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Eine Consequenz aus der Lehre vom psychophysischen Parallelismus

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{"created":"2022-01-31T16:29:20.532972+00:00","id":"lit31446","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pikler, Julius","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26: 227-230","fulltext":[{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Consequenz\naus der Lehre vom psychophysischen Parallelismus*\nVon\nDr. Julius Pikleb,\nProf, der Rechtsphilosophie an der Universit\u00e4t Budapest.\nIn seinem Aufsatze \u201eHaben die niederen Thiere ein Bewufst-sein?\u201c (24, 3. 4. dieser Zeitschr.) hat E. Stobch eine originelle Darstellung der Lehre vom psychophysischen Parallelismus gegeben, welche nach unserer Ansicht jeder Anh\u00e4nger dieser Lehre mit Freuden begr\u00fcfsen mufs. Auch zieht Storch auf den wenigen Seiten seiner Abhandlung einige hochwichtige Con* Sequenzen aus dieser Lehre und deutet andere an; und es ist nur zu bedauern, dafs in Folge der gedr\u00e4ngten Fassung dieser Folgerungen die Richtigkeit und die hohe Bedeutung derselben Manchen vielleicht nicht so einleuchtend sein wird, als dies bei einer ausf\u00fchrlicheren Behandlung der Fall w\u00e4re. Ich wage in den vorliegenden Zeilen aus derselben Auffassung der Lehre vom Parallelismus, zu welcher Storch sich bekennt, eine weitere, von ihm nicht festgestellte, Folgerung zu ziehen. Ich kn\u00fcpfe hierbei an die folgende Ausf\u00fchrung seines Artikels an:\n\u201eDas Bewufstsein ist n\u00e4mlich kein Zustand, sondern eine Ver\u00e4nderung. Es besteht nur, insofern es sich ver\u00e4ndert Denn das Einzige, was wir von der Materie wahmehmen, ist ihre Ver\u00e4nderung, die Bewegung, und ihr gehen die Ver\u00e4nderungen des Bewusstseins parallel Wie aber die Bewegung eines Punktes (die einfachste Form der Bewegung, gewissermaafsen das Element, aus dem sich alle verwickelteren Bewegungen ableiten) nur besteht insofern in jedem Momente die Summe der verflossenen Bewegung in dem augenblicklichen Orte des Punktes in potentia\nvorhanden ist 80 ist auch der einfachste Bewufstseinsvorgang\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nJulius Pikier.\ndadurch charakterisirt, d&fs bei jeder BewuTstseinsver\u00e4nderung der eben verflossene Bewufstseinszustand, die Summe aller vorhergehenden Ver\u00e4nderungen, mit anklingt, d. h. in potentia fortbesteht.\nMan kann sich von dieser Grundbedingung des Bewu\u00dftseins leicht an folgendem Beispiele \u00fcberzeugen. Betrachtet man den sich drehenden Secundenzeiger der Uhr, so wissen wir nur darum, dafs er sich bewegt, weil wir in jedem Momente die Reihe der fr\u00fcheren Stellungen im Bewufstsein haben. Eine Bewegung w\u00fcrden wir nicht wahmehmen k\u00f6nnen ohne Ged\u00e4chtnis.\nWir d\u00fcrfen also von der Materie behaupten, ihre Elementar-theilchen bewegen sich, insofern sie Object sind, sie ver\u00e4ndern ihr Bewufstsein, sofern sie Subject sind. Folglich besitzt die Materie ein Ged\u00e4chtnifs.\u201c\nIch behaupte nun, aus dieser Auffassung ergebe sich con-sequenterweise folgender Schlufs: Die von dem Ged\u00e4chtni\u00df der fr\u00fcheren Bewufstseinszust\u00e4nde begleiteten und durch dieses Ged\u00e4chtnis zu einer Einheit, und zwar zu der Einheit desselben Bewu\u00dftseins, desselben Ich\u2019s verbundenen Bewu\u00dftseinsver\u00e4nderungen desselben Individuums haben alle ihr physisches Correlat in Bewegungsver\u00e4nderungen derselben Materie, derselben elementaren Stofftheilchen. Mit anderen Worten: Das physische Correlat der Thatsache, da\u00df ich alle meine Bewu\u00dftseinszust\u00e4nde als die meinigen erkenne, das physische Correlat des einheitlichen Ichbewu\u00dftseins oder der Identit\u00e4t desselben Individuums w\u00e4hrend aller Bewu\u00dftseinsver\u00e4nderungen dieses Individuums besteht in der Identit\u00e4t der sich ver\u00e4ndernden Stofftheilchen bei allen Bewu\u00dftseinszust\u00e4nden desselben Individuums. So h\u00e4tten z. B. die von den verschiedenen Sinnen desselben Individuums gelieferten Empfindungen ihr Correlat in Bewegungsver\u00e4nderungen derselben Theilchen der nerv\u00f6sen Centralmasse. M\u00f6gen uns auch experimentelle Gr\u00fcnde zu der Erkenntni\u00df f\u00fchren, ; dafs Empfindungen verschiedener Sinne durch das Vorhandensein und durch die Reizung verschiedener Centraltheile oder Zellgruppen bedingt seien, eine weitere Bedingung f\u00fcr das Zustandekommen einer jeden Art von (durch ein Ichbewu\u00dftsein begleiteter) Empfindung best\u00fcnde darin, da\u00df die Bewegung dieser Centraltheile wieder andere Centraltheile in Bewegung setze, welche bei allen Arten von Empfindungen in","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Consequent aus der Lehre vom peychophysitcheti Para\u00fceUtmm, 229\nBewegung gerathen und dadurch das Bewufstsein der Ver\u00e4nderung ein und desselben Bewu\u00dftseins sichern.