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J. Zeitler: Tachistoskopische Untersuchungen über das Lesen. Mit 1 Figur im Text. Philos. Studien 16 (3), 380-464. 1900

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{"created":"2022-01-31T16:28:30.307935+00:00","id":"lit31562","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26: 279-286","fulltext":[{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n279\nweise, in der Kunst und in der Religion ist das Gef\u00fchl th\u00e4tig. Es treibt zu dieser Th\u00e4tigkeit hin \u2014 ohne Begeisterung kein Dichter und K\u00fcnstler, ohne Interesse kein Forscher \u2014 und bestimmt die Art und Richtung derselben.\nVon einem kritischen Eingehen auf die Ausf\u00fchrungen Z\u2019s. mufs ich aus denselben Gr\u00fcnden, wie bei B. Erdmann, Abstand nehmen.\nBusse (K\u00f6nigsberg i. P.).\nJ. Zeitleb. TachistoskopUche Untersuchungen fiber das Lesen. Mit 1 Figur im Text. Philos. Studien 16 (3), 380-464. 1900.\nAn der Hand einer beigegebenen Zeichnung beschreibt der Verf. zun\u00e4chst Wundt's neues Tachistoskop, mit dem die Untersuchungen ausgef\u00fchrt wurden. Dem vom Mechaniker E. Zimmermann in Leipzig angefertigten Apparat liegt der von Cattell angegebene (Philos. Stud. 3, 94,97 ff.) zu Grunde. Er besteht im Wesentlichen darin, dafs sich zwischen zwei anf einem Fufsbrett stehenden Messings\u00e4ulen von 80 cm H\u00f6he eine geschw\u00e4rzte, 10 cm breite, rechteckige Fallscheibe bewegt, welche letztere eine f\u00fcr die Aufnahme der zu beurtheilenden Objecte bestimmte, variirbare Oeffnung besitzt. Die Fallscheibe wird vor der Exposition von zwei Elektromagneten gehalten und nach derselben von zwei Fangfedern festgehalten. Ein mit. einer Fixirmarke versehenes Schutzblech verdeckt das Object vor der Exposition. Im Momente der Exposition wird das Schutzblech von der Fallscheibe so in ein Fangschild geschnellt, dafs das Object sofort wieder verdeckt wird. Zur Regulirung der Fallbewegung dient eine ArwooD\u2019sche Vorrichtung. Mit dem Rad dieser Vorrichtung mifst der Apparat selbst 1 m H\u00f6he. \u201eDie Fallh\u00f6he der Expositionsscheibe kann f innerhalb 50 cm beliebig variirt werden. Die M\u00f6glichkeit, den Spalt jederzeit zu ver\u00e4ndern, gestattet aber auch eine rasche Variation der Expositionszeit, ohne dafs die Fallh\u00f6he ge\u00e4ndert zu werden braucht.\u201c Der Apparat gestattet mit Fallzeiten von 0,2 \u2014 0,005 Sec. zu arbeiten. Erstere wurden durch Stimmgabelschwingungen gemessen.\nDie Beobachtung geschah durch ein astronomisches Fernrohr, das eine Vergr\u00f6fserung von 2:3,3 aufwies.\nDie Expositionszeiten waren kurz genug, um die Wanderung der Aufmerksamkeit auszuschliefsen und doch lang genug, um die Apperception des Eindrucks zu gestatten.\nF\u00fcr die Sichtbarkeit des Objects unterscheidet der Verf. drei Phasen: 1. die Pr\u00e4expositionszeit, d. h. die kurze Zeit vom Beginn der Exposition, \u201ean dem der untere Strich der Expositionsspalte die obere Begrenzungslinie des Schriftbildes passirt, bis zur v\u00f6lligen Sichtbarkeit desselben\u201c, 2. die absolute Expositionszeit und 3. die Postexpositionszeit, d. h. der Zeit, \u201einnerhalb deren der obere Strich der Spalte die obere und untere Begrenzungslinie des Wortbildes passirt.\u201c\nDa das Fernrohr die Objecte in der Umkehrung wiedergiebt, wurden diese in umgekehrter Stellung eingesetzt. Der Verf. sieht hierin eine Compensation, sofern \u201ebeim Schlufs der Exposition der charakteristische Streifen zuletzt verschwindet, wodurch sich die ohnedies wohl unbedeutenden Zeitunterschiede wieder ausgleichen.