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{"created":"2022-01-31T16:28:46.998197+00:00","id":"lit31560","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Busse","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26: 275-278","fulltext":[{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n275\nDer Verf. macht dann auf jene F\u00e4lle aufmerksam, in welchen die Ge-dichtnifsspuren f\u00fcr die Situationen, in die die Pers\u00f6nlichkeiten einzuordnen rind, nicht dem neueren Best\u00e4nde des Ged\u00e4chtnisses angeh\u00f6ren. Hier spielt dum auch die Reproduction der Zeit eine wichtige Rolle.\nSaxingeb (Linz).\nfi.EaDMAinr. Omrisse zur Psychologie des Denkens. Aus den \u201ePhilosophischen Abhandlungen\u201c, Christoph Sigwabt gewidmet, S. 3\u201440. 1900.\nDie Grundgedanken dieser scharfsinnigen und vielfach anregenden Abhandlung sind die folgenden. Die Bestimmung des Begriffs des Denkens ist seither haupts\u00e4chlich aus drei Motiven heraus erfolgt, erkenntnifstheore-tischen, metaphysischen und logischen. Entsprechend wurde die Allgemeing\u00fcltigkeit des Denkens im Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnifs, seine Spontaneit\u00e4t zum Unterschiede von der Receptivit\u00e4t der Sinnlichkeit, oder das Urtheilen als das specifische Merkmal des Denkens hervorgehoben. Psychologische Bestimmungen haben weniger hineingewirkt; sie zu geben ist die Absicht der vorliegenden Abhandlung. Zu dem Zweck wird, um einen m\u00f6glichst einwandfreien Ausgangspunkt zu gewinnen, das Denken als ein Urtheilen angesehen, was insofern unbedenklich ist, als ja doch jedenfalls alles Urtheilen ein Denken ist. Von den Verkn\u00fcpfungen von Vorstellungen, welche alle Urtheile darstellen, werden aber n\u00e4her noch diejenigen ausgew\u00e4hlt und zum Ausgangspunkt der psychologischen Untersuchung \u00fcber das Denken gemacht, denen eine pr\u00e4dicative Beziehung eigen ist, \u00abL h. eine solche, welche eine Zerlegung des sachlichen Inhaltes in Subject, Pr\u00e4dicat und Copula fordert. Solche Urtheile sind typische Repr\u00e4sentanten einer Art des Denkens. Eine derartige Verkn\u00fcpfung ist stets zugleich ein \u201eSagen\u201c, d. h. ist an sprachliche Vermittelung gebunden, die freilich auch durch optische Symbole, durch Worterinnerungen, Worteinbildungen und abstracte Wortvorstellungen repr\u00e4sentirt sein kann. Ein derartiges Denken, wie es z. B. in dem Urtheil: Die Flamme flackert, sich ausdr\u00fcckt, welches also einen sachlichen, dem Vorstellen gegenw\u00e4rtigen Inhalt in sprachlicher, dem Vorstellen ebenfalls gegenw\u00e4rtiger Form ausdr\u00fcckt, nennt E. ein vollst\u00e4ndiges formulirtes Denken. Die Verkn\u00fcpfung, die es enth\u00e4lt, ist stets eine unsinnliche. Ein solches \u2014 bei Gelegenheit der Wahrnehmung einer flackernden Flamme gef\u00e4lltes \u2014 Urtheil soll nun \u2014 und das ist der wesentlichste Punkt der Ausf\u00fchrungen E\u2019s. \u2014 lediglich durch die, durch associative Verkn\u00fcpfung (der Wortvor-stellungen mit den Wahrnehmungsinhalten) ausgel\u00f6sten Reproductionen der Wortvorstellungen zu Stande kommen. Von einer Trennung und Wiedervereinigung der Inhalte, von einem Unterscheiden und Vergleichen, einer Selbstth\u00e4tigkeit, einer Synthesis, die man dabei hat eine Rolle wollen spielen lassen, kann keine Rede sein; der falsche Schein, dafs dem so sei, entspringt daher, dafs man das Ergebnifs logischer oder metaphysischer Reflexionen in den psychologischen Procefs hineingedeutet hat : ein Fehler, Tor dem eine Psychologie des Denkens sich nicht genug h\u00fcten kann.