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Beobachtungen über die Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes für Tast-, Schmerz-, Temperatur- und Geschmacksreize

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{"created":"2022-01-31T16:24:26.437992+00:00","id":"lit31586","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow, F.","role":"author"},{"name":"R. Hahn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26: 383-417","fulltext":[{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"(Aua der von Dr. Kiesow geleiteten Abtheilung f\u00fcr experimentelle Psychologie des physiologischen Instituts der Universit\u00e4t Turin.)\nBeobachtungen \u00fcber die Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast-, Schmerz-, Temperatur- und Geschmacksreize.1\nVon\nF. Kiesow und R. Hahn.2\n(Mit 3 Fig.)\nDie in dieser Mittheilung vorzugsweise in Betracht kommenden Mundtheile sind die Gaumenpfeiler, die Tonsillen und die Uvula, vergleichsweise sind daneben auch andere Theile des Mundraumes mitber\u00fccksichtigt worden. An den vorderen Gaumenb\u00f6gen wurden aufserdem noch einige Beobachtungen \u00fcber die Raumwahmehmung angestellt und ebenso haben wir diese Gebilde auf ihre Kitzelempfindlichkeit gepr\u00fcft.\nWir arbeiteten mit der Projectionslampe und dem Stirnspiegel. Die Zunge wurde mit einem aus Hartgummi oder Glas gefertigten Zungenhalter niedergehalten. Wir vermieden metallene Zungenhalter, um die durch diese verursachten Geschmacksempfindungen, sowie die bei elektrischen Reizen leicht auftretende Leitung nach anderen, der Pr\u00fcfung nicht unterworfenen Mundtheilen hin auszuschliefsen. Personen mit stark steigender\n1 Ueber einige der in dieser Arbeit mitgetheilten Thatsachen wurde im Allgemeinen bereits der R. Accademia di Medicina zu Turin in den Sitzungen vom 26. April und 31. Mai 1901 kurz berichtet, sie sind in der vorliegenden Abhandlung nochmals revidirt worden.\n* Specialarzt f\u00fcr Oto- rhino-laryngologie und Sprachst\u00f6rungen zu Turin.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nF. Kiesow und R. Hahn.\nZunge wurden bei den Untersuchungen \u00fcber die Tast-, Temperatur- und Schmerzempfindlichkeit nicht benutzt und bei den Geschmacksuntersuchungen thunlichst ausgeschlossen.\nDie Bestimmung der Tastempfindlichkeit geschah mittelst d\u00fcnner und nicht zu weicher Haarpinsel, sowie mit Watteb\u00e4uschchen, der von Frey\u2019sehen Reizhaare und dem Inductionsstrom. Um die Application des Reizes auf die hinteren Mundtheile m\u00f6glich zu machen, wurden die Haarpinsel einem l\u00e4ngeren Glasstabe auf gesteckt, w\u00e4hrend die Watteb\u00e4uschchen, die Reizhaare und die f\u00fcr die Pr\u00fcfung der Raumwahmehmung benutzten Reizmittel dem einen Ende eines Strohhalmes (Virginiahalm) von ca. 19 cm L\u00e4nge aufgeklebt waren. Das Reizhaar (Pferdehaar) wurde auf diese Weise applicirt durch Scheeren-schnitt so lange verk\u00fcrzt, bis eine Empfindung auftrat und dann gemessen.1\nAls Inductionsapparat diente uns ein Schlitten nach du Bois-Reymond aus der Fabrik von G. Hasler in Bern, der nach Kronecker geaicht und bei einer Skalenl\u00e4nge von 52 cm in 14000 Einheiten getheilt war. Die Anzahl der Windungen der secund\u00e4ren Spule ist leider nicht angegeben. In den Apparat wurde constant ein Strom gesandt, der beim Durchgang durch die prim\u00e4re Rolle eine Intensit\u00e4t von 0,5 Amp\u00e8re besafs. Als Stromquelle dienten Danielelemente. Die Stromintensit\u00e4t wurde vor und nach jeder Versuchsreihe am Amp\u00e8remeter abgelesen und, wenn n\u00f6thig, durch Ver\u00e4nderung einer eingeschalteten Resistenz regulirt. Die Reizung war in diesem Falle eine unipolare und geschah mittelst einer Kupferdrahtelektrode von 16 cm L\u00e4nge und 1 mm Durchmesser, an deren freiem Ende in der Gebl\u00e4seflamme ein kleines Kn\u00f6pfchen angeschmolzen war. Diese, durch ein Glasrohr gezogene und so isolirte Elektrode wurde wie bei fr\u00fcheren Versuchen von Frey\u2019s und Kiesow\u2019s zur Kathode der Oeffnungsschl\u00e4ge gemacht und der andere Pol zu\n1 Als eine bequeme Methode, den Querschnitt eines Reizhaares unter dem Mikroskop zu messen, erwies sich mir die folgende: Man benutze das letzte vor dem Auftreten der Empfindung abgeschnittene St\u00fcckchen und stecke von diesem ein etwa 1\u20142 mm langes Endchen in ein d\u00fcnnes Hollundermarkscheibchen, das mit dem Rasirmesser geschnitten ist. Legt man das so zugerichtete Scheibchen auf den \u00f6bjecttrftger des Mikroskops, so hat die weitere Bestimmung keine Schwierigkeit.\tKiesow.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Reize. 385\neiner dem einen Unterarm umgelegten breiten Metallmanschette geleitet\nDieS c hmerzempfindlichkeit wurde faradisch, thermisch und mechanisch gepr\u00fcft. Als mechanische Reizmittel dienten neben den Reizhaaren auch feine und zugeschliffene N\u00e4hnadeln, die dem freien Ende eines Glasstabes von 20 cm L\u00e4nge eingeschmolzen waren.\nDie thermischen Pr\u00fcfungen wurden auf zweierlei Weise angestellt Wir verfuhren zun\u00e4chst so, dafs wir in ein mit erw\u00e4rmtem Wasser gef\u00fclltes Gef\u00e4fs mit einem Thermometer zusammen einen gut leitenden Metallstab von 19 cm L\u00e4nge und 5 mm Durchmesser thaten, dessen Applicationsende glatt abgeschliffen und dessen freies Ende mit einem St\u00fcck dickwandigen, als Handgriff dienenden Gummisehlauches \u00fcberzogen war. Nachdem wir das Wasser auf eine ziemlich hohe Temperaturstufe (ca. 65\u201470\u00b0 C.) erw\u00e4rmt hatten, begannen wir die Versuche und folgten in kurzen Zeitabst\u00e4nden der Abk\u00fchlung des Wassers bis zu dem Punkte, wo eine ausgesprochene Kaltempfindung auftrat Neben der Empfindlichkeit f\u00fcr W\u00e4rme- und K\u00e4ltereize konnte so zugleich ann\u00e4hernd die Schwelle des W\u00e4rmeschmerzes bestimmt wrerden. Die Application des Metallstabes geschah sehr schnell, nachdem die Versuchsperson den Mund ge\u00f6ffnet hatte und die Zunge mit dem erw\u00e4hnten Zungenhalter niedergehalten war.\nSodann benutzten wir ein Thermo\u00e4sthesiometer, wie Kiesow auf von Frey\u2019s Vorschlag construirte und bereits beschrieben hat1 F\u00fcr den vorliegenden Fall war dasselbe dahin abge\u00e4ndert, dafs die Kupferst\u00e4be isolirt durch ein ca. 16 cm langes Glasrohr gezogen waren. Ebenso besafs dasselbe keinen Kurzschlufs. Oeffnung und Schliefsung des Stromes wurden durch einen in den Stromkreis eingeschalteten Contactschl\u00fcssel bewirkt.\nF\u00fcr die Pr\u00fcfung der Geschmacksempfindlichkeit der erw\u00e4hnten Mundtheile benutzten wir starke L\u00f6sungen von Rohrzucker, Kochsalz, Salzs\u00e4ure und Quassin, die mittelst passender Pinsel und Watteb\u00e4uschchen auf getragen wurden. Hierbei waren aber weitere Vorsichtsmaafsregeln n\u00f6thig, die im Zusammenhang mit den Versuchsergebnissen unten beschrieben sind.\nAufser dieser Methode benutzten wir die zuerst von\n1 F. Kiesow, Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle. Philos. Stud. 14, 583. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 26.\t2b","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nF. Kiesow und R. Hahn.\nE. Neumann1 und k\u00fcrzlich auch wieder von R. Zander2 3 * * * mit Erfolg f\u00fcr diesen Zweck angewandte elektrische Reizung. Die beiden Elektroden wurden isolirt durch ein 16 cm langes Glasrohr gezogen und endeten bei einer sehr geringen Entfernung von einander in kleinen angeschmolzenen Kn\u00f6pfchen. Wir benutzten wie Neumann einen constanten Strom, der die Tast-und Schmerzapparate der Mundschleimhaut beim Oeffnen und Schliefsen nicht erregte, wohl aber den eigenartigen elektrischen Geschmack an den Geschmackspapillen deutlich hervortreten liefs. Durch leises Hin- und Herbewegen der Elektroden auf den Schmeckfl\u00e4chen tritt der Geschmack, wie schon Ne\u00fcma\u00efh angegeben hat, noch deutlicher hervor.\n/---------\\\ni\nU\tj\nFig. 1.\tFig. 2.\nF\u00fcr die Untersuchung der Raumw ahrnehmung benutzten wir Carton- und Papierst\u00fcckchen, die ebenfalls einem Virginiahalm aufgeklebt waren. Die St\u00fcckchen waren f\u00fcr die Wahrnehmung von Linien am freien Ende glatt abgeschnitten, f\u00fcr die Sch\u00e4tzung auf Punktdistanzen eingekerbt (Siehe die Figuren 1 und 2.) Von jeder Art hatten wir eine gr\u00f6fsere Serie angefertigt.8\n1 E. Neumann, Die Elektricit\u00e4t als Mittel zur Untersuchung des Geschmackssinnes im gesunden und kranken Zustande etc. K\u00f6nigsberger med. Jahrb. 4, 1\u201422. 1864. Citirt nach v. Vintschgau, Hermann\u2019s Handbuch der Physiologie III, 2, S. 153.\n* R. Zander, Ueber das Verbreitungsgebiet der Gef\u00fchls- und Geschmacksnerven in der Zungenschleimhaut. Anatomischer Anzeiger 14, 131. 1898.\n3 Ueber das bei Untersuchungen \u00fcber Raumwahrnehmungen ziemlich\ngute Dienste leistende Princip, mit Carton und Papierstreifen, deren Reiz-\nwerthe mefsbar sind, zu arbeiten, werde ich sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher berichten.\nKiesow.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren The\u00fce des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Reize. 387\nDie Kitzelempfindungen wurden durch Streichen mit Haarpinseln, Watteb&uschchen und Glasst\u00e4ben hervorzurufen gesucht\nDie weitere Versuchsanordnung war so getroffen, dafs die Versuchsperson bequem auf einem Stuhle safs und angewiesen war, mit der Hand ein Zeichen zu geben, sobald eine Sensation erfolgte. Nachdem der Mund wieder geschlossen war, wurde das Urtheil abgegeben und notirt\nAusdr\u00fccklich hervorgehoben sei noch, dafs wir besonders f\u00fcr die bei den thermischen Reizungen erhaltenen Resultate nicht die G\u00fcltigkeit absoluter Werthe beanspruchen und uns wohl bewufst sind, mit diesen Messungen keine Exactheit im absoluten Sinne befolgt zu haben. Da es uns mehr auf die Feststellung der Thatsachen an sich und auf ein ungef\u00e4hres Maafs der Empfindlichkeit ankam, so haben wir uns angesichts <ler noch zu \u00fcberwindenden technischen Schwierigkeiten mit diesen relativen Werthen begn\u00fcgt. Bemerkt sei noch, dafs empirisch ermittelte Verlustwerthe bei diesen Messungen in Abzug gebracht wurden. \u2014 Bis zu einem gewissen Grade gilt das Vorstehende auch f\u00fcr die \u00fcbrigen Werthangaben. Unser Hauptzweck war auch hier, zu einer allgemeinen Orientirung zu gelangen und m\u00f6glichst getreue Ann\u00e4herungswerthe zu erhalten.