\u201c","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nLi teraturberi ch t.\nUnter Darlegung aller dieser Verh\u00e4ltnisse an durch Messung gewonnenen Werthangaben zeigt der Verf., dafs die erw\u00e4hnten Phasen f\u00fcr den Beobachter subjectiv bedeutungslos sind. \u201eDafs das Wortbild allm\u00e4hlich aufgedeckt w\u00fcrde, entzieht sich der Beobachtung vollst\u00e4ndig, f\u00fcr die es ebenso pl\u00f6tzlich enth\u00fcllt als wieder verh\u00fcllt wird. Das Vor\u00fcbergleiten der Scheibe wird \u00fcberhaupt in keiner Weise wahrgenommen, im Gegentheii besteht nur der Eindruck, dafs das Bild simultan auftaucht und wieder verschwindet.\u201c\n1. Appercipirendes und assimilirendes Lesen. Der Verf. unterscheidet zwei Arten der Beobachtung, je nachdem die Vorg\u00e4nge der Apperception oder der Assimilation bei derselben \u00dcberwiegen. Er f\u00fchrt dann aus, dafs sich der Apperceptionsvorgang objectiv immer auf einer gegebenen Vorstellungsgrundlage vollzieht, sofern sich durch den \u00e4ufseren Eindruck hervorgerufene reproductive Elemente mit diesem zum einheitlichen Wortbilde verbinden. Der Verf. unterscheidet hier reproductive Factoren ersteren Grades oder prim\u00e4re Reproductionen von secund\u00e4ren. Die ersteren, durch die dominirenden Elemente des Eindrucks hervorge rufen, verbinden sich mit der Apperception unmittelbar. Dieser Vorgang zeigt sich besonders beim Lesen der gel\u00e4ufigsten W\u00f6rter. \u201eDenn die Gel\u00e4ufigkeit der Wortbilder beruht auf einer entsprechend starken Disposition\nzu ihrer Wiedererneuerung..... Indem der directe Sinneseindruck einen\njenen Dispositionen entsprechenden Complex von Empfindungen erweckt, werden die Dispositionen selbst zu \u00bbactuellen Empfindungen\u00ab (W\u00fckdt, \u00f6lkerpsychologie 1,1, S. 540 ff.), die mit dem durch den \u00e4ufseren Eindruck rweckten in eine einheitliche Vorstellung zusammenfliefsen. Dieser objective Vorgang der Apperception wird dabei subjectiv stets von einem Th\u00e4tigkeitsgef\u00fchl begleitet, das wir auf eine Mitwirkung von activer Aufmerksamkeit beziehen.\u201c\nBei der secund\u00e4ren Reproduction gehen die durch den prim\u00e4ren Vorgang gehobenen Elemente mit den unbetonten, nur dunkel percipirten Strecken der Wortbilder Verbindungen ein, \u2014 Assimilation im engsten Sinne des Wortes. \u201eEine nachweisbare Assimilation tritt erst in dem Momente ein, wo reproductive Elemente, die von den direct erregten verschieden sind, zu \u00bbactuellen Empfindungen\u00ab werden, sie vollzieht sich erst mit dem vollen Eintritt der secund\u00e4ren reproductiven Elemente ins Be-wufstsein, indem diese nunmehr auch auf die prim\u00e4ren zur\u00fcckwirken k\u00f6nnen.\u201c Die sich verbindenden Elemente k\u00f6nnen sich weiter im Sinne einer wechselseitigen Assimilation gegenseitig beeinflussen und sich in ihren Wirkungen leicht in successive Associationen fortsetzen, die wiederum das Bild assimilativ ver\u00e4ndern k\u00f6nnen. Das subjectiv Charakteristische dieses ganzen Vorganges ist die passiv schweifende Aufmerksamkeit.\n\u201eDas Lesen unter vorwaltendem Einflufs der Apperception und Aus-schluf8 der secund\u00e4ren Reproductionen und Assimilationen vollzieht sich schon bei minimalen Zeiten, und zwar unter st\u00e4rkerer Spannung und activer Fixation der Aufmerksamkeit, w\u00e4hrend das assimilative Lesen mit schweifender fluctuirender Aufmerksamkeit gr\u00f6fsere Zeiten ben\u00f6thigt.