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{"created":"2022-01-31T16:22:33.527473+00:00","id":"lit31597","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26: 425-432","fulltext":[{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n425\nwelche \u00fcbrigens mit den anatomisch gewonnenen Zahlen (4 p) gut \u00fcber-einstimmt.\nAd 3: Wieder etwas ganz Anderes wird bestimmt, wenn wir nach Wolfing 2 vertical \u00fcbereinander stehende Linien noniusartig gegeneinander verschieben. Hier benutzen wir die Wahrnehmbarkeit kleinster Lagen-bezw. Gr\u00f6fsenunterschiede. F\u00fcr letztere konnte B. bis auf einen Winkelwerth von 2,5\u201c herabgehen (0,184 p Netzhautbild). Er erkl\u00e4rt diese hohe rSehsch\u00e4rfe\u201c \u00e4hnlich wie Hering in seinen \u201eGrenzen der Sehsch\u00e4rfe\u201c, wor\u00fcber schon in dieser Zeitschr. berichtet wurde. Die Sehsch\u00e4rfe war f\u00fcr verticale Striche am gr\u00f6fsten, f\u00fcr horizontale schon geringer, f\u00fcr solche von 45\u00b0 Neigung am geringsten. Ein Optimum in den 3 Richtungen, welche dem Mosaik der sechseckigen Zapfenquerschnitte entsprechen, liefs sich also nicht nachweisen.\tHeine (Breslau).\nKor. W. Tall ma nn. Taste and Smell in Articles of Diet. Mit Nachwort von Harlow Gale. Psychol. Studies by Gale (1), 118\u2014139. 1900.\nDie vermeintlichen Verschiedenheiten des Geschmacks sind in Wirklichkeit fast alle solche des Geruchs; und aufserdem wird der Geschmack-siim vom Tastsinn sehr beeinflufst. Verkleidet man eine Speise derart, d&b sie den Tasteindruck einer anderen macht, so stellt sich meist auch der betreffende Geschmack ein, wie \u00fcberhaupt hier Suggestion sehr wirksam ist. Nach Ausschaltung aller H\u00fclfswahrnehmungen bleiben nur die 4 fundamentalen Geschmacksrichtungen: s\u00fcfs, sauer, salzig, bitter. Die F\u00e4higkeit ihrer Wahrnehmung ist ungleich ; s\u00fcfs wird am leichtesten, bitter am unsichersten unterschieden. Auch die individuellen Unterschiede sind betr\u00e4chtlich, besonders bei s\u00fcfs, am wenigsten f\u00fcr sauer.\nGale weist in seiner Nachschrift besonders darauf hin, dafs die Lustbetonung von s\u00fcfs, sauer und salzig, wie die Unlustbetonung von bitter ans biologischen Principien abzuleiten sei. Die betreffende Lustbetonung trete beim Kind immer erst dann ein, wenn die entsprechende Speise n\u00fctzlich sei, zuerst bei s\u00fcfs, im zweiten Jahr bei salzig, und erst in der letzten H\u00e4lfte des dritten bei sauer. \u2014 Wohlgefallen an bitterem, das weniger sch\u00e4dlich ist, erkl\u00e4re sich aus der Gew\u00f6hnung, so bei den geistigen Getr\u00e4nken.\tEttlinger (M\u00fcnchen).\nKagnak Vogt. Ueber Ablenkbarkeit and Gew\u00f6hnungsf\u00e4higkeit. Kraepelin's Psychol. Arbeiten 3, 62\u2014201. 1899.\nUm das Wesen der Ablenkbarkeit, welche in vielen Geisteskrankheiten, z. B. Manie, Katatonie, Ersch\u00f6pfungspsychosen, einen sehr hohen Grad annehmen kann, in exacter Weise zu untersuchen, stellte Verf., zumeist an eich selbst, eine grofse Zahl verschiedengestaltiger Versuche unter den in der Kraepelin\u2019sehen Schule \u00fcblichen R\u00fccksichten und Vorsichten an. Die ablenkenden St\u00f6rungen waren zun\u00e4chst unterbrochener Art. So mufsten bei den \u201eAuffassungsversuchen\u201c sinnlose Silben, die auf einer r\u00f6hrenden Trommel mittelst eines 3 mm weiten Spaltes ins Gesichtsfeld traten, aufgefafst und hergesagt werden, w\u00e4hrend gleichzeitig von den 19 klingenden Metronomschl\u00e4gen in der Minute \u2014 jeder zweite Metronom-","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nLiteraturbericht.