\nAn das vollst\u00e4ndige formulirte Denken schliefsen sich zwei andere Arten des Denkens an, von denen die eine innerhalb der Functionen der Sprache bleibt, die andere in entgegengesetzten Richtungen ans dem Sprach-\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nLiteraturbericht.\nleben hinausf\u00fchrt. Die erste ist das unvollst\u00e4ndige formulirte Denken. Bei ihm ist die sprachliche Form vorhanden und dem Vorstellen gegenw\u00e4rtig, der andere Bestandtheil des vollst\u00e4ndig formulirten Denkens, der sachliche Inhalt der Aussage aber nicht oder doch nicht vollst\u00e4ndig. Der Fall des unvollst\u00e4ndigen formulirten Denkens liegt da vor, wo wir (im entwickelten Sprachleben) auf Grund von geh\u00f6rten oder gelesenen Worten urtheilen. Hier nimmt die Reproduction den umgekehrten Weg als in dem oben angezogenen Wahrnehmungsurtheil, sie geht von den Wortvorstellungen aus, f\u00fchrt aber die Bedeutungsinhalte nicht vollst\u00e4ndig herbei. Mitunter ist auch nicht eine Spur der Begriffe, welche die Worte bedeuten, in unserem Vorstellen gegenw\u00e4rtig. Die Bedeutungsinhalte sind deshalb doch vorhanden, als unbewufst (reproductiv) erregte Ged\u00e4chtnifs* dispositionen bestehen sie und vermitteln das Verst\u00e4ndnifs des Ausdrucks. Das unvollst\u00e4ndige formulirte Denken bildet im entwickelten Bewusstsein die Regel, der gegen\u00fcber das vollst\u00e4ndige formulirte Denken als ein seltener Ausnahmefall erscheint.\nDie andere Art des Denkens ist das unf or mul irte Denken, welches in zwei Formen, als hypologisches und als metalogisches Denken, auftritt. Hier fehlt das andere Glied, die sprachliche Vermittelung. Das hypologische Denken besteht in dem, was die Aufmerksamkeit auf die Vorstellungsinhalte ohne sprachliche Verkn\u00fcpfung zu leisten vermag. Es geht dpm formulirten Denken vorher und findet sich beim Kinde und bei den Thieren, aber auch beim erwachsenen Menschen ; von ihm unterscheidet sich das metalogische Denken nur durch den gr\u00f6fseren Reichthum seiner Objecte und die Gr\u00f6fse seiner Gesichtspunkte, nicht aber durch die Processe, in denen es sich vollzieht. Es spielt die gr\u00f6fste und bedeutsamste Rolle in unserer intellectuellen Th\u00e4tigkeit, insbesondere in den complicirteren und schwierigeren Aufgaben derselben. Die Kraft, der Reichthum und die Art dieses metalogischen Denkens sind ausschlaggebend f\u00fcr die St\u00e4rke und Eigenth\u00fcmlichkeit der intellectuellen Begabung. Demgem\u00e4fs ist seine Sch\u00e4tzung immer eine hohe gewesen. So erkennen wir es z. B. in dem h\u00f6heren intuitiven Denken wieder, welches seitens der Philosophen so oft dem gemeinen, sprachlich formulirten, abstracten Denken entgegengesetzt worden ist. Besitzen es die einzelnen in verschiedenem Maafse, so besitzt es in einigem Maafse doch jeder.\nAber auch diese Vorg\u00e4nge sind nach E. blofse Reproductionsvorg\u00e4nge, ohne dafs sich eine Handlung, eine specifische Th\u00e4tigkeit, eine Beziehung auf das Ich darin nach weisen liefse. Die Inhalte des metalogischen und hypologischen Denkens sind zwar an sich von der sprachlichen Formulirung unabh\u00e4ngig, k\u00f6nnen aber \u2014 wenn auch oft mit Schwierigkeit \u2014 sprachlich formulirt werden und m\u00fcssen es werden, um fixirt und festgehalten und Bestandteile der Wissenschaft zu werden. Das sprachlich formulirte, und zwar das vollst\u00e4ndige formulirte Denken bildet denn auch den eigentlichen Gegenstand der Logik, wenigstens derselben als Elementarlehre, wenngleich die logischen Gesetze nat\u00fcrlich auch f\u00fcr das metalogische Denken ihre G\u00fcltigkeit behalten. Uebrigens bleiben, wie beim formulirten Denken die Beziehungen zu dem sachlichen Denken, so beim metalogischen Denken die sprachlichen Beziehungen bestehen ; sie sind reproductiv er-","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n277\nregt, wenn