\nWir begannen die Untersuchung mit der Pr\u00fcfung der genannten Mundtheile auf ihre Tastempfindlichkeit mittelst des faradischen Stroms. Applicirt man die Drahtelektrode auf die Tast- und Haarpunkte der K\u00f6rperhaut oder auf die \u00fcbrigen Theile des Mundraums, so erh\u00e4lt man die mehrfach beschriebene intermittirende, von Anderen als schwirrend bezeichnete Tastempfindung. Diese Empfindung ist f\u00fcr die \u00e4ufsere K\u00f6rperhaut und die \u00fcbrigen Mundtheile (Zunge, Lippen, Wangenschleimhaut, harter und weicher Gaumen, Zahnfleisch) so charakteristisch, dafs sie hier niemals ausbleibt. Die Methode d\u00fcrfte daher ein gutes Mittel abgeben, diejenigen K\u00f6rpertheile zu bestimmen, welche tastempfindlich sind. Auf den in Rede stehenden Mund-theilen fanden wir nun Verh\u00e4ltnisse, die von den bisher bekannten zum Theil abweichen. Unsere Versuche zeigten, dafs die intermittirende Tastempfindung auf den Tonsillen, der Mitte der hinteren und der Mitte der vorderen Gaumenb\u00f6gen ausblieb, auch wenn die Stromintensit\u00e4t unter den an-\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"'388\nF. Kiesow und R. Hahn.\ngegebenen Bedingungen bis zu einem sehr hohen Grade gesteigert wurde. Bei sehr intensiven Reizen treten aber so starke, von imangenehmem Gef\u00fchlston begleitete Contractions-und Reflexempfindung auf und aufserdem mehrt sich die Speichelsecretion in solchem Maafse, dafs der Versuch nicht mehr rein bleibt Da der Reiz durch den Speichel \u00fcberhaupt leicht nach mit Tastorganen versehenen Stellen hin fortgeleitet wird, so braucht kaum hervorgehoben zu werden, dafs dieser Factor bei den Versuchen in R\u00fccksicht gezogen wurde. Wir haben vor jedem Versuche den Mund gr\u00fcndlich sp\u00fclen lassen und aufserdem die zu untersuchenden Theile und ihre Umgebung mit Watte abgetrocknet.\nAn den erw\u00e4hnten Stellen der beiden Gaumenb\u00f6gen traten nun freilich bei einer Stromintensit\u00e4t von ca. 600\u2014900 Einheiten und an den Tonsillen bei einer solchen von ca. 700\u2014800 Einheiten bereits schwache Empfindungen auf, aber diese waren nicht Tastempfindungen, sondern schlossen, wie weiter unten beschrieben ist, bereits die Schmerzqualit\u00e4t in sich. Die Empfindungen sind stichartig und auf diesen Fl\u00e4chen punktf\u00f6rmig vertheilt. In diesen Punkten wird man daher Schmerzpunkte anzuerkennen haben. Ebenso d\u00fcrften wir nach den dargelegten Erfahrungen zu dem \u2022Schl\u00fcsse berechtigt sein, dafs eigentliche Tastorgane auf den angegebenen Fl\u00e4chen nicht vorhanden sind. Bemerkt sei aber schon hier, dafs das Aufsetzen der Elektrode an den genannten Stellen oftmals als schwacher und vager Tasteindruck empfunden wird. Wir kommen auf diese Erscheinung unten zur\u00fcck. Die Beobachtungen wurden an mehreren Versuchspersonen mit stete gleichem Erfolge angestellt.\nAbweichend von diesen Befunden verhielten sich die oberen und unteren Enden der vorderen Gaumenb\u00f6gen. Hier gaben mehrere Versuchspersonen bei intensiven Reizen von 2000\u20143000 Einheiten und dar\u00fcber an, dafs sie ein schwaches Schwirren beobachteten. Wir haben dieser Erscheinung viel Aufmerksamkeit geschenkt, haben aber nicht mit absoluter Sicherheit ermitteln k\u00f6nnen, ob es sich hier um directe Reizung von Tastorganen handelt, die auf diesen Stellen selbst vertreten sein k\u00f6nnten, oder um Ausbreitung des Stromes nach dem weichen Gaumen und der Zunge hin. Ist das erste re auch wahrscheinlich (s. Note 2 auf S. 389), so d\u00fcrfte doch auch die letztere Anschauung nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sein.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Reize. 389\n\nI\nAbgesehen davon, dafs die Mundfl\u00fcssigkeit leitet, steht der Tordere Gaumenbogen durch den M. palato-glossus (Fort* Setzung des M. transversus linguae) sowohl mit der Zunge als auch mit dem Gaumensegel in Verbindung und ebenso finden sich hier gleichfalls Nervenfasern aus dem Trigeminus. Die Leitung durch die Mundfl\u00fcssigkeit haben wir, wie bereits bemerkt, durch Abtrocknen thunlichst zu beseitigen gesucht, aber es bleibt dann immer noch eine Leitung durch die Muskel- oder die Nervenfaser nach den sehr nahe liegenden Tastfl\u00e4chen hin m\u00f6glich. Durch Contraction des Muskels, die bei dieser Beizung stark hervortritt, wird das Gaumensegel nach abw\u00e4rts gezogen und sodann hat v. Fkey in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dafs durch den elektrischen Reiz nicht direct die Endorgane, sondern vielmehr die zuf\u00fchrenden Nerven getroffen werden.1 Diese Vorstellung haben auch wir bei den vorliegenden Beobachtungen vielfach best\u00e4tigen k\u00f6nnen. Man merkt oft deutlich, wie der Reiz sich unter der Haut fortpflanzt. Die Leitung durch die Muskel- und Nervensubstanz nach Zunge und Gaumen, Gebilde, die mit Tastorganen versehen sind, d\u00fcrfte somit nicht ausgeschlossen sein, zumal die Stromintensit\u00e4t zur Hervorrufung dieser Erscheinung betr\u00e4chtlich ist und die Empfindung andererseits schwach bleibt. Dazu kommt, dafs auch auf der \u00e4ufseren K\u00f6rperhaut ganz \u00e4hnliche Erscheinungen durch Ausstrahlung des Reizes hervorgerufen werden k\u00f6nnen.\nTrotzdem haben wir diese Frage unentschieden gelassen. Wir kommen nochmals darauf zur\u00fcck. Was aber als sicher aus unseren Versuchen hervorging, ist dies, dafs wenn hier Tastorgane Vorkommen, sie hier nur in minimaler Anzahl vorhanden sein k\u00f6nnen und schwer zu treffen sind. Unm\u00f6glich ist auch nicht, dafs hier individuelle Differenzen Vorkommen.\nDie hinteren Gaumenb\u00f6gen wurden aus leicht ersichtlichen Gr\u00fcnden nur an ihrem medialen Rande untersucht, ihre oberen und unteren Enden blieben der m\u00f6glichen Fehlerquellen wegen von der elektrischen Pr\u00fcfung ausgeschlossen.-\n1 M. vos Frey, Beitr\u00e4ge z. Phys. d. Schmerzsinnes. Leipziger Berichte m, 2. Mittheil., S. 292.\n/ * Zu einer endg\u00fcltigen Beantwortung dieser und anderer Fragen wird vielleicht eine histologische Bearbeitung der Gebilde f\u00fchren, die einer meiner Sch\u00fcler auf meinen Wunsch unternommen hat und \u00fcber die er sp\u00e4ter selbst berichten wird. Wie mir Herr Prof. v. Frey schreibt, den","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nF. Kiesow und R. Hahn.\nAm oberen Theile der Uvula wurde von den meisten, am obersten von allen Versuchspersonen Schwirren angegeben, der untere dr\u00fcsige Theil des Organs scheint ebenso individuellen Differenzen zu unterliegen. Bei Kiesow ist der untere Theil f\u00fcr Tast- und Schmerzreize v\u00f6llig unempfindlich.\nUm einen n\u00e4heren Einblick in diese Verh\u00e4ltnisse zu gewinnen, haben wir sie messend weiter verfolgt und mit der Empfindlichkeit anderer Mundtheile zu vergleichen gesucht Diese wie alle anderen Messungen wurden vorzugsweise an Kiesow angestellt. F\u00fcr einige Controlversuche leisteten uns die Herren DDr. C\u00fcshing, und N., sowie Herr stud. med. Fontana u. A. ihre H\u00fclfe. Letzterer ist uns aufserdem beim Experimentiren vielfach beh\u00fclflich gewesen. Wir vers\u00e4umen nicht, diesen Herren, wie allen anderen Personen, die uns beh\u00fclflich waren, auch an dieser Stelle unseren besten Dank f\u00fcr ihre Theilnahme an den Versuchen auszusprechen.\nWir stellen in den nachfolgenden Tabellen die Werthe zusammen, die an Kiesow als Tast- und Schmerzschwellen gefunden wurden. Diejenigen der \u00fcbrigen Herren wichen nicht erheblich von diesen ab.\nI. Intermittirende Tastempfindung.\nZungenspitze :\t25 Einheiten\nHarter Gaumen:\t25-30\nMitte der Zunge:\tca. 100\nMundwinkel:\tca. 100\t\u201e\nWeicher Gaumen:\tca. 800\t\u201e\nUvula:\tca. 1250\tr\nOberes Ende des vorderen Gaumenbogens:\tca. 2500\t\u201e\nUnteres Ende des vorderen Gaumen bo ge ns:\tca. 2000\tr\nII. Schmerzempfindung.\t\nZungenspitze:\t100\u2014200 Einheiten\nHarter Gaumen:\t50-100\nMundwinkel:\t300\u2014400\nich um Nachpr\u00fcfung dieser physiologisch schwer festzustellenden That-sache bat, konnte auch er an sich selbst gegen den oberen Rand und zwar sowohl des vorderen wie des hinteren Rogens durch faradische Reizung beliebiger Frequenz und ohne Muskelreizung vereinzelte isolirte Tastpunkte nachweisen.\tKmsow.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"<\nEmpfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 391\nMitte der Zunge:\tca. 500 Einheiten\nWeicher Gaumen:\tca.\t500\u2014600\t\u201e\nVorderer Gaumenpfeiler, oben:\tca. 600\t\u201e\nVorderer Gaumenpfeiler, Mitte:\tca. 900\t\u201e\nHint. Gaumenpfeiler, Mitte:\tca.\t600\u2014700\t\u201e\nOberer Theil der Uvula:\tca.\t600\u2014700\t\u201e\nTonsillen:\tca.\t700\u2014800\t\u201e\nEs sei nochmals hervorgehoben, dafs diese Werthe nur An-n\u00e4herungswerthe sein k\u00f6nnen. Sie sind die niedrigsten, die gefunden wurden und d\u00fcrften somit f\u00fcr die empfindlichsten Punkte des jeweils untersuchten K\u00f6rpertheils gelten. Da diese Punkte auf den vorderen Mundtheilen besser auffindbar sind als an den hinteren, so kann der Vergleich zwischen beiden im absoluten Sinne keine Exactheit beanspruchen. Dennoch d\u00fcrften die Angaben nicht ohne Werth sein, da sie ein ungef\u00e4hres Verh\u00e4ltnifs der Empfindlichkeit der einzelnen Mundtheile deutlich erkennen lassen. Sehr schwer bestimmbar ist die Schwelle f\u00fcr die inter-mittirende Tastempfindung an der Zungenspitze, sofern, wie Kiesow bereits in einer anderen Arbeit hervorgehoben hat \\ das Organ selbst fortw\u00e4hrend Bewegungen ausf\u00fchrt und diese Empfindung auch ohne Stromdurchgang so leicht vorget\u00e4uscht werden kann. Man kommt hier aber zum Ziele, wenn man den inducirten Strom, w\u00e4hrend die Elektrode bei minimalster Intensit\u00e4t der Zungenspitze anliegt, \u00f6ffnet und schliefst. Auf diese Weise wurde der oben angegebene Werth gefunden. Kaum verschieden von der Empfindlichkeit der Zungenspitze ist die des harten Gaumens, besonders am hinteren Rande, wo er in den \u25a0weichen Gaumen \u00fcbergeht. In der Schmerzempfindlichkeit \u00fcbertrifft der harte Gaumen noch die Zungenspitze. Die letztere hat aber durch ihre grofse Beweglichkeit f\u00fcr die Auffassung von Reizgr\u00f6fsen Vortheile vor allen anderen Organen. Im Uebrigen bed\u00fcrfen die vorstehenden Tabellen keiner weiteren Interpretation. Es geht aus denselben deutlich hervor, dafs die vorderen Mundtheile sowohl f\u00fcr Tast- als f\u00fcr Schmerzreize bedeutend empfindlicher sind als die hinteren. Was die letzteren betrifft, so ist der hintere Gaumenpfeiler in seinem mittleren Theile schmerz-empfindlicher als der vordere und ebenso ist dieser hier etwas weniger empfindlich als die Tonsillen. Bei ihrem Uebergange in\n1 F. Kiesow. Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle. Philos. Stud. 14.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nF. Kiesotu und R. Sahn.\nden weichen Gaumen, nehmen die Gaumenb\u00f6gen allm\u00e4hlich die Empfindlichkeit dieses Mundtheiles an.\nBevor der Schmerz erscheint und noch etwas \u00fcber diesen Punkt hinaus, hatten einige Versuchspersonen namentlich auf den Gaumenpfeilem den Eindruck, als ob ein auf den K\u00f6rper-theil ausge\u00fcbter Druck anwachse und sich in die Tiefe fortpflanze. Diese Erscheinung wird vielleicht durch die Zunahme der erw\u00e4hnten Contractionsempfindung vorget\u00e4uscht.\nEigent\u00fcmlich ist ferner die Thatsache, dafs die Grenze bis zur Unertr\u00e4glichkeit des Schmerzes auf den einzelnen Theilen der Mundh\u00f6hle verschieden ist. Man ertr\u00e4gt den Schmerz auf den hinteren Mundtheilen l\u00e4nger als auf den vorderen und auf den Tonsillen z. B. wieder weit l\u00e4nger als auf den Gaumenpfeilem und dem weichen Gaumen. Kiesow gewann schon in einer fr\u00fcheren Arbeit \u00fcber die Empfindlichkeit des Mundraums \u201eden Eindruck, dafs, von inneren Organen abgesehen, die Wangen-schleimhaut wie die hinteren Theile des Mundraumes mit Ein-schlufs der hinteren Zungenh\u00e4lfte von allen K\u00f6rperteilen vielleicht die geringste Schmerzempfindlichkeit besitzen.\u201c1 * Die Wangenschleimhaut besitzt aufserdem, wie er zuerst fand, eine schmerzfreie Stelle.- Er bezeichnete die auf der hinteren Wangenschleimhaut auftretenden Empfindungen nicht geradezu als schmerzhaft, sondern als schmerzbetont. Es darf jedoch diesem hinzugef\u00fcgt werden, dafs im hinteren Mundraume die Schmerzempfindungen wie auf einzelnen Theilen, so auch auf einem und demselben Theile der Mundcavit\u00e4t noch wieder verschieden sind.3 Im Einzelnen ist die Analyse hier aber sehr erschwert Die durch die erw\u00e4hnten Contractionen und Reflexe, sowie durch Ausstrahlung in benachbartes Gewebe und durch elektrolytische Zersetzungen hervorgerufenen Empfindungen' verschmelzen zusammen mit Temperaturempfindungen oder direct und indirect ausgel\u00f6sten Geschmacksempfindungen mit der Schmerzempfindung\n1 Citirte Arbeit, S. 578.\na Ebenda. Aufserdem Philos. Stad. 9, 510 ff.\n8 Die Verallgemeinerung, welche S. Alrutz (Skandin. Arch, f, Phys\u00f9h logic 10, 351) aus den in meiner oben citirten Arbeit mitgetheilten Angaben gezogen hat, dafs das minimum perceptibile des Schmerzes im Mund-rfiutno hoch liege, ist nicht richtig. Ich hatte diese Angabe nur f\u00fcr die hinteren Mundtheile gemacht. Schmerzempfindungen spielen bei der Aufnahme der Nahrung eine bedeutende Rolle.\tKiesow.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 393\nzu einem Empfindungscomplex, der dem Schmerz namentlich bei h\u00f6heren Reizintensit\u00e4ten eine ganz eigenartige F\u00e4rbung verleiht Der Totaleindruck ist dann meistens von einem h\u00f6chst unangenehmen Gef\u00fchlseindruck begleitet W\u00fcrgbewegungen setzen der Untersuchung gew\u00f6hnlich ein Ende.\nEine weitere Erfahrung, die wir bei diesen und fr\u00fcheren Untersuchungen gewannen, ist die Thatsache, dafs auf dem vorderenGaumenpfeiler bei unipolarer f aradischer Reizung zuweilen deutlich eine Geschmacksempfindung auftrat, die aber nicht hier, sondern nach der Zungenbasis hin localisirt ward.\nErw\u00e4hnt sei ferner noch, dafs die durch die elektrische Reizung erzeugte Temperaturempfindung immer eine Kalt-empfindung, niemals eine Warm empfind ung war. Die so hervorgerufene Kaltempfindung nahm mit anwaehfcender Stromst\u00e4rke meistens zu.\nEs wurde schon hervorgehoben, dafs auf den Gaumenpfeilern und den Tonsillen das Auf setzen der Elektrode selbst als Tastendruck empfunden wird. Dies gilt auch f\u00fcr solche Stellen des vorderen Gaumenbogens, wo sicher keine Tastorgane vorhanden sein k\u00f6nnen. Diese Thatsache hat uns Anfangs \u00fcberrascht, durch eine sorgf\u00e4ltige Pr\u00fcfung glauben wir aber zu einer vollg\u00fcltigen Erkl\u00e4rung gelangt zu sein. Die Empfindung ist immer bedeutend schw\u00e4cher als an den mit Tastfl\u00e4chen versehenen K\u00f6rperstellen, sie bleibt dazu immer vage und vor allem schlecht localisirbar. Man erkennt schlecht oder gar nicht die Reizstelle, sondern kann meistens nur im Allgemeinen angeben, ob an der rechten oder an der linken K\u00f6rperseite, und ob hier am oberen oder unteren Theil der Mundcavit\u00e4t gereizt wurde. Um die Empfindung hervorzurufen, mufs hier eine ungleich gr\u00f6fsere Kraft angewandt werden, als bei Reizung der eigentlichen Tastfl\u00e4chen. Dies ist leicht nachweisbar bei Benutzung von abgerundeten Glas- und Metallst\u00e4ben oder von Haarpinseln und Strohhalmen, denen ein kleines Watteb\u00e4uschchen angesetzt ist Individuelle Differenzen traten hier nur insofern auf, als manche Personen etwas intensiver zu empfinden schienen als andere, mit dem Vorbehalt jedoch, dafs auch im letzteren Falle die Intensit\u00e4t der Empfindung weit hinter der an Tastfl\u00e4chen hervor-zurufenden zur\u00fcckblieb. In Anbetracht der vielfachen Factoren, die hier eine Rolle spielen k\u00f6nnen, ist dies auch wohl nicht auffallend. Wir arbeiteten zwar nur an Personen, bei denen die","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nF. Kiesotc und fi. Hahn.\nin Rede stehenden Mundtheile anscheinend durchaus normal waren, aber es d\u00fcrfte doch daran zu erinnern sein, dafs leichtere Insulte, denen gerade die hinteren Mundtheile vielfach ausgesetzt sind, auch wenn sie anscheinend spurlos verlaufen, auf die feinere Empfindlichkeit dieser K\u00f6rpertheile von nachhaltigem Einfl\u00fcsse bleiben k\u00f6nnen. Dazu kommt, dafs auch die Form dieser K\u00f6rpertheile mannigfach variirt und daher die Application des Reizes in einem Falle leichter ist als im anderen.\nNach allen von uns gewonnenen Erfahrungen kamen wir zu der sicheren Ueberzeugung, dafs es sich bei dieser schwachen und ihrer Qualit\u00e4t nach immer mehr vage bleibenden Tastempfin-dung, wenn auch, wie nach v. Freys Angabe sehr wahrscheinlich ist, an den oberen Enden der vorderen Gaumenb\u00f6gen wenige Tastorgane in Frage kommen, doch besonders um Ausbreitung des Reizes nach den Tastfl\u00e4chen hin oder vielleicht auch um Muskelempfindungen handelt. Letzteres gilt nat\u00fcrlich nur f\u00fcr die Gaumenpfeiler. Schon bei nicht sehr starken Reizen sieht man das Ausweichen dieser Gebilde nach hinten, wendet man st\u00e4rkere Reize an, so treten Contractionen und Reflexe auf. Nimmt man nicht abgerundete Reizst\u00e4be, wie etwa Virginiahalme, denen kein Watteb\u00e4uschchen aufgesetzt ist, so wird die Empfindung schon bei m\u00e4fsigem Dr\u00fccken schmerzhaft.\nDiese durch Contraction und Ausbreitung hervorgerufenen Empfindungen beobachtet man gut, wenn man mit Inductions-st\u00f6fsen reizt, die nicht so schnell aufeinander folgen, dafs Tetanus eintreten kann. Wir haben hier\u00fcber einige Versuchsreihen angestellt und theilen im Folgenden eine solche mit, die an Kiesow bei 6 Inductionsschl\u00e4gen in der Secunde gewonnen wurde. Wir benutzten f\u00fcr diesen Zweck Kronecker\u2019s Unterbrechungshammer, der mit dem erw\u00e4hnten Inductorium verbunden wurde. Im Uebrigen waren die Bedingungen die gleichen, unter denen die oben mitgetheilten Werthe gefunden wurden.\nVorderer Gau menbogen, Mitte:\nSchmerzhaft, kein Zucken.\nEbenso.\nSchmerzhaft. St\u00f6fse. Die Empfindung ist bei den St\u00f6fsen tastartig schmerzhaft.\nVorderer Gaumenbogen, oberes Ende:\n2500 Einheiten \u2014 Schmerzhaft, kein Stofs.\n3000\t\u201e\t\u2014 Ebenso.\n2500 Einheiten \u2014 3000\t\u2014\n3250\t\u201e\t-","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Beize. 395\n3250 Einheiten \u2014 St\u00f6fse tastartig schmerzhaft. Der Reiz breitet sich bis\nzur Uvula aus, die in Contractionen den Intermissionen des Reizes folgt.\nVorderer Gaumenbogen, hart am weichen Gaumen:\n\u00c40O Einheiten \u2014 Kalt und stichartig.\n3000\t\u201e\t\u2014 Leise stichartige St\u00f6fse.\nHinterer Gaumenbogen, Mitte:\n1000 Einheiten \u2014 Schmerzhaft.\n1250\t\u201e\t\u2014\tGeringes Zucken.\n1500\t\u201e\t\u2014\tDie Uvula folgt den\tIntermissionen\tdes\tReizes.\nTonsille:\n2500 Einheiten \u2014 Sehr leiser Stich.\n3000\t\u201e\t\u2014\tEbenso, fast nichts.\n1500\t\u201e\t\u2014\tStich ohne St\u00f6fse.\n4000\t\u201e\t\u2014\tDer Versuch ist nicht\tmehr\trein,\tda\tman die Zuckungen\nbereits im Arm sp\u00fcrt.\nDiese Versuche wurden an der linken K\u00f6rperseite angestellt, die an der rechten gefundenen Werthe weichen aber kaum von den vorstehenden ab. Dafs es sich hier neben der durch die Ausbreitung des Reizes und durch die Contractionen als solchen an den Tastfl\u00e4chen hervorgerufenen Empfindungen, wohl auch noch um wirkliche Muskelempfindungen handelt, geht aus der That-sache hervor, dafs man den Stofs mehr in der Tiefe empfindet, nicht wie bei der intermittirenden Tastempfindung oberfl\u00e4chlich. Man erkennt dies auch, wenn man die Elektrode auf die \u00e4ufsere K\u00f6rperhaut, etwa auf die Fingerbeere, den Daumenballen oder die R\u00fcckseite der Hand applicirt. Hier merkt man deutlich den Stofs im Muskel und hat bei grofsen Intensit\u00e4ten sogar oft den Eindruck, als werde ein Stofs auf den Knochen ausge\u00fcbt. Dies ist bei schnell folgenden Reizunterbrechungen anders. Hier kann an den Tastfl\u00e4chen, wie z. B. an der inneren Wange bei hohen Intensit\u00e4tsgraden ein hochgradiger Tetanus hervorgerufen werden, trotzdem aber folgt die Empfindung den Intermissionen des Reizes.\nDie betr\u00e4chtliche Differenz der Stromintensit\u00e4t, welche n\u00f6thig ist, um bei dieser Reizung die Uvula in Mitleidenschaft zu ziehen, erkl\u00e4rt sich hinreichend aus der ungleichen muscul\u00e4ren Verbindung der Gaumenpfeiler mit diesem Organ.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nF. Kiesoiv und B. Halm.