\nschlag war ein Klingelschlag \u2014 entweder nur jeder durch eine einfache klopfende Fingerbewegung (A + R) oder aufserdem noch jeder vierte durch eine Doppelbewegung (A R G) markirt wurde. Vorher und zwischendurch wurden nat\u00fcrlich Auffassungen ohne St\u00f6rungen vorgenommen. Es ergab sich nun, dafs weder R noch R -j- G die Auffassung beeintr\u00e4chtigte, dafs dagegen die Anzahl der fehlerhaften Reactionen bei R -j- G gr\u00f6fser war als bei R. Den Grund f\u00fcr den ungest\u00f6rten Ablauf der Hauptarbeit erblickt Verf. in den leeren Pausen zwischen den einzelnen Silben (331 in 6 Min.), in welche die Markirungen von selbst fielen oder bequem verlegt werden konnten, so dafs eine etwaige Beeintr\u00e4chtigung der Auffassung bei dieser Versuchsanordnung nur zu einer Verk\u00fcrzung der Pausen f\u00fchrte. Aber auch bei einer mehr continuirlichen Auffassungsarbeit, bei der in einem v\u00f6llig unverstandenen, finnischen Texte jedes \u00bb, l und 8 bei gleichzeitigem Reagiren auf jeden einzelnen und jeden vierten Metronomschlag durchstrichen wurde (A D R G), ergab sich nur eine Herabsetzung der Leistung um ca. 8 \u00b0/0, die um so weniger in Betracht kommt, als sich bereits bei st\u00f6rungsfreien Versuchen m i t Durchstreichen eine Verminderung der Leistung um 16%, gegen\u00fcber solchen ohne Durchstreichen herausstellte und andererseits bei den letzteren mit der gleichzeitigen Nebenarbeit R -{- G keine merkliche Beeintr\u00e4chtigung der reinen Abfassung sich zeigte. Diese leidet also jedenfalls viel weniger unter einer Nebenarbeit als die Reactionsbewegungen, zu denen auch das Durchstreichen geh\u00f6rt. Ganz deutlich zeigte sich dies bei den gleichen Versuchen an einer anderen Person. \u2014 Bei den Additionen ergab sich ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen dem fortlaufenden Addiren bis 100 ohne Niederschreiben der Summen (a-Addition) und dem Addiren je 2 einziffriger Zahlen mit jedesmaligem Niederschreiben der Summen (&-Addition). Dort verursachte R -f- G eine weitaus gr\u00f6fsere Abnahme der Leistung als hier, wo die Reaction \u2014 auf ungef\u00e4hr 4\u20145 Additionen kam immer ein Klingelschlag \u2014 in den leeren Pausen stattfand, w\u00e4hrend das nothwendige Merken der Summen die fortlaufende Addition zu einer continuirlichen Arbeit machte. Dieser Umstand kam umsomehr in Betracht, als diese Ged\u00e4chtnifsarbeit ebenso wie das Merken der Metronomschl\u00e4ge bei dieser Versuchsperson urspr\u00fcnglich sich in muscul\u00e4r-akustischer Art vollzog, so dafs letzteres auf dem ungewohnten, mehr optischen Wege allm\u00e4hlich versucht wurde, nat\u00fcrlich auf Kosten der Additionen. Auch handelte es sich bei der fortschreitenden Addition um \u00fcberwiegend zweistellige Zahlen; allerdings f\u00e4llt dieser Umstand, selbst abgesehen von dem hohen Uebungsgrade, schon deshalb nicht sehr ins Gewicht, weil die Versuchsperson instinktiv das Reagiren wie das Merken der Klingelschl\u00e4ge in die Zeiten zwischen den eigentlichen Additionen verlegte. Wodurch nun die Abnahme der Leistung beim zifferweisen Addiren bedingt war, suchte Verf. dadurch zu entscheiden, dafs er dieses ohne Niederschreiben und ohne St\u00f6rung vornahm ; auch bestimmte er die einfache Schreibgeschwindigkeit. Im letzteren Falle war nat\u00fcrlich die Leistung am gr\u00f6fsten, w\u00e4hrend sie bei den Additionen mit Niederschreiben der Summen am kleinsten war, so dafs auch hier der st\u00f6rende Einflufs des R + G wohl mehr auf die Reactionsbewegung, auf das Niederschreiben, als auf das eigentliche","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n427\nAddiren kommt. \u2014 Neben dem Einfl\u00fcsse von R + G untersuchte Verf. auch den des