sie auch dem Vorstellen nicht gegenw\u00e4rtig sind. Das rein metalogische Denken ist im entwickelten Bewufstsein ein Grenzfall. \u2014 F\u00fcr du vollst\u00e4ndige formulirte Denken schl\u00e4gt E. die Bezeichnung discursives, f\u00fcr das unvollst\u00e4ndige formulirte Denken den Namen des enthyme-mitischen vor; das unformulirte Denken bezeichnet er als intuitives. Der Umfang des (formulirten und intuitiven) Denkens ist den Gegenst\u00e4nden nach unbegrenzt; seine logische Grenze bildet der Satz vom Widerspruch. Das Beziehen ist allem Denken eigenth\u00fcmlich, ein \u201ebeziehendes Denken\u201c daher eine Tautologie.\nVergleichen wir die Auffassung des Denkens, welche die psychologische Betrachtung ergeben hat, mit den Eingangs erw\u00e4hnten Auffassungen, so wird auch auf dem psychologischen Standpunkt der Gegensatz des Denkens gegen die Sinnlichkeit durchaus gewahrt. Die Allgemeing\u00fcltigkeit kommt dagegen nur dem wissenschaftlichen Denken, auch diesem nicht ohne Weiteres zu. Die Spontaneit\u00e4t als charakteristisches Merkmal des Denkens f\u00e4llt fort. Das letzte Wort geb\u00fchrt in dieser Beziehung freilich der Metaphysik. Die Uebereinstimmung mit der logischen Fassung bleibt eine enge.\nZum Schlufs bezeichnet E. seinen Standpunkt als den einer Associationspsychologie oder vielmehr einer Re productions psychologie auf modern-biologischer Grundlage. Die Selbst\u00e4ndigkeit der Psychologie gegen\u00fcber der Biologie wird aber deshalb nicht preisgegeben; die sog. \u201ematerialistische\u201c Psychologie, welche nur die physischen Processe als causal und continuirlich zusammenh\u00e4ngend, die Bewufstseinsvorg\u00e4nge aber als discontinuirliche Begleiterscheinungen derselben betrachtet, verwirft E. und h\u00e4lt an der psychischen Causalit\u00e4t fest. Ebenso lehnt er die Ansicht ab, dafs die psychologische Erkl\u00e4rung des Denkens auch schon die logische und erkenntnifstheoretische in sich schliefse. Die Logik beh\u00e4lt ihre Selbst\u00e4ndigkeit gegen\u00fcber der Psychologie, Philosophie darf nicht in Psychologie aufgel\u00f6st werden.\nAuf diese Skizzirung der Grundgedanken der trotz ihrer K\u00fcrze sehr inhaltreichen Abhandlung E\u2019s. mufs sich mein Referat nothgedrungen beschr\u00e4nken. Von einer eigentlichen Recension derselben, die in ihrem polemischen Theile haupts\u00e4chlich E\u2019s. Auffassung des Denkens, insbesondere des vollst\u00e4ndigen formulirten TTrtheils als eines blofsen Repro-dDctionsvorganges entgegentreten, mit vielem anderen dagegen, so insbesondere auch mit der von ihm gemachten und sehr ansprechend dargestellten Unterscheidung der verschiedenen Arten des Denkens sich einverstanden erkl\u00e4ren w\u00fcrde, glaube ich aus mehreren Gr\u00fcnden absehen zu sollen. Abgesehen davon, dafs es mir nicht recht passend erscheint, dafs M\u00e4nner, die sich, wie es hier der Fall ist, zu einem gemeinsamen Werke, einer Festschrift, vereinigt haben, ihre Beitr\u00e4ge unter einander kritisiren, w\u00fcrde auch bei der F\u00fclle der zu beachtenden und in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte eine Begr\u00fcndung meiner Ansichten \u00fcber die von E. verfochtenen Auffassungen weit \u00fcber den mir hier zur Verf\u00fcgung stehenden Raum hinausgehen. Und endlich ist zu ber\u00fccksichtigen, dafs B. Erdmann selbst durch das Mifsverh\u00e4ltnifs, in welchem der Reichthum und die Mannigfaltigkeit seiner Gedanken zu dem Raum, auf den er angewiesen war, standen, gen\u00f6thigt ward, sich, namentlich was die Begr\u00fcndung seiner","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nLiteraturbericht.