\nAn der Uvula kann man mit st\u00e4rkeren mechanischen Reizen nur auf der oberen H\u00e4lfte arbeiten, die Spitze weicht dem Reize zu leicht aus, als dafs man hier zu irgend einem sicheren Ergebnis kommen k\u00f6nnte. Am oberen Theile wird der Reiz meist als Tasteindruck empfunden und dann ungleich deutlicher und klarer als an den vorstehend erw\u00e4hnten Theilen. Dafs es sich hier um directe Reizung von Tastorganen handelt oder wenigstens um eine leichtm\u00f6giiche Ausbreitung nach solchen hin, bedarf keines weiteren Beweises.\nNach Feststellung dieser Verh\u00e4ltnisse haben wir die in Rede stehenden K\u00f6rperstellen auf ihre Empfindlichkeit f\u00fcr punktf\u00f6rmige Reize gepr\u00fcft, die in der oben angegeben Weise hergestellt wurden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind f\u00fcr die Gaumenb\u00f6gen und Tonsillen im Ganzen die folgenden :\nIst man durch allm\u00e4hliche Verk\u00fcrzung des Reizhaares bis zu dem Punkt gelangt, wo eben eine Empfindung auftritt, so ist diese sehr schwach und ihrer Qualit\u00e4t nach nicht gut zu definiren. Sie wird als vage, schwache, unbestimmte Tastempfindung bezeichnet, es wird aber dabei angegeben, dafs sie sich von der, die man auf Tastpunkten erh\u00e4lt, unterscheidet. Die Empfindung verschwindet auch fast sogleich nach der Reizung, auch wenn diese andauert, wie dies bei schwacher Reizung der Tastpunkte geschieht. Verst\u00e4rkt man den Reiz allm\u00e4hlich, so wird die Empfindung stichartig, ohne aber ausgesprochen schmerzhaft zu sein. Man findet jedoch Punkte, bei deren Reizung die stichartige Empfindung erst eintritt, wenn man den Reiz kurze Zeit andauern l\u00e4fst, und andere, bei denen sie fast gleichzeitig mit der Reizung einsetzt. Im ersten Falle ist die Empfindung Anfangs schwach und vage und wird dann fast pl\u00f6tzlich stichartig. Diese stichartige Empfindung k\u00f6nnte man schmerzbetont nennen. Sie schliefst zweifellos die Schmerzqualit\u00e4t bereits in sich, ohne dafs der Schmerz klar ausgesprochen ist. Italienische Beobachter pflegen hier anzugehen: \u201ePunge un po, rna non fa ancora male.\u201c Bei der gleichen Reizintensit\u00e4t findet man ferner Punkte, auf denen die stichartige Empfindung fast gleichzeitig mit der Abnahme des \u00e4ufseren Reizes verschwindet und andere, auf denen sie mehr oder weniger lange Zeit andauert. Verst\u00e4rkt man den Reiz in der erw\u00e4hnten Weise gradweise weiter, so verringert sich die Latenzzeit bis zum Auftreten der stichartigen Empfindung und zugleich nimmt diese","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 397\nin immer ausgesprochenerer Weise die Schmerzqualit\u00e4t an. Ebenso vermehrt sich die Anzahl der Punkte. Weitere Verst\u00e4rkerungen des Reizes f\u00fchren dann zu immer intensiveren und nachdauemden stichartigen Schmerzempfindungen und nur zu solchen, bis auf noch h\u00f6heren Reizstufen der Versuch in Folge der bereits hervorgehobenen St\u00f6rungen nicht mehr rein bleibt\nZu beachten ist hier besonders, dafs das Reizhaar nicht gleiten und bei der Biegung nicht Tastfl\u00e4chen wie Zunge und Wangenschleimhaut streifen darf. Die K\u00f6rpertheile m\u00fcssen wirklich punktartig getroffen werden, was nicht immer leicht ist und von Seiten der Versuchspersonen eine grofse Hingabe an den Versuch erfordert.\nEs resultirte weiter aus unseren Versuchen, dafs auch an den Gaumenb\u00f6gen die einzelnen Abschnitte dieser Mundtheile noch wieder von verschiedener Empfindlichkeit sind.\nDas sind die allgemeinen Resultate, zu denen uns die Untersuchung f\u00fchrte. Wir haben dann versucht (und zwar auch am oberen Theile des hinteren Gaumenbogens), einige genauere Angaben zu erhalten, die wir in den nachstehenden Tabellen \u00fcbersichtlich zusammenstellen :\nF\u00fcr die erste Phase der Empfindung, wie sie oben beschrieben wurde, ergaben sich an den rechten Mundtheilen bei Kiesow rund die folgenden Werthe:\n\tQuerschnitt d. Haares\tMittl. Radius\tKraft Spannung Druck\t\t\n\tmm*\tmm\tgr\tgr mm\tgr, mm1\nVord. Gaumenbogen, oben:\t0,04\t0,11\t0,45\t4\t11\nVord. Gaumenbogen, Mitte:\t0,038\t0,11\t0,85\t8\t22\nHint. Gaumenbogen, oben:\t0,041\t0,11\t0,28\t3\t7\nHint. Gaumenbogen, Mitte:\t0,04\t0,11\t0,04\t6\t1\u00ab\nTonsille:\t0,035\t0,11\t1,05\t10\t30\nBei den in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werthen zeigen die Stiche bereits die Schmerzqualit\u00e4t. Der Schmerz ist aber, obwohl ausgesprochen, doch ertr\u00e4glich.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nF. Kiesow und B. Hahn.\n\tQuer- schnitt\tMittL Bad.\tKraft\tSpannung\tDruck\n\tmm3\tmm\tgr\tgr/mm\tgr/mm1\nVord. Gaumenbogen, oben:\t0,035\t0,11\t1,56\t14\t45\nVord. Gaumenbogen, Mitte:\t0,025\t0,088\t2,00\t23\t80\nHint. Gaumenbogen, oben:\t0,035\t0,11\t0,9\t8\t26\nHint. Gaumenbogen, Mitte:\t0,028\t0,10\t1,41\t14\t50\nTonsille:\t0,029\t0,10\t1,71\t17\t59\nNach Aufnahme dieser Versuchsreihen wurden f\u00fcr die erste Empfindungsphase am mittleren Theile des rechten vorderen Gaumenbogens an Herrn Fontana, sowie an dem f\u00fcnfzehnj\u00e4hrigen H\u00fclfsdiener unseres Instituts, Michele Giordano, einige Controlversuche mit verschiedenen Reizhaaren angestellt. Diese Versuche ergaben f\u00fcr Herrn Fontana folgende Werthe:\nQuerschnitt des Haares\tMittl. Radius\tKraft\tSpannung\tDruck\nmm3\tmm\tgr\tgr/mm\tgr/mm\u2019\n0,030\t0,10\t0,66\t7\t22\n0,04\t0,11\t0,76\t7\t19\n0,04\t0,11\t0,95\t9\t24\nBei dem letzten Reizwerthe wurde die Angabe hinzugef\u00fcgt: Append, append pungentel\nAn Michele Giordano liefsen sich f\u00fcr jene Empfindungsphase folgende Reizgr\u00f6fsen bestimmen:\nQuerschnitt\tMittl. Radius\tKraft\tSpannung\tDruck\nmm9\tmm\tgr\tgr/mm\tgr/mm1\n0,035\t0,10\t0,5\t5\t14\n0,044\t0,12\t0,58\t5\t13\nIn Anbetracht der individuellen Unterschiede, die sich \u00fcberall finden, d\u00fcrfte eine gr\u00f6fsere Uebereinstimmung der Reizwerthe kaum zu erzielen sein. Die niedrigeren Werthe im letzteren Falle erkl\u00e4ren sich wohl zum Theil aus dem j\u00fcngeren Alter der Versuchsperson. Dann kommt aber dazu, dafs der Reiz bei ihr besonders leicht applicirt werden konnte, da die Zunge nur leise niedergehalten zu werden brauchte.\nWas die Interpretation der vorstehenden Werthe betrifft, so steigt hier wiederum die Frage auf, was f\u00fcr Hautorgane gereizt wurden, ob Tast- oder Schmerzapparate. Soweit die Tonsillen und die Mitte der Vorderseite der Gaumenb\u00f6gen in Betracht","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 399\nkommen, glauben wir auch durch die vorstehend mitgetheilten Ergebnisse zu der Annahme berechtigt zu sein, dafs es sich hier ausschliefslich um Reizung von Schmerzapparaten handelt Der Charakter der auftretenden Empfindung wie besonders die hohen Reizschwellen weisen durchaus hierauf hin. Nicht mit Bestimmtheit l\u00e4fst sich sagen, ob die auf den oberen Enden des vorderen und hinteren Gaumenbogens bei Kiesow gefundenen Werthe sich auf directe oder indirecte Reizung von Tast- oder von Schmerz -punkten beziehen. Die Werthe entsprechen freilich den maximalen Reizschwellen weniger Tastpunkte der \u00e4ufseren K\u00f6rperhaut, andererseits aber weist die bei st\u00e4rkeren Reizen auftretende Empfindungsqualit\u00e4t auf eine directe oder indirecte Reizung von Schmerzapparaten hin. Die Empfindung ist dann immer schmerzhaft. Sollten hier somit, was die histologische Untersuchung ergeben mufs und nach v. Frey wahrscheinlich ist, auch Tastapparate vorhanden sein, so d\u00fcrfte ihre Zahl auch nach diesen Ergebnissen nur sehr gering sein und sie d\u00fcrften ebenso bei mechanischer Erregung schwer zu treffen sein. Wie dem auch sein m\u00f6ge, so geht aus unseren Untersuchungen bereits so viel hervor, dafs die Mundh\u00f6hle neben Stellen, die wohl tast-, aber nicht schmerzempfindlich sind, auch solche Gebilde besitzt, die bei erhaltener Schmerzempfindlichkeit umgekehrt keine Tastempfindlichkeit besitzen. Es d\u00fcrften hier somit zum Theil wenigstens analoge Verh\u00e4ltnisse vorliegen, wie v. Frey f\u00fcr die Conjunctiva bulbis und die Cornea feststellen konnte.1\nGehen wir auf v. Frey\u2019s Untersuchungen etwas n\u00e4her ein, so w\u00e4re hervorzuheben, dafs es nach seinen aufserordentlich gr\u00fcndlichen und bahnbrechenden Arbeiten kaum noch als zweifelhaft angesehen werden kann, dafs die Schmerzempfindungen der Hautoberfl\u00e4che von specifisch adaptirten Organen ausgel\u00f6st werden. Diese Schmerzorgane der Hautoberfl\u00e4che sind nach v. Frey die in die Intercellul\u00e4rr\u00e4ume der Epidermis aufsteigenden freien Nervenendigungen, und ihre Erregung geschieht nicht durch directe Wirkung des mechanischen Reizes,\n1 M. v. Fkey, Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Schmerzsinnes. leipziger Belichte. Sitzung vom 2. Juli 1894, S. 192.\nDerselbe, Untersuchungen \u00fcber die Sinnesfunctionen der menschlichen Haut. Leipz. Abhandl. 23 (3', 250.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nF. Kiesow und R. Hahn.\nsondern, wie v. Frey in hohem Maafse wahrscheinlich macht, durch einen chemischen Zwisehenprocefs, indem die in diesen R\u00e4umen vorhandene Fl\u00fcssigkeit ihre Zusammensetzung \u00e4ndert und so auf das Nervenende wirkt. Auf diese Weise erkl\u00e4rt sich nach ihm sowohl die Latenzzeit und das baldige Verschwinden der Empfindung bei schw\u00e4chsten Reizen, als auch ihre Con-tinuit\u00e4t bei st\u00e4rkeren Deformationen. Uns erscheint die durch v. Frey auf Grund seiner Erfahrungen aufgestellte Theorie von allen bisher aufgestellten die plausibelste.\nv. Frey hat dann weiter gezeigt, dafs die Messung der Schmerzempfindung in Dr\u00fccken, nicht in Spannungseinheiten zu geschehen hat. Letztere geben die Reizwerthe f\u00fcr die Erregung der Tastorgane ab. Auch diese stellen, wie v. Fbey zuerst dargethan hat und wie durch ihn und Kiesow1 noch wahrscheinlicher gemacht wurde, nicht eine Vorrichtung dar, durch welche der \u00e4ufsere Druck als solcher auf den Nerven \u00fcbertragen wird, sondern es handelt sich hier um eine Erregung, die durch eine in dem Tastorgan vor sich gehende St\u00f6rung des chemischen Gleichgewichts zu Stande kommt.