\nDoch dies ist nur eine approximative Fassung unserer Folgerung aus der STORcn\u2019schen Auffassung des psychophysischen Parallelismus. Denn dieser Fassung widerspricht die Thatsache, da\u00df in Folge des Stoffwechsels die materiellen Theilchen, aus denen ein Individuum besteht, wechseln. Die Beobachtung, welche uns davon \u00fcberzeugt, da\u00df trotz des Stoffwechse\u00df die Zusammensetzung der Organismen beinahe ganz die gleiche bleibt, wie auch das gleiche Verhalten der Organismen trotz des Stoffwechse\u00df lehren uns aber, da\u00df der neu-assimilirte Stoff beinahe ganz dieselben Bewegungen gewinnt, die der fr\u00fchere hatte, an dessen Stelle er tritt Genauer m\u00fcssen wir daher unsere Folgerung auf diese Weise fassen: Die einander folgenden verschiedensten Bewu\u00dftseinszust\u00e4nde \u2014 z. B. Empfindungen verschiedener Sinne \u2014 desselben Individuums haben ihr physisches Correlat in weiteren Ver\u00e4nderungen derselben Bewegungen oder Bewegungsver\u00e4nderungen, welche die phys\u00dfchen Correlate der fr\u00fcheren Bewu\u00dftseinszust\u00e4nde waren, und deren Ueberbleibsel die Correlate des Ged\u00e4chtnisses dieser Bewu\u00dftseinszust\u00e4nde sind. Dem einheitlichen Bewu\u00dftseinsverlauf desselben Individuums entsprechen nicht einander folgende Ver\u00e4nderungen verschiedener Stellen der nerv\u00f6sen Centralmasse, sondern Ver\u00e4nderungen von Ver\u00e4nderungen in denselben Stellen.1\nDiese Folgerung aus der Lehre des psychophys\u00dfchen Parallelismus ist ein deductives Argument gegen die so sehr verbreitete \u201eatomist\u00dfche\u201c Local\u00dfationstheorie. Diese Deduction kann und will keineswegs den Anspruch erheben zur Widerlegung dieser Theorie zu gen\u00fcgen ; doch sie kann den Anh\u00e4ngern derselben vielleicht zu denken geben. Auch dies freilich nur in dem Falle, wenn sie die Noth Wendigkeit der Annahme des\n1 Anf die etwaige Einwendung, dafs bei den krankhaften Erscheinungen der \u201edoppelten Pers\u00f6nlichkeit\u201c nach unserer Auffassung eine abenteuerliche Annahme der Verschiebung des physischen Substrates der Bewufstseins-znst&nde noth wendig w\u00e4re, antworten wir, dafs dies keineswegs der Fall sei. Denn auch in diesen abnormen F\u00e4llen bleibt ja ein sehr grofser Theil des Ged\u00e4chtnisses und der Einheit des Bewufstseins vorhanden, da ja sonst das Individuum jeder erlernten Handlung, der einfachsten wie der \u25bcerwickelteren, unf\u00e4hig w\u00e4re. Die Frage, was physisch der multiplen Pers\u00f6nlichkeit entspricht, mufs uns hier nicht beunruhigen.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nJulius JPikler.\npsychophysischen Parallelismus anerkennen und nicht aller Naturwissenschaft widerstreitende Gr\u00fcndauffas sungen hegen, wie Dr. Storch sie in seinem Artikel kritisirfe.\nZu derselben Folgerung, die ich hier darzulegen bestrebt war, bin ich in einem \u201eDas Grundgesetz alles neuropsychischen Lebens\" betitelten, im Mai 1900 ver\u00f6ffentlichten Werke auf anderem Wege gelangt als dem hier verfolgten, doch auf Grund einer \u00e4hnlichen Auffassung des psychophysischen Parallelismus, wie sie auch Storch eigen ist. Ich erlaube mir bez\u00fcglich ausf\u00fchrlicherer Begr\u00fcndung dieser Folgerung besonders auf den ersten und zweiten Zusatz in jenem Werke hinzuweisen.\n{Eingegangen am 20. M\u00e4rz 1901)","page":230}],"identifier":"lit31446","issued":"1901","language":"de","pages":"227-230","startpages":"227","title":"Eine Consequenz aus der Lehre vom psychophysischen Parallelismus","type":"Journal Article","volume":"26"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:20.532978+00:00"}

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