blofsen Anh\u00f6rens der Metronomschl\u00e4ge auf die fortschreitende Addition (Ad + M) ; in diesem Falle blieb jede Beeintr\u00e4chtigung aus, vielleicht weil complicirtere Nebenarbeiten schon vorausgegangen waren. Dagegen seigte sich eine Verminderung der Leistung sowohl beim Reagiren auf Metronomschl\u00e4ge durch das Niederschreiben eines Punktes (Ad -f- R) als beim Reagiren auf diese Punkte durch Hinzusetzen eines 2. Punktes (Ad + Rt), als beim Markiren jedes 4. Metronomschlages durch ein Kreuz (Ad + Q). Im letzteren Falle war die St\u00f6rung am gr\u00f6fsten und nur ein wenig geringer als bei Ad -j- R -j- G, w\u00e4hrend zwischen Ad -j- R und Ad-\\-Rt kein Unterschied war. Im Verlaufe der Versuche trat jedoch nach Abzug des Uebungszuwachses beim einfachen Addiren eine sehr bedeutende Gew\u00f6hnung an die St\u00f6rung ein, die namentlich in den ersten Tag stark anstieg, um sich schliefslich in constanter H\u00f6he zu erhalten, und die durch lange Unterbrechung nicht besonders beeintr\u00e4chtigt, jedenfalls schnell wiedergewonnen wurde. In der Tagescurve zeigten die St\u00f6rungsveraache, dafs ihre h\u00f6chste Leistung nur in den letzten Tagen auf die ersten \u00f4 Min. fiel, w\u00e4hrend bei den ungest\u00f6rten Additionen die Leistung fast stets im Verlaufe des Tages stetig sank, um allerdings selbst durch 1 Min. Pause wieder zu steigen. Selbst beim blofsen Anh\u00f6ren der Metronomschl\u00e4ge trat diese Erscheinung auf, am deutlichsten aber zeigte sie sich beim einfachen Registriren derselben, w\u00e4hrend bei Ad -j- Q und Ad -f- R + G die Erm\u00fcdung sich stark geltend machte; diese war hier gr\u00f6fser, beim blofsen Anh\u00f6ren oder Markiren der Schl\u00e4ge geringer als beim einfachen Addiren. Die Uebung endlich wuchs trotz bereits anf\u00e4nglich hohen .Grades beim einfachen Addiren sehr bedeutend, ging jedoch schnell wieder verloren und zwar nach kurzen Unterbrechungen in nicht viel geringerem Grade als nach langen, zeigte aber von Tag zu Tag keine so grofse Ein\u00ab bufee wie die Gew\u00f6hnung. Ziffernm\u00e4fsige Angaben vermochte jedoch Verf. auf Grund dieser Versuche trotz complicirter Berechnungen weder in Bezug auf Erm\u00fcdung, noch auf Uebung, noch auf Gew\u00f6hnung zu machen. Daher stellte er an seiner Frau, die um den Zweck der Experimente nichts wufste und an St\u00f6rungen nicht gewohnt war, fortlaufende Additionen derart an, dafs sie die Summen abwechselnd motorisch durch halblautes Sprechen und sensorisch als Klangbilder sich merkte. Die Leistungs-abnahme im Verlaufe des 1 '/* st\u00fcndigen Arbeitens war allerdings dort gr\u00f6fser als hier, aber nicht nur in Folge der Erm\u00fcdung, sondern auch dadurch, dafs, wie schon die Selbstbeobachtung lehrte, das sensorische Addiren xuerst schwieriger fiel als das motorische. Uebrigens nahm auch hier die Erm\u00fcdung mit der fortschreitenden Uebung ab; diese wiederum zeigte keinen Unterschied zwischen den beiden Additionsarten. Dagegen war die St\u00f6rung durch die Reproduction des Alphabets beim motorischen Addiren, wo die Buchstaben als Gesichtsbilder auftauchten, gr\u00f6fser als beim sensorischen, wo die Buchstaben hergesagt wurden; auch war im letzteren Falle die Zahl der reproducirten Buchstaben gr\u00f6fser. Kein Unterschied zwischen den beiden Additionsarten zeigte sich bei gleichzeitigem Registriren der Metronomschl\u00e4ge durch Punkte. Auch hier ergab sich also, dafs selbst 2 motorische Vorg\u00e4nge sich nicht st\u00f6ren, wenn sie verschiedener","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nLitera turbericht.