\nWir haben in den Tabellen neben den Constanten der Reizhaare beide Werthe vergleichsweise zusammengestellt. Da es sich hier aber, wie oben gezeigt wurde, auf der Mitte der Gaumenb\u00f6gen zweifelsohne um die Erregung von Schmerzorganen handelt, so d\u00fcrften hier nur die in Dr\u00fccken angegebenen Werthe in Betracht zu ziehen sein. Wollte man die an diesem Theile der Gaumenb\u00f6gen gefundenen Spannungswerthe als die eigentlich verwerthbaren ansehen, so w\u00fcrden diese Werthe im Vergleich zu denen, die an den eigentlichen Tastfl\u00e4chen gefunden werden, zu hoch seien. Es ist wenigstens gar kein Grund vorhanden, warum die Tastorgane hier pl\u00f6tzlich eine so hohe Schwelle haben sollten, v. Frey fand die mittlere Schwelle des Tastpunktes auf der Wade = 1,44 gr/mm, am Handgelenk = 1,28 gr/mm2, Kiesow-* * * 8 fand diese auf den einzelnen K\u00f6rpertheilen innerhalb der Grenzen von 1,02\u20141,93 gr/mm variiren; und unter denselben Bedingungen, wie die Werthe\n1 M. v. Frey und F. Kiesow, Ueber die Function der Tastk\u00f6rperchen.\nDiese Zeitschrift 20.\n1 M. v. Frey, Cit. Arbeit 233, 235.\n8 F. Kiesow, Contributo alia psico-fisiologia del senso tattile. Giornale della R. Accademia di Medicina di Torino 6. 1900.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 401\nan den in Rede stehenden K\u00f6rperstellen gefunden wurden, konnte er an den Fingerbeeren, den behaarten Stellen der Vorderseite des linken Unterarms und der Wangenschleimhaut Werthe bestimmen, die innerhalb der Grenzen von 0,5\u20141 gr/mm liegen. Diesem kann noch hinzugef\u00fcgt werden, dals Kiesow bei neueren Untersuchungen am harten Gaumen unter gleichen Bedingungen den Spannungswerth von 0,5 gr/mm noch \u00fcberschwellig fand und dafs er am weichen Gaumen und dem oberen Ende der Uvula Tastwerthe von 0,5\u20140,75, resp. 1,5 gr/mm bestimmen konnte. Es ist somit (von Ausnahmen wie Zungenspitze und Lippenroth abgesehen) sehr wahrscheinlich, dafs die mittlere Schwelle f\u00fcr die Tastorgane innerhalb gewisser Grenzen constant bleibt und es ist nicht gut ein-zusehen, warum hier eine Ausnahme von der Regel vorliegen sollte. Diese Angaben nehmen wir somit als Reizwerthe f\u00fcr die Schmerzapparate in Anspruch. Diese variiren auf der K\u00f6rperoberfl\u00e4che in weit h\u00f6herem Grade als die Tastwerthe, und die von uns gefundenen fallen durchaus in die Grenzen hinein, innerhalb deren sich die Reizschwellen f\u00fcr die Schmerzpunkte nach v. Fbey bewegen.1 Die \u00e4ufsersten Grenzen sind nach ihm 0,2 gr/mm\u00ae f\u00fcr die Cornea und 300 gr/mm2 f\u00fcr die Fingerspitzen, die mittleren Werthe bewegen sich zwischen den Grenzen von 10 gr/mm2 (Augenlider) und 50 gr/mm 2 (Fufsr\u00fccken). Unser Ideal w\u00e4re gewesen, die Untersuchung in gleich gr\u00fcndlicher Weise durchzuf\u00fchren, wie dies von ihm an der Conjunctiva seines rechten Auges geschehen ist. Wir mufsten aber bald einsehen, dafs dies eine Sache der Unm\u00f6glichkeit war. Das Offenhalten des Mundes, das Niederhalten der Zunge, die Schwierigkeit der Reizapplication, die Unm\u00f6glichkeit, die Punkte zu fixiren und sicher wieder zu treffen, sie in ein Kartennetz einzutragen und manche anderen Umst\u00e4nde zwangen uns zu der Nothwendigkeit, uns mit der Feststellung der Verh\u00e4ltnisse im Allgemeinen zu begn\u00fcgen.\nEin Vergleich dieser Angaben unter einander f\u00fchrt mit Bezug auf die Empfindlichkeit dieser Theile zu denselben Ergebnissen , die wir oben bei Besprechung der elektrischen Reizung mitgetheilt haben. Diese Ergebnisse konnten auch noch\n1 M. v. Frey, Leipz. Ber. 3. Dec. 1894, 284.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 26.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nF. Kiesow und R. Hahn.\ndurch Reizung mit den eingangs erw\u00e4hnten zugeschliffenen N\u00e4hnadeln verificirt werden.\nGewisse Ber\u00fchrungspunkte d\u00fcrften die vorstehenden Ausf\u00fchrungen auch mit den Beobachtungen haben, die Goldschkedeb bei der Reizung \u201epunktfreier Hautstellen\u201c machte, und die er so beschreibt1: \u201eAn den punktfreien Hautstellen dagegen wird erst bei relativ st\u00e4rkeren punktf\u00f6rmigen Ber\u00fchrangs-reizen ein Ber\u00fchrungsgef\u00fchl hervorgebracht; dasselbe ist nicht scharf und distinct ausgepr\u00e4gt wie bei den Druckpunkten, sondern stumpf, pelzig, unbestimmt Es geht bei Verst\u00e4rkung des Reizes \u00fcber in ein stechendes oder besser stich\u00e4hnliches, aber nicht schmerzhaftes Gef\u00fchl, d. h. in eine Empfindung, welche punktf\u00f6rmig, dabei d\u00fcnn und matt in ihrem Ausdruck ist und \u2014 wenn sie auch quantitative Unterschiede in sich wohl erkennen l\u00e4fst, doch ein unmittelbares, objectivirendes Wahrnehmen der aufgewendeten Druckst\u00e4rke nicht gestattet Dieses Gef\u00fchl geht weiterhin \u00fcber in ein schmerzhaft stechendes, welches durchdringend, lancinirend und, meist im Moment des Entstehens am st\u00e4rksten ist, um trotz Fortdauer des Reizes schnell zu erl\u00f6schen und im Allgemeinen einen schw\u00e4cheren Eindruck auf das Sensorium aus\u00fcbt, als die schmerzhafte Erregung eines Druckpunktes etc.\u201c Wir finden hier Ber\u00fchrungspunkte, obwohl sich unsere Beobachtungen nach anderen Seiten hin unterscheiden. Die Empfindung entwickelt sich und ist bei st\u00e4rkeren Reizen auch nach dem Aufh\u00f6ren der letzteren oft lange Zeit andauernd. Im Uebrigen k\u00f6nnen wir, wie aus dem Vorstehenden bereits erhellt, auf Grund unserer Erfahrungen nur v. Fjbey zustimmen, der die Schmerzpunkte der Haut wohl \u201enach dem Vorg\u00e4nge Goldscheideb\u2019s, aber nicht in seinem Sinne\u201c als solche bezeichnete.\nEs er\u00fcbrigt noch, auf jene auf der Mitte der Gaumenb\u00f6gen bei schw\u00e4chsten Deformationen auftretende und als vage, unbestimmte, aber im Ganzen doch als Tasteindruck bezeichnete Empfindung einzugehen. F\u00fcr uns liegt es aufser allem Zweifel, dafs diese Sensation nichts Anderes ist, als eine Vorstufe der Schmerzempfindung und dafs sie nicht als eigentliche Tastqualit\u00e4t classificirt werden darf. Wir haben es hier vielleicht mit \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen zu thun, wie Kiesow bei seinen\n1 A. Goldscheideb, Gesammelte Abhandlungen 1, 198.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren The\u00fce des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Reize. 403\nGeschmacksuntersuchungen beobachten konnte. Auch bei Application gewisser Geschmacksstoffe auf die Zunge beobachtet man, bevor die Schwelle erreicht ist, das Auftreten von Empfindungen, die bereits als Geschmackseindr\u00fccke bezeichnet werden, ohne dafs sie nach ihrer Qualit\u00e4t erkannt werden. Es k\u00f6nnte hier \u00e4hnlich sein. Die Erregung w\u00e4re somit vielleicht stark genug, um \u00fcber die Schwelle des Bewufstseins zu treten, aber nicht stark genug, um neben ihrer Existenz auch noch eine Qualit\u00e4t wahrnehmen zu lassen. Dieses erste Stadium der Vorstufe der Schmerzempfindung ist, wie oben gezeigt wurde, sehr bald \u00fcberschritten. Verst\u00e4rkt man den Schwellenwerth nur um ein sehr Geringes, so wird die Empfindung stichartig (vergl. die an Fontana gefundenen Werthe). Weitere und bestimmtere Angaben hier\u00fcber seien einer sp\u00e4teren Mittheilung Vorbehalten, es sei nur noch darauf hingewiesen, dafs man eine \u00e4hnliche Empfindungsqualit\u00e4t oftmals bei isolirt auftretenden Juckempfindungen beobachtet. Was als sicher aus unseren Versuchen hervorging, ist dieses, dafs wo die beiden Empfindungen zum klaren Ausdruck kommen, sie auch bei geringsten Intensit\u00e4tsgraden von einander unterschieden werden. Es ist ferner ebenso gewifs, dafs die stichartige Schmerzempfindung nicht sogleich mit der vollen Unlustbetonung einsetzt, sondern dafs ihre Gef\u00fchlscurve, bevor sie sich zu ausgesprochener Unlust senkt, zun\u00e4chst gewisse Stadien der Indifferenz und der Schmerzbetonung durchl\u00e4uft.\nSchliefslich sei noch erw\u00e4hnt, dafs auch diese Beobachtungen Beweise f\u00fcr die noch nicht v\u00f6llig anerkannte Thatsache liefern d\u00fcrften, dafs der Schmerz ein Empfindungselement ist und nicht lediglich als Gef\u00fchl aufgefafst werden kann. Die Gef\u00fchlscurve ist hier von der Empfindungscurve durchaus verschieden und hat ihre besondere Form. Eine Darstellung dieser Curve soll sp\u00e4ter mitgetheilt werden.\nBei der Untersuchung der Ranmwahrnehmung der vorderen\nGanmenbogen hat uns besonders Herr Dr. Cushing seine H\u00fclfe geliehen. Die Versuche ergaben, dafs die Raumwahrnehmung hier in hohem Grade herabgesetzt, ja zum Theil so gut wie aufgehoben ist. Es wurde oben bereits ausgef\u00fchrt, dafs die Tasteindr\u00fccke schlecht localisirt wurden. Diesem sei hinzugef\u00fcgt, dafs beim Streichen der Vorderseite des Gaumenbogens mit","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nF. Kiesotc und B. Sahn.\nintensiven \u00fcberschwelligen Reizen von oben nach unten und umgekehrt, wie quer von links nach rechts und umgekehrt dk Richtung meistens nicht erkannt wurde. Etwas besser gelingt j die Auffassung successiver punktf\u00f6rmiger Eindr\u00fccke, die in i gleicher Weise hervorgerufen wurden, obwohl auch diese von da ; Versuchsperson als sehr schwierig bezeichnet und die Richtungen der Eindr\u00fccke nur ziemlich selten richtig angegeben wurden. Dem gegen\u00fcber wurde auf der Wangenschleimhaut, sowie auf dem weichen und harten Gaumen beim Bestreichen dies\u00bb Gebilde sowie bei Application successiver Eindr\u00fccke in jedem Falle die Richtung ziemlich erkannt. Es ergab sich ferner, dafe, -w\u00e4hrend auf der Wangenschleimhaut Punktdistanzeo von 2\u20142,4 cm, auf dem harten Gaumen solche von 1,2\u20141,4 cm und auf dem Zungenr\u00fccken solche von 0,5\u20140,7 cm bestimmt als zwei Eindr\u00fccke erkannt wurden, auf dem Gaumenbogen Punktdistanzen von der ganzen L\u00e4nge und Breite dieses Gebildes nur als ein Eindruck empfunden wurden. Dasselbe gilt von linearen Ausdehnungen. Auf der Wangenschleimhaut wurden solche von ca. 2,5 cm bereits als eben sich ausbreitend aufgefafst Alle diese Eindr\u00fccke wurden in der oben angegebenen Weise hervorgerufen. Diese Versuche wurden dann an mehreren Versuchspersonen wiederholt. Individuelle Unterschiede ergaben die Angaben nur insofern, als Einige bei einer Punktdistanz von der ganzen L\u00e4nge des Gebildes nicht sicher angeben konnten, ob sie zwei Eindr\u00fccke oder nur einen empfangen hatten. Bei linearer Ausdehnung gaben dieselben Versuchspersonen an, nur einen Eindruck zu empfinden, dafs dieser aber nicht punktf\u00f6rmig, sondern stumpf sei.