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{"created":"2022-01-31T13:32:42.499326+00:00","id":"lit31496","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 140-142","fulltext":[{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nLitera turberich t.\nm\u00f6glich und weicht der besseren aus dem geringeren Maafse innerer Tastempfindungen und den entsprechend weniger augenf\u00e4lligen (weil seltener bewegten) Gesichtsbildern. Diese Einsicht ist der wichtigste Erkenntnifs-fort8chritt, den die Einf\u00fchrung der Entfemungs\u00e4nderung ergeben mufste.\nDiese Resultate S.\u2019s zusammen mit den fr\u00fcheren beseitigen jede nativistische Theorie f\u00fcr die Harmonie von Gesichts- und Tastraum. Auch die Beobachtungen an operirten Blindgeborenen, deren S. eine ganze Reihe bespricht, best\u00e4tigen (worauf schon Goblot [vgl. das STERN\u2019sche Referat diese Zeitschr. 18, 255] hinwies) auf jeden Fall den empirischen Ursprung einer solchen Harmonie. S. macht mit Recht darauf aufmerksam, dafs sich z. B. aus dem Fehlgreifen nach einem vorgezeigten Gegenstand, keineswegs nothwendig schliefsen l\u00e4fst, die Gesichts- (oder Tast-) Localisation sei noch unentwickelt, sondern nur, die Zusammenordnung beider sei noch nicht vollzogen. Es k\u00f6nnen also derartige Thatsachen nicht mehr als Argument gegen den r\u00e4umlichen Nativismus ben\u00fctzt werden.\nEttlingeb (M\u00fcnchen).\nM. W. Galkins. Time as Related to Causality aid to Space. Mind, N. S., 8 (30), 216-232. 1899.\nDie metaphysische Auffassung der Zeit und die psychologische des Zeitbewufstseins ist, wie Verfasserin meint, deswegen bisher immer auf dem Holzwege gewesen, weil man Zeit in Analogie zu Raum gesetzt habe, w\u00e4hrend sie correcterweise mit der Causalit\u00e4t in Parallele zu bringen sei. Zeit sei eine Denkkategorie, r\u00e4umliche Ausdehnung eine Sinnesqualit\u00e4t oder doch aus solchen auf gebaut. Statt der \u201eSuccession1* habe man in Analogie zur \u201eAusdehnung\u201c f\u00e4lschlicherweise die \u201eDauer\u201c zum Wesen der Zeit gemacht. Zeit sei die noth wendige, nicht umkehrbare Verkn\u00fcpfung des Unwiederbringlichen, (irreversible connexion of the irrevocable) bezogen auf abstracte Momente, w\u00e4hrend die Causalit\u00e4t dieselbe Verkn\u00fcpfung, bezogen auf concrete Ereignisse, ist Dementsprechend besteht das psychologische Zeitbewufstsein lediglich aus den Gef\u00fchlen der Ver\u00e4nderung (oder der Succession) und dem Gef\u00fchl der Verkn\u00fcpfung.\nW. Stern (Breslau).\nJ. Philippe. La conscience dans l\u2019anesth\u00e9sie chirurgicale. Rev. philos. 47 (5), 506-527. 1899.\nVerf. hat diejenigen Formen von Empfindungslosigkeit studirt, welche durch Chloroform und Aether hervorgerufen werden. Eine Aetherisirung der Nerven unterdr\u00fcckt zuerst die Empfindlichkeit, sodann die Muskelbeweglichkeit. Nur die mechanischen Functionen des K\u00f6rpers leisten Widerstand. Unter den Wirkungen der An\u00e4sthesie sind die auf Athmung und Circulation zu unterscheiden. Am ersten wird die Athmung afficirt, durch welche die D\u00e4mpfe ins Blut dringen und somit die Nerven beeinflussen. Vom Beginn der Inhalation an wird der Athemrythmus beschleunigter. Jedoch bewahrt er seine Regelm\u00e4fsigkeit, so lange die in-tellectuellen Functionen noch nicht angegriffen sind.. Geschieht dies letztere, so werden die Einathmungen unregelm\u00e4fsig, \u00fcbereilen sich oder","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n141\nstehen still. Es besteht keine Anstrengung mehr beim Athmen. Namentlich die Ausatmung wird passiv. Der Pulsschlag ist anfangs wenig entwickelt, mehr leicht, weil