\nArt sind. Die Gew\u00f6hnung war in diesen Versuchen eine schnelle, ja blieb nicht auf diese beschr\u00e4nkt, sondern als nach ihnen die Additionen mit Reproduction des Alphabets wiederum, nach zw\u00f6lft\u00e4giger Unterbrechung; aufgenommen wurden, war die Gew\u00f6hnung an diese St\u00f6rangsart unver\u00e4ndert, wenn nicht gr\u00f6fser. Ebenso zeigte sich, dafs das Lernen 12 etelliger Zahlen b\u00ebi gleichzeitigem Reagiren auf Metronomschl\u00e4ge schneller von statten ging, nachdem eine Ein\u00fcbung des Addirens bei gleichzeitigem Registriren der Metronomschl\u00e4ge oder Reproduciren des Alphabets statt-gefunden hatte, als vorher. Ja, am letzten Tage st\u00f6rte das Reagiren du Zahlenlernen \u00fcberhaupt nicht mehr. Wie die Versuchsperson selbst bemerkte, schwand schon am 2. St\u00f6rungstage \u00fcberhaupt das l\u00e4stige Gef&hl der Verdriefslichkeit \u00fcber die Schwierigkeit, 2 Arbeiten zu combiniren. Es findet also eine \u201eMit\u00fcbung\u201c der einen Arbeit durch die andere statt, die nat\u00fcrlich um so gr\u00f6fser ist, je \u00e4hnlicher die Arbeiten sind. Dafs nun bei dieser Versuchsperson im Gegens\u00e4tze zu der vorigen die St\u00f6rung des Zahlenlernens durch das Registriren am letzten Tage g\u00e4nzlich schwand, erkl\u00e4rt Verf. damit, dafs die eratere die Zahlen optisch, also mit l\u00e4ngeren Pausen, die letztere dagegen motorisch, also schneller lernte ; daher wurden auch die Zahlen von dieser 3 mal so schnell wiederholt als von jener. \u2014 Die dritte Hauptarbeit, deren Beeinflussung durch die Metronomschl\u00e4ge Verf. an sich untersuchte, war das Lernen 12stelliger Reihen von Zahlen und sinnlosen Silben. Hier ergab bereits das blofee Anh\u00f6ren der Schl\u00e4ge eine Herabsetzung der Leistung und das Reagiren auf dieselben sowohl als einfaches R wie als R -f- G eine gr\u00f6fsere als bei den ; Addition. Dieses zeigte sich jedoch beim Lernen der Zahlen in h\u00f6herem Grade als bei dem der Silben, trotzdem dafs dieses schwerer war als jenes. Den Grund findet Verf. in der Lernmethode. Diese war zun\u00e4chst muscular-akustisch; allm\u00e4hlich aber erlangte bei den Zahlen das motorische, bei \u25a0 den Silben das akustische mit seinen l\u00e4ngeren Pausen das Uebergewicbt : In Folge dieser wechselnden Lernweise und des fortgesetzten Suchen! nach der zweckm\u00e4fsigsten Arbeitsweise, das namentlich bei den Zahlen hervortrat, war die im Verlaufe eines Tages erlangte Gew\u00f6hnung sehr fl\u00fcchtiger Natur. Auch die Thatsache, dafs der Uebungszuwachs bei den Zahlen siebenmal gr\u00f6fser war als bei den Silben und auch die Anzahl der Wiederholungen d. h. die Schnelligkeit des Ablesens bei den Zahlen nicht nur von vornherein gr\u00f6fser war, sondern noch stetig wuchs, w\u00e4hrend sie bei den Silben stetig abnahm, ist in der Lernweise begr\u00fcndet. Mit dieser h\u00e4ngt es endlich auch zusammen, dafs im Verlaufe des einzelnen Tagei nur bei den Silben die Leistung wie bei den Additionen allm\u00e4hlich sank, w\u00e4hrend bei den Zahlen die beste Leistung h\u00e4ufig nicht auf die ersten 5 Min. fiel. Dementsprechend zeigte auch die Selbstbeobachtung beim Addiren grofse Willensanspannung mit starker Muskelbewegung, w\u00e4hrend beim Zahlenlernen dies hinderte und eine mehr gleichm\u00e4fsige Arbeitsweise, eine Vereinigung der akustischen und motorischen Lern weise mit wachsendem Uebergewicht der letzteren n\u00f6thig war. Erfolgte jedoch das Lernen unter St\u00f6rung, dann trat auch bei den Silben, abgesehen von den letzten Tagen, eine erhebliche Leistungszunahme im Laufe des Tages ein; aber auch dann war diese Erscheinung bei den Zahlen ausgepr\u00e4gter. In","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberich t.