\nF\u00fcr die Feststellung der Empfindlichkeit dieser Gebilde f\u00fcr thermische Reize wurden mittelst der oben beschriebenen Metallst\u00e4be aufser an Kiesow auch an Herrn Dr. N. ausgedehnte Versuchsreihen aufgenommen. Diese Reihen wurden zwei bis drei Mal wiederholt und ergaben ziemlich \u00fcbereinstimmende Werthe. Wir geben im Folgenden die bei den zuletzt aufgenommenen Reihen erhaltenen Angaben ausf\u00fchrlich wieder :\nKiesow: Rechter vorderer Gaumenbogen.\n69\u00b0 C. \u2014 Im ersten Momente etwas Schmerz, der aber ertragbar ist, danc Warmempfindung.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Beize. 405\n56\u00b0 C. 53\u00b0 C. 60\u00ae C.\n34\u00ae C.\n27\u00ae C.\n62\u00b0 C. 59\u00b0 C. 55\u00ae C.\n54\u00ae C. 35\u00ae C. 27\u201428\u00ae\n65\u00ae C 59\u00ae C. n4\u00ae C. 49\u00ae C. 30\u00ae C. 28\u00ae C.\n65\u00ae C. 59\u00ae C. 53\u00ae C. 47\u00ae C. 43\u00b0 C. 40\u00ae C. 30\u00ae C. 24\u00ae C.\n63\u00ae C. 57\u00ae C. 50\u00ae C. 45\u00ae C. 43\u00ae C.\n34\u00ae C. 33\u00ae C.\nWarmempfindung.\nSehr schwache Warmempfindung.\nIndifferente Empfindung. Dieses Stadium der Indifferenz blieb constant bis zu\nwo leichte K\u00fchlempfindung auftrat. Auch die Zone der K\u00fchlempfindung ist ziemlich ausgedehnt. Erst bei ist die Empfindung, obwohl noch schwach, doch ausgesprochen kalt.\nLinker vorderer Gaumenbogen.\nNicht starker Schmerz mit Warmempfindung.\nWarmempfindung.\nMerkw\u00fcrdige Mischempfindung. Die paradoxe Kaltempfindung t\u00f6nt heraus.\nIndifferente Empfindung. Dieses Stadium bleibt bestehen bis za wo der Uebergang nach k\u00fchl zu constatiren ist. Erst bei '. \u2014 tritt obwohl schwache, doch ausgesprochene K\u00e4lteempfindung auf.\nDr. N.: Vorderer rechter Gaumenbogen.\nSchmerzhafte Warmempfindung.\nWarmempfindung.\nDesgleichen.\nSchwache Warmempfindung, fast indifferent. Bei\nK\u00fchlempfindung, erst bei\nkalt.\nLinker vorderer Gaumenbogen.\nSehr schmerzhafte Warmempfindung, die lange anh\u00e4lt Schmerzhaft warm.\nEbenso.\nWarm.\nGeringe Warmempfindung.\nIndifferente Empfindung, erst bei\nk\u00fchl, erst bei\nkalt.\nKiesow: Hechter hinterer Gaumenbogen.\nSchwache schmerzhafte Hitzeempfindung.\nMerkw\u00fcrdig, kalt gemischte Hitzeempfindung.\nEigenartige Mischempfindung.\nLeichte eigent\u00fcmlich gef\u00e4rbte Warmempfindung.\nV\u00f6llg indifferente Empfindung. Dieses Stadium der Indifferenz bleibt bis zu\nHier giebt die Versuchsperson an: Vielleicht ein wenig kalt. Kalt.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nF. Kiesotv und B. Hahn.\nLinker hinterer Gaumenbogen.\n60\u00b0 C. \u2014 Schmerzhafte Hitzeempfindung.\n58\u00b0 C. \u2014 Hitzeempfindung.\n64\u00b0 C. \u2014 Ebenso.\n60\u00b0 C. \u2014 Schwache Warmempfindung.\n46\u00b0 C. \u2014 Sehr schwache Warmempfindung.\n42\u00b0 C. \u2014 Vielleicht noch schwach warm.\n40\u00b0 C. \u2014 Indifferenz bis zu\n30\u00b0 C. \u2014 Hier ist die Empfindung k\u00fchl, erst bei\n24\u00b0 C. kalt.\nDr. N.: Rechter hinterer Gaumenbogen.\n56\u00b0 C. \u2014 Starke W\u00e4rme mit leichtem Schmerz.\n53\u00b0 C. \u2014 Warmempfindung.\n50\u00b0 C. \u2014 Warmempfindung.\n44\u00b0 C. \u2014 Sehr geringe W\u00e4rmeempfindung. Fast indifferent. Die Empfindung bleibt indifferent bis zu 38\u00b0 C. \u2014 wo sie als k\u00fchl angegeben wird. Erst bei 27\u00b0 C. \u2014 war die Empfindung ausgesprochen kalt.\nAls Ann\u00e4herungswerthe d\u00fcrften sich nach den vorstehenden Versuchsreihen f\u00fcr die einzelnen Empfindungsqualit\u00e4ten folgende Schwellen zusammenstellen lassen:\nSchmerzempfindung:\tca. 54 \u2014 60\u00b0 C.\nWarmempfindung:\tca. 44 \u2014 50\u00b0 C.\nK\u00fchlempfindung:\tca. 30\u2014 35\u00b0 C.\nKaltempfindung:\tca. 24 \u2014 28\u00b0 C.\nAn den Tonsillen war die Untersuchung der Temperaturempfindlichkeit bei diesen Versuchspersonen wegen der Kleinheit der Organe erschwert. Mit H\u00fclfe von umgebogenen Metallst\u00e4bchen konnte im Allgemeinen festgestellt werden, dafs auch diese kalt- warm- und schmerzempfindlich waren. Die Grenz-werthe f\u00fcr die einzelnen Empfindungsqualit\u00e4ten d\u00fcrften nahezu mit den an den Gaumenb\u00f6gen gefundenen Werthen zusammenfallen, doch ist auch der W\u00e4rmeschmerz hier l\u00e4ngere Zeit ertr\u00e4glich. Es sei ferner hervorgehoben, dafs auch hier die paradoxe K\u00e4lteempfindung bei fl\u00e4chenhaftenReizen deutlich auftritt.\nDie Untersuchung der Uvula ergab bei Kiesow, dafs die untere H\u00e4lfte, wie f\u00fcr mechanische und elektrische Tast- und Schmerzreize, so auch f\u00fcr W\u00e4rmereize unempfindlich war, w\u00e4hrend Kaltreize ad\u00e4quat empfunden wurden. Eine an ihm","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 407\nauf genommene Versuchsreihe ergab f\u00fcr die untere H\u00e4lfte des Organs, die mit der Vorderseite auf dem erw\u00e4hnten Instrumente ruhte, die folgenden Resultate:\n60\u00b0 C.\n57\u00b0 C. 65\u00b0 C.\n50\u201449\u00bb C. 35\u00b0 C. 33\u00ae C. 32\u201431\u00b0 C.\nEigent\u00fcmlich metallisch kalt gemischte Schmerzempfindung, die aber nicht an der Uvulaspitze, sondern nach dem Velum hin localisirt ward. (Verschmelzung der paradoxen Kaltempfindung mit der durch Ausstrahlung nach oben hin hervorgerufenen Schmerzempfindung.\nEbenso.\nIm ersten Moment leichte, nach oben hin sich ausbreitende Schmerzempfindung.\nFehlt jede Sensation. Erst bei leichte K\u00fchlempfindung.\nEbenso.\nKalt.\nDie obere H\u00e4lfte zeigte alle drei Empfindungsqualit\u00e4ten. Die einzelnen Schwellenwerte d\u00fcrften ann\u00e4hernd die folgenden sein:\nSchmerzschwelle:\nWarmschwelle:\nK\u00fchlschwelle:\nKaltschwelle:\nca. 55\u00b0 C. ca. 49-50\u00b0 C. ca. 35\u00b0 C. ca. 32\u00b0 C.\nAn Dr. N. ergaben die Pr\u00fcfungen folgende Werthe:\nUntere H\u00e4lfte der Uvula.\n63\u00b0 C. \u2014 Schmerzhafte Wftrmeempfindung.\n60\u00b0 C. \u2014 Gem\u00e4fsigte schmerzhafte Warmempfindung.\n56\u00b0 C. \u2014 Warmempfindung ohne Schmerz.\n51\u00b0 C. \u2014 Schwache Warmempfindung.\n48\u00b0 C. \u2014 Indifferente Empfindung. Dies Stadium w\u00e4hrt bis zu 31\u00b0 C. \u2014 wo die Empfindung als k\u00fchl bezeichnet wird. Bei 29\u00ae C. \u2014 ist die Empfindung kalt.\nObere H\u00e4lfte der Uvula.\n60\u00ae C. \u2014 Starke schmerzhafte Warmempfindung.\n58\u00ae C. \u2014 Schmerzhaft warm, heifs.\n54\u00ae C. \u2014 Ziemlich intensiv warm.\n50\u00ae C. \u2014 Schwach warm.\n47\u00ae C. \u2014 Vielleicht noch etwas warm, dann ist die Empfindung indifferent bis zu\n36\u00ae c. \u2014 wo die K\u00fchlempfindung auftritt. Bei 30\u00ae C. \u2014 ist die Empfindung ausgesprochen kalt.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nF. Kiesow und B. Sahn.\nFassen wir die an beiden Versuchspersonen gefundenen Werthe zusammen, so ergeben sich f\u00fcr die Uvula die nachstehenden Grenzwerthe:\nSchmerzempfindung:\nWarmempfindung:\nK\u00fchlempfindung:\nKaltempfindung:\nca. 55\u201460\u00b0 C. ca. 47\u201451\u00b0 C. ca. 31\u201435\u00b0 C. ca. 29-31\u00b0 C.\nJ\nIm Allgemeinen d\u00fcrften zun\u00e4chst auch diese Pr\u00fcfungen be- i st\u00e4tigt haben, was schon die obigen Beobachtungen gezeigt ' hatten, dafs die Schmerzempfindlichkeit dieser K\u00f6rpertheile herabgesetzt ist. Sodann d\u00fcrfte sich weiter ergeben haben, dais auch die Warmempfindlichkeit hier in betr\u00e4chtlichem Maafse vermindert ist. Dieses Ergebnifs stimmt durchaus mit dem \u00fcberein, das aus den Untersuchungen G\u00f6ldscheider\u2019s 1 und Kiesow\u2019s \u00fcber die Temperaturempfindlichkeit des Mundraumes resultirte. So hat Kiesow die Beobachtungen Goldschetdeb\u2019s best\u00e4tigen k\u00f6nnen, \u201edafs der ganze Mundraum nur eine schwache Warmempfindlichkeit besitzt.\u201c 3 Auffallend ist ferner das grofse Stadium der Indifferenz, wie das der K\u00fchlzone. Nimmt man als Schwelle der Kaltempfindung denjenigen Punkt an, wo die Empfindung ausgesprochen kalt ist, so mufs zugegeben werden, dafs auch die Empfindlichkeit f\u00fcr Kaltreize hier herabgesetzt ist. Hervorzuheben d\u00fcrfte weiter sein, dafs auch die paradoxe K\u00e4lteempfindung (A. Lehmann, v. Frey) bei fl\u00e4chenhafter Reizung mehrmals deutlich hervortrat. Auf diese Erscheinung, dafs die von v. Frey als paradoxe K\u00e4lteempfindung bezeichnete Sensation auch bei fl\u00e4chenhafter Reizung hervortritt, ist bereits von Kiesow aufmerksam gemacht3 und sie ist ebenso auch von Ajlrutz gezeigt worden.4 * 6\nSodann sei noch bemerkt, dafs die in den Tabellen als schmerzhafte Warmempfindung und Hitzeempfindung oder heifse Empfindung sich findenden Ausdr\u00fccke identisch sind. Wir weichen in diesem Punkte von Alrutz 6 ab, der die Hitzeempfindung\n1 A. Goldscheider, Gcs. Abhandl. 1, 171.\n3\tF. Kiesow, Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle. Philos. Stud. 14,585.\n* Ebenda 585.\n4\tS. Alrutz, Studien auf dem Gebiete der Temperatursinne, II. Die\nHitzeempfindung. Skand. Arch. f. Phrjsiologie 10, 340 ff.\n6 Ebenda.\n\u00bb-1 *\u00bb","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 409\naus der gleichzeitigen Reizung von Kalt- und W\u00e4rmeorganen entstehen l\u00e4fst. Nach uns entsteht die Hitzeempfindung auch auf Hautstellen, wo die Kaltorgane fehlen und nur W\u00e4rmepunkte gefunden werden, sowie durch Ausbreitung nach W\u00e4rmeorganen hin bei thermischer Reizung von Schmerzapparaten. Die sich der Hitzeempfindung leicht beimischende paradoxe K\u00e4lteempfindung giebt der Hitzeempfindung nur eine besondere F\u00e4rbung.1\nMan k\u00f6nnte versucht sein zu glauben, dafs den in Rede stehenden K\u00f6rpergebilden die Empfindlichkeit f\u00fcr W\u00e4rmereize ganz abgeht und dafs die Warmempfindung hier in Anbetracht der hohen Reize, die man anwenden niufs, nur durch Ausstrahlung nach mit specifisch adaptirten Warmorganen versehenen Theilen hin zu Stande kommt. Wir haben hier\u00fcber einige Versuche angestellt, indem wir mit der oben beschriebenen Platina-schlinge diese K\u00f6rperfl\u00e4chen mehr punktf\u00f6rmig zu reizen versuchten. Wir liefsen hierbei durch den Apparat einen Strom fliefeen, dessen Intensit\u00e4t auf der \u00e4ufseren K\u00f6rperhaut eben die Schmerzpunkte erregte und der daher einen W\u00e4rmereiz von ca. 50\u00b0 C. entsprach. Dieser Reiz war niedrig genug, um auf den in Rede stehenden Gebilden keine Schmerzempfindung zu erzeugen und doch hoch genug, um einen maximalen W\u00e4rmereiz abzugeben. Mit diesem W\u00e4rmereiz ist es uns an drei Versuchspersonen nicht ein einziges Mal gelungen, an diesen K\u00f6rperstellen punktf\u00f6rmig eine Warmempfindung hervorzurufen. Sollte somit die Warmempfindung in den oben beschriebenen F\u00e4llen auf Ausstrahlung beruhen, so w\u00e4ren diese Gebilde denjenigen Theilen des Mundraumes zur Seite zu stellen, denen Goldscheider die Warmempfindung abspricht.2 * * * Es ist diese Frage aber sehr schwer zu entscheiden, da, wie Kiesow gezeigt hat, auch auf gewissen Stellen der \u00e4ufseren K\u00f6rperhaut die Temperaturempfindung nicht mit punktf\u00f6rmigen, wohl aber mit fl\u00e4chenhaften Reizen ausl\u00f6sbar ist.8 Wir m\u00fcssen diese Fragen daher unentschieden lassen. Da, wie oben gezeigt wurde, die Warmempfindlichkeit hier zweifellos in hohem Grade herabgesetzt ist,\n1 Vergl. F. Kiesow, Zur Analyse der Temperaturempfindung, Be-\nsprechung und Entgegnung. Diese Zeitschrift 26, 231.