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M. Friedmann: Ueber Wahnideen im Völkerleben. Heft VI. u. VII. der Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, herausgegeben von Löwenfeld und Kurella. Wiesbaden, Bergmann, 1901. 100 S

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{"created":"2022-01-31T16:23:52.184646+00:00","id":"lit31575","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26: 296-297","fulltext":[{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nLiteraturbericht.\nruf8w\u00e4hl), die in Betracht kommen. Die Besprechung der Prophylaxe der schwer Erkrankten schliefst sich einmal an an die verschiedenen Krankheitsformen, wobei die Entarteten und die auf dem Boden der Entartung erwachsenen Psychosen besonders eingehend ber\u00fccksichtigt werden, und dann an mannigfache, besonders in die Augen springende Symptome von Geistesst\u00f6rung \u00fcberhaupt.\nGerade, weil es uns in der Therapie der Psychosen an specifischen Heilmitteln fehlt, verdient die Prophylaxe unsere volle Beachtung. Freilich m\u00fcfste, um sie in w\u00fcnschenswerther Weise zu erm\u00f6glichen und durchzuf\u00fchren, der Staat einschreiten und im Interesse seiner selbst und der Gesunden zu Maafsregeln greifen, die selbst f\u00fcr Amerika zu hart erscheinen.\nDie klar geschriebene Abhandlung ist naturgem\u00e4fs in erster Linie f\u00fcr den Arzt bestimmt. Gleichwohl m\u00f6chte man ihr eine weitere Verbreitung in Laienkreisen w\u00fcnschen, nicht nur, um die Eltern, besonders die M\u00fctter und die Lehrer auf ihre Aufgaben auch nach dieser Richtung hin und die dabei zu erzielenden Erfolge hinzuweisen, als auch, um dem alten Institute des Hausarztes als eines fachm\u00e4nnisch vorgebildeten Freundes und Berathers der Familie das Wort zu reden.\nErnst Sch\u00fcltze (Andernach).\nM. Friedmann. Ueber Wahnideen im Yolkerleben. Heft VI U. VII der Grenz-fragen des Nerven- und Seelenlebens, herausgegeben von L\u00f6wenfeld und K\u00fcrella. Wiesbaden, Bergmann, 1901. 100 S.\nIn der geistigen Geschichte der Menschheit haben wiederholt, ja eigentlich zu jeder Zeit Vorstellungen in grofsen und kleinen Kreisen eine starke Herrschaft ausge\u00fcbt, welche theils in ihrer Folge sich grauenhaft und verderblich erwiesen haben, theils mehr l\u00e4cherlich und kindisch uns anmuthen. Man bezeichnet sie heute ziemlich allgemein als Wahnidee, als Wahngebilde im V\u00f6lkerleben, und man hatte sich gew\u00f6hnt, sie direct als epidemische Geisteskrankheiten, als wirklichen Wahnsinn aufzufassen. So leitet Friedmann seine Studie \u00fcber Wahnidee im V\u00f6lkerleben ein, um sich sofort gegen diese Anschauungsweise zu wenden.\nAn sich sind Psychosen nicht ansteckend, und eine eigentliche Geistesst\u00f6rung kann sich nur dort entwickeln, wo bei dem einzelnen Individuum der Boden durch eine specifische constitutioneile Anlage geebnet ist. Mau kann daher eben so wenig von epidemischen Geistesst\u00f6rungen reden, wie etwa von einer epidemischen Gicht oder Diabetes, und wenn wir auch unter den Tausenden und Abertausenden von Besessenen und in anderen Geistesepidemien hin und wieder auf Geisteskranke stofsen, so unterlag doch die Mehrzahl einer ganz anderen St\u00f6rung.\nEin Verst\u00e4ndnifs f\u00fcr diese St\u00f6rungen ist uns erst durch die Kenntnifs von der Suggestion und ihrer Bedeutung im Volksleben auf gegangen, und Suggestion, Jferv\u00f6sit\u00e4t und Hysterie heifsen die drei Factoren, die hier unbeschr\u00e4nkt zur Wirkung kommen. Diese suggestive Wirkung einer Idee wird sich um so \u00fcppiger entfalten, je mehr sie auf die festgef\u00fcgte Association einer vorgebildeten Ueberzeugung trifft, und eine je geringere intellectuelle Hemmung und keine contrastirende Vorstellung ihr gegen\u00fcbersteht.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turbericht.