\u201c \u201eBei kurzer Expositionszeit wird daher entweder nur direct appercipirt oder","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberich t.\n281\n\u00fcberhaupt nichts erkannt.\u201c Es entsteht ein falsches Wortbild, wenn bei momentanem Nachlassen der Aufmerksamkeit erhebliche Assimilationen wirksam werden.\nObwohl eine absolute Trennung der apperceptiven und assimilativen Vorg\u00e4nge nicht durchf\u00fchrbar ist, h\u00e4lt der Verf. doch daf\u00fcr, dafs bei tachisto-skopischen Versuchen \u00fcber das Lesen auf diese Unterschiede R\u00fccksicht genommen werden mufs. Dementsprechend suchte er bei seinen Versuchen die secund\u00e4ren Reproductionen und Assimilationen so viel wie m\u00f6glich auszuschalten und wies seine Versuchspersonen an, dem objectiven Eindruck selbst den h\u00f6chsten Aufmerksamkeitsgrad zuzuwenden. \u201eEs kam nicht auf Lesen \u00fcberhaupt, sondern auf Richtiglesen an.\u201c Die Expositionszeit wurde daher so kurz gew\u00e4hlt, dafs noch gerade eine Apperception m\u00f6glich war. Schon die ersten Resultate ergaben, dafs die dominirenden Buchstaben die Apperception bestimmten, w\u00e4hrend die Assimilation vorzugsweise an die Wortform gekn\u00fcpft war. \u201eDas Wortbild wird zwar secund\u00e4r scheinbar als \u00bbGanzes\u00ab assimilirt, aber prim\u00e4r appercipirt wird es nur in seinen dominirenden Bestandteilen.\u201c \u201eDie grundlegende Arbeit im Procefs des Lesens hat die Apperception und die mit ihr verbundene prim\u00e4re Assimilation zu verrichten; mit ihr verschmilzt aber fortw\u00e4hrend die secund\u00e4re Assimilation, so dafs beide Vorg\u00e4nge, in einander \u00fcbergreifend, sich verdeckend, sich zu verwirren scheinen.\u201c\nDie Ein\u00fcbung der Versuchspersonen geschah an gel\u00e4ufigen W\u00f6rtern, hierauf wurden sinnlose Zusammensetzungen von Buchstaben und sodann gel\u00e4ufige gr\u00f6fsere S\u00e4tze exponirt.\nIndem der Verf. zun\u00e4chst die Frage zu beantworten suchte, in welcher Weise beim appercipirenden Lesen einzelne Buchstaben wirkten, konnte er die Angaben Cattell\u2019s best\u00e4tigen, wonach die Apperceptionszeit der einzelnen Buchstaben eine verschiedene ist. Die Versuchspersonen konnten sodann bei ungel\u00e4ufigen W\u00f6rtern nur einzelne Buchstaben erkennen. \u201eDie Vocale und kleinen Consonanten waren den meisten Verlesungen ausgesetzt, die ober- und unterzeiligen den wenigsten. Je charakteristischer die Buchstabenform war, desto dominirender wurde sie gefunden.\u201c Der Verf. macht darauf aufmerksam, dafs bei einer Expositionszeit von 10\u201415 \u00f6 Augenbewegungen wohl als ausgeschlossen zu betrachten wraren.\n2. Methode. Der Verf. f\u00fchrt aus, dafs die Aussagen der Versuchspersonen noch kein Kriterium f\u00fcr die Objectivit\u00e4t ihrer Auffassung sind, und dafs diese daher in jedem Falle analysirt werden m\u00fcfsten, wobei aber darauf Bedacht zu nehmen sei, dafs auf den Beobachter nicht suggestiv eingewirkt werde. Sodann empfiehlt er Vexirversuche. Die verwandten Schriftzeichen blieben nach Gr\u00f6fse (3\u20144 mm) und Typus bei den Versuchen constant. An Versuche in der Muttersprache schlossen sich solche in einer fremden.\n3. Die Aufmerksamkeit. Der Verf. zeigt, dafs das Maximum der Aufmerksamkeitsspannung bei kleinsten Expositionszeiten mit dem Moment der Exposition zusammenfallen m\u00fcsse. Er liefs daher durch den Beobachter selbst den g\u00fcnstigsten Moment f\u00fcr das Fallenlassen des Deckschildes des Apparates angeben. Es wird weiter ausf\u00fchrlich gezeigt, dafs bei derartigen Versuchen zwischen constanter Aufmerksamkeit und Auf-","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nLiteraturbericht.