\n* A. Goldscheideb, Cit. Arbeit, 171.\na Auf der Fingerbeere ist es k\u00fcrzlich G. Sommer gelungen, Warm-\npunkte zu bestimmen. Sitzungsber. d. Physik.-mcd. Ges. zu W\u00fcrzburg 1901.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nF. Kiesow und B. Hahn.\nso k\u00f6nnen die noch unbekannten W\u00e4rmeorgane hier nur in sehr geringer Zahl vertreten sein und es w\u00e4re nicht unm\u00f6glich, dafs sie angesichts der Schwierigkeit und Unbequemlichkeit der Application des Reizes punktf\u00f6rmig nicht zu bestimmen sind. Wie dem aber auch sei, so ergeben auch diese Versuche mit Sicherheit, dafs die Warmempfindlichkeit hier wenigstens stark vermindert ist, und man k\u00f6nnte nur hinzuf\u00fcgen, dafs die Warmorgane hier vielleicht fehlen.\nFassen wir die bisher beschriebenen Thatsachen zusammen, so gelangen wir zu dem Ergebnifs, dafs die Empfindlichkeit dieser Theile an gewisse pathologische F\u00e4lle erinnern, wie einen solchen L. F. Barker unter v. Frey\u2019s Leitung an sich selbst beschrieben hat1 Die St\u00f6rung war in seinem Fall auf das Gebiet der Nervi cutanei brachii et antibrachii mediales des linken Unterarmes beschr\u00e4nkt und die Ausfallserscheinungen betrafen die Empfindlichkeit f\u00fcr \u201eWarm, Kalt, Druck und Ber\u00fchrung\u201c (Tastreize), w\u00e4hrend die \u201eSchmerzempfindung\u201c, obwohl in geringem Grade vermindert, hier intact war. Die F\u00e4lle sind nicht identisch (abgesehen davon, dafs es sich bei uns um normale, bei Barker aber um anormale Verh\u00e4ltnisse handelt), sondern sie \u00e4hneln sich nur. Bei uns ist die Kaltempfindung vermindert, es fehlen hier zum Theil sicher die Tastorgane, vielleicht auch die Warmorgane, in jedem Falle k\u00f6nnen sie nur in sehr geringer Anzahl vertreten sein, w\u00e4hrend die Schmerzempfindung auch hier, obwohl herabgesetzt, intact ist.\nInteressante Beobachtungen lassen sich hier mit Bezug auf die Kitzelempfindung anstellen. Wir haben dieser von Anfang an unser Interesse zugewandt. Da aber hier\u00fcber sp\u00e4ter eine besondere Arbeit ver\u00f6ffentlicht werden soll, so sei hier nur so viel angedeutet, dafs die Kitzelempfindung an unseren K\u00f6rperstellen zum Theil ganz fehlt, zum Theil sehr stark herabgesetzt ist. Mit schwachen Reizen gelingt es niemals, sie hervorzurufen, mit starken (Reiben mit ziemlich starken Pinseln und mit abgeschliffenen Glasst\u00e4ben) tritt sie an vereinzelten Stellen, wie den oberen Enden der vorderen Gaumenb\u00f6gen schwach hervor. Wahrscheinlich handelt es sich hier um durch starkes Ausweichen nach hinten bedingte Ausstrahlung nach oben und\n1 L. F. Barker, Ein Fall von einseitiger, umschriebener und elektiver sensibler L\u00e4hmung. Deutsche Zeitschr. f\u00fcr Nervenheilkunde 8.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Beize. 411\nunten. Auffallend ist eben, dafs die Kitzelempfindung hier nur durch starke Reize und erst nach langem Reiben auftritt An anderen Mundtheilen, wie harten Gaumen und Zahnfleisch, tritt sie schon bei leisem Reiben auf. Nach allen unseren Erfahrungen ist die reine Kitzelempfindung immer an das Vorhandensein der Tastorgane gebunden (Goldscheider, y. Frey u. a.), sie tritt aber verst\u00e4rkt hervor, wenn die mit Tastorganen versehenen weichen K\u00f6rpertheile festeren Gebilden aufliegen. Wir beschr\u00e4nken uns auf diese kurzen Andeutungen und geben sp\u00e4ter ausf\u00fchrlichere Berichte. Bemerkt sei nur noch, dafs auch im BARKER\u2019schen Falle die Kitzelempfindung ausblieb.\nUnsere letzten Versuche stellten wir \u00fcber die Geschmacks-empflndlichkeit dieser Gebilde an.1 Diese Untersuchungen begegnen hier mancherlei Schwierigkeiten, durch welche das Urtheil leicht getr\u00fcbt wird. Schling- und andere Reflexe, W\u00fcrgbewegungen, Speichelsecretionen, Diffusion und Abtr\u00f6pfeln der Geschmacksstoffe auf benachbarte Schmeckfl\u00e4chen, alle diese und andere Fact or en k\u00f6nnen als Fehlerquellen in die Untersuchung eingehen und zu T\u00e4uschungen Anlafs geben. Hieraus sind auch sicherlich die vielfach sich widersprechenden Angaben zu erkl\u00e4ren, die sich \u00fcber die Geschmacksempfindlichkeit dieser Gebilde in der Literatur vorfinden.2 * * 5 Unser Ziel war, zu sehen, ob es angesichts der vielfachen Widerspr\u00fcche in den Angaben der einzelnen Forscher unter Benutzung einer grofsen Anzahl von Versuchspersonen und bei m\u00f6glichster Ausschaltung von Fehlerquellen nicht m\u00f6glich sei, zu eindeutigen und abschlie\u00dfenden Resultaten zu gelangen. Soweit Erwachsene im Alter von 13 Jahren und dar\u00fcber in Betracht kommen, glauben wir unser Ziel erreicht zu haben. Ausgeschlossen bleiben von dieser Mit-\n1 Ich habe bereits in einer fr\u00fcheren Arbeit diese Fragen behandelt\n(Philos. Siud. 10). Da mir aber im Laufe der Jahre bei Wiederholungen dieser Versuche \u00fcber die damals verwandte Methode Zweifel aufgestiegen\nwaren, so entschlofs ich mich, hier\u00fcber neue Erfahrungen zu sammeln. Die hier mitgetheilten Ergebnisse sind diejenigen, welche ich jetzt vertrete.\nKiesow.\n5 Leber die Literaturangaben vergl. M. v. Vintschgau, Physiologie des Geschmackssinnes, Hermann's Handbuch der Physiologie III, 2; F. Kiesow, Beitr\u00e4ge zur physiol. Psychologie des Geschmackssinnes, Philos. Stud. 10, sowie die physiologischen und psychologischen Lehrb\u00fccher.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nF. Kiesow und R. Hahn.\ntheilung die an Personen unter 13 Jahren angestellten Pr\u00fcfungen. Diese ergeben, wie bereits Kiesow gezeigt hat und wie auch aus anatomischen Befunden erhellt, zum Theil abweichende Verh\u00e4ltnisse. Da wir diese an j\u00fcngeren Individuen vorgenommenen Pr\u00fcfungen noch zu keinem Abschl\u00fcsse bringen konnten, bleiben auch die hieraus resultirenden Befunde einer sp\u00e4teren Mittheilung Vorbehalten. Nur soviel sei hier angegeben, dafs die Schmeckfl\u00e4chen im j\u00fcngeren Lebensalter bestimmt gr\u00f6fser sind, als im sp\u00e4teren.\nWir begannen unsere Pr\u00fcfungen an der Uvula. Kiesow hatte wie Ubbantschitsch diesem Gebilde Geschmacksf\u00e4higkeit zugeschrieben, hatte hier aber eine bedeutend l\u00e4ngere Percep-tionszeit f\u00fcr die einzelnen Geschmacksqualit\u00e4ten bemerkt. Es mufs nun hervorgehoben werden, dafs die hier m\u00f6glichen Fehlerquellen ganz bedeutende sind. Tr\u00e4gt man den Geschmacksstoff mit zu d\u00fcnnen Pinseln auf, so l\u00e4uft man Gefahr, dafs kein hinreichend grofses Quantum aufgetragen wurde, verwendet man zu grofse Pinsel, so tr\u00f6pfelt in Folge zu starker F\u00fcllung leicht etwas auf die f\u00fcr Geschmacksreize sehr empfindliche hintere Zungenpartie. Aber auch wenn durch sorgf\u00e4ltige Auswahl der Pinsel diesen Fehlerquellen vorgebeugt wird, bleibt immer noch der Umstand in Betracht zu ziehen, dafs durch eine unbemerkte leise Ber\u00fchrung der Uvulaspitze mit der Zunge, oder durch Contractionen des Gebildes nach dem weichen Gaumen hin intensiv empfindliche Geschmacksfl\u00e4chen indirect gereizt werden k\u00f6nnen. Diese Fehlerquellen haben wir mehrfach beobachten k\u00f6nnen. Hierbei traf es sich \u2014 es seien diese Beobachtungen gleich eingef\u00fcgt \u2014, dafs in einem Falle, in dem die erw\u00e4hnte Ber\u00fchrung von Uvula und Zunge zweifelsohne zu constatiren war, sowie in einem anderen, in dem eine Fehlerquelle nicht mit absoluter Gewifsheit nachgewiesen werden konnte, eine mehr als 20 procentige L\u00f6sung von Rohrzucker nicht s\u00fcfs, sondern bitter empfunden wurde. Die Versuchsperson z\u00e4hlte im ersten Falle 16, im zweiten 24 Jahre. Auf diese und \u00e4hnliche, mehr fach beobachteten F\u00e4lle hat jedoch KiEsowr bereits in seiner Arbeiten in eingehender Weise hingewiesen. Ganz besonder\u00ab Schwierigkeiten erwachsen der Untersuchung der Uvula in F\u00e4llen in denen die Versuchspersonen eine steigende Zunge besitzen In solchen F\u00e4llen lassen die Pinselversuche fast gar keine sicher\u00ab Deutung der Ergebnisse zu. Um die hervorgehobenen Fehler","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theilc des Mundranmes f\u00fcr Tast- etc. Reize. 413\nquellen zu vermeiden, haben wir daher die alte Methode des Auftragens der Schmecksubstanz mittelst Haarpinsel, Schw\u00e4mmchen oder Watteb\u00e4uschchen hier g\u00e4nzlich auf gegeben, sondern f\u00fcr die Application ein kleines Instrument construirt, dessen Verwendung zu einwurfsfreien Ergebnissen f\u00fchren mufste. Es ist dies ein ziemlich langgestielter L\u00f6ffel, in dessen mit einer Schmeckfl\u00fcssigkeit gef\u00fcllten Gef\u00e4fs die Uvula frei eintauehen konnte. Nachdem wir f\u00fcr die Anfertigung desselben das verschiedenartigste Material versucht hatten, haben wir es schliefs-lich einfach aus Glas herstellen lassen. In der Form, in der die beigegebene Figur 3 diesen \u201eUvulal\u00f6ffel\u201c zeigt, ist er f\u00fcr alle hier mitgetheilten Schmeckversuche verwendet worden.\nFig. 3.\nDer Stiel ist bei einem Durchmesser von 3 mm der Mundcavit\u00e4t entsprechend geschwungen und 16 cm lang. Das Gef\u00e4fs, das einen Inhalt von ca. 1,1 cm 3 und einen oberen Durchmesser von ca. 1,5 cm besitzt, verj\u00fcngt sich der Form des Organs entsprechend konisch nach unten. In dieser Form hat sich das Instrument bei allen Versuchen bew\u00e4hrt. Man ist bei einer solchen Applicationsweise nicht nur sicher, dafs keine Ber\u00fchrung der Uvula mit der Zunge entstehen kann, sondern es lassen sich durch die w\u00e4sserige L\u00f6sung hindurch auch alle etwaigen Bewegungen des Organs genau verfolgen. Aufserdem besitzt es den Vortheil, dafs es leicht gereinigt werden kann.