\n429\nBezug auf die Erm\u00fcdung zeigte ein Vergleich der letzten Viertelstunde mit der ersten, dafs sie beim schwierigen Lernen, namentlich bei dem der Zahlen, kleiner ist als beim leichten Addiren. Allerdings erfolgte, wie bereits erw\u00e4hnt, das Addiren unter grofser Willensanstrengung; trotzdem pebt Verf. selbst zu, dafs dieses auff\u00e4llige Resultat den Werth der angewandten Berechnungsweise fraglich macht. Ebenso l\u00e4fst sich ein eindeutiger Einflufs der St\u00f6rung auf die nachfolgende Normalarbeit weder beim Lernen noch beim Addiren ermitteln.\nUnunterbrochene St\u00f6rungen suchte Verf. durch das leise Hersagen von wohl einge\u00fcbten Gedichten, dessen Geschwindigkeit besonders bestimmt wurde, herbeizuf\u00fchren. Hierbei kam auch in Wegfall die Ein\u00fcbung der st\u00f6renden Arbeit ebenso wie die Hauptarbeiten bereits gut einge\u00fcbt waren. Aus all diesen Gr\u00fcnden ist eine Gew\u00f6hnung hier ausgeschlossen. Die Hersagegeschwindigkeit war bei der zifferweisen Addition die n\u00e4mliche wie bei der fortschreitenden und betrug in beiden Wien 40\u00b0/0 der normalen, wobei jedoch zu ber\u00fccksichtigen ist, dafs die Versuchsperson der Vergleichbarkeit wegen absichtlich in beiden Additions-arten die n\u00e4mliche Geschwindigkeit innezuhalten sich bem\u00fchte, ln Bezug auf die Leistung wies dagegen das zifferweise Addiren mit den optisch gegebenen Summanden und niederzuschreibenden Summen keinerlei Beeinflussung, das fortlaufende Addiren eine sehr bedeutende Beeintr\u00e4chtigung auf. Denn hier waren Haupt- und Nebenarbeit normalerweise muscul\u00e4r-aknstischer Art, also sehr \u00e4hnliche Vorg\u00e4nge, so dafs sich das ungewohnte, zu hohen Spannungsempfindungen in den Augen f\u00fchrende Streben geltend machte, die Summen optisch zu merken. Noch st\u00f6render wirkte dieser m\u00fchsame Ausweg auf das Zahlenlernen. Da aber hier das optische Einpr\u00e4gen vollst\u00e4ndig gelang, so zeigte sich das Hersagen weniger beeintr\u00e4chtigt als beim Addiren. \u2014 Wurde ein Gedicht leise hergesagt, w\u00e4hrend ein anderes niedergeschrieben wurde, und in Parallelversuchen die Geschwindigkeit beider gesonderter Th\u00e4tigkeiten bestimmt, dann zeigte sich das Schreiben weniger beeinflufst als das Hersagen, weil, wie Verf. meint, jenes mehr unbewufst sich vollzieht und ein fl\u00fcchtiges unklares Sprech-klangbild oder optisches Bild der zu schreibenden Zeile ausreicht, um das langwierige Niederschreiben derselben auszul\u00f6sen. Der Gew\u00f6hnungszu-vachs war beim Niederschreiben gr\u00f6fser als beim Hersagen und in beiden F\u00e4llen bedeutender als der Uebungszuwachs. \u2014 Die Vereinigung von 2 noch mechanischeren Vorg\u00e4ngen, das Niederschreiben des Alphabets w\u00e4hrend des Z\u00e4hlens von 200 ab ergab nur eine Herabsetzung des Schreibens und auch diese nur in den ersten Tagen; dagegen gelang es nicht Zahlen und Buchstaben gleichzeitig als Sprechklangbilder zu re-produciren; wurden die Buchstaben nicht niedergeschrieben, dann wurden sie als optische Schriftbilder reproducirt, und zwar in 10 mal so langer Zeit als f\u00fcr das einfache Aussprechen erforderlich ist.\nEine dritte St\u00f6rungweise war dadurch charakterisirt, dafs wie im gew\u00f6hnlichen Leben die M\u00f6glichkeit vorhanden war, die St\u00f6rung zu umgehen. Es wurden daher bestimmte Buchstaben beim Durchlesen eines deutschen und eines v\u00f6llig unbekannten, finnischen Textes durchstrichen. Auf diese Weise glaubte Verf. die Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr eine St\u00f6rung","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nLiteraturbericht.