\nmerksainkeitsschwankung einerseits und fixirter und fluctuirender Aufmerksamkeit andererseits zu unterscheiden sei. \u201eDie fixirte Aufmerksamkeit entspricht in der Regel dem directen Sehen, die fluctuirende Aufmerksamkeit jedoch l\u00e4fst sich im Bereiche des indirecten Sehens nicht genau begrenzen.\u201c \u201eJe kleiner die Markirung des Fixirpunktes, desto fester ist die Fixation. Der Aufmerksamkeitspunkt dagegen\u201c (der mit dem psychischen Aequivalent des physiologischen Fixirpunktes nicht identisch ist) \u201efluctuirt im Anfmerksamkeitsumfang.\u201c \u201eDie Verschiedenheit des Aufmerksamkeitspunktes bedingt auch eine Verschiedenheit der Exposition,\u201c u. 8. w.\n4.\tDie Succession. Der Verf. geht hier auf die von Cattbll, sowie auf die von Erdma\u00eftn und Dodge (Untersuchungen \u00fcb. d. Lesen, Halle 1898) ausgef\u00fchrten Untersuchungen ein und f\u00fchrt aus, dafs der Grund ihrer Behauptung, es werde stets das \u00abGanze\u00ab gelesen, darin liege, dafs der Einflufs der Assimilation den Schein der Simultaneit\u00e4t des Eindrucks vorget\u00e4uscht habe. Er sucht zu zeigen, dafs die letztere sich h\u00f6chstens f\u00fcr einen domi-nirenden Complex von Buchstaben aufrecht erhalten lasse. \u201eWas wir appercipiren, sind letzten Endes immer nur Buchstaben, allerdings gleichsam reliefartig herausgehobene determinirende Buchstaben, die einem bestimmt gruppirten Complex angeh\u00f6ren, der am klarsten aufgefafst wird, wenn auch die unbetonten Buchstaben \u00fcber die Schwelle ger\u00fcckt sind.\u201c Dabei k\u00f6nnen, wie weiter gezeigt wird, die Beobachter selbst durchaus sicher sein, das >Ganze\u00ab gelesen zu haben. Weitere Beweise f\u00fcr die Succession der Auffassung erblickt der Verf. darin, dafs die Beobachter zuweilen wohl Buchstaben, aber nicht den Sinn des Wortes appercipiren, sowie in den Resultaten, die er bei Anstellung von Vexirversuchen gewann. \u201eDer Procefs des Lesens findet nur beim entwickelten Menschen so rasch statt, dafs er in sprungweiser Simultaneit\u00e4t zu geschehen scheint, aber im Grunde reihen wir die dominirenden Complexe \u00e4hnlich successiv an einander, wie beim primitivsten buchstabirenden Lesen der Buchstaben. Der Ablauf des Lesens ist nur sehr rasch, darum ist er aber nicht weniger successiv. Mit dem gew\u00f6hnlichen Buchstabiren hat dies jedoch nichts zu schaffen ; wir reihen vielmehr die dominirenden Buchstaben und betonten Complexe an einander. Dies erfolgt m\u00f6glicherweise in einer Art rhythmischer Succession, mit fortw\u00e4hrender Variation des Rhythmus.\u201c\n5.\tDie Wanderungen der Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeitswanderung steht nach dem Verf. mit der Succession des Lesens im Zusammenhang. Ist die letztere mehr objectiver, so ist die erstere mehr subjectiver Natur. \u201eDie Wanderung der Aufmerksamkeit erweist sich als ein sprungweises Uebergehen von einem dominirenden Complex zum anderen. Sie tritt fast stets unter Mitwirkung von Assimilation auf. Bei l\u00e4ngeren Expositionszeiten (100 0) ist der Vorgang auch subjectiv leicht wahrnehmbar, bei kleinsten Zeiten ist er subjectiv nicht bemerkbar, obwohl er objectiv vorhanden ist. Die Bestimmung der Grenze dieser Wahrnehmbarkeit ist einmal dadurch erschwert, dafs der Aufmerksamkeitswechsel bei jedem Beobachter variirt, sodann aber auch dadurch, dafs der Aufmerk-samkeitsvorgang bei jedem Worte an die objective Struktur der Schriftbilder gekn\u00fcpft ist und endlich dadurch, dafs die Bemerkbarkeit des Vor-","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Litera tu rberich t.