\nDie verwandten Schmecksubstanzen waren die oben bereits namhaft gemachten, sie bestanden in w\u00e4sserigen L\u00f6sungen von ca. 40 procentigem Rohrzucker, von ca. 10 procentigem Kochsalz, ca. 0,2 procentiger Salzs\u00e4ure, und fast concentrirtem Quassin. Wenn irgend welche Geschraaeksf\u00e4higkeit an der Uvula vorhanden war, so mufsten diese L\u00f6sungsstufen hinreichen, um die ad\u00e4quate Empfindung auszul\u00f6sen. Alle L\u00f6sungen hatten thun-lichst die Temperatur des Mundraums.\nUm dem Einwande zu begegnen, dafs es zuweilen und besonders bei einer immerhin schwach empfindlichen Schmeckfl\u00e4che nicht gen\u00fcge, dieselbe einfach in die Geschmacksfl\u00fcssig-","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nF. Kiesow und R. Hahn.\nkeit einzutauchen, sondera dafs die letztere, um Empfindungen hervorzurufen, wie bei den Pinselversuchen in die einzelnen Organe hineingerieben werden m\u00fcsse, so wurde der Uvulal\u00f6ffel w\u00e4hrend des Versuchs derart leicht auf- und abw\u00e4rts bewegt, dafs zwischen den einzelnen R\u00e4ndern und Fl\u00e4chen des Organs und den Innenfl\u00e4chen des Bechers eine Reibung entstand. F\u00fcr einige Control versuche wurde auch noch ein wenig Watte am Boden und an den inneren W\u00e4nden des L\u00f6ffels befestigt und mit Schmeckstoffen getr\u00e4nkt.\nDie weitere Versuchsanordnung ist oben angegeben. Es sei hier nur noch daran erinnert, dafs alle Versuche mit reflectirten Licht angestellt wurden, der Mundraum somit gut erleuchtet war. Die Versuche wurden an einer und derselben Versuchsperson mehrmals nach einander wiederholt. Das Verfahren war stets ein unwissentliches. Wenn nach einem Zeitraum von ca. 1 Minute keine Reaction erfolgte, sahen wir den Versuch als beendet an.\nDiese Versuche wurden an \u00fcber 60 Personen m\u00e4nnlichen und weiblichen Geschlechts angestellt, von denen die j\u00fcngsten 13, die \u00e4lteste 51 Jahre alt waren. Sie waren so ausgew\u00e4hlt, dafs alle Altersstufen vertreten waren, doch lag das Alter der meisten zwischen 18 und 30 Jahren. Wir hatten aufserdem daf\u00fcr Sorge getragen, dafs nur intelligente Versuchspersonen verwandt wurden, auf deren Aussagen man sich verlassen konnte. Bevor endg\u00fcltige Resultate verzeichnet wurden, waren die Versuchspersonen ferner zuvor durch einige Probeversuche einge\u00fcbt worden.\nUnter den hervorgehobenen Vorsichtsmaafsregeln ist es uns nun bei den erw\u00e4hnten Personen auch nicht ein einziges Mal gelungen, eine klar erkennbare Geschmacksempfindung irgend welcher Qualit\u00e4t hervor zurufen. 13 Mal findet sich in unseren Protokollen die Angabe, dafs eine undefinirbare Sensation erfolgte, welche die betreffenden Versuchspersonen als stark (forte) bezeichneten. Dies ist aber keine Geschmacksempfindung. Derartige unbestimmbare Empfindungen sind bei Geschmacksversuchen mehrfach beobachtet worden, und es liegt wohl aufser allem Zweifel, dafs diese Empfindung eben diejenige Sensation ist, die, wie Kiesow 1 gezeigt hat, auch auf wirklichen Schmeckfl\u00e4chen unsere\n1 F. Kiesow, Cit. Arbeit. Philos. Stud. 10.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast- etc. Reize. 415\nGeschmacksempfindungen begleitet Vielleicht handelt es sich auch hier um eine schwache Erregung der Schmerzorgane im oben angedeuteten Sinne.\nNach diesen Erfahrungen glauben wir uns berechtigt, den Satz auf stellen zu d\u00fcrfen, dafs die Uvula bei Erwachsenen nicht geschmacksempfindlich ist\nDiese allgemeine Regel schliefst nat\u00fcrlich nicht aus, dafs auch einmal Geschmacksempfindungen auf der Uvula entstehen, mit anderen Worten, dafs hier einmal Geschmacksorgane Vorkommen k\u00f6nnten. Derartige F\u00e4lle aber d\u00fcrften, wenn sie \u00fcberhaupt Vorkommen, doch nur sehr vereinzelt auftreten, also in sehr hohem Grade selten sein.\nDa diese Methode an den Gaumenb\u00f6gen und den Tonsillen nicht anwendbar war, so mufsten wir nach anderen H\u00fclfsmitteln suchen. Nach vielfachen Versuchen sind wir f\u00fcr die Untersuchung dieser Gebilde wieder zur Anwendung von mittelgrofsen Pinseln und kleinen Watteb\u00e4uschchen zur\u00fcckgekehrt Unsere Vorsicht bestand aber darin, dafs wir die oben erw\u00e4hnten L\u00f6sungen mit ein wenig Methylblau leicht f\u00e4rbten. Auf diese Weise war es nicht nur m\u00f6glich, die ber\u00fchrten Stellen genau zu erkennen, sondern auch zu beobachten, ob und wann etwas von der aufgetragenen Substanz auf eine Schmeckstelle der Zunge abgetr\u00f6pfelt war. Es wurde aufserdem der Mund vor und nach jedem Versuch gr\u00fcndlich gesp\u00fclt und das zu untersuchende Organ mit Watte sorgf\u00e4ltig abgetrocknet Im Uebrigen war die Versuchsanordnung gleich der oben beschriebenen. Die Versuche wurden an 25 Personen angestellt Diese waren in gleichem Alter, wie die, welche uns ihre H\u00fclfe f\u00fcr die Untersuchung der Uvula liehen.\nSoweit hier die Tonsillen und die hinteren Gaumenpfeiler in Betracht kommen, f\u00fchrten diese Beobachtungen zu absolut negativen Ergebnissen. Es ist uns bei sorgf\u00e4ltigster Application hier auch nicht ein einziges Mal gelungen, ein positives Ergebnifs zu erzielen. Wir schliefsen daher, dafs die Tonsillen und die hinteren Gaumenpfeiler bei Erwachsenen in der Regel nicht geschmacks-smpfindlich sind.\nDiese Regel gilt im Allgemeinen auch f\u00fcr die rorderen Gaumenb\u00f6gen. Auch diese Gebilde sind, man iann dies ohne Vorbedacht sagen, bei Erwachsenen in der","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nF. Kiesow und R. Hahn.\nRegel nicht geschmacksempfindlich. Es scheinenaber hier Ausnahmen vorzukommen. Wir fanden einen Fall, in dem auf dem \u00e4ufsersten obersten Theil der vorderen Gaumenb\u00f6gen die vier Geschmacksqualit\u00e4ten empfunden wurden. Die Versuchs-. person war ein intelligentes M\u00e4dchen von 15 Jahren. Die Reaction erfolgte sicher und schnell, so dafs hier kaum eine T\u00e4uschung vorliegen d\u00fcrfte. In einem anderen Falle (M\u00e4dchen von 13 Jahren) wurde angegeben, dafs ein Geschmack vorhanden sei, dafs er aber nicht erkannt werde. In einem dritten wurde der angegebene Bitterstoff am oberen Ende des rechten vorderen Gaumenbogens ad\u00e4quat empfunden, aber nicht am linken. Es d\u00fcrften hier demnach Ausnahmen zuzugeben sein. Bei anatomischen Untersuchungen fand Arthur Hoffmann 1 am vorderen Gaumenbogen des Menschen bei Embryonen und Neugeborenen Papillen dicht gedr\u00e4ngt stehen, die denen des weichen Gaumens \u00e4hnlich waren, es ist aber aus seinen Angaben nicht genau ersichtlich, ob diese oder einige von ihnen Schmeckbecher enthielten, obwohl wahrscheinlich. Nach den Untersuchungen von Ubbas-tschitsch und Kiesow sind, wie mehrfach hervorgehoben, die Geschmacksfl\u00e4chen des Mundraums in der fr\u00fcheren Jugend ver-gr\u00f6fsert, und es ist nicht unwahrscheinlich, dafs durch das Nachwachsen des Parenchyms die Schmeckbecher nicht immer gleich-m\u00e4fsig vom Gaumenbogen verdr\u00e4ngt werden oder vielleicht untergehen. Die angegebene Regel bedarf somit nach unseren Erfahrungen der Einschr\u00e4nkung, dafs man mit Schiff annimmt, dafs \u201edie vorderen Pfeiler manchmal Geschmack besitzen.442\nNach Abschlufs dieser Versuche haben wir die gefundenen Resultate nochmals an 10 anderen Versuchspersonen mittleren Lebensalters nach der eingangs angegebenen Neu mann\u2019sehen Methode controlirt. Wir liefsen durch die Elektroden einen Strom fliefsen, der, wie oben angegeben, die Tast- und Schmerzapparate nicht erregte, wohl aber den elektrischen Geschmack auf den Schmeckfl\u00e4chen der Zunge deutlich erzeugte.\nAuch bei Anwendung dieser Methode kamen wir bei der erw\u00e4hnten 10 Herren f\u00fcr die Geschmacksempfindlichkeit de]\n1 A. Hoffmann, Ueber die Verbreitung der Geschmacksknospen beir Menschen. Virchow's Archiv 62, \u00d616.\n8 Schiff, Le\u00e7ons sur la Physiologie de la digestion 1867. Citirt nac! v. Vintschoac 8. 160.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tost- etc. Reize. 417\nUvula, der Tonsillen und der vorderen und hinteren Gaumenb\u00f6gen zu absolut negativen Resultaten.\nSchon v. Vintschgau glaubte bei der Besprechung der sich widersprechenden Versuchsergebnisse der einzelnen Forscher \u201evor der Hand den negativen Angaben mehr Werth beilegen zu m\u00fcssen als den positiven, da der Verdacht nicht ausgeschlossen werden kann, dafs die schmeckende Substanz l\u00e4ngs der Schleimhaut herabgeflossen sei und mit der Zunge in Ber\u00fchrung kam\u201c.1 Er f\u00fcgt hinzu, dafs dieser Verdacht nicht f\u00fcr Neumann\u2019s Versuche gelte, der dem unteren Theil des vorderen Gaumenbogens Geschmacksf\u00e4higkeit zusprach, da er schwache elektrische Str\u00f6me verwandt habe. Es ist aber auch daran zu denken, dafs bei Anwendung der NEUMANN\u2019schen Elektroden der am unteren Ende des vorderen Gaumenbogens sich leicht anh\u00e4ufende Speichel zersetzt oder durch diesen das elektrolytische Reizproduct nach den Schmeckfl\u00e4chen hin \u00fcbertragen werden kann. Wir haben diese Stelle vor jedem Versuche sorgf\u00e4ltig abgetrocknet und hier nie Geschmack beobachtet.\nIm Uebrigen konnte durch unsere Versuche nur weiter best\u00e4tigt werden, was schon bekannt ist. Wir fanden den weichen Gaumen durchaus schmeckf\u00e4hig, den harten in der Regel nicht, die Mitte der Zunge bei Erwachsenen nicht, bei Kindern dagegen h\u00e4ufig. Gerne h\u00e4tten wir gr\u00f6fsere Versuchsreihen an der hinteren Rachenwand angestellt, aber wir mufsten hiervon absehen, da es uns nicht immer gelang, st\u00f6rende Reflexe auszu-\u00dfchliefsen. Soweit wir aber eindeutige Resultate erzielen konnten, konnte auch durch diese Erfahrungen best\u00e4tigt werden, dafs die hintere Rachen wand Geschmacksf\u00e4higkeit besitzt. Ueber die Geschmacksempfindlichkeit der Epiglottis folgt umgehend eine weitere Mittheilung.\n1 v. VINT8CHGau, Cit. Arbeit, 160.\n(Eingegangen am 18. Juni 1901.)\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 26.\n27","page":417}],"identifier":"lit31586","issued":"1901","language":"de","pages":"383-417","startpages":"383","title":"Beobachtungen \u00fcber die Empfindlichkeit der hinteren Theile des Mundraumes f\u00fcr Tast-, Schmerz-, Temperatur- und Geschmacksreize","type":"Journal Article","volume":"26"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:26.437997+00:00"}

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