der arterielle Druck sich vermindert mit dem Fortschritt der An\u00e4sthesie. Die capill\u00e4re Spannung ist modificirt: Vasoconstriction bei Chloroform, Vasodilatation bei Aether, dementsprechend An\u00e4mie in dem einen, Congestion in dem anderen Falle. Beides hat dieselben St\u00f6rungen in den Zellen zur Folge. Im Gehirn verlangsamen sich die arteriellen Pulsationen: das Gehirn wird blutlos, indem zugleich die Venen die Ausscheidungsstoffe weniger rasch entfernen. Die Temperatur sinkt mit der Zunahme der An\u00e4sthesie. Das Blut wird schwarz. Der Procentsatz des H\u00e4moglobins nimmt ab, es erfolgt eine Verminderung der rothen Blutk\u00f6rperchen zu Gunsten der weifsen : charakteristisches Zeichen f\u00fcr An\u00e4mie. Nach Simonin verliert sich zuerst die Hautempfindlichkeit, sodann die Feinheit der Tastempfindung, dann die Empfindlichkeit f\u00fcr den Schmerz, und lange danach die f\u00fcr den Druck. Demnach scheint die An\u00e4sthesie zun\u00e4chst diejenigen Theile des Sensiblen zu ergreifen, welche am wenigsten durch die Erziehung ausgebildet sind, erst sp\u00e4ter die spontanen. Nach den Erfahrungen desselben Forschers wird zuerst die Hand unempfindlich, die Unempfindlichkeit steigt allm\u00e4hlich den Arm entlang, erscheint gleichzeitig an den F\u00fcfsen, dann an den Beinen bis zum Bumpf. Nach den Gliedern verliert der obere Theil des Thorax, darauf der Abdomen seine Empfindlichkeit, allm\u00e4hlich auch der Hals, die Stirn, die linke und rechte Schl\u00e4fe. Die Empfindlichkeit weicht nicht an beiden Seiten zugleich, sondern zuerst an der linken. Trotzdem bleiben noch vage Residuen von tactilen Empfindungen z. B. Kratzgef\u00fchle. Die muskul\u00e4re Aufl\u00f6sung, das Unabh\u00e4ngigwerden der Muskeln vom Willen scheint sich in derselben Reihenfolge zu vollziehen wie der Verlust der Empfindlichkeit. Am l\u00e4ngsten intact bleiben die Contraction der Kauwerkzeuge und der Pupillarreflex. Die Wiederkehr der Empfindlichkeit erfolgt nicht in derselben Weise wie das Entschwinden, vielmehr zuerst an den Theilen, welche am meisten vom Gehirn entfernt sind. Es fragt sich, welche psychologischen Ph\u00e4nomene den geschilderten physiologischen entsprechen. Verf. zieht hier\u00fcber die Beobachtungen von Gerdy, Dcfo\u00fcb, Lacassaqnb und Hermann heran: Die Einathmung ruft einen angenehmen Geruch und aromatischen Geschmack hervor. Beim Fortschritt der An\u00e4sthesie hat man z. B. die Hlusion, als ob man langsam auf einer schiefen Ebene herabglitte bis zu dem Moment, wo man die Erde ber\u00fchrt und das Bewufstsein verliert. Eine angenehme W\u00e4rme bem\u00e4chtigt sich unser. Der Kopf wird schwer, man wTird schl\u00e4frig, gleich als wenn alkoholische D\u00e4mpfe zum Gehirn und zu den Gliedern stiegen. Das Einschlafen f\u00e4ngt bei den Zehen an und schreitet allm\u00e4hlich zum Rumpfe vorw\u00e4rts. Man hat dabei das Gef\u00fchl der Vibration. Die Schmerzempfindungen werden nicht mehr m\u00f6glich. Man h\u00f6rt auf, die Form der Objecte zu unterscheiden, sodann ihr Gewicht, endlich ihre Temperatur. Es folgt die Unempfindlichkeit f\u00fcr Stiche. Weiterhin beginnen nun die Vibrationen innerhalb des Geh\u00f6rganges: man h\u00f6rt Glockengel\u00e4ute, Locomotivenpfeifen, Cascadenspringen. Bald werden diese Vibrationen leiser, das Geh\u00f6r schl\u00e4ft ein. Ein leichter Schleier scheint sich auszubreiten zwischen der Aufsenwelt und dem Ich.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nLi teraturbei'icht.\nAuch die anderen Sinnesth\u00e4tigkeiten : Geschmack, Empfindlichkeit f\u00fcr Kitzel, Geruch verschwinden.