\n28S\nganges durch die Assimilation verwischt wird. \u201eDie Assimilation verhindert oder erschwert auch bei grofsen Zeiten die Beobachtung des Aufmerksamkeitsvorganges so sehr, dafs ihm nur mit ganz grofsen und ganz gel\u00e4ufigen W\u00f6rtern beizukommen ist.\u201c Nach der weiteren Ausf\u00fchrung dieser Verh\u00e4ltnisse an der Hand von Beispielen zeigt der Verf., dafs Cattell bei seinen Versuchen diesen Vorgang nicht bemerkte, weil die Beobachtung desselben bei den von ihm verwandten geringen Expositionszeiten (10 o) erschwert war.\n6.\tDer Umfang der Aufmerksamkeit. Bei der Bestimmung des Umfangs der Aufmerksamkeit mufs die Assimilation nach dem Verf. m\u00f6glichst ausgeschlossen werden. Aber auch bei Verwendung von sinnlosen Zusammensetzungen von Buchstaben und Silben kann der Umfang der Aufmerksamkeit nicht allgemein angegeben werden, da er sich hier von einem Minimum zu einem Maximum \u00e4ndert. \u201eAm engsten ist der Umfang bei sinnlos zusammengesetzten Buchstaben\u201c (ohne Vocale 4\u20147, mit Vocalen 5\u20148). Bei heterogen an einander gesetzten Silben tritt eine Erweiterung ein (6\u201410). Silben sind aber schon Assimilationscomplexe. \u201eMit dem Uebergang zu W\u00f6rtern steigert sich der Umfang ganz betr\u00e4chtlich. Je nach dem Grad der Bekanntheit und Gel\u00e4ufigkeit eines Wortes variirt der Umfang zwischen 15\u201425 Buchstaben.\u201c Bei sinnlos neben einander stehenden W\u00f6rtern sinkt der Umfang \u201ej\u00e4h herunter und erstreckt sich h\u00f6chstens auf ein Wort und die rechts und links benachbarten Buchstaben.\u201c \u201eJe gel\u00e4ufiger aber die Satzbildung, desto mehr steigt der Umfang.\u201c\n7.\tDie Versuche. Diese erstreckten sich \u00fcber\n\u00ab\nI.\tsinnlose Buchstabenverbindungen,\nII.\tsinnlose Silbenverbindungen,\nIII.\tungel\u00e4ufige W\u00f6rter,\nIV.\tgel\u00e4ufige W\u00f6rter,\nV.\tungel\u00e4ufige S\u00e4tze,\nVI.\tgel\u00e4ufige S\u00e4tze.\nWir heben aus den Ergebnissen das Folgende hervor.\nI.\tVocallose sinnlose Gebilde sind am schwersten aufzufassen.\u201c \u201eDie dominirenden Buchstaben werden zuerst erkannt und in ihrer Lage festgestellt, und am wenigsten umgesetzt oder verwechselt.\u201c \u201eSobald in das sinnlose Gebilde ein paar Vocale eingeschoben werden, stellen sich schon Silben ein und werden Assimilationen m\u00f6glich.\u201c\nII.\t\u201eBei Versuchen mit sinnlos zusammengesetzten sinnvollen gel\u00e4ufigen Silben von 3\u20141 Buchstaben zeigt sich der Einflufs der Assimilation.\u201c\nIII.\tSinnlose Silben und sinnvolle unbekannte W\u00f6rter sind f\u00fcr die Versuchspersonen von geringem Unterschied.\nIV.\t\u201eDie Versuche mit gel\u00e4ufigen W\u00f6rtern ergaben, dafs der unter Einflufs der Assimilation eintretende Aufmerksamkeitsumfang bis zu 25 Buchstaben betragen kann und zwar schon auf die erste Exposition hin.\u201c\nV.\tVI. \u201eIn kurzen S\u00e4tzen tragen die den Sinn fixirenden Bestand-theile auch f\u00fcr die Assimilation dominirenden Charakter. Den dominirenden Buchstaben im Wortbild k\u00f6nnen sonach dominirende W\u00f6rter oder Wort-complexe im Satzbild angereiht und gegen\u00fcbergestellt werden.\u201c","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nLi fera turberich t.\n8.