\n297\nWir sehen nnn, wie \u00fcberall und zu allen Zeiten im Leben der V\u00f6lker derselbe Aberglaube wirksam ist und bis auf den heutigen Tag als Unterstr\u00f6mung, als ein fr\u00fcher erworbener und daher festerer Besitz jede sp\u00e4tere religi\u00f6se Bewegung begleitet und durchzieht. Bei dieser Uebereinstimmung bedarf es nur eines verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig kleinen Anstofses, um ganze Massen nach der gleichen Richtung hin in Bewegung zu setzen und zu Handlungen anzufachen, die der Einzelne nicht unternommen h\u00e4tte.\nMit der zunehmenden Bewegung der Masse steigert sich die Erregbarkeit des Einzelnen, und die Suggestion w\u00e4chst zur krankhaften Nachahmung, zu hypnotischen nnd exstatischen Zust\u00e4nden hervor, die \u00fcberreizte Phantasie ergeht sich in Bildern von vision\u00e4rer Deutlichkeit, und es kommt zu wahren Paroxismen, zu rein automatischen Handlungen.\nDie Geschichte liefert hierf\u00fcr zahllose Beispiele, und es gelingt unschwer, an der Hand dieser Beispiele die Richtigkeit der vorstehenden Er-klirungsart zu beweisen. Dafs wir es hierbei kaum n\u00f6thig haben, in die Vergangenheit zur\u00fcckzugreifen, dafs uns auch die Gegenwart hinreichendes Material zur Verf\u00fcgung stellt, hat eigentlich etwas Besch\u00e4mendes.\nWenn wir aber die Erregung der Masse betrachten, wie sie z. B. noch vor Kurzem in K\u00f6nitz stattgefunden hat, und wie sie sich morgen in einem beliebigen anderen Orte wiederholen kann, dann werden wir finden, wie es stets derselbe Boden ist, auf dem sich diese Sumpfpflanze entwickelt.\nUnter anderem Aberglauben steckt auch der des Ritualmordes dem Volke so tief im Blute, dafs es nur eines Anstofses bedarf, um zur vollsten Ueberzeugung aufzulodern, die ebenso wie vormals bei den Hexenprocessen gegen die Beschuldigten keine Untersuchung, sondern einen wirklichen, blutigen Krieg f\u00fchrt. Diese Ueberzeugung bedarf keiner logischen Begr\u00fcndung, und so lange die Erregung anh\u00e4lt ist es unm\u00f6glich, mit Gr\u00fcnden der Vernunft gegen sie vorzugehen.\nFriedmann hofft von einer besonnenen Handhabung der Vernunft und einer Erziehung des Volkes zu einer verst\u00e4ndigen Weltanschauung eine Besserung. Gewifs w\u00e4re es von dem allerh\u00f6chsten Werthe, wenn wir die th\u00f6richten Ideen der Masse durch bessere ersetzten k\u00f6nnten. Vorderhand aber wird dies noch auf lange hinaus ein frommer Wunsch bleiben, und da wir uns darauf gefafst machen m\u00fcssen, auch fernerhin im V\u00f6lkerleben auf Wahnideen zu stofsen, so ist es von Werth, ihr Wesen an hervorragenden Beispielen zu studiren und uns einen Einblick in ihren Organisms zu verschaffen, wozu uns Friedmann hier eine g\u00fcnstige Gelegenheit geboten hat.\tPelma\u00fc.\nBichholz. Aufgaben bei Benrtheilong Imbeciller. AlUjem. Zeit sehr. f. Psychiatr. u. jtsychisch-gerichtl. Medicin 57, 340\u2014396. 1900.\nDie Arbeit befafst sich vorzugsweise mit den leichteren Formen des angeborenen Schwachsinns, die gerade wegen der fliefsenden Ueberg\u00e4nge zur Breite des Normalen im Gegensatz zu der scharfen Scheidelinie, die das Gesetz vorschreibt,. dem Gutachter besondere Schwierigkeiten bereiten. Die Grenze zwischen krankhafter geistiger Schw\u00e4che und mangelhafter Begabung ist nicht identisch mit der vom Gesetz durch den \u00a7 51 Str.G.B.","page":297}],"identifier":"lit31575","issued":"1901","language":"de","pages":"296-297","startpages":"296","title":"M. Friedmann: Ueber Wahnideen im V\u00f6lkerleben. Heft VI. u. VII. der Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, herausgegeben von L\u00f6wenfeld und Kurella. Wiesbaden, Bergmann, 1901. 100 S","type":"Journal Article","volume":"26"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:23:52.184652+00:00"}

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