\nDie bisherige Arbeit der An\u00e4sthesie bestand darin, das Individuum von der Aufsenwelt zu isoliren. Jetzt dringt die An\u00e4sthesie in das eigentlich Psychische vor und bewirkt eine Art s\u00e9paration d\u2019avec lui-m\u00eame. Durch das Anwachsen der akustischen Erregungen verschwindet die Aufmerksamkeit. Die Worte entschwinden, desgleichen die Gedanken, falls sie nicht rasch ausgesprochen werden. Interessant ist der Moment des Verschwindens des Bewufstseins. Manche haben das Gef\u00fchl der abnehmenden Aufmerksamkeit, der Unm\u00f6glichkeit zu fixiren. Andere haben das Gef\u00fchl einer \u201eabsoluten physiologischen Unm\u00f6glichkeit\u201c, wie wenn alle Glieder fortgenommen w\u00e4ren und alle physischen und moralischen Acte auf diese Weise unm\u00f6glich geworden w\u00e4ren.\nEinige Forscher behaupten, dafs w\u00e4hrend der An\u00e4sthesie weder Empfindungen noch Eindr\u00fccke m\u00f6glich sind, und zwar deshalb, weil im Ged\u00e4chtnis nichts davon zur\u00fcckgeblieben sei. Beobachtet man jedoch die betreffende Person, so bemerkt man, dafs sie auf bestimmte Eindr\u00fccke reagirt. Die An\u00e4sthesie hat n\u00e4mlich verschiedene Grade und ist verschieden localisirt Es giebt allgemeine An\u00e4sthesien, wo die Associationen wie im Wachen functioniren, bei anderen Arten setzt die Einbildung ihre Arbeit fort, bei anderen erscheint das Bewufstsein pl\u00f6tzlich, ohne dafs der Schmerz und die anderen Empfindungen wieder erscheinen. Ueber die Beziehung zwischen Bewufstsein und Ged\u00e4chtnifs k\u00f6nnte man auf Grund zahlreicher Beobachtungen folgende Formel aufstellen: So oft man w\u00e4hrend der An \u00e4sthetisirung eine klare Beth\u00e4tigung des Bewufstseins bemerkt, ist beim Erwachen oder einige Zeit nachher das Vergessen vollst\u00e4ndig. Ein Patient, der behufs einer Zahnoperation empfindungslos gemacht worden war, schrie w\u00e4hrend der Operation, machte sich steif und suchte die Hand des Zahnarztes aufzuhalten. Nach R\u00fcckkehr des normalen Zustandes jedoch \u00f6ffnete er beim Anblick des Instruments den Mund, gleich als sollte die Operation erst erfolgen. Hieraus folgt, dafs Bewufstsein sehr wohl vorhanden sein kann, ohne dafs dabei das zum Bewufstsein Gelangende vom Ged\u00e4chtnifs in einer Weise aufgenommen wird, dafs es reproducirt werden kann. \u2014\nDie zusammenfassende Arbeit enth\u00e4lt offenbar eine wesentliche F\u00f6rderung des vorliegenden Gegenstandes. Verf. glaubt am Schlufs auf Grund seiner Beobachtungen und Ausf\u00fchrungen die Formel Richet\u2019s bek\u00e4mpfen zu d\u00fcrfen : das Bewufstsein setzt das Ged\u00e4chtnifs voraus, kein Ged\u00e4chtnifs ohne Bewufstsein. Meinen Erfahrungen gem\u00e4fs kann diese Formel sehr wohl in dem Sinne aufrecht erhalten werden, dafs jede bewufste Th\u00e4tigkeit das Operiren mit Ged\u00e4chtnifsbildern voraussetzt. Nicht aber brauchen die w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit des Bewufstseins bleibenden Ged\u00e4chtnifsbilder in jedem Falle reproducirbar zu sein.\tGiesbler (Erfurt).\nN. Vaschide. Recherches exp\u00e9rimentales snr les r\u00eaves. De la continuit\u00e9 des r\u00eaves pendant le sommeil. Comptes rendus de Yacad. des sciences 1899.\nDie im Labaratorium des Prof. Janet angestellten Experimente f\u00fchrten zu folgenden Resultaten :\n1. Man tr\u00e4umt w\u00e4hrend des ganzen Schlafes, auch im Tiefschlaf. Der","page":142}],"identifier":"lit31496","issued":"1900","language":"de","pages":"140-142","startpages":"140","title":"J. Philippe: La conscience dans l'anesth\u00e9sie chirurgicale. Rev. philos. 47 (5), 506-527. 1899","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:32:42.499331+00:00"}