\tExpositionszahl und Expositionszeit. Der Verf. f\u00fchrt aus, \u201edafs die Expositionsfolgen keine unmittelbare Bedeutung zum Worterkennen haben.\u201c Sobald die objectiven Bedingungen (dominirende Buchstaben, Wortform und -l\u00e4nge, Feststellung des Buchstabenbestandes) hierf\u00fcr erf\u00fcllt sind, vollzieht sich die Auffassung der Bedeutung des Wortes in-stantam in einem selbst\u00e4ndigen psychologischen Act \u201eDas unbekannte Wort wird nur nach dem Zeicheneomplex festgestellt .... Das bekannte Wort hat zwei Erkennungsphasen: a) die Apperception der dominirenden Elementengruppe, des dominirenden Buchstabencomplexes und der Ge-sammtform, b) daran anschliefsend die Apperception des Ganzen und die Apperception der Bedeutung.\u201c \u201eDie Apperception des optischen Bildes ist an die Folge der Expositionen gebunden, die Apperception der Bedeutung an den dominirenden Complex.\u201c Der Verf. tritt daher der CATTEix\u2019schen Methode, nach welcher bei kurzer Expositionszeit 5 mal nach einander ex-ponirt wird, entgegen und fordert eine einmalige Exposition. Die Expositionszeit \u201eist eine rein physiologische Zeit, eben die Zeit, die zur Netz-hauterregung erforderlich ist, wozu dann noch eventuell die Dauer des Nachbildes hinzukommt. Sie variirt bei den einzelnen Beobachtern (6 bis 20 a), bleibt aber innerhalb der Grenzen von 5 a bei einem und demselben Beobachter constant.\n9.\tKritik der Cattell\u2019sehen Versuche. Der Verf. zeigt, dafs Cattell\u2019s Versuche nicht reine Apperceptionsversuche waren, und dafs er vermuthlich f\u00fcr Apperception hielt, was lediglich der Assimilation zuzuschreiben ist. Die von Ebdmann und Dodge mit einer Expositionszeitr von 100 a ausgef\u00fchrten Versuche h\u00e4lt der Verf. f\u00fcr reine Assimilationsversuche.\n10.\tDie dominirenden Buchstaben und die W\u2019ortform. Die Erkennung der durch die Zahl der Buchstaben bestimmten Wortlftnge h\u00e4ngt von dieser Zusammensetzung und von der Richtung der Aufmerksamkeit ab. \u201eBei gr\u00f6fseren W\u00f6rtern constatiren die Beobachter zwischen der Auffassung der ersten IVorth\u00e4lfte und der Wortl\u00e4nge eine deutliche Pause.\u201c Die Wortform mufs in ihre Factoren zerlegt und nach ihren dominirenden Bestandteilen beurteilt werden, die Wortform als solche verf\u00fchrt zu Irrth\u00fcmern. Die Gesammtform eines Wortes ist f\u00fcr die Erkennung desselben nicht entscheidend. \u201eF\u00fcr die Erkennung des Wortes sind nur die im Reizcomplex befindlichen dominirenden Elemente maafsgebend. Diese, als ober- und unterzeilige Consonanten, als Buchstaben erster Ordnung sind nicht identisch mit den dominirenden Buchstaben Goldschbidek\u2019s.\u201c \u201eDie Rolle des dominirenden Complexes wird im Satz vom dominirenden Wort \u00fcbernommen, das den Schl\u00fcssel f\u00fcr den Bedeutungszusammenhang liefert, an den die Erkennung von S\u00e4tzen gebunden ist.\u201c\n11.\tDie Aehnlichkeits-Assimilation. \u201eDafs die Gesammtform eine den dominirenden Elementen untergeordnete Rolle spielt, beweisen die determinirten falschen Assimilationen, in denen W7ort und Assimilation nach den dominirenden Buchstaben v\u00f6llig \u00fcbereinstimmen und nur die indifferenten Zwischenst\u00fccke verschieden sind. Diese Fixirung der richtigen dominirenden Elemente in der falschen Assimilation beweist ihre grundlegende Bedeutung gegen\u00fcber der Wertform, in der keinerlei Momente","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n285\nliegen, um eine wenigstens nach Elementen determinate Aehnlichkeits-assimilation hervorzurufen.