\nim Unterschiede von der Sammlungsf\u00e4higkeit eu bestimmen. Wurde nun nur jedes n durchstrichen, dann war die Zahl der abersehenen n im sinnvollen Texte wohl etwas gr\u00f6fser als im sinnlosen, aber auch dort sehr gering. Selbst als jedes l, n und 8 bezw. jedes l, \u00ab, o, s und v zu durchstreichen war, war nur die Fehlerzahl anfangs im deutschen Texte merklich gr\u00f6fser, um zuletzt ebenfalls nur 7\u00ab\u00b0/o zu betragen. Erst als jedes 2. n und s durchstrichen wurde, ergab die Zahl der durchstrichenen wie der durchsuchten Buchstaben eine quantitative Herabsetzung im deutschen Texte; noch deutlicher trat diese bei der Durchstreichung jedes 2. I, n und 8 hervor. Um nun das Verh\u00e4ltnifs von Empf\u00e4nglichkeit und Sammlungsf\u00e4higkeit zu einander zu bestimmen, w\u00e4re es nunmehr erforderlich, die letztgenannte Arbeit bei sinnlosem Texte w\u00e4hrend verschiedener St\u00f6rungen sa untersuchen. Vorher jedoch w\u00e4re noch n\u00f6thig, das obige Ergebnifs bei 2 Texten nachzupr\u00fcfen, in denen das Verh\u00e4ltnifs der zu durchstreichenden Buchstaben zu allen vorhandenen das n\u00e4mliche ist. Auch weist Verf. darauf hin, dafs dieses Ergebnifs wenigstens theilweise vielleicht dadorch bedingt ist, dafs man den sinnvollen Text mehr in Form von W\u00f6rtern ilf Buchstaben auffafst, so dafs es rathsam w\u00e4re an Stelle des sinnvollen Textes zusammenhangslose Reihen einzelner muttersprachlicher W\u00f6rter za gebrauchen.\nEndlich stellte Verf. noch Versuchsgruppen unter pathologischen Bedingungen an. In der einen wurde das zifferweise Addiren w\u00e4hrend gleichzeitigen Anh\u00f6rens oder einfachen Registrirens der Metronomschllge bei einem Paralytiker und Epileptiker untersucht; nur der letztere, der sehr gewissenhaft und langsam arbeitete, zeigte eine betr\u00e4chtliche , Herabminderung der Leistung; aber der Paralytiker markirte nur in den Pausen und vernachl\u00e4ssigte V* der Schl\u00e4ge. \u2014 In der 2. Gruppe wurde der Einflufs von 30 gr Alkohol untersucht. Nur die einfache fortschreitende Addition erwies sich etwas beeintr\u00e4chtigt. Wurden gleichzeitig Metronomschl\u00e4ge angeh\u00f6rt, so ergab sich gar keine St\u00f6rung und wurden sie durch R oder R -J- G markirt, so zeigte sich sogar eine geringe F\u00f6rderung im Vergleiche mit den n\u00e4mlichen Versuchen ohne vorherigen Alkoholgenufe, offenbar in Folge der erleichterteu Ausl\u00f6sung von Bewegungsvorg\u00e4ngen nach letzterem; Versuche mit Durchstreichung jedes 2. I, n und 8 in sinnvollem und sinnlosem Texte unter dem Einfl\u00fcsse des Alkohols f\u00fchrten zu keinem brauchbaren Ergebnisse.\nDiese Angaben, welche den wesentlichsten Inhalt der vorliegenden Arbeit enthalten, d\u00fcrften bereits zur Gen\u00fcge zeigen, dafs wir es hier mit einer sowohl in den Versuchsbedingungen wie in der Verwerthung der gewonnen Resultate sehr sorgf\u00e4ltigen und wohldurchdachten Untersuchung zu thun haben. Man kann dem Verf. nur beistimmen, wenn er seine Ausf\u00fchrungen mit den Bemerkungen schliefst: \u201eZum Schl\u00fcsse ist zu betonen, dafs die St\u00fcrungsversuche uns tiefe Einblicke in die nat\u00fcrliche Veranlagung der Versuchspersonen gestatten. Bei der entschieden grofsen Bedeutung der Arbeitsweise f\u00fcr die Ausgleichung von bestimmten St\u00f6rungen werden wir in der Verbindung verschiedenartiger Haupt- und Nebenarbeiten ein Mittel besitzen, um theils aus der Gr\u00f6fse der stattfindenden Ablenkung, theils aus der Schnelligkeit und aus dem Umfange der eintretenden Ge-","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbet'icht.