Begr\u00fcndung der letzteren zur Zeits einer Untersuchungen \u00fcber dies\u00a9 Frage noch nicht m\u00f6glich war. Von den Ophthalmologen wurden die decentrir* ten Linsen fast gar nicht beachtet, jedoch in letzter Zeit deren Vortheile von einem Anatomen, Tkiepeu3, von Neuem richtig beur-theilt. Der Letztere hat\nFig. 7.\nSchema der Augenbewegungen beim Lesen mit stereoskopischen Convexgl\u00e4sern.\nhat insbesondere durch eingehende Berechnungen 'und durch schematische Darstellungen den Nachweis geliefert, dafs d e -\n1 K\u00f6mostein, Heber apkakischen Gesichteschwindel. Wiener Medicinische Presse (24). 1900.\n8 Liebreich, loc. cit\n\u2022 Twbpel, Ueber Decentriren bisphftrischer Linsen, v. Geabfk\u2019b Archiv f, Ophthalmologie 46 (2). 1898.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber stereoskopische Lupen und Britten.\n11\ncentrirte sph\u00e4risch\u00a9 Linsen, ganz besonders aber decen-trirte Conc&vgl\u00e4ser, der bisher \u00fcblichen Combination von sph\u00e4rischen Gl\u00e4sern mit Prismen vorzuziehen seien. Ich halte es daher f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig, Mer nochmals dies\u00a9 Frag\u00a9 aus einander zu setzen.\nInwiefern die von mir verwandten geneigten decentrirten Linsen im Vergleiche zu jenen, die Liebeeich und Tbiepel empfahlen, einen Fortschritt bedeuten, geht zur Gen\u00fcge aus meinen fr\u00fcheren Auseinandersetzungen hervor. Die st\u00e4rkere prismatische Wirkung und hierdurch der st\u00e4rkere stereoskopische Effect und die verminderte Inanspruchnahme der Convergenz, sowie die Vermeidung der Schiefstellung der Linsen zur Gesichts-linie rechtfertigen die Anwendung der ersteren.\nDas in Fig. 7 abgebildete Schema stellt den Mechanismus des Lesens mit stereoskopischen Convexbrillen dar. Von den einzelnen Theilen der gelesenen Zeile I, II bis V werden je ein aufrechtes und entfernter als die Zeile gelegenes Bild f\u00fcr das rechte (Ir) und das linke Auge (II) entworfen, welche um so mehr von einander entfernt liegen, j\u00a9 st\u00e4rker die prismatische Wirkung, welche wieder von der Brennweite der Linsen abh\u00e4ngt, ist Die Gesichtsinnen werden mithin nach einer weiteren Ent femung (1, 2 bis 5), als die scheinbare Lage der Zeile ist, con-vergiren.\nSo f\u00fchrten mich denn meine bescheidenen Versuche, die bisherig\u00a9 einfache Lupe durch ein bmocul\u00e4res stereoskopisches Instrument zu ersetzen, auf andere viel wichtigere Gebiete, welche eine gr\u00f6Caere Beobachtung verdienen, als ihnen bisher zu Th eil wurde.\n(.Eingegangen am 12. November 1900.)","page":77}],"identifier":"lit31425","issued":"1901","language":"de","pages":"50-77","startpages":"50","title":"Ueber stereoskopische Lupen und Brillen","type":"Journal Article","volume":"25"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:17.299081+00:00"}