\u201c Der Yerf. f\u00fchrt dies an Beispielen weiter aus.\n12.\tDie Assimilationsversuche. Die Wirkung der Assimilation wurde an ver\u00e4nderten Objecten untersucht. Der Verf. bespricht die Versuche Pillsbubt\u2019s und h\u00e4lt diesem entgegen, \u201edafs die planlose Eliminirung deutlichere Ver\u00e4nderungen hervorruft, als die mit bestimmter Absicht erfolgende.\u201c Er selbst ver\u00e4nderte die Versuchsbedingungen durch Ver\u00e4nderung (Substitution) und Auslassung. Im Allgemeinen sei aus diesem Capitel Folgendes hervorgehoben: \u201eSolange die dominirenden Buchstaben analog ver\u00e4ndert werden, ist ihre Wirkung zu Ende und die falschen Buchstaben werden appercipirt.\u201c Im letzteren Falle kann die Assimilation nicht auf-kommen. \u201eDas Wortbild bleibt unsicher, labil, wenn es nicht sofort seine Bedeutung empf\u00e4ngt. Erst durch den Sinn wird das Buchstabengef\u00fcge gefestigt.\u201c\n13.\tDie Suggestions-Assimilation. Versuchsanordnung: Es wurde mit einer Reihe von richtigen und mit einer solchen von falschen Wortbildern gearbeitet. \u201eDie Substitutionen und Verst\u00fcmmelungen variirten l\u00bbei letzeren zwischen 2\u20148 Buchstaben. Der Anfangsbuchstabe blieb stets unver\u00e4ndert, auch bei tieferen Eingriffen in das Buchstabengef\u00fcge wurde der dominirende Complex m\u00f6glichst unversehrt erhalten.\u201c Dabei wurden die dem Beobachter gel\u00e4ufigen richtigen Wortbilder zuerst exponirt, diese beemfiufsten suggestiv die darauf in einem Abstand von drei Expositionen folgenden falschen Objecte. Im Allgemeinen sei aus den Resultaten hervorgehoben, dafs die Versuchspersonen bei einer ersten Gruppe von Versuchen (z. B. Irronumstatt\u2014Irrenanstalt) Anfangs zufriedenstellend assimi-lirten, dann aber unruhig wurden und falsche Buchstaben erkannten. Bei den weiteren Versuchen ergaben sich individuelle charakteristische Unterschiede, auf die wir nicht eingehen.\n14.\tAssimilations versuche mit Auslassungen. \u201eAuslassungen von Buchstaben im Wortbild haben eine verschiedene Wirkung, je nachdem es dominirende oder unbetonte Buchstaben, stark hervortretende Con-sonanten oder Vocale sind.\u201c Bei Auslassung unbetonter Buchstaben trat noch die richtige Assimilation ein. Bei Auslassung dominirender Buchstaben ergab sich Folgendes: \u201e1. Die Fehler bleiben unerkannt und es wird assimilirt. Dagegen wird angegeben, dafs Vocale fehlen.\u201c \u201e2. Die Auslassung wird erkannt und nach einer merkbaren Pause tritt die Assimilation ein.\u201c \u201e3. Die Auslassung wird erkannt und es stellt sich eine falsche oder \u00fcberhaupt keine Assimilation ein.\u201c\n15.\tInversionen und Permutationen. Die F\u00e4lle, in denen Inversionen Vorkommen, geben \u00fcber die Bewegungen der Buchstaben einigen Auf-schlufs. \u201eDie Beobachter sagen oft aus, sie bef\u00e4nden sich einer verwirrenden F\u00fclle von Buchstaben gegen\u00fcber, in die sie erst Ordnung zu bringen h\u00e4tten. Sobald es ihnen nicht gel\u00e4nge, die chaotische Masse von Eindr\u00fccken sinnvoll zu gruppiren, verschw\u00e4nde ihnen ein grofser Theil davon wieder aus dem Ged\u00e4chtnifs.\u201c Der Verlauf des Auffassungsvorganges ist nach dem Verf. im Umrifs der folgende: \u201eDie erste Phase der Apperception giebt die dominirenden Buchstaben; sie sind das Rohmaterial f\u00fcr die folgenden Vorg\u00e4nge. Das Weitere h\u00e4ngt von zwei Umst\u00e4nden ab: \u00e4) sobald sieb.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nLiteraturbericht.