\n431\nw\u00f6hnung Schl\u00fcsse auf die besondere Art zu ziehen, mit welcher der Einzelne die verschiedenen H\u00fclfsmittel des optischen, akustischen oder psychomotorischen Gebietes zur L\u00f6sung der gestellten Aufgaben gewohnheits-m\u00e4fsig verwendet. Niemand aber wird bezweifeln, dafs ohne tieferen Einblick in diese pers\u00f6nlichen Arbeitsbedingungen, in die Eigenart der Veranlagung, ein grofser Theil der Versuche unverst\u00e4ndlich bleiben mufs, durch die wir Aufschl\u00fcsse \u00fcber das entwickelte Getriebe unseres Seelenlebens erhoffen\u201c (S. 198). Um so bedauerlicher aber ist es, dafs Verf. die Versuche zum weitaus gr\u00f6fsten Theile nur an sich anstellte. Denn abgesehen von der Einbufse an Allgemeing\u00fcltigkeit, welche die Resultate hierdurch erleiden \u2014 Verf. selbst betont ja wiederholt die Eigenart seiner Arbeite- und Lern weise \u2014 h\u00f6rt das Verfahren dadurch auf, ein unwissentliches zu sein. Hierzu kommt noch, dafs die Resultate zuweilen aus einer zu geringen Anzahl von Versuchen gewonnen sind. Wurden doch manche Versuchsarten nur an 1 oder 2 Tagen angestellt, z. B. das Hersagen von Gedichten beim Addiren und beim Zahlenlernen. Auch das n\u00f6thige Uebungsstadium war noch nicht erreicht; steigt doch selbst eine so allt\u00e4gliche Th\u00e4tigkeit, wie das einfache Addiren noch innerhalb von ca. 2 Monaten von 1007 Aufgaben bis zu 3668. \u2014 Das gegenseitige Verh\u00e4ltnif8 von Uebung und Gew\u00f6hnung ist nicht gen\u00fcgend scharf herausgearbeitet, vielmehr sind beide Erscheinungen so unabh\u00e4ngig von einander behandelt, als ob sie in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung zu einander st\u00e4nden. Bei beiden wurde ferner der Unterschied zwischen der vor\u00fcbergehenden Tages\u00fcbung oder \u2014 Gew\u00f6hnung und der dauernden Uebung oder Gew\u00f6hnung nicht ausreichend beachtet, obgleich dort ganz andere psychologische Faktoren in Betracht kommen als hier. Auch sonst stellt Verf. h\u00e4ufig Behauptungen \u00fcber die Wirkungsweise der Uebung an, die nicht frei von Bedenken sind. So nimmt er an, dafs \u201eder Uebungszu-wachs w\u00e4hrend der St\u00f6rungsarbeit, wo viel langsamer addirt worden ist, kleiner gewesen ist, als w\u00e4hrend der Normalarbeit\u201c. Das scheint mir gar nicht so \u201enat\u00fcrlich\u201c. Zum mindesten denkbar ist es, dafs man durch langsames Arbeiten mehr eine Fertigkeit erlangt als durch schnelles. Im Ganzen verf\u00e4hrt Verf. bei der Berechnung der Uebung wie auch der Erm\u00fcdung und Gew\u00f6hnung viel zu constructiv und mathematisch-deductiv. Daher auch die sonderbaren und widerspruchsvollen Ergebnisse, zu denen er gelangt, und das schliefsliche eigene Zugest\u00e4ndnis, dafs die angewandte Berechnungsweise zu keinem sicheren Urtheil z. B. \u00fcber die Erm\u00fcdungserscheinungen f\u00fchrt. Endlich noch einige Kleinigkeiten. Aus den Tabellen \u00fcber die Auffassungsversuche an der Kymographiontrommel scheint mir hervorzugehen, dafs die Verlesungen zunehmen, wenn die Markirungsfehler abnehmen. Von Interesse w\u00e4re es, wenn die Art und Weise angegeben w\u00e4re, wie die Auffassung der Buchstaben l, n und \u00ab controlirt wurde, sobald sie nicht durchstrichen wurden; ebenso h\u00f6ren wir nicht, wie die zifferweisen Additionen gepr\u00fcft wurden, wenn die Summen nicht niedergeschrieben wurden. Ganz unerfindlich ist mir, wie Verf. auf S. 156 je 6 Werthe f\u00fcr die m- und \u00abTage erh\u00e4lt, obgleich es nur je 4 Tage giebt, an denen das reine m- und \u00ab Addiren nur w\u00e4hrend der dritten halben Stunden vorgenommen wurde. \u2014 Auf S. 107 mufs es f\u00fcr 100 : 66,2 bezw.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"1\n432\tLiteraturbericht.