\nAuffassung anbetrifft, grofse Beschr\u00e4nkung aufzuerlegen, und daher vieles nur andeuten konnte, was ausf\u00fchrlich darzulegen und zu begr\u00fcnden unm\u00f6glich war. Die Abhandlung enth\u00e4lt in gedr\u00e4ngter und oft sehr concentrirter Form thats\u00e4chlich einen ungew\u00f6hnlich reichen Inhalt, von welchem mein Beferat nur das nach meiner Ansicht Wichtigste und Wesentlichste hat wiedergeben k\u00f6nnen.\tBcsse (K\u00f6nigsberg i. Pr.b\nEduard Zeller. Heber den Elnflnfs des Gef\u00fchls auf die Th\u00e4tigkeit der Phantasie. Aus den ., Philosophischen Abhandlungen*, Christoph Sigwart gewidmet, S. 205\u2014216. 1900.\nDer ehrw\u00fcrdige Nestor der deutschen Philosophen der Gegenwart bietet in dieser Abhandlung eine anziehende Studie \u00fcber den Einflufs des Gef\u00fchls auf die Phantasieth\u00e4tigkeit. Der psychologische Standpunkt, den Z. einnimmt, ist von dem, welchen B. Erdmann in seiner gleichfalls den \u201ePhilosophischen Abhandlungen\u201c angeh\u00f6renden und hier von mir angezeigten Abhandlung vertritt, in mehrfacher Hinsicht verschieden. Steht E. auf dem Boden der Reproductionspsychologie, bem\u00fcht er sich, die von ihm betrachteten Denkvorg\u00e4nge als blofse Keproductionsprocesse unter Ablehnung jeder Vorstellung von specifischer Th\u00e4tigkeit oder Spontaneit\u00e4t der Seele zu erweisen, so liegt den Z.\u2019schen Ausf\u00fchrungen unverkennbar die Auffassung zu Grunde, dafs die intellectuellen Processe auf einer Spontaneit\u00e4t der Seele beruhen, welche, auf ihre Zust\u00e4nde lebendig zur\u00fcckwirkend, bestimmend in den Ablauf derselben eingreift. Und wenn E. die Einflufs- und Wirkungssph\u00e4re des Gef\u00fchls zu beschr\u00e4nken bestrebt ist, so m\u00f6chte Z. ihm vielmehr einen bestimmenden Einflufs auch auf dem Gebiete des Vorstellens und Denkens zuschreiben ; die Spontaneit\u00e4t der Seele empf\u00e4ngt nach ihm ihre Directive vom Gef\u00fchl. Die vorliegende Abhandlung beschr\u00e4nkt sich indes darauf, diesen Einflufs auf dem engeren Gebiete der Th\u00e4tigkeit der Phantasie aufzuzeigen.\nNachdem die Phantasie gegen die (\u00e4ufsere und innere) Wahrnehmung, von der sie ihr repr\u00e4sentativer Charakter unterscheidet, einerseits, gegen das Erkennen, von dem sie die ihr eigent\u00fcmliche Subjectivit\u00e4t trennt, andererseits abgegrenzt ist, wird gezeigt, dafs schon bei der Reproduction der Vorstellungen, in welcher Z. nicht nur die Bedingung aller Phantasieth\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt, sondern auch eine Leistung derselben als reproduc-tiver Phantasie erblickt, das Gef\u00fchl eine sehr wichtige Rolle spielt. Schon die Deutlichkeit, Lebhaftigkeit und H\u00e4ufigkeit der Wahrnehmungen, die ja f\u00fcr die Reproduction der ihnen entsprechenden Vorstellungen von grofser Wichtigkeit sind, sind durch das Gef\u00fchl (Interesse) mit bedingt. Die Reproduction selbst wird durch es beeinflufst: was grofsen Gef\u00fchlswerth f\u00fcr uns hat, befestigt sich im Ged\u00e4chtnifs und haftet an einander. Noch mehr tritt der Einflufs des Gef\u00fchls hervor im freien Spiel der Phantasie. Nicht nur die individuellen dem Einzelnen eigent\u00fcmlichen Gef\u00fchle, die ja schon die Reproduction \u00fcberhaupt beeinflussen, sondern auch die wechselnden momentanen Stimmungen und Interessen sind hier von grofsem Einflufs. Bis in die h\u00f6chsten Leistungen hinein kann man den Einflufs des Gef\u00fchls verfolgen. In der symbolisirenden Phantasieth\u00e4tigkeit, auf der die Sprachbildung beruht, in der bildlichen Denk- und Ausdrucks-","page":278}],"identifier":"lit31560","issued":"1901","language":"de","pages":"275-278","startpages":"275","title":"B. Erdmann. Umrisse zur Psychologie des Denkens. 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