\neine Assimilation aufdr\u00e4ngt, modificirt sie den Sachverhalt, d. h. die objective Anordnung der Buchstaben zu ihren Gunsten; b) aber schon an sich k\u00f6nnen die Buchstaben in verschiedener Zeit aufsteigen und sich dem-gem\u00e4fs ordnen, dann wird die daran anschliefsende Assimilation schon dieser Anordnung Rechnung tragen . . . Diese beiden Momente setzen, mannigfach in einander \u00fcbergreifend, die zweite Phase des Vorganges zusammen.\u201c \u201eMit der Inversion verband sich h\u00e4ufig noch eine Substitution.\u201c An der Hand von Beispielen wird dies des N\u00e4heren ausgef\u00fchrt.\nDie Arbeit wurde in Wundt\u2019s Laboratorium in seinem Auftr\u00e4ge und unter seiner Leitung ausgef\u00fchrt.\tKiesow (Turin).\nA. Huther. Die psychologischen Grundprincipien der P\u00e4dagogik. Zeitsehr. f.\np\u00e4dag. Psychol, u. Path. 2, 121\u2014132, 192\u2014209, 287\u2014302, 367\u2014383. 1900.\nDer Aufsatz enth\u00e4lt der Hauptsache nach eine ausf\u00fchrliche Besprechung des Apperceptionsbegriffs. Die Herbart - Erdmann'scIic Anschauung, da\u00a3s Apperception eine rein mechanisch sich vollziehende Eingliederung des neuen Eindrucks in eine herrschende Apperceptionsmasse sei, wird nur dem objectiven Thatbestande, nicht dem subjectiven, gerecht; Wundt\u2019s Lehre von einem willk\u00fcrlichen Eingreifen eines spontanen Acts in den passivmechanischen Vorstellungsverlauf erscheint zu dualistisch. H. sucht nun, in theilweisem Anschlufs an Lipps, nachzuweisen, dafs Apperception nur eine h\u00f6here Beth\u00e4tigungsweise derselben psychischen Activit\u00e4t sei, die sich auch in den einfachsten Formen geistigen Lebens, im Erzeugen von Empfindungen und Bilden von Vorstellungen ausspricht. Die logischen Apper-ceptionsverbindungen und -leistungen werden von diesem Standpunkt aus er\u00f6rtert. \u2014 Der Schlufstheil bringt dann eine Willenstheorie, die, in \u00e4hnlicher Weise zwischen Wundt und Lipps die Mitte haltend, den Willen nicht als selbst\u00e4ndigen Bewufstseinsfactor, sondern nur als eine besondere Erscheinungsweise psychischer Activit\u00e4t auffafst. W. Stern (Breslau).\nH. Davies. Method of Aesthetics: t Hote. Philos. Review 10(1), 28\u201435. 1901.\nDamit Aesthetik eine Wissenschaft werde, mufs sie sich der drei wissenschaftlichen Methoden: der Classification, des Auffindens von Gesetzen und der Kritik bedienen. Wie die Anwendung dieser Methoden an den Problemen der Aesthetik durchgef\u00fchrt werden k\u00f6nne, wird kurz angedeutet.\tW. Stern (Breslau).\nHavelock Ellis. Geschlechtstrieb und SchamgeffihL Autorisirte Uebersetzung von Julia E. K\u00f6tscher unter Redaction von Dr. med. Max K\u00f6tscher. Leipzig, G. Wigand, 1900. 364 S. 13 Tafeln.\nEs fehlt uns nicht gerade an Abhandlungen \u00fcber den Geschlechtstrieb und seine Verirrungen sowie \u00fcber \u00e4hnliche Dinge, und im Allgemeinen kann etwas Vorsicht beim Herantreten an diese Erzeugnisse der Literatur nichts schaden.\nBei Havelock Ellis ist man indes sicher, auf eine ernste und wissenschaftliche Behandlung seines Gegenstandes zu stolsen, was sich nicht gerade von Jedem behaupten l\u00e4fst.","page":286}],"identifier":"lit31562","issued":"1901","language":"de","pages":"279-286","startpages":"279","title":"J. Zeitler: Tachistoskopische Untersuchungen \u00fcber das Lesen. Mit 1 Figur im Text. Philos. Studien 16 (3), 380-464. 1900","type":"Journal Article","volume":"26"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:28:30.307940+00:00"}

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