\n100 : 64,4 heifsen 66,2 : 100 bezw. 64,4 :100. Endlich w\u00e4re es rathsam za vermeiden, dafs R -f* Q bei den Auffassungsversuchen eine etwas andere geartete St\u00f6rung bedeutet, als bei den Additionen.\nAbthub Wreschneb (Z\u00fcrich).\nJacopo Finzi. Zur Untersuchung der Aiffassungsfahigkelt and lerkfihigkett\nKraepelin's Psychol. Arbeiten 3, 289\u2014384. 1900.\nDie bisherigen Ged\u00e4chtnifsuntersuchungen, wie z. B. die an Geisteskranken con8tatirten nur den vorhandenen Besitzstand von Erinnerungen ohne R\u00fccksicht auf die \u00fcberhaupt erworbenen und die noch zu erwerbenden Kenntnisse, oder sie sind f\u00fcr die klinische Beobachtung zu complicirt wie z. B. die von Ebbinghaus ausgef\u00fchrten, oder sie sind zu oberfl\u00e4chlich und unsicher wie die nach der Methode der \u201emental tests.\u201c Verf. wandte daher ein neues Verfahren an, um die Auffassungsf\u00e4higkeit und Merkf\u00e4higkeit, letztere im Sinne Wernickes als die F\u00e4higkeit \u201ewillk\u00fcrlicher Einpr\u00e4gung und Beherrschung dargebotener Eindr\u00fccke und Vorstellungen,8 also als Maafs der augenblicklichen Leistungsf\u00e4higkeit des Ged\u00e4chtnisse\u00ab gegen\u00fcber frischen Eindr\u00fccken zu untersuchen. Er bot n\u00e4mlich Buchstaben (im grofsen lateinischen Alphabet), Zahlen und 3buchstabige sinnlose Silben (aus dem kleinen lateinischen Alphabet), die auf durchsichtigem Papier mit der Schreibmaschine gedruckt waren, vermittelst eines eigens, nach dem Vorbilde des Schufsmyographions construirten, n\u00e4her beschriebenen Apparates als Gesichtsreize bei durchscheinendem Lichte dar. Die Lichtquelle war ein Auerbrenner. Die Anzahl der Reize, die so geordnet waren, dafs entweder je 1 oder je 2 oder je 3 unter einander standen, wechselte; jeder Punkt des Reizes war 16,76 a sichtbar. Die Gesammtzahl der Auffassung\u00bb- v versuche war 2630, die der Merkversuche 7080 ; sie wurden an 12 akademisch gebildeten Personen zwischen 20 und 35 Jahren unter den \u00fcblichen Cautelen gewonnen, aber nicht an allen in gleicher Zahl.\nDie Auffassungsversuche, bei denen die K\u00e4rtchen mit 9 Buchstaben zur Anwendung kamen und das Gesehene sofort laut hergesagt wurde, mit gleichzeitiger Bezeichnung der Stelle auf einem Quadrat mit 9 leeren Abtheilungen, ergaben, dafs im Gesammtdurchschnitte von allen Personen 2 1/3 Buchstaben richtig und 3 \u00fcberhaupt genannt wurden. Die Irrth\u00fcmer schwanken in ihrer Anzahl je nach der Versuchsperson und bestanden in Verstellungen und Verkennungen d. h. Buchstaben, die sich \u00fcberhaupt nicht in der Vorlage fanden; die Zahl der letzteren ist durchg\u00e4ngig die gr\u00f6fsere. Gleiche Versuche mit 4 und 6 Buchstaben zeigten, dafs die richtigen Angaben im Procentsatz zur Zahl der dargebotenen Reize\nstets und im absoluten Werthe mehrfach mit der Zahl der Reize abnimmt;\n\u2666\ndagegen bleibt die Zahl der \u00fcberhaupt wiedergegebenen Buchstaben un-beeinflufst von der Reizzahl; es w\u00e4chst also mit dieser vor allem die Fehierzahl, namentlich die der Verstellungen, wozu ja auch die M\u00f6glichkeit steigt; nur ist die Fehlerzahl bei 9 Buchstaben geringer als bei 6, weil jene weitaus am h\u00e4ufigsten vorkamen und wie die 4 Buchstaben in einem Quadrat, die 6 Buchstaben dagegen in einer senkrechten S\u00e4ule angeordnet waren. Ein Vergleich der Buchstaben und Zahlen, die zu je 6 dargeboten","page":432}],"identifier":"lit31597","issued":"1901","language":"de","pages":"425-432","startpages":"425","title":"Ragnar Vogt: Ueber Ablenkbarkeit und Gew\u00f6hnungsf\u00e4higkeit. Kraepelin's Psychol. 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